Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 253/11
vom
18. Oktober 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gewerbs- und bandenmäßigen Betruges u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 18. Oktober 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 30. November 2010 aufgehoben , soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist; diese Anordnung entfällt.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte und die Staatskasse haben die Kosten des Rechtsmittels je zur Hälfte zu tragen; die Staatskasse hat ferner die Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen „gewerbs- und bandenmäßigen Betruges in zwei Fällen und wegen Betruges in weiteren vier Fällen" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren verurteilt und die Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten.
2
1. Das Rechtsmittel hat zum Schuldspruch keinen Erfolg; auch der Strafausspruch weist im Ergebnis keinen durchgreifenden Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 2 StPO).
3
Allerdings ist die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, der Angeklagte habe im Fall A. 3. der Urteilsgründe auch das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) verwirklicht. Das Landgericht verkennt hierbei, dass sich das Regelbeispiel nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern allein auf die Vermögenseinbuße beim Opfer bezieht. Das Ausmaß der Vermögenseinbuße ist daher auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen. Eine Addition der Einzelschäden kommt deshalb nur in Betracht, wenn sie - anders als hier - dasselbe Opfer betreffen (BGH, Beschluss vom 15. März 2011 - 1 StR 529/10, NJW 2011, 1825, 1827).
4
Die fehlerhafte Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB hatte jedoch keine Auswirkungen auf die Strafrahmenwahl, da jedenfalls die Voraussetzungen des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) rechtsfehlerfrei vom Landgericht bejaht worden sind. Auch die vom Landgericht in diesem Fall verhängte Einzelfreiheitsstrafe beruht nicht auf dem Rechtsfehler. Denn die Strafkammer hat bei deren Bemessung - neben anderen zu Recht strafschärfend berücksichtigten Umständen - nicht die Verwirklichung zweier Regelbeispiele des besonders schweren Falls, sondern nur die Höhe des entstandenen Schadens von 77.970 € zu Lasten des Angeklagten angeführt.
5
2. Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat dagegen keinen Bestand.
6
Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I 2300) ist unter anderem die Bestimmung des § 66 StGB erheblich umgestaltet worden. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 316e Abs. 1 EGStGB findet, sofern die für die Maßregelanordnung relevanten Anlasstaten - wie hier - vor dem 1. Januar 2011 begangen wurden, zwar grundsätzlich das bisherige Recht Anwendung. Anderes gilt indes dann, wenn nach neuem Recht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gegeben sind. In diesen Fällen ist nach Art. 316e Abs. 2 EGStGB, der auch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (§ 354a StPO), das neue Recht als das mildere Gesetz anzuwenden (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Juni 2011 - 4 StR 127/11 mwN).
7
Die Neufassung des § 66 StGB ist auf den vorliegenden Fall auch nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 (2 BvR 2365/09 u.a.) anzuwenden (vgl. Ziffer III.1. i.V.mit Ziffer II.1. des Tenors dieses Urteils). Über Art. 316e EGStGB wurde vom Bundesverfassungsgericht nicht befunden; die Vorschrift ist daher weiterhin geltendes Recht und als Sonderregelung gegenüber § 2 Abs. 6 StGB zu beachten (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 8. Juni 2011 - 4 StR 127/11, vom 6. Juli 2011 - 2 StR 164/11).
8
Da der Betrug nach dem Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung vom 22. Dezember 2010 nicht mehr zum Katalog der Straftaten zählt, deren Begehung zur Anordnung dieser Maßregel der Besserung und Sicherung führen kann, und auch die vom Landgericht angeführten Vorverurteilungen die Voraussetzungen des neu gefassten § 66 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht (mehr) erfüllen, hat der Senat die vom Landgericht angeordnete Maßregel – wie vom Generalbundesanwalt beantragt – in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO entfallen lassen (vgl. auch BGH, Beschlüsse vom 11. Januar 2011 - 1 StR 528/10, vom 8. Juni 2011 - 4 StR 127/11, vom 6. Juli 2011 - 2 StR 164/11, dort auch zur Kostenentscheidung).
Ernemann Roggenbuck Cierniak
Mutzbauer Bender

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 529/10
vom
15. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 15. März 2011 beschlossen:
1. Die Strafverfolgung wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO auf den Vorwurf des Betruges beschränkt. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 29. März 2010 im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte des Betruges in 18.294 tateinheitlichen Fällen schuldig ist. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen. 4. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht München I hat den Angeklagten wegen unerlaubter Ausspielung in Tateinheit mit Betrug in 18.294 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; die Vollstreckung der Strafe hat es zur Bewährung ausgesetzt. Es hat weiterhin gemäß § 111i Abs. 2 StPO festgestellt , dass es hinsichtlich der von dem Angeklagten aus der Tat erlangten Geldbeträge nur deshalb nicht auf den Verfall von Wertersatz erkannt hat, weil einer entsprechenden Anordnung Ansprüche i.S.d. § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB der im Urteil im Einzelnen aufgeführten Verletzten entgegenstehen. Die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt nach der Beschränkung der Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO zu einer Abänderung des Schuldspruchs. Im Übrigen bleibt sie erfolglos.

