Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Okt. 2013 - 4 StR 273/13

bei uns veröffentlicht am08.10.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 273/13
vom
8. Oktober 2013
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Oktober 2013 gemäß § 349
Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Halle vom 18. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Einbeziehung der Freiheitsstrafe aus einer früheren Verurteilung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die auf mehrere Verfahrensbeanstandungen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg.
2
Die Revision beanstandet zu Recht die Verletzung des § 189 GVG.
3
a) Die Rüge ist zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts handelt es sich nicht lediglich um eine unzulässige Protokollrüge (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 – 4 StR 111/11, StraFo 2011, 317; Urteil vom 20. April 2006 – 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52, 53). Dem Revisionsvorbringen ist vielmehr die bestimmte Behauptung zu entnehmen, dass die von der Strafkammer zur Verständigung mit dem der deutschen Sprache nicht mächtigen Angeklagten beigezogene Dolmetscherin in der Hauptverhandlung weder vereidigt worden sei noch sich auf einen allgemein geleisteten Eid berufen habe.
4
b) Die Verfahrensbeanstandung ist auch begründet.
5
Nach der Vorschrift des § 189 GVG muss ein für die Hauptverhandlung beigezogener Dolmetscher den Dolmetschereid leisten (§ 189 Abs. 1 GVG) oder, sofern er für Übertragungen der betreffenden Art in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt ist, sich auf den geleisteten Eid berufen (§ 189 Abs. 2 GVG). Hierbei handelt es sich um eine für die Hauptverhandlung vorgeschriebene Förmlichkeit, deren Beachtung nach § 274 StPO nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 10. März 2005 – 4 StR 3/05, BGHR GVG § 189 Beeidigung 4). Da die Sitzungsniederschrift keinen Hinweis auf eine eidliche Bekräftigung der Übertragung durch die in der Hauptverhandlung zur Verständigung mit dem Angeklagten beigezogene Dolmetscherin enthält, steht deren Fehlen für das Revisionsverfahren fest.
6
Der Senat vermag bei der gegebenen Sachlage nicht auszuschließen, dass das Urteil auf der Verletzung des § 189 GVG beruht. Konkrete Umstände, welche den Schluss zuließen, dass sich das Fehlen der eidlichen Bekräftigung im Einzelfall nicht auf die Übersetzung ausgewirkt hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2005 – 1 StR 208/05, NStZ 2005, 705, 706; vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11, BGHR GVG § 189 Beeidigung 5; Wickern in Löwe/ Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 189 GVG Rn. 12 mwN), ergeben sich weder aus dem aus den Akten ersichtlichen Verfahrensablauf noch aus der das Rügevorbringen der Revision bestätigenden Gegenerklärung der Staatsanwaltschaft.
Sost-Scheible RinBGH Roggenbuck ist urlaubs- Cierniak bedingt ortsabwesend und deshalb an der Beifügung der Unterschrift gehindert. Sost-Scheible
Mutzbauer Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 274 Beweiskraft des Protokolls


Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 189


(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung

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(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen.

(2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid.

(3) In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten.

(4) Der Dolmetscher oder Übersetzer soll über Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit wahren. Hierauf weist ihn das Gericht hin.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 111/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen zu 1. schweren Bandendiebstahls
zu 2. schweren Bandendiebstahls u.a.
zu 3. Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 8. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten A. wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 28. September 2010, soweit es den Angeklagten A. betrifft, im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren Bandendiebstahls in 17 Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls in sechs Fällen, des Diebstahls und des versuchten Diebstahls schuldig ist. 2. Auf die Revisionen der Angeklagten Ak. und P. wird das vorgenannte Urteil aufgehoben
a) hinsichtlich des Angeklagten Ak. im Ausspruch über die Gesamtstrafe;
b) soweit dem Angeklagten P. die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der Angeklagten Ak . und P. , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 4. Die weiter gehenden Revisionen der Angeklagten werden verworfen.
5. Der Angeklagte A. trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe:


1
Das Landgericht Bielefeld hat den Angeklagten A. wegen schweren Bandendiebstahls in 15 Fällen, wobei es in sechs Fällen beim Versuch blieb, wegen schweren Bandendiebstahls in neun Fällen, wobei es in einem Fall beim Versuch blieb, und wegen eines „besonders schweren Falls des Diebstahls“ zu der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten verurteilt, von der ein Jahr als verbüßt gilt. Den Angeklagten Ak. hat es des schweren Bandendiebstahls in acht Fällen schuldig gesprochen und gegen ihn - unter Auflösung der durch Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 7. Dezember 2009 gebildeten Gesamtstrafe und Einbeziehung der in diesem Urteil festgesetzten Einzelstrafen - auf die Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und neun Monaten erkannt, von welcher ein Jahr als verbüßt gilt. Der Angeklagte P. wurde wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in sechs Fällen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richten sich die jeweils auf die Sachrüge - bei dem Angeklagten P. auch auf eine Verfahrensbeanstandung - gestützten Revisionen der Angeklagten. Die Rechtsmittel haben den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrüge des Angeklagten P. , mit welcher geltend gemacht wird, das Urteil sei nach Wiedereintritt in die Verhandlung und Erteilung eines Hinweises nach § 265 StPO unter Verletzung des § 260 Abs. 1 StPO ergangen, ist nicht zulässig erhoben (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
3
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs darf die erneute Beratung nach Wiedereintritt in die Verhandlung in Form einer kurzen, für alle Verfahrensbeteiligten erkennbaren Verständigung des Gerichts im Sitzungssaal erfolgen, wenn bei der Entscheidung einfacher Fragen rascheste Verständigung möglich ist (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 1971 - 3 StR 73/71, BGHSt 24, 170, 171; Beschlüsse vom 31. Juli 1992 - 3 StR 200/92, BGHR StPO § 260 Abs. 1 Beratung 5; vom 25. November 1997 - 5 StR 458/97, NStZ-RR 1998, 142). Die Revision trägt nicht vor, dass eine solche Nachberatung durch Verständigung im Sitzungssaal unterblieben ist, sondern führt lediglich aus, dass sich der Protokollvermerk "nach Beratung" nicht dazu verhält, in welcher Weise die Beratung erfolgt sei. Das Rügevorbringen erschöpft sich damit in der Beanstandung der Protokollierung, ohne einen konkreten Verfahrensfehler bestimmt zu behaupten. Abgesehen davon, dass die Urteilsberatung nicht zu den protokollierungspflichtigen Förmlichkeiten gehört (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Oktober 2008 - 4 StR 260/08, NStZ 2009, 105), vermögen Fehler des Protokolls die Revision nicht zu begründen, weil das Urteil hierauf nicht beruhen kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. April 2006 - 4 StR 604/05, NStZ-RR 2007, 52,

53).


