Bundesgerichtshof Beschluss, 24. Jan. 2006 - 4 StR 437/05

bei uns veröffentlicht am24.01.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 437/05
vom
24. Januar 2006
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 24. Januar 2006 gemäß § 349
Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 13. Mai 2005 im Ausspruch über die Gesamtstrafe mit der Maßgabe aufgehoben, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 StPO zu treffen ist. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in 18 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 20. Oktober 2003 - 226 Cs 6152 Js 45100/03 (157/03) - zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt.
2
Die Revision des Angeklagten, mit der er ein Verfahrenshindernis geltend macht und die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, führt zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
3
Bei der Bildung der Gesamtstrafe hat das Landgericht nicht bedacht, dass nicht nur die Strafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Hannover vom 20. Oktober 2003 einbeziehungsfähig ist, sondern dass auch die Einzelstrafen aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Lehrte vom 12. Januar 2004 - 4 Ds 15036/03 - zu berücksichtigen sind. In diesem Verfahren war der Angeklagte wegen Diebstahls in zwei Fällen, Diebstahls mit Waffen und versuchten Diebstahls mit Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Taten waren in der Zeit vom 6. bis 10. Mai 2003 begangen worden, also ebenso wie die Gegenstand des vorliegenden Verfahrens bildenden Missbrauchstaten (Tatzeit: 1. April 1996 bis 31. März 2000) vor der Verurteilung durch das Amtsgericht Hannover vom 20. Oktober 2003. Dem Urteil ist nicht zu entnehmen, warum das Landgericht nicht auch die Einzelstrafen aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Lehrte zur Gesamtstrafenbildung herangezogen hat. Der erwähnte Beschluss des Amtsgerichts Lehrte vom 19. Mai 2004 (UA 8), durch den dieses Gericht von der - nachträglichen - Bildung einer Gesamtstrafe mit der Geldstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 20. Oktober 2003 abgesehen hat, steht der Gesamtstrafenfähigkeit beider Entscheidungen im vorliegenden Verfahren nicht entgegen.
4
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu entscheiden. Die nachträgliche Gesamtstrafenbildung obliegt somit dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 b Satz 1 Entscheidung 2).
5
Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Die Kostenentscheidung ist im vorliegenden Fall nicht dem Nachverfahren nach §§ 460, 462 StPO vorzubehalten, weil sicher abzusehen ist, dass das Rechtsmittel des Angeklagten, der seine Verurteilung insgesamt angefochten hat, nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann, so dass der Senat die Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen kann (vgl. dazu BGH aaO; BGH NJW 2005, 1205, 1206; Senatsbeschluss vom 19. Januar 2005 - 4 StR 223/04).
Vorsitzende Richterin am Kuckein Athing Bundesgerichtshof Dr. Tepperwien ist wegen Urlaubs verhindert zu unterschreiben. Kuckein
Solin-Stojanović Ernemann

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 462 Verfahren bei gerichtlichen Entscheidungen; sofortige Beschwerde


(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b d

Strafprozeßordnung - StPO | § 460 Nachträgliche Gesamtstrafenbildung


Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2005 - 4 StR 223/04

bei uns veröffentlicht am 19.01.2005

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 223/04 vom 19. Januar 2005 in der Strafsache gegen wegen versuchten Mordes u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Janua

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Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

Ist jemand durch verschiedene rechtskräftige Urteile zu Strafen verurteilt worden und sind dabei die Vorschriften über die Zuerkennung einer Gesamtstrafe (§ 55 des Strafgesetzbuches) außer Betracht geblieben, so sind die erkannten Strafen durch eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung auf eine Gesamtstrafe zurückzuführen.

(1) Die nach § 450a Abs. 3 Satz 1 und den §§ 458 bis 461 notwendig werdenden gerichtlichen Entscheidungen trifft das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluß. Dies gilt auch für die Wiederverleihung verlorener Fähigkeiten und Rechte (§ 45b des Strafgesetzbuches), die Aufhebung des Vorbehalts der Einziehung und die nachträgliche Anordnung der Einziehung eines Gegenstandes (§ 74f Absatz 1 Satz 4 des Strafgesetzbuches), die nachträgliche Anordnung der Einziehung des Wertersatzes (§ 76 des Strafgesetzbuches) sowie für die Verlängerung der Verjährungsfrist (§ 79b des Strafgesetzbuches).

(2) Vor der Entscheidung sind die Staatsanwaltschaft und der Verurteilte zu hören. Das Gericht kann von der Anhörung des Verurteilten in den Fällen einer Entscheidung nach § 79b des Strafgesetzbuches absehen, wenn infolge bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß die Anhörung nicht ausführbar ist.