I.


2
Nach den Feststellungen des Landgerichts gab der Angeklagte im Oktober 2008 der Regierung der Oberpfalz bekannt, dass er im Internet gegen eine „Teilnahmegebühr“ von 19 € ein „Gewinnspiel“ bestehend aus einem Quiz und einer anschließenden Verlosung durchführen wolle. Hauptpreis sollte eine dem Angeklagten gehörende Doppelhaushälfte in V. bei M. sein. Die Behörde teilte dem Angeklagten mit, dass sie sein Vorhaben angesichts des überwiegenden Zufallselements als ein erlaubnispflichtiges öffentliches Glücksspiel i.S.d. § 3 GlüStV ansehe. Um eine Bewertung als erlaubnisfreies Geschicklichkeitsspiel zu erreichen, erwog der Angeklagte eine Änderung der Spielbedingungen dahingehend, dass nunmehr mehrere Quizrunden durchgeführt werden sollten, um aus der Gesamtzahl der Teilnehmer eine zuvor festgelegte Anzahl von „Siegern“ zu ermitteln, unter denen die Preise, darunter auch das Haus, verlost werden sollten. Anlässlich einer anwaltlichen Beratung wurde ihm mitgeteilt, dass die glücksspielrechtliche Bewertung eines solchen Vorhabens unter den geänderten Bedingungen als Geschicklichkeitsspiel „vertretbar“ erscheine; jedoch sei die Rechtslage „unklar“ und weitere Schritte sollten mit den zuständigen Behörden abgestimmt werden, um „rechtswidriges Handeln“ zu vermeiden. Die Regierung der Oberpfalz wies den Angeklagten in einem weiteren Schreiben darauf hin, dass ihr schon aufgrund fehlender Unterlagen eine abschließende rechtliche Beurteilung auch unter Berücksichtigung der vorgebrachten eventuellen Änderung der Teilnahmebedingungen nicht möglich sei. Außerdem teilte sie ihm vorsorglich mit, dass das Veranstalten von öffentlichen Glücksspielen ohne die erforderliche Erlaubnis eine Straftat darstelle.
3
Mit Schreiben vom 18. Dezember 2008 bat der Angeklagte die Regierung der Oberpfalz um die Erteilung eines Negativbescheids, wonach es sich bei dem von ihm geplanten Gewinnspiel um ein erlaubnisfreies Geschicklichkeitsspiel handele. Ohne eine Rückantwort abzuwarten, nahm der Angeklagte noch am selben Tag den Spielbetrieb über eine von ihm eingerichtete Internetseite auf. Auf dieser teilte er Spielinteressenten mit, dass die Verlosung (des Hauses) als „zulässiges Geschicklichkeitsspiel“ entsprechend den „rechtlichen Vorgaben“ konzipiert worden sei, weil in Deutschland eine reine Verlosung „leider“ nicht erlaubt sei. In den „Teilnahmebedingungen“ versicherte er nochmals ausdrücklich die rechtliche Zulässigkeit der Veranstaltung. Mit Schreiben vom 7. Januar 2009 teilte die Regierung der Oberpfalz dem Angeklagten erneut mit, dass seine Eingabe mangels hinreichender Unterlagen nicht abschließend geprüft werden könne; allerdings liege die Vermutung nahe, dass es sich bei seinem Vorhaben um ein gemäß § 4 Abs. 4 GlüStV unerlaubtes Glücksspiel im Internet handele. Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 erteilte die Regierung von Mittelfranken als die für Bayern zuständige Glücksspielaufsichtsbehörde dem Angeklagten einen entsprechenden Hinweis und drohte ihm die Untersagung des Spielbetriebes an. Diese erfolgte schließlich mit Bescheid vom 27. Januar 2009, gegen den der Angeklagte Anfechtungsklage erhob. Außerdem stellte er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, den das Verwaltungsgericht in München mit Beschluss vom 9. Februar 2009 ablehnte. Seine hiergegen gerichtete Beschwerde sowie die von ihm erhobene Anfechtungsklage nahm der Angeklagte zurück. Außerdem stoppte er das Gewinnspiel. Eine Verlosung des Hauses fand nicht mehr statt.
4
Bis zur Einstellung des Spielbetriebes nahmen 18.294 Personen an dem Gewinnspiel teil, zahlreiche davon auch mehrfach, und entrichteten den vom Angeklagten geforderten Einsatz. Die höchste Einzelüberweisung an den Ange- klagten lag bei 190 €; darüber hinaus zahlten einzelne Spieler in mehreren Überweisungen bis zu 874 € für ihre Spielteilnahme. Insgesamt erlangte der Angeklagte hierdurch 404.833 €. Hiervon zahlte er nicht mehr als 4.833 € an einige der Spielteilnehmer zurück. Den Restbetrag verbrauchte er für eigene Zwecke.

II.