II.


4
Die materiell-rechtliche Prüfung des angefochtenen Urteils auf die Sachrügen führt bei dem Angeklagten A. zu einer Änderung des Schuldspruchs , zur Aufhebung der gegen den Angeklagten Ak. verhängten Gesamtstrafe sowie zur Aufhebung des Strafausspruchs gegen den Angeklagten P. , soweit diesem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.
5
1. Die Tat des Angeklagten A. im Fall II. 2 (1) der Urteilsgründe hat die Strafkammer - was ihr bei der Abfassung des schriftlichen Urteils selbst aufgefallen ist - fälschlicherweise als versuchten schweren Bandendiebstahl gewertet, obwohl die Feststellungen nicht belegen, dass der Einbruch in die Sparkasse vom Angeklagten A. unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begangen wurde. Der Angeklagte A. hat sich daher in diesem Fall lediglich des versuchten Diebstahls nach §§ 242, 22 StGB schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab und fasst ihn zur Klarstellung neu, wobei der - nicht in die Urteilsformel gehörende (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rn. 25) - Hinweis auf die Verwirklichung des Regelbeispiels des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB im Fall II. 2 (10) der Urteilsgründe zu entfallen hat. § 265 StPO steht der Schuldspruchänderung nicht entgegen, da sich der geständige Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können.
6
Die Einzelstrafe von einem Jahr für die Tat II. 2 (1) der Urteilsgründe kann trotz der Änderung des Schuldspruchs bestehen bleiben. Der Senat kann angesichts der vom Landgericht berücksichtigten Strafschärfungsgründe, namentlich der einschlägigen Vorstrafen und der hohen Rückfallgeschwindigkeit, ausschließen, dass die Strafkammer bei Zugrundelegung des nach § 23 Abs. 2, § 49 Abs. 1 StGB gemilderten Strafrahmens des § 243 Abs. 1 StGB, der gegenüber der wegen Versuchs gemilderten Strafandrohung des § 244a Abs. 1 StGB eine niedrigere Strafuntergrenze - ein Monat statt drei Monate - vorsieht, auf eine mildere Einzelfreiheitsstrafe erkannt hätte.
7
2. Die gegen den Angeklagten Ak. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann nicht bestehen bleiben, weil es das Landgericht unterlassen hat, die gemäß § 55 Abs. 1 StGB in die Gesamtstrafe einbezogenen Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 7. Dezember 2009 mitzuteilen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Dezember 1986 - 3 StR 530/86, BGHR § 55 Abs. 1 Satz 1 Strafen, einbezogene 1; vom 20. November 1997 - 4 StR 538/97, NStZRR 1998, 103; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 55 Rn. 17). Dies hat zur Folge, dass das Revisionsgericht anhand der Urteilsgründe nicht prüfen kann, ob die Gesamtfreiheitsstrafe rechtsfehlerfrei bemessen wurde.
8
3. Hinsichtlich des Angeklagten P. unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung im Strafausspruch, soweit dem Angeklagten die Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden ist.
9
Die Strafkammer hat sich in den Urteilsgründen mit der Frage, ob die gegen den Angeklagten P. verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten gemäß § 56 Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, nicht befasst. Unabhängig von der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 Satz 4 StPO sind aus materiell-rechtlichen Gründen Ausführungen im Urteil zur Strafaussetzung zur Bewährung erforderlich, wenn eine Erörterung dieser Frage als Grundlage für die revisionsgerichtliche Nachprüfung geboten ist (BGH, Beschluss vom 5. März 1997 - 2 StR 63/97; vgl.
auch BGH, Beschluss vom 18. Oktober 1985 - 4 StR 559/85, StV 1986, 58; Urteile vom 21. April 1986 - 2 StR 62/86, NStZ 1986, 374; vom 29. April 1954 - 3 StR 898/53, BGHSt 6, 167, 172). Dies ist hier der Fall, weil angesichts der konkreten Umstände des Falles eine Strafaussetzung zur Bewährung nicht so fern liegt, dass eine ausdrückliche Erörterung der Aussetzungsfrage entbehrlich erscheint. Der Angeklagte P. ist zwar einschlägig vorbestraft, hatte jedoch die ihm hinsichtlich der im November 2002 verhängten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und elf Monaten gewährte Reststrafenaussetzung durchgestanden , so dass die Reststrafe mit Wirkung vom 16. Februar 2007 erlassen wurde. An den abgeurteilten Taten im September 2009 beteiligte er sich als Fahrer, weil er auf dem Arbeitsmarkt nach seiner Verurteilung im November 2002 keine Möglichkeiten mehr sah. Ausweislich der Strafzumessungserwägungen der Strafkammer war der Angeklagte als erster der Bandenmitglieder geständig und benannte hierbei Taten, welche der Tätergruppe vorher noch nicht zugeordnet werden konnten.
10
4. Die zur Teilaufhebung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Angeklagten Ak. und P. führenden Mängel erfordern keine Aufhebung tatsächlicher Feststellungen. Neue, zu den bisherigen nicht in Widerspruch stehende Feststellungen sind möglich.
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
4 StR 604/05
vom
20. April 2006
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 20. April
2006, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Tepperwien,
Richter am Bundesgerichtshof
Maatz,
Prof. Dr. Kuckein,
Richterin am Bundesgerichtshof
Solin-Stojanović,
Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann
als beisitzende Richter,
Oberstaatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hagen vom 22. Juni 2005 wird verworfen.
2. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten - unter Freisprechung im Übrigen - wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

A.


