Bundesgerichtshof Beschluss, 21. Nov. 2019 - 4 StR 546/19

bei uns veröffentlicht am21.11.2019

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 546/19
vom
21. November 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Totschlags
ECLI:DE:BGH:2019:211119B4STR546.19.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 21. November 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 6. Juni 2019 im Strafausspruch aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Totschlags, begangen an seiner Ehefrau, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat zum Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Strafausspruch hat keinen Bestand. Die Strafkammer hat strafschärfend berücksichtigt, dass der Angeklagte in seiner Einlassung das Opfer in besonderer Weise verächtlich gemacht habe, indem er ihm abseitige sexuelle Interessen unterstellt habe. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte dahin eingelassen, dass seine Ehefrau den Höhepunkt beim Geschlechtsverkehr nur erreicht habe, wenn er sie gedrosselt habe. Auch am Morgen des Tat- tages habe er mit ihr verkehrt, dabei habe er sie zu heftig gedrosselt, was er zunächst nicht bemerkt habe. Mit der Behauptung regelmäßiger Strangulationspraktiken beim Geschlechtsverkehr sollte der Vorwurf der vorsätzlichen Tötung entkräftet werden. Insoweit stellt sie sich als zulässiger Teil der Verteidigung des Angeklagten dar und diente nicht lediglich dem Zweck, das Tatopfer herabzuwürdigen , so dass sie nicht straferschwerend gewertet werden darf (vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. Juni 1989 – 1 StR 272/89, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 6; vom 29. März 1994 – 1 StR 71/94, BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 13; vom 22. September 2011 – 2 StR 313/11, juris Rn. 4).
3
Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben.
Quentin Roggenbuck Cierniak
Bender Feilcke

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 46 Grundsätze der Strafzumessung


(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen. (2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Um

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Sept. 2011 - 2 StR 313/11

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

4
Soweit die Kammer die Vorlage von Bildaufnahmen und Zeichnungen strafschärfend berücksichtigt, wirft sie dem Angeklagten ein Verhalten vor, das lediglich seiner Verteidigung diente und die Grenzen einer angemessenen Verteidigung nicht überschritt. Die Glaubwürdigkeit einer Belastungszeugin in Frage zu stellen, auch anhand von Bildern bzw. Zeichnungen, die sie abbilden bzw. von ihr herrühren, gehörte hier zum geschützten Recht aufVerteidigung, auch wenn diese Unterlagen womöglich Rückschlüsse auf Neigungen oder Vorlieben im Sexualleben der Geschädigten erlaubten.