(3) Der Beschluß ist mit sofortiger Beschwerde anfechtbar. Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluß, der die Unterbrechung der Vollstreckung anordnet, hat aufschiebende Wirkung.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 223/04
vom
19. Januar 2005
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Mordes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 19. Januar 2005 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4, § 354 Abs. 1 b StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 11. November 2003, soweit hinsichtlich dieses Angeklagten eine Entscheidung zur Frage der Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe unterblieben ist, mit der Maßgabe aufgehoben, daß insoweit die gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO zu treffen ist.
2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub und gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung des sachlichen Rechts rügt, ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO, soweit er sich gegen die Verurteilung wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit versuchtem schweren Raub und mit gefährlicher Körperverletzung wendet.
Dagegen kann das Urteil keinen Bestand haben, soweit eine Entscheidung darüber unterblieben ist, ob gemäß § 55 StGB mit der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 24. Juni 2003 eine Gesamtstrafe zu bilden ist. Der Generalbundesanwalt hat hierzu in seiner Antragsschrift vom 29. Juni 2004 ausgeführt: "Nach den Feststellungen des Urteils wurde der Angeklagte am 24. Juni 2003 durch Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen (Az.: 5 Gs 13 Js 88/03-121/03) wegen Betrugs unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl desselben Gerichts vom 19. November 2002 (Az.: 4 Ds 13 Js 1342/02722 /02) zu einer Geldstrafe verurteilt (UA S. 9). Zur Rechtskraft des Strafbefehls, dem Stand der Vollstreckung oder dem Erlass der Strafe teilt das Urteil nichts mit. Die vorliegend abgeurteilte Tat wurde am 18. März 2003 begangen und damit vor einer früheren Verurteilung nach § 55 Abs. 1 Satz 2 StGB. Unter der "früheren Verurteilung" sind auch Strafen aus Strafbefehlen zu verstehen und einzubeziehen. Als Zeitpunkt der früheren Verurteilung gilt dabei der Erlass des Strafbefehls (BGHSt 33, 230). Damit hätte das Landgericht mit der Strafe aus dem vorliegenden Strafverfahren und dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 24. Juni 2003 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe gegebenenfalls eine neue Gesamtstrafe nach § 55 StGB bilden müssen."
Dies trifft allerdings nur dann zu, wenn die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe durch den Strafbefehl vom 24. Juli 2003 rechtsfehlerhaft wäre, weil andernfalls dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 19. November 2002 eine Zäsurwirkung zukäme, die einer Auflösung der Gesamtgeldstrafe aus dem Strafbefehl vom 24. Juni 2003 und der Bildung einer Gesamtstrafe mit der in dieser Sache verhängten Freiheitsstrafe entgegenstünde (vgl. BGH, Beschluß vom 14. November 2003 - 2 StR 394/03; Beschluß vom 24. Oktober 2002 - 4 StR 332/02; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 55
24. Oktober 2002 - 4 StR 332/02; Tröndle/Fischer StGB 52. Aufl. § 55 Rdn. 12). Ob dem Strafbefehl vom 19. November 2002, was nahe liegt, eine solche Zäsurwirkung zukommt, kann der Senat jedoch nicht prüfen, weil das Urteil nicht mitteilt, wann die durch den Strafbefehl vom 24. Juni 2003 abgeurteilte Tat begangen wurde.
Der Senat hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, nach § 354 Abs. 1 b StPO zu entscheiden, der bei Rechtsfehlern, die ausschließlich die Bildung einer Gesamtstrafe betreffen, die Möglichkeit eröffnet, den neuen Tatrichter auf eine Entscheidung im Beschlußwege gemäß §§ 460, 462 StPO zu verweisen. § 354 Abs. 1 b StPO ist auch in Fällen wie dem vorliegenden anwendbar , denn der Angeklagte wird nach dieser Vorschrift im Grundsatz so gestellt, als sei die Bildung einer Gesamtstrafe außer Betracht geblieben (vgl. BT-Drucks. 15/3482 S. 21 f.). Die Prüfung, ob eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung aus der nunmehr rechtskräftigen Strafe in dieser Sache und der Einzelstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Oeynhausen vom 24. Juni 2003 unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu bilden ist, obliegt dem nach § 462 a Abs. 3 StPO zuständigen Gericht (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 430/04). Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Die Kostenentscheidung ist im vorliegenden Fall nicht dem Nachverfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten (vgl. dazu BGH, Beschluß vom 9. November
2004 – 4 StR 426/04), weil sicher abzusehen ist, daß das Rechtsmittel des Angeklagten , der seine Verurteilung insgesamt angegriffen hat, nur einen geringfügigen Teilerfolg haben kann, so daß der Senat die Kostenentscheidung gemäß § 473 Abs. 1 und 4 StPO selbst treffen kann (vgl. BGH, Beschluß vom 28. Oktober 2004 - 5 StR 530/04; Senatsbeschluß aaO). Tepperwien Maatz Athing Ernemann Sost-Scheible