2
1. Nach den der Verurteilung zu Grunde liegenden Feststellungen der Strafkammer besuchte der Angeklagte während eines Hafturlaubs seine Ehefrau , die ihm bereits vor Monaten mitgeteilt hatte, dass sie sich von ihm trennen wolle. Sie hielt trotzdem weiter Kontakt zu dem Angeklagten, obwohl sie sich inzwischen einem anderen Mann zugewandt, die gemeinsame Wohnung aufgegeben und eine neue Wohnung bezogen hatte. Beide verabredeten, eine Kirmes zu besuchen. Zuvor wollte die Ehefrau jedoch noch duschen und sich umziehen. Der Angeklagte nutzte diese Gelegenheit, sie in ihrer Wohnung zu bedrängen und unter Anwendung körperlicher Kraft u.a. den Geschlechtsverkehr mit ihr zu erzwingen.
3
2. Der Angeklagte hat die ihm zur Last gelegte Tat bestritten und sich dahin eingelassen, dass es zwischen seiner Ehefrau und ihm zu einverständlichen sexuellen Handlungen gekommen sei. Die Strafkammer hat der Geschädigten geglaubt, die das Geschehen wie festgestellt geschildert hat.

B.


4
Die Revision des Angeklagten ist unbegründet.
5
I. Die Verfahrensrügen haben keinen Erfolg.
6
1. Die Aufklärungsrüge (Anhörung eines weiteren Sachverständigen, der bekundet hätte, dass auf Grund der - wie festgestellt - "massiven sexuellen Übergriffe" bei der Geschädigten hätten Verletzungen vorliegen müssen) ist unzulässig erhoben, weil das "schriftliche Gutachten" der gehörten Sachverständigen (RB S. IV – Bd. I Bl. 46 bis 53 d.A.: Ärztlicher Untersuchungsbericht) nicht vollständig mitgeteilt wurde. Die insoweit von der Revision in Bezug genommenen Urteilsstellen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob sich das Landgericht hätte gedrängt sehen müssen, einen weiteren Sachverständigen anzuhören (vgl. dazu BGH NStZ 1999, 45; Meyer-Goßner StPO 48. Aufl. § 244 Rdn. 81).
7
2. Ohne Erfolg bleibt auch die Beanstandung, das Landgericht habe durch die Verlesung von Teilen der Ermittlungsakte betreffend den Zeugen Peter K. jun. gegen die §§ 250, 251 StPO verstoßen.
8
a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
9
Der Angeklagte hatte behauptet, die Geschädigte habe nicht nur ihn zu Unrecht belastet, sondern früher auch gegen ihren ehemaligen Freund Peter K. jun. unwahre Vorwürfe erhoben. So habe sie Peter K. jun. u.a. in einem Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz zu Unrecht belastet.
10
Peter K. jun. wurde im Hauptverhandlungstermin vom 22. Juni 2005 als Zeuge gehört. Nach seiner Entlassung wurde die Geschädigte vernommen und "im Zuge (ihrer) Vernehmung ... wurden die Ermittlungsakten 200 Js 2384/01 erörtert" (Bd. II Bl. 247 d.A.). Weiter heißt es in der Sitzungsniederschrift : "Nach Anhörung und mit Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten auf Anordnung des Vorsitzenden: Die Beschuldigtenvernehmung des Peter K. vom 10.12.2001 Bl. 13-16 aus der Beiakte 200 Js 2384/01 soll verlesen werden, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO.
Die Anordnung wurde ausgeführt."
11
Danach ordnete der Vorsitzende an, dass die Geschädigte unvereidigt bleibt. Sie wurde im allseitigen Einverständnis entlassen und die Beweisaufnahme wurde geschlossen.
12
Im Urteil ist ausgeführt, dass eine im Rahmen der Hauptverhandlung erfolgte Verlesung von Vernehmungsprotokollen aus der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hagen 22 [gemeint ist: 200] Js 2384/01 die Behauptung des Angeklagten, die Geschädigte habe Peter K. jun. in diesem Verfahren zu Un- recht belastet, nicht bestätigt, sondern widerlegt habe, “da alle wesentlichen Angaben der (Geschädigten) in diesem Verfahren von Peter K. jun. bestätigt worden (seien)“.
13
b) Die Revision macht geltend:
14
aa) Die Voraussetzungen der vom Landgericht herangezogenen Verlesungsvorschrift (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO) hätten nicht vorgelegen, weil nach dieser Bestimmung die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung der Niederschrift über seine frühere richterliche Vernehmung nur ersetzt werden dürfe, wenn der Zeuge verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln sei. Der Strafkammer sei aber die ladungsfähige Anschrift des zuvor vernommenen Zeugen K. jun. bekannt gewesen. Er hätte daher gemäß § 250 StPO erneut persönlich gehört werden müssen.
15
bb) Die ursprüngliche Fassung des Protokolls habe den Zusatz, "dass alle Prozessangehörigen zugestimmt haben sollen", nicht enthalten; die Sitzungsniederschrift sei vielmehr insoweit handschriftlich ergänzt worden. Eine Genehmigung dieser Protokollergänzung bzw. –berichtigung fehle. Eine Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten könne daher "nicht festgestellt" werden.
16
cc) Verlesbare Protokolle nach § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO seien nur richterliche Vernehmungsprotokolle. Verlesen worden sei aber eine polizeiliche Vernehmung des Zeugen im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens.
17
