Bundesgerichtshof Beschluss, 01. Feb. 2005 - 4 StR 486/04
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
I.
Das Landgericht Leipzig hat gegen den Verurteilten wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie wegen gefährlicher Körperverletzungin Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und mit gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr eine Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verhängt. Mit Beschluß vom 19. Januar 2005 hat der Senat die hiergegen eingelegte Revision des Verurteilten nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Gegen diesen Beschluß hat der Verurteilte mit einem am 23. Januar 2005 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Schreiben seines Verteidigers gemäß § 356 a StPO die „Gehörsrüge“ erhoben. Gleichzeitig hat er die Richter, die an dem Verwerfungsbeschluß beteiligt waren, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
II.
Zu Ziffer 1:
Der Befangenheitsantrag ist unzulässig. Der Senat braucht hier nicht zu entscheiden, ob nach der Einführung des § 356 a StPO durch das Anhörungsrügengesetz vom 9. Dezember 2004 (BGBl. I 3220) an der Rechtsprechung festgehalten werden kann, nach der Ablehnungsgesuche, die nach Erlaß eines Verwerfungsbeschlusses nach § 349 Abs. 2 StPO im Verfahren über eine Gegenvorstellung gestellt werden, als verspätet und damit als unzulässig nach § 26 a Abs. 1 Nr. 1 StPO anzusehen sind, wenn ein (behaupteter) Gehörsverstoß im Sinne des § 33 a StPO (a.F.) nicht festgestellt werden kann (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 333; BGH Beschl. vom 20. Juli 2004 – 5 StR 539/03). Der Ablehnungsantrag des Verurteilten ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil in ihm entgegen § 26 a Abs. 1 Nr. 2 StPO kein Grund zur Ablehnung angegeben ist. Eine völlig ungeeignete Begründung steht dabei rechtlich einer fehlenden Begründung gleich (BGHR StPO § 26 a Unzulässigkeit 2, 7; BGH NStZ-RR 1999,
311; BGH, Beschl. vom 10. Mai 2001 – 1 StR 410/00; vgl. auch BVerfG, Beschl. vom 6. April 1999 – 2 BvR 532/99). So verhält es sich hier: Der Befangenheitsantrag wird zum einen darauf gestützt, daß der Senat seinen Beschluß vom 19. Januar 2005 nicht mit einer Begründung versehen hat, obgleich der Verteidiger mit Schriftsatz vom 7. Dezember 2004 darauf hingewiesen habe, „daß der Senat auch einen Verwerfungsbeschluss nach dem Plenarbeschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 30.04.2003 (NJW 2003, 1924) nunmehr begründen muss“. Zum anderen wird eine Voreingenommenheit der abgelehnten Richter daraus hergeleitet, daß der Senat entgegen dem Schlußsatz in dem genannten Schriftsatz („Mit Mitteilung der zur Entscheidung berufenen Richter des Senats wird gebeten“) es unterlassen habe, vor seiner Entscheidung die Gerichtsbesetzung mitzuteilen. Dieses Vorbringen ist zur Begründung eines Ablehnungsgesuchs ersichtlich völlig ungeeignet. Weder kann der angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entnommen werden, daß Verwerfungsbeschlüsse nach § 349 Abs. 2 StPO stets mit Gründen zu versehen sind, noch ist nachvollziehbar, warum die unterlassene Mitteilung der Senatsbesetzung auf eine Voreingenommenheit der zur Entscheidung berufenen Richter schließen lassen könnte, zumal für das entsprechende Begehren ein - wie auch immer gearteter – sachlicher Grund zu keinem Zeitpunkt erkennbar war und zudem die interne Geschäftsverteilung des Senats jederzeit bei der Präsidialgeschäftsstelle des Bundesgerichtshofes eingesehen werden kann.
Zu Ziffer 2.:
Der Antrag nach § 356 a StPO ist unbegründet, da der Senat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet hat, zu denen der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch zu berücksichtigendes Vor-
bringen übergangen hat. Sämtliche Schriftsätze des Verteidigers des Verurteilten lagen dem Senat bei der Beschlußfassung am 19. Januar 2005 vor. Gegenteiliges wird vom Antragsteller auch nicht behauptet. Dieser meint vielmehr aus dem Umstand, daß der Senat seine Revision verworfen hat und damit seiner Rechtsauffassung zu zwei erhobenen Verfahrensrügen nicht gefolgt ist, herleiten zu können, daß der Senat sein Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen haben kann. Hierzu bedarf es keiner weiteren Ausführungen.
Zu Ziffer 3.:
Dem Antrag auf Einsicht in das Senatsheft kann nicht entsprochen werden. Das Senatsheft stellt eine rein interne Arbeitsgrundlage dar. Abgesehen von Notizen, Bearbeitungshinweisen u. ä. von Senatsmitgliedern, auf die sich das Akteneinsichtsrecht naturgemäß nicht beziehen kann, befinden sich im Senatsheft ausschließlich Vorgänge, die im Original oder in Ablichtung auch in den Sachakten enthalten sind oder die zu den Sachakten gelangen, so daß insoweit ein Bedürfnis für ein gesondertes Akteneinsichtsrecht nicht erkennbar ist (vgl. BGH NStZ 2001, 551; KK-Laufhütte 5. Aufl. § 147 Rdn. 7). Die Annahme des Antragstellers, das Senatsheft werde mit den Akten dem Generalbundesanwalt übersandt, beruht auf Unkenntnis von den Entscheidungsabläufen zwischen den Strafsenaten des Bundesgerichtshofs und der Bundesanwaltschaft gemäß § 347 Abs. 2 StPO.
Zu Ziffer 4.:
Der Antrag des Verurteilten auf Aufhebung, hilfsweise Außervollzugsetzung des Haftbefehls vom 13. April 2004 ist gegenstandslos, da das Urteil des Landgerichts Leipzig vom 13. April 2004 mit Erlaß des Senatsbeschlusses vom
19. Januar 2005 in Rechtskraft erwachsen und damit die Untersuchungshaft ohne weiteres in Strafhaft übergegangen ist (vgl. Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 120 Rdn. 15).
Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Das Ablehnungsgesuch ist bei dem Gericht, dem der Richter angehört, anzubringen; es kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden. Das Gericht kann dem Antragsteller aufgeben, ein in der Hauptverhandlung angebrachtes Ablehnungsgesuch innerhalb einer angemessenen Frist schriftlich zu begründen.
(2) Der Ablehnungsgrund und in den Fällen des § 25 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 die Voraussetzungen des rechtzeitigen Vorbringens sind glaubhaft zu machen. Der Eid ist als Mittel der Glaubhaftmachung ausgeschlossen. Zur Glaubhaftmachung kann auf das Zeugnis des abgelehnten Richters Bezug genommen werden.
(3) Der abgelehnte Richter hat sich über den Ablehnungsgrund dienstlich zu äußern.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrift dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. Diesem steht frei, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. Wird das Urteil wegen eines Verfahrensmangels angefochten, so gibt der Staatsanwalt in dieser Frist eine Gegenerklärung ab, wenn anzunehmen ist, dass dadurch die Prüfung der Revisionsbeschwerde erleichtert wird. Der Angeklagte kann die Gegenerklärung auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgeben.
(2) Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Ablauf der Frist sendet die Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht.