Bundesgerichtshof Beschluss, 30. Sept. 2003 - 4 StR 382/03
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung und wegen schweren Raubes zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat nur zum unterbliebenen Maßregelausspruch nach § 64 StGB Erfolg; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat zum Schuld- und zum Strafausspruch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des
Angeklagten ergeben. Dagegen hat das Urteil keinen Bestand, soweit das Landgericht von einer Maßregelanordnung nach § 64 StGB abgesehen hat.
Nach den Feststellungen war der Angeklagte langjährig opiatabhängig. Dabei finanzierte er seinen Drogenkonsum, indem er selbst mit Drogen handelte bzw. anderen Dealern Kunden vermittelte und hierfür Heroin erhielt. Im Jahre 2000 wurde er deshalb wegen gewerbsmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 74 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Der jetzigen Verurteilung liegen zwei Überfälle zugrunde, die der Angeklagte innerhalb von sechs Tagen jeweils unter Einsatz eines Springmessers einmal auf eine Tankstelle und im weiteren Fall auf einen Supermarkt verübte, wobei er in beiden Fällen im Verlauf des Tages außer Alkohol auch Heroin konsumiert hatte. Im Anschluß an die Taten kaufte sich der Angeklagte von dem erbeuteten Geld jeweils erneut Heroin.
Das - sachverständig beratene - Landgericht hat rechtsfehlerfrei eine erheblich verminderte Steuerungsfähigkeit im Sinne des § 21 StGB beim Angeklagten in beiden Fällen ausgeschlossen, aber zu Recht einen Hang zum übermäßigen Konsum von Opiaten im Sinne des § 64 Abs. 1 StGB bejaht. Hierzu hat es sich aber die Auffassung des psychiatrischen Sachverständigen zu eigen gemacht, daß zwischen den Taten und dem Hang des Angeklagten kein symptomatischer Zusammenhang bestehe; die Taten gingen nicht auf den Hang zurück, sondern seien dem Angeklagten nach dessen eigener Einschätzung "wesensfremd", zumal er seinen Drogenkonsum zuvor nie durch entsprechende Eigentums- oder Vermögensdelikte, sondern immer durch eigenen Drogenhandel finanziert habe.
Diese Begründung trägt das Absehen von einer Maßregelanordnung nach § 64 Abs. 1 StGB nicht. Richtig ist zwar, daß es für die Maßregelanordnung nach § 64 StGB nicht darauf ankommt, daß der Angeklagte die Taten im Zustand zumindest verminderter Schuldfähigkeit begangen hat (st. Rspr.; Tröndle/Fischer StGB 51. Aufl. § 64 Rdn. 3 und 8 m.N.). Ebenso hat das Landgericht zu Recht angenommen, daß zwischen den abgeurteilten Taten und dem Hang im Sinne des § 64 StGB ein symptomatischer Zusammenhang bestehen muß. Bei seiner Bewertung ist es jedoch von einem zu engen und deshalb rechtsfehlerhaften Verständnis dieser Voraussetzung ausgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung ist nicht erforderlich, daß der Hang die alleinige Ursache für die Anlaßtaten ist. Vielmehr ist ein symptomatischer Zusammenhang auch dann zu bejahen, wenn der Hang neben anderen Umständen mit dazu beigetragen hat, daß der Angeklagte erhebliche rechtswidrige Taten begangen hat, und dies bei unverändertem Suchtverhalten auch für die Zukunft zu besorgen ist (BGH NStZ 2000, 25 f.; BGHR StGB § 64 Zusammenhang, symptomatischer 1; Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2000 - 4 StR 377/00 - und vom 16. Juli 2002 - 4 StR 179/02). Daß in diesem Sinne die hier abgeurteilten Taten ihre Ursache auch in der Opiatabhängigkeit des Angeklagten haben, versteht sich von selbst und wird zudem noch dadurch unterstrichen, daß der Angeklagte jeweils im Anschluß an die Taten das erbeutete Geld auch zum Erwerb von weiterem Heroin einsetzte. Daß er zuvor vergleichbare Taten noch nicht begangen, sondern die Betäubungsmittel auf andere - allerdings ebenfalls strafbare - Weise finanziert hat, beseitigt den symptomatischen Zusammenhang nicht.
Der aufgezeigte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des Urteils, soweit eine Entscheidung über die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in
einer Entziehungsanstalt unterblieben ist. Die zugrundeliegenden Feststellun- gen können jedoch bestehen bleiben, weil sie von der rechtlich fehlerhaften Bewertung durch das Landgericht unberührt sind. Es ist auch nicht ersichtlich, daß es bei dem Angeklagten an der erforderlichen konkreten Erfolgsaussicht der Unterbringung mangelt (BVerfGE 91, 1 ff.). Einer etwaigen Nachholung der Unterbringung steht nicht entgegen, daß ausschließlich der Angeklagte Revision eingelegt hat (vgl. BGHSt 37, 5). Der Beschwerdeführer hat die Nichtanwendung des § 64 StGB durch das Tatgericht auch nicht vom Rechtsmittel ausgenommen (vgl. BGHSt 38, 362).
Tepperwien Maatz Kuckein
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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.