Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Nov. 2007 - 4 StR 529/07

bei uns veröffentlicht am20.11.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 529/07
vom
20. November 2007
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen zu Ziff. 1. Vergewaltigung
zu Ziff. 2. Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 20. November 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 b Satz 1 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 13. März 2007 in den Aussprüchen über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe aufgehoben , dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafen nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen. 3. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten H. wegen Vergewaltigung (Einzelstrafe : zwei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bochum vom 6. Mai 2004 sowie unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 9. Juli 2004 und der mit Beschluss des Amtsgerichts Neuss vom 22. Februar 2005 jeweils gebildeten nachträglichen Gesamtstrafen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Den Angeklagten B. hat es wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung (Einzelstrafe: drei Jahre sechs Monate Freiheitsstrafe) unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 24. Mai 2005 unter Auflösung der im Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 14. November 2005 gebildeten nachträglichen Gesamtstrafe zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt.
2
Die Revisionen der Angeklagten, mit denen sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügen, sind unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit sie sich gegen die Schuldsprüche und die verhängten Einzelstrafen richten. Hingegen können die Gesamtstrafenaussprüche bezüglich beider Angeklagten keinen Bestand haben.
3
1. Bei der den Angeklagten H. betreffenden Gesamtstrafenbildung ist das Landgericht mit Blick auf die im Oktober 2003 begangene verfahrensgegenständliche Tat zwar rechtsfehlerfrei von einer Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Bochum vom 6. Mai 2004 ausgegangen und hat die dort verhängte sechsmonatige Bewährungsstrafe bei der Gesamtstrafenbildung berücksichtigt. Es hat jedoch rechtsfehlerhaft davon abgesehen, auch die noch nicht erledigte (Einzel-)Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 9. Juli 2004 ebenfalls in die Gesamtstrafe einzubeziehen. Die dieser Verurteilung zu Grunde liegende Tat wurde ausweislich der Urteilsgründe am 31. Januar 2004, mithin ebenfalls vor der Zäsur am 6. Mai 2004 begangen. Gleichermaßen liegt es mit Blick auf den Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Neuss vom 22. Februar 2005 nahe, dass auch die sechsmonatige Bewährungsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Gummersbach vom 2. August 2004 in die nachträgliche Gesamtstrafe hätte einbezogen werden müssen. Da es insoweit jedoch an der Mitteilung des Tatzeitpunkts fehlt, kann dies nicht abschließend beurteilt werden.
4
Durch die rechtsfehlerhafte Bildung der Gesamtstrafe kann der Angeklagte hier beschwert sein.
5
2. Bei Bildung der Gesamtstrafe betreffend den Angeklagten B. ist die Strafkammer ebenfalls im Ausgangspunkt zutreffend von der Zäsurwirkung des Urteils des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 24. Mai 2005 ausgegangen. Die Gesamtstrafe kann aber bereits deshalb keinen Bestand haben, weil das Urteil nicht mitteilt, welche Einzelstrafen der einbezogenen Verurteilung zu Grunde lagen. Es kann deshalb nicht geprüft werden, ob § 54 Abs. 1 StGB richtig angewendet wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Februar 2002 - 3 StR 338/01). Darüber hinaus kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die nicht vollständig vollstreckte (Einzel-)Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Lüdenscheid vom 14. November 2005 bei der Gesamtstrafenbildung hätte berücksichtigt werden müssen. Da die Strafen aus den Entscheidungen des Amtsgerichts Lüdenscheid im Urteil vom 14. November 2005 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten zusammengeführt wurden, liegt nahe, dass auch die Tat aus dem Urteil vom 14. November 2005 vor dem die Zäsur bildenden Urteil, mithin vor dem 24. Mai 2005, begangen wurde. Überprüfbar ist Letzteres für den Senat indes nicht, da sich auch die diesbezügliche Tatzeit nicht aus dem Urteil ergibt.
6
3. Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu verfahren, der bei Rechtsfehlern, die, wie hier, ausschließlich die Bildung der Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, den neuen Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlusswege nach §§ 460, 462 StPO zu verweisen.
7
4. Die Angeklagten haben die Kosten ihrer Rechtsmittel zu tragen, da sicher abzusehen ist, dass die Rechtsmittel der Angeklagten nur einen geringen Teilerfolg haben können. Der Senat kann deshalb die Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Ernemann Sost-Scheible

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafgesetzbuch - StGB | § 54 Bildung der Gesamtstrafe


(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Ist eine der Einzelstrafen eine lebenslange Freiheitsstrafe, so wird als Gesamtstrafe auf lebenslange Freiheitsstrafe erkannt. In allen übrigen Fällen wird die Gesamtstrafe durch Erhöhung der verwirkten höchsten Strafe, bei Strafen verschiedener Art durch Erhöhung der ihrer Art nach schwersten Strafe gebildet. Dabei werden die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend gewürdigt.

(2) Die Gesamtstrafe darf die Summe der Einzelstrafen nicht erreichen. Sie darf bei zeitigen Freiheitsstrafen fünfzehn Jahre und bei Geldstrafe siebenhundertzwanzig Tagessätze nicht übersteigen.

(3) Ist eine Gesamtstrafe aus Freiheits- und Geldstrafe zu bilden, so entspricht bei der Bestimmung der Summe der Einzelstrafen ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.