dd) Die Verlesung sei nicht durch einen Gerichtsbeschluss, sondern auf Grund einer Anordnung des Vorsitzenden erfolgt. Der Beschluss müsse im Üb- rigen so genau begründet sein, dass eine rechtliche Nachprüfbarkeit möglich ist. Dies sei bei der Anordnung des Vorsitzenden nicht der Fall gewesen.
18
ee) Das Gericht hätte - trotz der Verlesung - im Rahmen seiner Aufklärungspflicht die Beweisperson persönlich hören müssen, und zwar selbst dann, “wenn die Prozessbeteiligten mit der Verlesung … einverstanden (waren) …, insbesondere wenn die Vernehmungsschrift ersichtlich ungenau oder unklar oder die Beweisperson das alleinige Beweismittel ist“. Hier habe die Strafkammer "trotz der kurzfristigen Kenntnis der Akte von einer eingehenden Prüfung und ggf. erneuten Ladung oder Vernehmung des bekannten Zeugen K. jun. abgesehen".
19
Das Urteil beruhe auf den Verfahrensfehlern, weil die fehlerhaft verlesene Beschuldigtenvernehmung zu Lasten des Angeklagten verwendet worden sei und “die erneute Vernehmung des Zeugen K. jun. den Inhalt der Beschuldigtenvernehmung bzw. deren Feststellungen aus dem Verfahren widerlegt hätte“.
20
c) Die Einwendungen der Revision greifen nicht durch:
21
aa) Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, § 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO beziehe sich nur auf frühere richterliche Vernehmungen, die zudem nur verlesen werden dürften, wenn der Zeuge verstorben oder in Geisteskrankheit verfallen oder wenn sein Aufenthalt nicht zu ermitteln ist (Rügen B I 2 b aa, cc), beruft er sich auf die zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung nicht mehr aktuelle Gesetzeslage vor dem 1. September 2004. Durch Art. 3 Nr. 12 des 1. Justizmodernisierungsgesetzes vom 24. August 2004 (BGBl I 2198) wurde die Vorschrift mit Wirkung vom 1. September 2004 dahingehend neu gefasst, dass die Vernehmung eines Zeugen durch die Verlesung einer (auch polizeilichen) Niederschrift über eine Vernehmung ersetzt werden kann, wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind. Diese Voraussetzungen lagen hier vor.
22
bb) Die Rüge B I 2 b bb (eine Zustimmung aller Verfahrensbeteiligten könne nach dem Protokoll "nicht festgestellt" werden) ist unzulässig; denn die Revision kann nicht auf einen möglichen Mangel des Protokolls – hier: dessen nicht genehmigte Berichtigung - gestützt werden (vgl. Meyer-Goßner aaO § 273 Rdn. 36, § 344 Rdn. 26 m.w.N.). Auf einem Fehler des Protokolls kann das Urteil nicht beruhen (BGHSt 7, 162, 163). Die Revision behauptet nicht, dass die Zustimmung nicht erteilt worden ist.
23
cc) Die Beanstandungen B I 2 b dd und ee (es sei kein begründeter Gerichtsbeschluss ergangen; die Aufklärungspflicht habe eine erneute Vernehmung des Zeugen geboten) haben ebenfalls keinen Erfolg:
24
Grundsätzlich begründet es allerdings die Revision, wenn der nach § 251 Abs. 4 StPO geforderte Gerichtsbeschluss nicht ergangen ist (vgl. BGH NStZ 1988, 283; 1993, 144). Der Beschluss dient der Unterrichtung der Verfahrensbeteiligten über den Grund der Verlesung und der eindeutigen Bestimmung des Umfangs der Verlesung. Bei Kollegialgerichten - wie hier – soll er zudem unter Beachtung der Aufklärungspflicht die Meinungsbildung des gesamten Gerichts, und nicht nur des Vorsitzenden, über das einzuschlagende Verfahren sicherstellen und insbesondere den Schöffen im Hinblick auf den Grundsatz der Unmittelbarkeit den Ausnahmecharakter der Verlesung deutlich machen. Entscheidend ist insoweit, ob die (erneute) persönliche Vernehmung des Zeugen zur weiteren Aufklärung erforderlich ist oder ob die Verlesung der Niederschrift genügt (vgl. BGH NStZ-RR 2001, 261).
25
Das Urteil kann auf dem nicht ergangenen Gerichtsbeschluss beruhen, wenn sich den Verfahrensbeteiligten der Grund der Verlesung nicht erschlossen hat und damit die der Anordnung der Verlesung zu Grunde liegenden Erwägungen rechtlich nicht überprüfbar sind (vgl. BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss 1, 3, 4; § 251 Abs. 4 S. 1 Anordnung 1) bzw. das Gericht die Verlesungsvoraussetzungen (im Gegensatz zum Vorsitzenden) möglicherweise verneint hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 25. September 1979 – 5 StR 531/79).
26
(1) Soweit die Unterrichtungs- und Überprüfungsfunktion des § 251 Abs. 4 Sätze 1 und 2 StPO betroffen ist, beruht das Urteil ersichtlich nicht auf dem fehlenden Beschluss; denn der Grund und der Umfang der Verlesung waren klar – nämlich die Einführung der Beschuldigtenvernehmung des Zeugen K. jun. in dem gegen ihn gerichteten Ermittlungsverfahren in die Hauptverhandlung mit allgemeinem Einverständnis (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 StPO). Ob es (daneben) geboten war, den Vernehmungsbeamten und/oder den damaligen Beschuldigten K. jun. dazu als Zeugen zu hören, war eine Frage der gerichtlichen Aufklärungspflicht (vgl. dazu BGH NStZ 1988, 283; BGHR StPO § 251 Abs. 4 Gerichtsbeschluss

4).


