Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 369/00
vom
10. Oktober 2000
in der Strafsache
gegen
wegen schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. Oktober 2000 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 15. Juni 2000, soweit es ihn betrifft, im Strafausspruch dahin geändert, daß der Angeklagte zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen (§ 74 JGG).

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen Diebstahls in sechs Fällen zu einer Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er allgemein die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu einer Ä nderung des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
Der Strafausspruch kann nicht bestehen bleiben. Während das Landgericht gegen den Angeklagten nach dem Urteilstenor eine Jugendstrafe von drei Jahren und neun Monaten verhängt hat, wird in den Urteilsgründen eine Ju-
gendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten als "erforderlich" genannt (UA 15). Dieser Widerspruch kann durch die Annahme eines offenkundigen Fassungsversehens nicht aufgelöst werden (vgl. BGH, Beschluß vom 10. Februar 1993 - 3 StR 576/92).
Unter den hier gegebenen Umständen nötigt dieser Rechtsfehler nicht zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Senat, auch um das im Jugendstrafverfahren in besonderem Maße zu beachtende Beschleunigungsgebot zu wahren (vgl. Senatsbeschluß vom 12. September 2000 - 4 StR 358/00), in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die niedrigere der beiden genannten Strafen als die dem Angeklagten günstigste Rechtsfolge (vgl. Kuckein in KK 4. Aufl. § 354 Rdn. 10, 20 m.w.Nachw.) festsetzen. Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert. Denn nach den im übrigen rechtsfehlerfreien Strafzumessungserwägungen kam eine noch niedrigere als die nunmehr festgesetzte Jugendstrafe nicht in Betracht.
Maatz Kuckein Athing

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 4 StR 369/00

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 4 StR 369/00

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 4 StR 369/00 zitiert 4 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 74 Kosten und Auslagen


Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 4 StR 369/00 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 4 StR 369/00 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Sept. 2000 - 4 StR 358/00

bei uns veröffentlicht am 12.09.2000

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 358/00 vom 12. September 2000 in der Strafsache gegen wegen Raubes mit Todesfolge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 12. September
2 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Okt. 2000 - 4 StR 369/00.

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Okt. 2009 - 4 StR 340/09

bei uns veröffentlicht am 20.10.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 340/09 vom 20. Oktober 2009 in der Strafsache gegen wegen Betruges Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 20. Oktober 2009 gemä

Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Feb. 2014 - 4 StR 551/13

bei uns veröffentlicht am 11.02.2014

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR551/13 vom 11. Februar 2014 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwe

Referenzen

Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 358/00
vom
12. September 2000
in der Strafsache
gegen
wegen Raubes mit Todesfolge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 12. September 2000 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 16. Mai 2000 im Strafausspruch dahin geändert, daß der Angeklagte unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Minden vom 27. August 1998 - 14 Ds 55 Js 994/98 - 191/98 Hw - zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt wird. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten durch Urteil vom 24. Juni 1999 wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes mit Todesfolge in Tateinheit mit Aussetzung und mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung des auf sieben Monate Jugendstrafe lautenden Urteils des Amtsgerichts Minden vom 27. August 1998 zu einer Einheitsjugendstrafe von acht Jahren verurteilt. Auf die Revision des Angeklagten hob der Senat das Urteil durch Beschluß vom 9. November 1999 - 4 StR 521/99 - (BA 2000, 185) im Strafausspruch mit den Feststellungen auf und verwies die Sache insoweit an das Landgericht zurück. Die neu zur Entscheidung berufene Jugendkammer hat den Angeklagten nunmehr zu einer Jugendstrafe von sieben Jahren verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er die Verletzung sachlichen
Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt zu einer Ä nderung des Strafausspruchs; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
1. Das Landgericht hat die siebenmonatige Jugendstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Minden vom 27. August 1998 nicht einbezogen. Diese Strafe hat der Angeklagte in Unterbrechung der Untersuchungshaft nach Erlaß des ersten in dieser Sache ergangenen Urteils in der Zeit vom 30. März bis zum 27. Oktober 1999 vollständig verbüßt (UA 7). Das Landgericht hat gemeint, eine Einbeziehung komme deswegen "nicht mehr in Betracht” (UA 14/15). Das ist rechtsfehlerhaft. Lagen die Voraussetzungen für die Bildung einer Einheitsjugendstrafe im Zeitpunkt des auf die Revision des Angeklagten aufgehobenen Urteils vor, so ist § 31 Abs. 2 JGG auch dann anzuwenden, wenn die früher verhängte Strafe inzwischen vollstreckt ist (BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 6).
2. Unter den hier gegebenen Umständen nötigt dieser Rechtsfehler nicht zur Aufhebung des Urteils und zur erneuten Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Senat, auch um das im Jugendstrafverfahren in besonderem Maße zu beachtende Beschleunigungsgebot zu wahren, die Einbeziehung in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO ausnahmsweise selbst vornehmen. Daß die Jugendkammer ungeachtet der Anwendbarkeit des § 31 Abs. 2 JGG von einer Einbeziehung aus erzieherischen Gründen nach Abs. 3 Satz 1 der Vorschrift abgesehen hätte (vgl. dazu BGH NStZ 2000, 263 mit Anm. Eisenberg NStZ 2000, 484), kann mit Blick darauf ausgeschlossen werden, daß sich die Jugendkammer ersichtlich nur aus Rechtsgründen an einer Einbeziehung gehindert gesehen hat. Die unterbliebene Einbeziehung holt der Senat deshalb nach. Damit hat es bei der Höhe der
festgesetzten Jugendstrafe sein Bewenden. Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert. Ihm kommt nunmehr die volle Anrechnung der Dauer der vollstreckten Strafe aus dem einbezogenen Urteil zugute. Daß das Landgericht bei erneuter Einbeziehung auf eine niedrigere als die verhängte Strafe erkannt hätte, ist auszuschließen.
3. Im übrigen weisen die Erwägungen zur Strafzumessung keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler auf. Insbesondere kann die Revision nicht damit gehört werden, das Landgericht habe bei der Strafzumessung der dem Angeklagten im Gegensatz zu dem ersten in dieser Sache ergangenen Urteil zugebilligten erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit (§ 21 StGB) "faktisch keine Bedeutung beigemessen" (RB S. 2). Die Revision unternimmt hiermit nur den unzulässigen Versuch, der tatrichterlichen Bewertung eine eigene Bewertung entgegenzusetzen.
Allerdings hat das Landgericht rechtsfehlerhaft der Berechnung der Tatzeit -Alkoholisierung die Trinkmengenangaben des Angeklagten, wie sie in dem vom Senat aufgehobenen Urteil (dort UA 24) festgehalten worden sind, zugrundegelegt (UA 10). Dabei hat das Landgericht nicht beachtet, daß sich die auf den seinerzeit angenommenen Ausschluß einer erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten beziehenden Feststellungen die Straffrage betreffen und deshalb durch die Revisionsentscheidung des Senats vom 9. November 1999 mit aufgehoben sind (vgl. BGH NStZ-RR 1997, 237; Kuckein in KK 4. Aufl. § 353 Rdn. 30 m.w.N.). Das Landgericht hätte mithin zu den Trinkmengen in prozeßordnungsgemäßer Weise eigene Feststellungen treffen müssen. Der Angeklagte ist hierdurch jedoch nicht beschwert; denn im Hinblick auf den rechtskräftigen Schuldspruch war die Annahme der Voraussetzungen
des § 20 StGB ausgeschlossen (vgl. BGHSt 44, 119). Von einer erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit nach § 21 StGB ist das Landgericht aber ausgegangen.
4. Der im Verhältnis zur Höhe der im angefochtenen Urteil verhängten Jugendstrafe vergleichsweise geringfügige Erfolg gibt dem Senat keinen Anlaß , den Angeklagten aus Billigkeitsgründen teilweise von den Kosten seines Rechtsmittels freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Meyer-Goßner Maatz Kuckein Athing Ernemann

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.