5
1. Der Senat hat gemäß § 154a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 StPO mit Zustimmung des Generalbundesanwalts die Strafverfolgung auf den Vorwurf des Betruges (§ 263 StGB) beschränkt und von einer Ahndung der Tat wegen unerlaubter Ausspielung (§ 287 StGB) abgesehen.
6
Die Beschränkung ist erfolgt, weil die bisherigen Feststellungen nicht ausreichen, um den Schuldspruch wegen unerlaubter Ausspielung zu begründen. So fehlen Feststellungen zu den von dem Angeklagten verwendeten Quizfragen und deren Schwierigkeitsgrad. Angesichts dessen ist es dem Senat nicht möglich, die Frage, ob es sich bei dem von dem Angeklagten im Internet veranstalteten Gewinnspiel um ein verbotenes Glücksspiel i.S.d. § 287 StGB oder um ein erlaubtes Geschicklichkeitsspiel handelt (vgl. Fischer, StGB, 58. Aufl., § 287 Rn. 8 zur Abgrenzung bei Preisrätseln), abschließend zu beurteilen.
7
2. Danach war der Schuldspruch wie geschehen zu ändern. § 265 StPO steht dem nicht entgegen. Der nach der Beschränkung verbliebene Vorwurf des Betruges ist vom bisherigen Schuldspruch umfasst. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der zum äußeren Tatgeschehen geständige Angeklagte anders als bisher hätte verteidigen können.

III.