27
(2) Zur Prüfung der Frage, ob ein Beruhen des Urteils auf dem fehlenden Gerichtsbeschluss nicht auszuschließen ist, weil das Gericht unter Beachtung von Aufklärungsgesichtspunkten anders entschieden hätte als der Vorsitzende allein – es insbesondere statt der Verlesung der Beschuldigtenvernehmung den Zeugen K. jun. (nochmals) gehört hätte, ist die Kenntnis des Inhalts der verlesenen Niederschrift sowie der vorangegangenen Aussage des Zeugen K. jun. erforderlich; denn daraus kann sich ohne weiteres erschließen , dass die (nochmalige) Vernehmung des Zeugen fern lag. Da die Revision den Wortlaut oder zumindest den wesentlichen Inhalt der verlesenen Niederschrift und den Inhalt der Zeugenaussage nicht mitteilt, kann der Senat die Beruhensfrage nicht prüfen. Das gilt auch, wenn die Rüge in eine Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2 StPO) umgedeutet würde. Die Rüge ist insoweit nicht zulässig erhoben (vgl. BGH NStZ 1998, 369 [zu § 338 Nr. 8 StPO], Gollwitzer in Löwe-Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 251 Rdn. 103).
28
II. Auch die Sachrüge bleibt erfolglos.
29
Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch und den Strafausspruch.
30
Soweit die Revision geltend macht, die Beweiswürdigung sei widersprüchlich , "zu pauschal" und lückenhaft, setzt sie ihre eigenen Wertungen an die Stelle der Würdigung durch den Tatrichter. Damit kann sie im Revisionsverfahren nicht gehört werden. Entsprechendes gilt für die vom Beschwerdeführer erhobenen Beanstandungen zur Strafzumessung. Das Landgericht musste nicht sämtliche Strafzumessungsgründe, sondern nur die für die Strafe bestimmenden Umstände angeben (§ 267 Abs. 3 Satz 1 StPO); das hat es getan. Dass es im Widerspruch zu den getroffenen Feststellungen zu Lasten des Angeklagten gewertet habe, er habe bereits vor oder bei Betreten der Wohnung der Geschädigten einen Vergewaltigungsvorsatz gehabt, ist dem Urteil - entgegen der Auffassung der Revision - nicht zu entnehmen. In den Strafzumessungsgründen ist lediglich zu Lasten des Angeklagten gewertet worden, dass er die Tat während einer Strafhaft begangen und er das Vertrauen des Tatopfers, das ihn arglos in die Wohnung mitgenommen hatte, grob missbraucht und für sich ausgenutzt hat. Das entspricht den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen.
Tepperwien Maatz Kuckein
Solin-Stojanović Ernemann

(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen.

(2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid.

(3) In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten.

(4) Der Dolmetscher oder Übersetzer soll über Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit wahren. Hierauf weist ihn das Gericht hin.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 3/05
vom
10. März 2005
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 10. März 2005 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Essen vom 9. August 2004 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten hat mit der auf § 189 GVG gestützte Verfahrensbeschwerde Erfolg.
1. Die Rüge zu § 189 GVG ist in zulässiger Weise erhoben worden (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO).
Zu ihrer Begründung hat der Beschwerdeführer ausgeführt, daß die Verständigung mit dem Angeklagten in der Hauptverhandlung ausschließlich über den zur Hauptverhandlung geladenen Dolmetscher für die albanische Sprache stattgefunden habe, weil der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig
gewesen sei. Der Dolmetscher sei weder vereidigt worden noch habe er sich auf einen allgemein geleisteten Eid berufen. Er sei zudem auch nicht darüber belehrt worden, daß er treu und gewissenhaft zu übersetzen habe.
Damit enthält die Revisionsbegründung die bestimmte tatsächliche Behauptung , daß der Dolmetscher, dessen Zuziehung geboten war (§ 185 Abs. 1 GVG), nicht vereidigt worden ist und daß er sich auch nicht auf einen allgemein geleisteten Eid berufen hat. Zur Begründung der Verfahrensrüge hat der Beschwerdeführer mithin entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts nicht lediglich auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen. Soweit die Revisionsbegründung darauf verweist, daß "auch im Protokoll der Hauptverhandlung" weder aufgenommen sei, daß der Dolmetscher belehrt worden, noch daß er vereidigt worden sei oder sich auf einen allgemeinen Eid bezogen habe, wird vielmehr geltend gemacht, daß der gerügte Verfahrensmangel durch die Sitzungsniederschrift bewiesen wird.
2. Die Verfahrensrüge ist auch begründet.
Nach § 189 GVG muß ein Dolmetscher, der vom Gericht zur Verhandlung gegen Angeklagte, die der deutschen Sprache nicht mächtig sind, beigezogen wird, den Dolmetschereid leisten (§ 189 Abs. 1 GVG) oder - wenn er für Übertragungen der betreffenden Art im allgemeinen beeidigt ist - sich auf den geleisteten Eid berufen (§ 189 Abs. 2 GVG). Hierbei handelt es sich um eine für die Hauptverhandlung vorgeschriebene Förmlichkeit, deren Beachtung nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (§§ 273 Abs. 1, 274 StPO). Da die Niederschrift über die Hauptverhandlung vom 9. August 2004 keinen Hinweis
auf die Vereidigung der zugezogenen Dolmetscherin enthält, wird deren Fehlen unwiderlegbar vermutet (vgl. BGH NStZ 1998, 28).
Bei dem danach bewiesenen Verstoß gegen § 189 GVG handelt es sich zwar nur um einen relativen Revisionsgrund (vgl. BGHR GVG § 189 Beeidigung 3). Hier kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil auf dem aufgezeigten Verstoß gegen § 189 GVG beruht. Der Angeklagte hat sich, wie der Sitzungsniederschrift und den Urteilsgründen entnommen werden kann, in der Hauptverhandlung zur Sache eingelassen. Da er der deutschen Sprache nicht mächtig ist, muß davon ausgegangen werden, daß der Dolmetscher die Angaben des Angeklagten aus der albanischen Sprache ins Deutsche und die Angaben der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen, insbesondere die des Tatopfers, aus dem Deutschen in die albanische Sprache übertragen hat. Der Angeklagte ist zudem, worauf der Dolmetscher in seinem Vermerk vom 4. August 2004 (Bl. 179 a d.A.) hingewiesen hatte, der albanischen Hochsprache nicht mächtig, sondern spricht nur einen örtlichen Dialekt und hatte den Dolmetscher vor der Hauptverhandlung darauf hingewiesen, er befürchte, daß es deshalb in der Hauptverhandlung Verständigungsschwierigkeiten geben könne.
Der Verfahrensfehler zwingt daher zur Aufhebung des Urteils.
VRi'inBGH Dr. Tepperwien ist Kuckein Athing erkrankt und deshalb verhindert zu unterschreiben. Kuckein
Ernemann Sost-Scheible

(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen.

(2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid.

