Bundesgerichtshof Beschluss, 27. Feb. 2007 - 4 StR 50/07

bei uns veröffentlicht am27.02.2007

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 50/07
vom
27. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 27. Februar 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 21. September 2006 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge schuldig ist. 2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen. 3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zur Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verurteilung wegen täterschaftlichen Handeltreibens wird von den Feststellungen nicht getragen. Nach der neueren Rechtsprechung des Bundes- gerichtshofs zu Rauschgiftkurieren, die lediglich eine untergeordnete Rolle spielen , ist grundsätzlich nur von Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auszugehen (vgl. BGHSt - GS - 50, 252, 266; Senatsbeschluss vom 22. Februar 2007 - 4 StR 49/07 - m.w.N.). Das gilt zumal dann, wenn der Kurier - wovon hier nach den getroffenen Feststellungen auszugehen ist - mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts nichts zu tun und auch keinerlei Einfluss auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden Rauschgifts hat und ihm auch die Gestaltung des Transports vorgegeben wird.
3
In Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge steht hier der (täterschaftliche) Besitz an dem Rauschgift gemäß § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG. Der Senat kann den Schuldspruch selbst ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil der Angeklagte sich nicht anders hätte verteidigen können.
4
2. Die Schuldspruchänderung lässt den Strafausspruch unberührt. Der gemäß § 52 Abs. 2 Satz 1 StGB anzuwendende Strafrahmen bestimmt sich auch für den geänderten Schuldspruch nach § 29 a Abs. 1 BtMG. Dass der Angeklagte als Kurier nur eine "relativ untergeordnete Rolle" spielte, hat das Landgericht ihm bei der Strafzumessung ausdrücklich zu Gute gehalten. Schon deshalb ist die Strafe auch nach dem geänderten Schuldspruch jedenfalls angemessen im Sinne des § 354 Abs. 1 a Satz 1 StPO.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Sost-Scheible

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 52 Tateinheit


(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt. (2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie d

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Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2007 - 4 StR 49/07

bei uns veröffentlicht am 22.02.2007

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 49/07 vom 22. Februar 2007 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 49/07
vom
22. Februar 2007
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 22. Februar 2007 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 28. September 2006 - mit Ausnahme der Feststellungen, die bestehen bleiben - aufgehoben. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten des "gemeinschaftlichen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden und aus der dafür erkannten Einzelstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der siebenmonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 23. August 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gebildet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Schuld- und Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch kann nicht bestehen bleiben. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht seine Auffassung, der Angeklagte sei bei dem (letztlich gescheiterten) Kokaintransport von Brasilien nach Europa als (Mit-)Täter des von Susan L. und niederländischen Hintermännern organisierten Rauschgifthandels beteiligt gewesen, nicht begründet hat. Dessen hätte es aber schon deshalb bedurft, weil nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Rauschgiftkurieren, die - wie vorliegend das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung selbst angenommen hat (UA 19) - lediglich eine untergeordnete Rolle spielen, grundsätzlich nur von Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auszugehen ist (vgl. BGHSt - GS - 50, 252, 266; BGH, Beschluss vom 17. Januar 2007 - 2 StR 568/06 m.w.N.). Das gilt zumal dann, wenn der Kurier - wie hier - mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts nichts zu tun und auch keinerlei Einfluss auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden Rauschgifts hat und ihm auch die Gestaltung des Transports vorgegeben wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2006 - 2 StR 150/06 - und vom 25. Oktober 2006 - 2 StR 359/06). Die Abgrenzung von Beihilfe und (Mit-)Täterschaft vorzunehmen war vorliegend auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Angeklagte in Brasilien nach Empfang des Rauschgifts seine Begleiterin veranlasste, den Transport durchzuführen, weil er selbst das Risiko scheute. Ob er dadurch statt seiner bis dahin lediglich untergeordneten Rolle die Tatherrschaft in Bezug auf den Handel mit der zum Transport bestimmten Kokainmenge erlangte, ist eine Tatfrage, über die grundsätzlich der Tatrichter zu entscheiden hat. Gegen die Wertung (mit-)täterschaftlicher Beteiligung kann hier zumal sprechen, dass der Angeklagte in Brasilien in telefonischem Kontakt mit Susan L. stand, "die ihm im Einzelnen mitteilte, was er zu tun hatte" (UA 9), und er sie dementsprechend auch davon unterrichtete, dass er den Transport nicht selbst durchführen werde.
3
Über die Sache ist deshalb neu zu entscheiden. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler sind die getroffenen Feststellungen nicht berührt; diese können deshalb bestehen bleiben, was ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter nicht ausschließt.
4
2. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch hat notwendigerweise die Aufhebung des an sich milden Strafausspruchs zur Folge. Deshalb ist auch über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung neu zu entscheiden. Dies gibt dem neuen Tatrichter Gelegenheit, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56 f Abs. 3 Satz 2 StGB auch über die Anrechnung erbrachter Bewährungsleistungen zu befinden. Der Senat könnte auf die von dem Beschwerdeführer allein erhobene Sachrüge das Unterbleiben dieser Anrechnungsentscheidung in dem angefochtenen Urteil nicht beachten. Denn das Landgericht hat zu der einbezogenen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gerade keine Feststellungen zu Bewährungsauflagen und ihrer Erfüllung getroffen. Bei dieser Sachlage hätte es einer Verfahrensrüge bedurft (BGHSt 35, 238; BGH, Beschluss vom 7. März 2001 - 2 StR 43/01), wenn nicht der Strafausspruch bereits - wie aufgezeigt - aus anderen Gründen der Aufhebung unterläge.
Tepperwien Maatz Kuckein
Ernemann Sost-Scheible

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Verletzt dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze oder dasselbe Strafgesetz mehrmals, so wird nur auf eine Strafe erkannt.

(2) Sind mehrere Strafgesetze verletzt, so wird die Strafe nach dem Gesetz bestimmt, das die schwerste Strafe androht. Sie darf nicht milder sein, als die anderen anwendbaren Gesetze es zulassen.

(3) Geldstrafe kann das Gericht unter den Voraussetzungen des § 41 neben Freiheitsstrafe gesondert verhängen.

(4) Auf Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Absatz 1 Nummer 8) muss oder kann erkannt werden, wenn eines der anwendbaren Gesetze dies vorschreibt oder zulässt.