8
Die weitergehende Revision des Angeklagten ist unbegründet i.S.d. § 349 Abs. 2 StPO.
9
1. Entgegen der Ansicht der Revision erfüllt das vom Landgericht rechtsfehlerfrei festgestellte Verhalten des Angeklagten sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht alle Merkmale des Betruges nach § 263 Abs. 1 StGB.
10
a) Durch die wahrheitswidrigen Ausführungen auf seiner Internetseite rief der Angeklagte bei den Spielteilnehmern die Fehlvorstellung hervor, dass er die Rechtslage bezüglich der Zulässigkeit des von ihm angebotenen Gewinnspiels abschließend geklärt habe und dass seinem Vorhaben von Seiten der zuständigen Behörden keine rechtlichen Bedenken entgegenstünden. Eine solche Klärung der Rechtslage war vor Aufnahme des Spielbetriebes aber gerade nicht erfolgt. Aufgrund des vorangegangenen Schriftverkehrs mit den Behörden, die den Angeklagten mehrfach auf ihre rechtlichen Zweifel an der Zulässigkeit des Gewinnspiels hingewiesen hatten, und der von ihm eingeholten Auskünfte von Rechtsanwälten, die die Rechtslage ebenfalls als „unklar“ bezeichnet und ein weiteres Vorgehen nur im Einvernehmen mit den Behörden angemahnt hatten, musste er vielmehr damit rechnen, dass ihm die weitere Durchführung seines Vorhabens einschließlich der Verlosung der von ihm als Hauptgewinn ausgelobten Immobilie umgehend untersagt werden wird, wie dies dann auch tatsächlich geschehen ist.
11
b) Im Vertrauen auf die Zusicherung des Angeklagten erbrachten die Teilnehmer ihre Spieleinsätze und erlitten insoweit auch einen Vermögensschaden. Die Gegenleistung des Angeklagten blieb infolge der drohenden Untersagung des Gewinnspiels hinter der vertraglich geschuldeten Leistung zurück , denn der Angeklagte war grundsätzlich weder willens noch in der Lage, den überwiegenden Teil der vereinnahmten Gelder, den er schon für eigene Zwecke verbraucht hatte, im Fall einer vorzeitigen zwangsweisen Einstellung des Spielbetriebes durch die Behörden an die Spielteilnehmer zurückzuzahlen (vgl. BGH, Urteil vom 23. November 1983 - 3 StR 300/83; BGH, Urteil vom 3. November 1955 - 3 StR 172/55, BGHSt 8, 289, 291). Dass er einen geringen Teil der Einsätze an einige der Spielteilnehmer - die ihm zum Teil mit einer Strafanzeige gedroht hatten - zurück erstattet hat, steht dabei der Annahme eines Betrugsschadens nicht entgegen (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2009 - 1 StR 731/08, BGHSt 53, 199, 204). Das Landgericht hat die Teilrückzahlung zu Recht als bloße Schadenswiedergutmachung gewertet und bei der Strafzumessung berücksichtigt.
12
c) Der Angeklagte, der dies alles erkannt und gewollt hat, handelte vorsätzlich. Da es ihm zudem darauf ankam, seinen eigenen Gewinn durch die Einsätze der getäuschten Spielteilnehmer zu steigern, ist bei ihm auch die Absicht gegeben, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Umstand, dass er bei der Tatbegehung möglicherweise darauf hoffte, dass die zuständigen Behörden letztlich keine Einwände erheben und ihm die Durchführung des Gewinnspiels einschließlich der Verlosung gestatten würden, lässt die Annahme eines (bedingten) Betrugsvorsatzes nicht entfallen (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Dezember 2002 - 2 StR 332/02, NStZ 2003, 264 mwN).
13
2. Nicht zu beanstanden ist weiterhin die vom Landgericht vorgenommene konkurrenzrechtliche Bewertung, wonach sich der Angeklagte nur wegen einer Tat des Betruges in mehreren tateinheitlich zusammentreffenden Fällen strafbar gemacht hat. Nach den Feststellungen des Landgerichts waren wesentliche Teile der Tatausführung „vollautomatisiert“, d.h. die Anmeldung der Spielteilnehmer, die Aufforderung zur Zahlung nach der Anmeldung, die Überwachung des Zahlungseingangs und die Übermittlung der Quizfragen erfolgten automatisch über das Internet durch den Einsatz eines Computerprogramms, ohne dass es eines weiteren Zutuns des Angeklagten bedurfte. Da seine Tathandlung im Wesentlichen in der Einrichtung und Überwachung der Internetseite bestand, über die das Gewinnspiel abgewickelt wurde, ist das Landgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die an sich selbständigen zahlreichen Abschlüsse der Spielverträge mit den Teilnehmern hier als Tateinheit verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Mai 2003 - 2 StR 74/03 mwN).
14
3. Der Strafausspruch kann bestehen bleiben.
15
a) Allerdings ist die Annahme des Landgerichts rechtsfehlerhaft, der Angeklagte habe im Hinblick auf den von ihm verursachten Gesamtschaden das Regelbeispiel der Herbeiführung eines Vermögensverlustes großen Ausmaßes (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB) verwirklicht. Das Landgericht verkennt hierbei, dass sich das Regelbeispiel nicht auf den erlangten Vorteil des Täters, sondern allein auf die Vermögenseinbuße beim Opfer bezieht (NK-Kindhäuser, StGB, 3. Aufl., § 263 Rn. 394). Das Ausmaß der Vermögenseinbuße ist daher auch bei Betrugsserien, die nach den Kriterien der rechtlichen oder natürlichen Handlungseinheit eine Tat bilden, opferbezogen zu bestimmen. Eine Addition der Einzelschäden kommt insoweit nur in Betracht, wenn die tateinheitlich zusammentreffenden Betrugstaten dasselbe Opfer betreffen (vgl. hierzu LK- Tiedemann, StGB, 11. Aufl., § 263 Rn. 298; MüKo-Hefendehl, StGB, § 263 Rn. 777; NK-Kindhäuser aaO). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.
16
Auch die Voraussetzungen des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 2 StGB liegen hier nicht vor, da sich die Vorstellung des Täters auf die fortgesetzte Begehung mehrerer rechtlich selbständiger Betrugstaten richten muss (MüKo-Hefendehl aaO Rn. 779; NK-Kindhäuser aaO Rn. 395).
17
b) Die fehlerhafte Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB hat jedoch keine Auswirkungen auf die Strafrahmenwahl, da jedenfalls die Voraussetzungen des Regelbeispiels der Gewerbsmäßigkeit (§ 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB) rechtsfehlerfrei vom Landgericht bejaht worden sind. Der Umstand, dass die Einzeldelikte der Betrugsserie hier tateinheitlich zusammentreffen, steht dem nicht entgegen (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, BGHSt 49, 177).
18
c) Weder die Schuldspruchänderung infolge der Beschränkung nach § 154a StPO, noch die rechtsfehlerhafte Annahme des Regelbeispiels nach § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 Alt. 1 StGB haben vorliegend Auswirkungen auf den Strafausspruch. Bei der Strafrahmenwahl ist das Landgericht vom Strafrahmen des § 263 Abs. 3 StGB ausgegangen und nicht von dem des § 287 StGB. Es hat außerdem die von ihm angenommene tateinheitliche Begehung der unerlaubten Ausspielung bei der Strafzumessung nicht zum Nachteil des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt, sondern lediglich betrugsspezifische Gesichtspunkte in seine Überlegungen zur Strafhöhe einfließen lassen. Die vom Landgericht bei der Strafzumessung aufgeführte Erwägung, dass der Angeklagte zwei Tatbestandsalternativen des § 263 Abs. 3 StGB, nämlich die Nrn. 1 und 2, verwirklicht hätte, dient ersichtlich nur der näheren Erläuterung der vom Angeklagten bei der Tat aufgewendeten kriminellen Energie, zumal die geringe Höhe der bei den einzelnen Spielteilnehmern eingetretenen Schäden ausdrücklich strafmildernd gewertet worden ist. Da die verhängte Freiheitsstrafe von zwei Jahren trotz des beträchtlichen Gesamtschadens und der erheblichen, bei der Tatvorbereitung und -ausführung aufgewendeten kriminellen Energie noch im unteren Bereich des zur Verfügung stehenden Strafrahmens liegt, kann der Senat insgesamt ausschließen, dass das Landgericht auf eine niedrigere Freiheitsstrafe erkannt hätte, wenn es von einer Verurteilung des Angeklagten wegen einer tateinheitlich begangenen unerlaubten Ausspielung abgesehen hätte.

IV.


