Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2007 - 4 StR 49/07
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten des "gemeinschaftlichen" unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden und aus der dafür erkannten Einzelstrafe von zwei Jahren Freiheitsstrafe im Wege nachträglicher Gesamtstrafenbildung unter Einbeziehung der siebenmonatigen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Bielefeld vom 23. August 2005 eine Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten gebildet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat zum Schuld- und Strafausspruch Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Schuldspruch kann nicht bestehen bleiben. Zu Recht beanstandet die Revision, dass das Landgericht seine Auffassung, der Angeklagte sei bei dem (letztlich gescheiterten) Kokaintransport von Brasilien nach Europa als (Mit-)Täter des von Susan L. und niederländischen Hintermännern organisierten Rauschgifthandels beteiligt gewesen, nicht begründet hat. Dessen hätte es aber schon deshalb bedurft, weil nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs bei Rauschgiftkurieren, die - wie vorliegend das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung selbst angenommen hat (UA 19) - lediglich eine untergeordnete Rolle spielen, grundsätzlich nur von Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln auszugehen ist (vgl. BGHSt - GS - 50, 252, 266; BGH, Beschluss vom 17. Januar 2007 - 2 StR 568/06 m.w.N.). Das gilt zumal dann, wenn der Kurier - wie hier - mit dem An- und Verkauf des Rauschgifts nichts zu tun und auch keinerlei Einfluss auf die Bestimmung von Art und Menge des zu transportierenden Rauschgifts hat und ihm auch die Gestaltung des Transports vorgegeben wird (vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Juni 2006 - 2 StR 150/06 - und vom 25. Oktober 2006 - 2 StR 359/06). Die Abgrenzung von Beihilfe und (Mit-)Täterschaft vorzunehmen war vorliegend auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Angeklagte in Brasilien nach Empfang des Rauschgifts seine Begleiterin veranlasste, den Transport durchzuführen, weil er selbst das Risiko scheute. Ob er dadurch statt seiner bis dahin lediglich untergeordneten Rolle die Tatherrschaft in Bezug auf den Handel mit der zum Transport bestimmten Kokainmenge erlangte, ist eine Tatfrage, über die grundsätzlich der Tatrichter zu entscheiden hat. Gegen die Wertung (mit-)täterschaftlicher Beteiligung kann hier zumal sprechen, dass der Angeklagte in Brasilien in telefonischem Kontakt mit Susan L. stand, "die ihm im Einzelnen mitteilte, was er zu tun hatte" (UA 9), und er sie dementsprechend auch davon unterrichtete, dass er den Transport nicht selbst durchführen werde.
- 3
- Über die Sache ist deshalb neu zu entscheiden. Von dem aufgezeigten Rechtsfehler sind die getroffenen Feststellungen nicht berührt; diese können deshalb bestehen bleiben, was ergänzende Feststellungen durch den neuen Tatrichter nicht ausschließt.
- 4
- 2. Die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Schuldspruch hat notwendigerweise die Aufhebung des an sich milden Strafausspruchs zur Folge. Deshalb ist auch über die nachträgliche Gesamtstrafenbildung neu zu entscheiden. Dies gibt dem neuen Tatrichter Gelegenheit, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 56 f Abs. 3 Satz 2 StGB auch über die Anrechnung erbrachter Bewährungsleistungen zu befinden. Der Senat könnte auf die von dem Beschwerdeführer allein erhobene Sachrüge das Unterbleiben dieser Anrechnungsentscheidung in dem angefochtenen Urteil nicht beachten. Denn das Landgericht hat zu der einbezogenen, zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe gerade keine Feststellungen zu Bewährungsauflagen und ihrer Erfüllung getroffen. Bei dieser Sachlage hätte es einer Verfahrensrüge bedurft (BGHSt 35, 238; BGH, Beschluss vom 7. März 2001 - 2 StR 43/01), wenn nicht der Strafausspruch bereits - wie aufgezeigt - aus anderen Gründen der Aufhebung unterläge.
Ernemann Sost-Scheible
ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2007 - 4 StR 49/07
Urteilsbesprechung schreiben0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2007 - 4 StR 49/07
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenBundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2007 - 4 StR 49/07 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe von zwei Jahren aus dem Urteil des Amtsgerichts Meiningen vom 29. Juni 1999 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Beschlußtenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO; insoweit wirdauf Ausführungen des Generalbundesanwalts in seiner Antragsschrift vom 12. Februar 2001 Bezug genommen.
II.
Das Landgericht hat die Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Meiningen vom 29. Juni 1999, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt worden war, rechtsfehlerfrei gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB in die Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen. Hierdurch ist die ursprünglich gewährte Strafaussetzung zur Bewährung entfallen, so daß gemäß §§ 58 Abs. 2 Satz 2, 56 f Abs. 3 Satz 2 StGB über die Anrechnung von Leistungen zu entscheiden war, die der Angeklagte zur Erfüllung von Auflagen aus dem Bewährungsbeschluß des Amtsgerichts erbracht hat. Diese Entscheidung hat der Tatrichter rechtsfehlerhaft unterlassen. Die fehlende Anrechnung ist hier auch auf die Sachrüge hin zu beachten (vgl. dazu BGHSt 35, 238, 241), da das Urteil des Landgerichts sowohl Angaben über die Bewährungsauflagen als auch über die Behauptung des Angeklagten enthält, er habe die Auflagen erfüllt. Die Kammer hätte daher nachprüfen müssen, ob der Angeklagte tatsächlich die von ihm dargestellten Leistungen erbracht hat. Diese waren zudem nicht bei der Bemessung der Gesamtstrafe zu berücksichtigen, sondern sind gegebenenfalls durch eine die Vollstreckung verkürzende Anrechnung auf die Gesamtfreiheitsstrafe auszugleichen (vgl. BGHSt 36, 378, 382; Tröndle/Fischer, StGB, 50. Aufl. 2001, § 58Rdn. 6). Darüber hat die nunmehr berufene Strafkammer zu entscheiden, wobei von ihr allerdings zu berücksichtigen sein wird, daß die Leistungen des Angeklagten bereits rechtsfehlerhaft bei der Gesamtstrafenbildung zu seinen Gunsten Beachtung gefunden haben (vgl. BGH, Beschl. vom 19. Mai 1992 – 4 StR 207/92). Jähnke Otten Rothfuß Fischer Elf