(3) In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten.

(4) Der Dolmetscher oder Übersetzer soll über Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit wahren. Hierauf weist ihn das Gericht hin.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 208/05
vom
27. Juli 2005
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 27. Juli 2005 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hechingen vom 23. Februar 2005 wird als unbegründet verworfen , da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. Zur Rüge des Verstoßes gegen § 189 GVG bemerkt der Senat: Nach den Gesamtumständen ist - wie die Revision vorgetragen hat - davon auszugehen, daß der Vorschrift des § 189 Abs. 2 GVG nicht entsprochen wurde und außerdem die Dolmetscherin nicht unwesentliche Angaben in der Hauptverhandlung übersetzt hat. Dennoch kann ein Beruhen des Urteils des Landgerichts Hechingen auf der Verletzung des § 189 Abs. 2 GVG ausgeschlossen werden.
Vorliegend sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, daß die Dolmetscherin deswegen nicht treu und gewissenhaft übertragen hat, weil nicht nach außen dokumentiert ist, daß sie sich ihre allgemeine Beeidigung gerade im Einzelfall vergegenwärtigt hat. Vielmehr ist es fernliegend, daß eine allgemein vereidigte Dol- metscherin, die - wie sich aus der dienstlichen Erklärung des Vorsitzenden ergibt - jahrelang offensichtlich beanstandungsfrei bei Gericht übersetzt und sich immer wieder auf ihren allgemein geleisteten Eid berufen hat, sich ihrer Verpflichtung im vorliegenden Einzelfall, in dem ihre Berufung auf den allgemein geleisteten Eid - wie die Revision selbst vorträgt - offenbar versehentlich unterblieben ist, nicht bewußt war und deshalb unrichtig übersetzt hat (vgl. auch BGH NStZ 1998, 204).
Im übrigen war die Dolmetscherin vorliegend schon deshalb zu treuer und gewissenhafter Übersetzung veranlaßt, weil die Richtigkeit ihrer Übersetzung sowohl vom Angeklagten als auch dessen Verteidiger, welche beide die deutsche und die türkische Sprache beherrschen, leicht kontrollierbar war. Ob zu jedem Zeitpunkt der Angeklagte und der Verteidiger die Zeugenaussagen in türkischer Sprache und die dazu gehörende Übersetzung jeweils mitverfolgten oder nicht, ist ohne Bedeutung, weil die Dolmetscherin nicht sicher sein konnte, zu welchen Zeitpunkten eine Kontrolle erfolgte und wann nicht. Nack Wahl Hebenstreit Elf Graf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 579/11
vom
15. Dezember 2011
BGHSt: nein
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
___________________________
Zur Wertgrenze des Merkmals "in großem Ausmaß" des § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO beim "Griff in die Kasse des Staates".
BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 - 1 StR 579/11 - LG Essen
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. Dezember 2011 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Essen vom 26. Mai 2011 wird als unbegründet verworfen, da die
Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Der Erörterung bedarf lediglich Folgendes:
1. Die Verfahrensrüge einer Verletzung des § 189 GVG, mit der geltend
gemacht wird, der Dolmetscher für die arabische Sprache eines Mitangeklagten
, K. , sei nicht gemäß § 189 Abs. 1 GVG vereidigt worden und
habe sich auch nicht auf seine - zuvor schon erfolgte - allgemeine Beeidigung
als Dolmetscher berufen, hat keinen Erfolg.

a) Allerdings zeigt die Revision zutreffend auf, dass das Hauptverhandlungsprotokoll
- vor dessen Berichtigung - weder einen Hinweis darauf enthalten
hat, dass dieser Dolmetscher dahin beeidigt worden ist, treu und gewissenhaft
zu übertragen, noch, dass er sich auf seine allgemeine Beeidigung als Dolmetscher
berufen hat. Durch das Fehlen eines derartigen Hinweises wird der Verstoß
gegen § 189 GVG unwiderleglich bewiesen, denn bei der Vereidigung eines
Dolmetschers gemäß § 189 Abs. 1 GVG handelt es sich um eine wesentli-
che Förmlichkeit i.S.v. § 274 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 29. Juni 1987 - 3
StR 285/87, BGHR GVG § 189 Beeidigung 1).