19
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn von den Kosten des Revisionsverfahrens teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Nack Wahl Graf
Jäger Sander

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 354 zu verfahren, wenn es das Urteil aufhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revisionsgerichts ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasses der angefochtenen Entscheidung.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 127/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. Dezember 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Betrugs und wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren festgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht die Unterbringungsanordnung rechtsfehlerfrei auf § 66 Abs. 1 StGB a.F. gestützt und die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. durch die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998 als erfüllt angesehen. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, ob nach der am 1. Januar 2011 - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB die Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ebenfalls erfüllt sind.
3
Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I 2300) ist u.a. die Bestimmung des § 66 StGB erheblich umgestaltet worden. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 316e Abs. 1 EGStGB findet, sofern die für die Maßregelanordnung relevanten Anlasstaten vor dem 1. Januar 2011 begangen wurden, zwar grundsätzlich das bisherige Recht Anwendung. Anderes gilt indes dann, wenn nach neuem Recht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gegeben sind. In diesen Fällen ist nach Art. 316e Abs. 2 EGStGB, der auch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (§ 354a StPO), das neue Recht als das mildere Gesetz anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 49; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 2 StR 642/10 Rn. 2).
4
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. müssen die in formeller Hinsicht für die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erforderlichen Vorverurteilungen jeweils Straftaten zum Gegenstand haben, die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a bis c StGB n.F. bezeichnet sind. Diesen Anforderungen genügen die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998, auf welche sich die Strafkammer für die Bejahung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. gestützt hat, nicht, weil beiden Entscheidungen ausschließlich nicht vom Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB n.F. erfasste Delikte zu Grunde lagen. Beide Urteile sind nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. nicht mehr geeignet , formell die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
5
Als Vorverurteilungen, welche den Voraussetzungen des neuen Rechts entsprechen, kommen nach den Feststellungen allein die Verurteilungen durch das Landgericht Schwerin vom 2. Februar 1995 wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Geiselnahme in zwei Fällen sowie durch das Landgericht Berlin vom 11. August 1978 u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen räuberischer Erpressung in Betracht, wobei das angefochtene Urteil weder die Höhe der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 mitteilt, noch die jeweiligen Verbüßungszeiten genau feststellt. Die Urteilsausführungen legen es - wie der Generalbundesanwalt in seinem Verwerfungsantrag im Einzelnen darlegt - allerdings zumindest sehr nahe, dass für die Katalogtaten im Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wurde und die Verjährungsregelung des § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB n.F. der Berücksichtigung der jeweils abgeurteilten Taten nicht entgegen steht.
6
In materieller Hinsicht hat sich die Strafkammer aber - der damaligen Rechtslage entsprechend - bei der Feststellung des Hangs neben der neu abgeurteilten Gewalttat zum Nachteil der Eheleute R. maßgeblich auf die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. als Symptomtaten gewerteten Straftaten gestützt , welche den Urteilen des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998 zu Grunde lagen, während die Verurteilungen durch das Landgericht Berlin vom 11. August 1978 und das Landgericht Schwerin vom 2. Februar 1995 in der Gesamtwürdigung des Landgerichts nur am Rande und in summarischer Weise Erwähnung finden. Ob das Landgericht bei einer Gesamtbewertung, welche insbesondere die nach neuem Recht in formeller Hinsicht zur Begründung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB n.F. allein in Betracht kommenden Taten aus den Urteilen des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 und des Landgerichts Schwerin vom 2. Februar 1995 in den Blick zu nehmen und damit auf anders gewichteter tatsächlicher Grundlage zu erfolgen hätte, ebenfalls zur Bejahung eines Hangs des Angeklagten gelangt wäre, vermag der Senat den Urteilsgründen mit hinreichender Sicherheit nicht zu entnehmen. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung.
7
Bei der neuerlichen Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung werden die Anforderungen zu beachten sein, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 - für die befristete weitere Anwendung des § 66 StGB alter und neuer Fassung aufgestellt hat (vgl. Rn. 172 der Entscheidung).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Vorschriften über die Sicherungsverwahrung in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) sind nur anzuwenden, wenn die Tat oder mindestens eine der Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten werden soll, nach dem 31. Dezember 2010 begangen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bisherige Recht anzuwenden, soweit in den Absätzen 2 und 3 sowie in Artikel 316f Absatz 2 und 3 nichts anderes bestimmt ist.

(2) Sind die Taten, wegen deren Begehung die Sicherungsverwahrung nach § 66 des Strafgesetzbuches angeordnet werden soll, vor dem 1. Januar 2011 begangen worden und ist der Täter deswegen noch nicht rechtskräftig verurteilt worden, so ist § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung anzuwenden, wenn diese gegenüber dem bisherigen Recht das mildere Gesetz ist.

(3) Eine nach § 66 des Strafgesetzbuches vor dem 1. Januar 2011 rechtskräftig angeordnete Sicherungsverwahrung erklärt das Gericht für erledigt, wenn die Anordnung ausschließlich auf Taten beruht, die nach § 66 des Strafgesetzbuches in der seit dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung nicht mehr Grundlage für eine solche Anordnung sein können. Das Gericht kann, soweit dies zur Durchführung von Entlassungsvorbereitungen geboten ist, als Zeitpunkt der Erledigung spätestens den 1. Juli 2011 festlegen. Zuständig für die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 2 ist das nach den §§ 454, 462a Absatz 1 der Strafprozessordnung zuständige Gericht. Für das Verfahren ist § 454 Absatz 1, 3 und 4 der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden; die Vollstreckungsbehörde übersendet die Akten unverzüglich an die Staatsanwaltschaft des zuständigen Gerichtes, die diese umgehend dem Gericht zur Entscheidung übergibt. Mit der Entlassung aus dem Vollzug tritt Führungsaufsicht ein.

(4) § 1 des Therapieunterbringungsgesetzes vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300, 2305) ist unter den dortigen sonstigen Voraussetzungen auch dann anzuwenden, wenn der Betroffene noch nicht in Sicherungsverwahrung untergebracht, gegen ihn aber bereits Sicherungsverwahrung im ersten Rechtszug angeordnet war und aufgrund einer vor dem 4. Mai 2011 ergangenen Revisionsentscheidung festgestellt wurde, dass die Sicherungsverwahrung ausschließlich deshalb nicht rechtskräftig angeordnet werden konnte, weil ein zu berücksichtigendes Verbot rückwirkender Verschärfungen im Recht der Sicherungsverwahrung dem entgegenstand, ohne dass es dabei auf den Grad der Gefährlichkeit des Betroffenen für die Allgemeinheit angekommen wäre.

(1) Die Strafe und ihre Nebenfolgen bestimmen sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Tat gilt.

(2) Wird die Strafdrohung während der Begehung der Tat geändert, so ist das Gesetz anzuwenden, das bei Beendigung der Tat gilt.

(3) Wird das Gesetz, das bei Beendigung der Tat gilt, vor der Entscheidung geändert, so ist das mildeste Gesetz anzuwenden.

(4) Ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, ist auf Taten, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Dies gilt nicht, soweit ein Gesetz etwas anderes bestimmt.

(5) Für Einziehung und Unbrauchbarmachung gelten die Absätze 1 bis 4 entsprechend.