b) Die Verfahrensrüge dringt aber nicht durch, weil der Senat ausschließen
kann, dass das angefochtene Urteil auf diesem Verstoß beruht (aa). Zudem
wurde das Hauptverhandlungsprotokoll ordnungsgemäß dahin berichtigt,
dass sich der Dolmetscher K. auf seine allgemeine Vereidigung als
Dolmetscher für die arabische Sprache berufen hat (bb).
aa) Der Senat schließt aus, dass das Urteil auf einer Nichtberufung des
Dolmetschers K. beruht, der für einen Mitangeklagten hinzugezogen
worden war.
Angesichts der Vereidigung der übrigen Dolmetscher in der Hauptverhandlung
bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Dolmetscher
K. sein eigener allgemein geleisteter Eid aus dem Blick geraten sein könnte.
Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass er deswegen nicht
treu und gewissenhaft übertragen hat, weil nicht nach außen dokumentiert ist,
dass er sich seine allgemeine Beeidigung gerade im Einzelfall vergegenwärtigt
hat. Vielmehr ist fernliegend, dass ein allgemein vereidigter Dolmetscher, der
jahrelang bei Gericht übersetzt und sich immer wieder auf seinen allgemein
geleisteten Eid berufen hat, sich seiner Verpflichtung im Einzelfall nicht bewusst
war und er deshalb unrichtig übersetzt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli
2005 - 1 StR 208/05, NStZ 2005, 705).
Es ist deshalb in Fällen wie hier, in denen keine Anzeichen dafür sprechen
, dass der Dolmetscher sich seiner besonderen Verantwortung im konkreten
Fall nicht bewusst war, auszuschließen, dass das Urteil auf dem Verfahrensverstoß
beruht (vgl. BGH, Beschluss vom 28. November 1997 - 2 StR
257/97, BGHR GVG § 189 Beeidigung 3). Im vorliegenden Fall kommt noch
hinzu, dass in der Hauptverhandlung für einen anderen Mitangeklagten noch
ein weiterer vereidigter Dolmetscher für die arabische Sprache tätig war, der
jedenfalls die für ihn wahrnehmbare Dolmetschertätigkeit des Dolmetschers
K. auf ihre Richtigkeit hin prüfen konnte. Im Übrigen schließt der
Senat ein Beruhen des Urteils auf dem geltend gemachten Verfahrensverstoß
auch deswegen aus, weil der Angeklagte ein umfangreiches Geständnis abgelegt
hat und seine Angaben von zahlreichen Zeugen bestätigt worden sind (UA
S. 29).
bb) Die Verfahrensrüge hat auch deshalb keinen Erfolg, weil das Hauptverhandlungsprotokoll
im Hinblick auf die Verfahrensrüge zulässig berichtigt
und dabei das für eine Protokollberichtigung zu beachtende Verfahren eingehalten
worden ist (vgl. dazu BGH, Großer Senat für Strafsachen, Beschluss
vom 23. April 2007 - GSSt 1/06, BGHSt 51, 298; BVerfG, Beschluss vom
15. Januar 2009 - 2 BvR 2044/07, BVerfGE 122, 248). Das Hauptverhandlungsprotokoll
ist wirksam dahin berichtigt worden, dass sich der Dolmetscher
K. auf seinen allgemein geleisteten Eid berufen hat. Der ordnungsgemäß
erhobenen Verfahrensrüge ist damit die Tatsachengrundlage entzogen,
der geltend gemachte Verfahrensverstoß liegt nicht vor.
Im Hinblick auf den substantiierten Widerspruch des Revisionsverteidigers
hat der Senat die Gründe der Berichtigungsentscheidung im Rahmen der
Verfahrensrüge überprüft (vgl. dazu BGHSt 51, 298, 317). Die Gründe tragen
die Berichtigung; der Senat hat auch sonst keine Zweifel daran, dass die Berichtigung
zu Recht erfolgt ist. Bei der Überprüfung hat der Senat neben dem
Umstand, dass sich der Kammervorsitzende und die Protokollführerin sicher
waren, der Dolmetscher K. habe sich auf den von ihm geleisteten
Eid berufen, insbesondere berücksichtigt, dass die von den weiteren Berufsrichtern
, dem Sitzungsstaatsanwalt und dem betroffenen Dolmetscher eingeholten
dienstlichen Stellungnahmen die Berichtigung ebenfalls tragen. Der Kammervorsitzende
hatte sogar noch die konkrete Erinnerung daran, überrascht
gewesen zu sein, dass von den beiden in dem Verfahren als Dolmetscher eingesetzten
Brüdern K. , die beide seit vielen Jahren als Dolmetscher beim
Landgericht Essen tätig waren, nur der Dolmetscher K. allgemein
vereidigt war. Der Senat hat bei seiner Überprüfung der vorgenommenen Protokollberichtigung
auch berücksichtigt, dass die beiden Instanzverteidiger angegeben
hatten, keine Erinnerung mehr an den tatsächlichen Verfahrensablauf
zu haben.
Die Auffassung der Revision, es sei selbst angesichts der von der Protokollführerin
gefertigten handschriftlichen Aufzeichnungen ausgeschlossen, dass
diese eine eigene sichere Erinnerung an den Vorgang haben könnte, teilt der
Senat nicht.
2. Die näher ausgeführte Sachrüge hat aus den Gründen der Antragsschrift
des Generalbundesanwalts keinen den Angeklagten beschwerenden
Rechtsfehler ergeben. Dies gilt auch für die Strafzumessung.
Der Erörterung bedarf allerdings die Annahme des Landgerichts, es sehe
die Grenze für die Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs.
3 Satz 2 Nr. 1 AO „entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
bei 100.000 Euro“ (UA S. 40). Dies lässt besorgen, das Landgericht
sei der Auffassung, die Schwelle zur Hinterziehung „in großem Ausmaß“ sei
stets erst bei einer Verkürzung von 100.000 Euro überschritten. Dies ist indes
nicht zutreffend.
Im Fall 1 der Urteilsgründe stellt das Landgericht zudem darauf ab, dass
das aufgrund der unrichtigen Angaben des Angeklagten in der Umsatzsteuerjahreserklärung
2009 errechnete Umsatzsteuerguthaben nur teilweise ausge-
zahlt, überwiegend aber mit anderen „Steuerschulden der Ka. GmbH,insbesondere
Lohnsteuer, verrechnet“ wurde (UA S. 15). Das Landgericht war of-
fenbar der - unzutreffenden - Auffassung, es mache für die Frage, ob eine Hin-
terziehung „in großem Ausmaß“ vorliege, einen Unterschied, ob ein durch die
Tat erlangtes (scheinbares) Steuerguthaben ausgezahlt oder aber mit anderweitigen
Steuerschulden verrechnet werde.
Bei der Bestimmung des gesetzlichen Merkmals „in großem Ausmaß“ im
Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO für einen besonders schweren
Fall der Steuerhinterziehung gilt Folgendes:

a) Wie bereits im Grundsatzurteil des Senats vom 2. Dezember 2008
(1 StR 416/08, BGHSt 53, 71, 81) ausgeführt, bestimmt sich das Merkmal „in
großem Ausmaß“ im Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO nach ob-
jektiven Maßstäben. Es liegt grundsätzlich dann vor, wenn der Hinterziehungsbetrag
50.000 Euro übersteigt. Die Betragsgrenze von 50.000 Euro kommt namentlich
dann zur Anwendung, wenn der Täter ungerechtfertigte Zahlungen
vom Finanzamt erlangt hat, etwa bei Steuererstattungen durch Umsatzsteuerkarusselle
, Kettengeschäfte oder durch Einschaltung von sog. Serviceunter-
nehmen („Griff in die Kasse“). Ist diese Wertgrenze überschritten, dann ist das
Merkmal erfüllt (BGHSt 53, 71, 85; vgl. auch BGH, Beschluss vom 5. Mai 2011 -
1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 644; BGH, Beschluss vom 12. Juli 2011 - 1 StR
81/11, wistra 2011, 396).