(6) Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 127/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. Dezember 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Betrugs und wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren festgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht die Unterbringungsanordnung rechtsfehlerfrei auf § 66 Abs. 1 StGB a.F. gestützt und die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. durch die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998 als erfüllt angesehen. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, ob nach der am 1. Januar 2011 - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB die Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ebenfalls erfüllt sind.
3
Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I 2300) ist u.a. die Bestimmung des § 66 StGB erheblich umgestaltet worden. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 316e Abs. 1 EGStGB findet, sofern die für die Maßregelanordnung relevanten Anlasstaten vor dem 1. Januar 2011 begangen wurden, zwar grundsätzlich das bisherige Recht Anwendung. Anderes gilt indes dann, wenn nach neuem Recht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gegeben sind. In diesen Fällen ist nach Art. 316e Abs. 2 EGStGB, der auch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (§ 354a StPO), das neue Recht als das mildere Gesetz anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 49; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 2 StR 642/10 Rn. 2).
4
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. müssen die in formeller Hinsicht für die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erforderlichen Vorverurteilungen jeweils Straftaten zum Gegenstand haben, die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a bis c StGB n.F. bezeichnet sind. Diesen Anforderungen genügen die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998, auf welche sich die Strafkammer für die Bejahung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. gestützt hat, nicht, weil beiden Entscheidungen ausschließlich nicht vom Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB n.F. erfasste Delikte zu Grunde lagen. Beide Urteile sind nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. nicht mehr geeignet , formell die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
5
Als Vorverurteilungen, welche den Voraussetzungen des neuen Rechts entsprechen, kommen nach den Feststellungen allein die Verurteilungen durch das Landgericht Schwerin vom 2. Februar 1995 wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Geiselnahme in zwei Fällen sowie durch das Landgericht Berlin vom 11. August 1978 u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen räuberischer Erpressung in Betracht, wobei das angefochtene Urteil weder die Höhe der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 mitteilt, noch die jeweiligen Verbüßungszeiten genau feststellt. Die Urteilsausführungen legen es - wie der Generalbundesanwalt in seinem Verwerfungsantrag im Einzelnen darlegt - allerdings zumindest sehr nahe, dass für die Katalogtaten im Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wurde und die Verjährungsregelung des § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB n.F. der Berücksichtigung der jeweils abgeurteilten Taten nicht entgegen steht.
6
In materieller Hinsicht hat sich die Strafkammer aber - der damaligen Rechtslage entsprechend - bei der Feststellung des Hangs neben der neu abgeurteilten Gewalttat zum Nachteil der Eheleute R. maßgeblich auf die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. als Symptomtaten gewerteten Straftaten gestützt , welche den Urteilen des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998 zu Grunde lagen, während die Verurteilungen durch das Landgericht Berlin vom 11. August 1978 und das Landgericht Schwerin vom 2. Februar 1995 in der Gesamtwürdigung des Landgerichts nur am Rande und in summarischer Weise Erwähnung finden. Ob das Landgericht bei einer Gesamtbewertung, welche insbesondere die nach neuem Recht in formeller Hinsicht zur Begründung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB n.F. allein in Betracht kommenden Taten aus den Urteilen des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 und des Landgerichts Schwerin vom 2. Februar 1995 in den Blick zu nehmen und damit auf anders gewichteter tatsächlicher Grundlage zu erfolgen hätte, ebenfalls zur Bejahung eines Hangs des Angeklagten gelangt wäre, vermag der Senat den Urteilsgründen mit hinreichender Sicherheit nicht zu entnehmen. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung.
7
Bei der neuerlichen Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung werden die Anforderungen zu beachten sein, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 - für die befristete weitere Anwendung des § 66 StGB alter und neuer Fassung aufgestellt hat (vgl. Rn. 172 der Entscheidung).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 164/11
vom
6. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Juli 2011 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 354a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. November 2011 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte und die Staatskasse haben die Kosten des Rechtsmittels je zur Hälfte zu tragen; die Staatskasse hat auch die Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in sieben Fällen und wegen Betrugs in drei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Computerbetrug , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, sechs Monate dieser Freiheitsstrafe als bereits verbüßt erklärt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Er- folg, soweit der Maßregelausspruch betroffen ist; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann nach Art. 316e Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EGStGB keinen Bestand haben, da - anders als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung - Diebstahl, Betrug und Computerbetrug keine Katalogtaten nach § 66 Abs. 1 Satz 1 StGB mehr sind und der Senat das gegenüber dem bisherigen Recht mildere neue Recht zu Gunsten des Angeklagten anzuwenden hat (§ 354a StPO).
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 528/10
vom
11. Januar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2011 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 354 Abs. 1, 354a StPO beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Landshut vom 21. Mai 2010 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Jedoch wird die Revisionsgebühr um ein Viertel ermäßigt. Ein Viertel der im Revisionsverfahren entstandenen gerichtlichen und notwendigen Auslagen des Angeklagten werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges in 15 Fällen zu einer dreijährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Hiergegen richtet sich die auf die allgemeine Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen hat die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung hat aus Rechtsgründen keinen Bestand. Denn der Katalog der Straftaten, deren Begehung zur Anordnung oder zum Vorbehalt dieser Maßregel der Besserung und Sicherung führen kann, ist durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl. I S. 2300) mit Wirkung vom 1. Januar 2011 neu gefasst worden. Zu diesem gehört der Betrug (§ 263 Abs. 1 StGB) nicht (§§ 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 und 3 Satz 1, 66a Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Nr. 1 StGB).
3
Diese Neufassung ist auf den vorliegenden Fall anwendbar. Allerdings hat der Gesetzgeber eine von § 2 Abs. 6 StGB abweichende Regelung getroffen. Gemäß Art. 316e Abs. 2 EGStGB ist aber das neue Gesetz für vor seinem Inkrafttreten begangene und noch nicht rechtskräftig verurteilte Taten maßgeblich , wenn es gegenüber der bisherigen Rechtslage milder ist. Diese - jeweils an den Umständen des konkreten Falls zu messende - Voraussetzung ist hier erfüllt.
4
Danach hat der Senat die vom Landgericht angeordnete Maßregel gemäß § 354a StPO in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst entfallen lassen.
5
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Nack Wahl Graf Jäger Sander