b) Beschränkt sich das Verhalten des Täters indes darauf, die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu las-
sen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die
Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ demgegenüber bei 100.000 Euro (BGHSt
53, 71, 85). Dasselbe gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige zwar eine Steuerhinterziehung
durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) begeht, indem er
eine unvollständige Steuererklärung abgibt, er dabei aber lediglich steuerpflichtige
Einkünfte oder Umsätze verschweigt (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Juli
2011 - 1 StR 81/11, wistra 2011, 396) und allein dadurch eine Gefährdung des
Steueranspruchs herbeiführt.

c) Anders ist die Sachlage, wenn der Täter steuermindernde Umstände
vortäuscht, indem er etwa tatsächlich nicht vorhandene Betriebsausgaben vortäuscht
oder nicht bestehende Vorsteuerbeträge geltend macht. Denn in einem
solchen Fall beschränkt sich das Verhalten des Täters nicht darauf, den bestehenden
Steueranspruch durch bloßes Verschweigen von Einkünften oder Um-
sätzen zu gefährden. Vielmehr unternimmt er einen „Griff in die Kasse“ des
Staates, weil die Tat zu einer Erstattung eines (tatsächlich nicht bestehenden)
Steuerguthabens oder zum (scheinbaren) Erlöschen einer bestehenden Steuer-
forderung führen soll. Es bleibt dann deshalb für das gesetzliche Merkmal „in
großem Ausmaß“ bei der Wertgrenze von 50.000 Euro.

d) Trifft beides zusammen, das Verheimlichen von Einkünften bzw. Umsätzen
einerseits und die Vortäuschung von Abzugsposten andererseits, etwa
beim Verheimlichen von Umsätzen und gleichzeitigem Vortäuschen von Vor-
steuerbeträgen, ist das Merkmal „in großem Ausmaß“ i.S.v. § 370 Abs. 3 Satz 2
Nr. 1 AO jedenfalls dann erfüllt, wenn der Täter vom Finanzamt ungerechtfertigte
Zahlungen in Höhe von mindestens 50.000 Euro erlangt hat (vgl. BGH NStZ
2011, 643, 644 Rn. 13). Dasselbe gilt aber auch, wenn ein aufgrund falscher
Angaben scheinbar in dieser Höhe (50.000 Euro) bestehender Auszahlungsan-
spruch ganz oder teilweise mit anderweitigen Steuerverbindlichkeiten verrechnet
worden ist. Die Verrechnung steht dann nämlich insoweit einer Auszahlung
gleich. Hat dagegen die Vortäuschung von steuermindernden Umständen für
sich allein noch nicht zu einer Steuerverkürzung von mindestens 50.000 Euro
geführt, verbleibt es für die Tat insgesamt beim Schwellenwert von
100.000 Euro (vgl. BGH NStZ 2011, 643, 644).

e) Ob die Schwelle des „großen Ausmaßes“ überschritten ist, ist für jede
einzelne Tat im materiellen Sinne gesondert zu bestimmen. Dabei genügt derjenige
Erfolg, der für die Vollendung der Steuerhinterziehung ausreicht. Bei
mehrfacher tateinheitlicher Verwirklichung des Tatbestandes der Steuerhinterziehung
ist - nichts anderes gilt für § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO - das „Ausmaß“ des
jeweiligen Taterfolges zu addieren, da in solchen Fällen eine einheitliche Handlung
im Sinne des § 52 StGB vorliegt (BGHSt 53, 71, 85).

f) Eine nachträgliche „Schadenswiedergutmachung“ hat für die Frage, ob
eine Steuerhinterziehung „in großem Ausmaß“ vorliegt oder nicht, keine Bedeutung.
Die Höhe des auf Dauer beim Fiskus verbleibenden „Steuerschadens“ ist
ein Umstand, der erst bei der Prüfung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
im Einzelfall widerlegt ist, und im Übrigen als bloße Zumessungserwägung in
die Strafzumessung einbezogen werden kann (vgl. im Übrigen zur Schadensverringerung
mit Geldmitteln unklarer Herkunft BGH, Beschluss vom 5. Mai
2011 - 1 StR 116/11, NStZ 2011, 643, 645 Rn. 17, und einer solchen aufgrund
von Pfändungen BGH, Beschluss vom 11. Oktober 2010 - 1 StR 359/10, insoweit
nicht abgedruckt in NStZ 2011, 170).
Zutreffend hat das Landgericht daher den Umstand, dass „der Steuer-
schaden aufgrund der Beschlagnahme erheblicher Vermögenswerte der
Ka. GmbH nachträglich vollständig kompensiert“ wurde (UA S. 43), bei der
Frage, ob das Regelbeispiel des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO erfüllt ist, außer
Betracht gelassen, in die Gesamtwürdigung, ob die Indizwirkung des Regelbeispiels
widerlegt sein könnte, aber einbezogen.
Nack Wahl Hebenstreit
Jäger Sander

(1) Der Dolmetscher hat einen Eid dahin zu leisten, daß er treu und gewissenhaft übertragen werde. Gibt der Dolmetscher an, daß er aus Glaubens- oder Gewissensgründen keinen Eid leisten wolle, so hat er eine Bekräftigung abzugeben. Diese Bekräftigung steht dem Eid gleich; hierauf ist der Dolmetscher hinzuweisen.

(2) Ist der Dolmetscher für Übertragungen der betreffenden Art nach dem Gerichtsdolmetschergesetz oder in einem Land nach den landesrechtlichen Vorschriften allgemein beeidigt, so genügt vor allen Gerichten des Bundes und der Länder die Berufung auf diesen Eid.

(3) In Familiensachen und in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist die Beeidigung des Dolmetschers nicht erforderlich, wenn die beteiligten Personen darauf verzichten.

(4) Der Dolmetscher oder Übersetzer soll über Umstände, die ihm bei seiner Tätigkeit zur Kenntnis gelangen, Verschwiegenheit wahren. Hierauf weist ihn das Gericht hin.