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 127/11
vom
8. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren Raubes u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 8. Juni 2011 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bielefeld vom 10. Dezember 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes in Tateinheit mit besonders schwerer räuberischer Erpressung, Freiheitsberaubung und vorsätzlicher Körperverletzung, wegen Betrugs und wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs in Tateinheit mit Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis zu der Gesamtfreiheitsstrafe von neun Jahren verurteilt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet und eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von fünf Jahren festgesetzt. Hiergegen richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Sachbeschwerde gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat den aus der Entschei- dungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann nicht bestehen bleiben. Zwar hat das Landgericht die Unterbringungsanordnung rechtsfehlerfrei auf § 66 Abs. 1 StGB a.F. gestützt und die formellen Voraussetzungen der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. durch die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998 als erfüllt angesehen. Den Urteilsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, ob nach der am 1. Januar 2011 - nach Verkündung des angefochtenen Urteils - in Kraft getretenen Neufassung der Vorschrift des § 66 Abs. 1 StGB die Voraussetzungen der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ebenfalls erfüllt sind.
3
Durch das Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen vom 22. Dezember 2010 (BGBl I 2300) ist u.a. die Bestimmung des § 66 StGB erheblich umgestaltet worden. Gemäß der Übergangsregelung des Art. 316e Abs. 1 EGStGB findet, sofern die für die Maßregelanordnung relevanten Anlasstaten vor dem 1. Januar 2011 begangen wurden, zwar grundsätzlich das bisherige Recht Anwendung. Anderes gilt indes dann, wenn nach neuem Recht die rechtlichen Voraussetzungen für eine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nicht mehr gegeben sind. In diesen Fällen ist nach Art. 316e Abs. 2 EGStGB, der auch in der Revisionsinstanz zu beachten ist (§ 354a StPO), das neue Recht als das mildere Gesetz anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2011 - 4 StR 502/10 Rn. 49; Beschluss vom 12. Januar 2011 - 2 StR 642/10 Rn. 2).
4
Nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. müssen die in formeller Hinsicht für die Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erforderlichen Vorverurteilungen jeweils Straftaten zum Gegenstand haben, die in § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a bis c StGB n.F. bezeichnet sind. Diesen Anforderungen genügen die Urteile des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998, auf welche sich die Strafkammer für die Bejahung der formellen Voraussetzungen des § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. gestützt hat, nicht, weil beiden Entscheidungen ausschließlich nicht vom Katalog des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StGB n.F. erfasste Delikte zu Grunde lagen. Beide Urteile sind nach § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB n.F. nicht mehr geeignet , formell die Anordnung der Sicherungsverwahrung zu begründen.
5
Als Vorverurteilungen, welche den Voraussetzungen des neuen Rechts entsprechen, kommen nach den Feststellungen allein die Verurteilungen durch das Landgericht Schwerin vom 2. Februar 1995 wegen räuberischen Angriffs auf Kraftfahrer in Tateinheit mit schwerer räuberischer Erpressung und wegen Geiselnahme in zwei Fällen sowie durch das Landgericht Berlin vom 11. August 1978 u.a. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und wegen räuberischer Erpressung in Betracht, wobei das angefochtene Urteil weder die Höhe der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 mitteilt, noch die jeweiligen Verbüßungszeiten genau feststellt. Die Urteilsausführungen legen es - wie der Generalbundesanwalt in seinem Verwerfungsantrag im Einzelnen darlegt - allerdings zumindest sehr nahe, dass für die Katalogtaten im Urteil des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verhängt wurde und die Verjährungsregelung des § 66 Abs. 4 Satz 3 und 4 StGB n.F. der Berücksichtigung der jeweils abgeurteilten Taten nicht entgegen steht.
6
In materieller Hinsicht hat sich die Strafkammer aber - der damaligen Rechtslage entsprechend - bei der Feststellung des Hangs neben der neu abgeurteilten Gewalttat zum Nachteil der Eheleute R. maßgeblich auf die nach § 66 Abs. 1 Nr. 1 StGB a.F. als Symptomtaten gewerteten Straftaten gestützt , welche den Urteilen des Landgerichts Traunstein vom 23. Juli 2007 und des Landgerichts Göttingen vom 1. Oktober 1998 zu Grunde lagen, während die Verurteilungen durch das Landgericht Berlin vom 11. August 1978 und das Landgericht Schwerin vom 2. Februar 1995 in der Gesamtwürdigung des Landgerichts nur am Rande und in summarischer Weise Erwähnung finden. Ob das Landgericht bei einer Gesamtbewertung, welche insbesondere die nach neuem Recht in formeller Hinsicht zur Begründung der Sicherungsverwahrung gemäß § 66 Abs. 1 StGB n.F. allein in Betracht kommenden Taten aus den Urteilen des Landgerichts Berlin vom 11. August 1978 und des Landgerichts Schwerin vom 2. Februar 1995 in den Blick zu nehmen und damit auf anders gewichteter tatsächlicher Grundlage zu erfolgen hätte, ebenfalls zur Bejahung eines Hangs des Angeklagten gelangt wäre, vermag der Senat den Urteilsgründen mit hinreichender Sicherheit nicht zu entnehmen. Die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung bedarf daher einer neuen tatrichterlichen Verhandlung und Entscheidung.
7
Bei der neuerlichen Prüfung der Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung werden die Anforderungen zu beachten sein, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 - für die befristete weitere Anwendung des § 66 StGB alter und neuer Fassung aufgestellt hat (vgl. Rn. 172 der Entscheidung).
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer
Bender Quentin

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 164/11
vom
6. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen Diebstahls u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 6. Juli 2011 gemäß
§§ 349 Abs. 2 und 4, 354a StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Aachen vom 24. November 2011 aufgehoben, soweit die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden ist. Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entfällt. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Angeklagte und die Staatskasse haben die Kosten des Rechtsmittels je zur Hälfte zu tragen; die Staatskasse hat auch die Hälfte der notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in sieben Fällen und wegen Betrugs in drei Fällen, hiervon in einem Fall in Tateinheit mit Computerbetrug , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt, sechs Monate dieser Freiheitsstrafe als bereits verbüßt erklärt und die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Seine auf die Rüge formellen und materiellen Rechts gestützte Revision hat mit der Sachrüge Er- folg, soweit der Maßregelausspruch betroffen ist; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung kann nach Art. 316e Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 EGStGB keinen Bestand haben, da - anders als zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung - Diebstahl, Betrug und Computerbetrug keine Katalogtaten nach § 66 Abs. 1 Satz 1 StGB mehr sind und der Senat das gegenüber dem bisherigen Recht mildere neue Recht zu Gunsten des Angeklagten anzuwenden hat (§ 354a StPO).
Fischer Schmitt Berger Krehl Eschelbach