Bundesgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2001 - 4 StR 25/01
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten "wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Nötigung, gefährlicher Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen gefährlicher Körperverletzung und Fahrens ohne Fahrerlaubnis" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Ferner hat es eine Sperrfrist von fünf Jahren für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis festgesetzt. Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel führt lediglich zu einer Herabsetzung der Gesamtfreiheitsstrafe; im übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.1. Die Überprüfung des Schuldspruchs hat keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Soweit der Angeklagte mit seinem Pkw Mercedes in Höhe der Autobahn-Anschlußstelle Niederrad mindestens zweimal den auf der Standspur vor ihm fahrenden Opel Kadett mit einer relativen Aufprallgeschwindigkeit von 40 bis 50 km/h (UA 16) von hinten rammte, um Sukrije M. , die den Opel Kadett führte, zum Anhalten zu zwingen, hat sich der Angeklagte jedoch entgegen der rechtlichen Wertung des Landgerichts nicht eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Ermöglichung einer Straftat (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB) schuldig gemacht, sondern eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalles gemäß § 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB: Nach den Feststellungen hat der Angeklagte sein Fahrzeug zweckwidrig als gefährliches, gewichtig auf einen anderen Verkehrsteilnehmer einwirkendes Nötigungsmittel mißbraucht und damit einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr im Sinne des § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgenommen (vgl. BGHR StGB § 315 b Abs. 1 Nr. 3 Eingriff, erheblicher 4; Tröndle /Fischer StGB 50. Aufl. § 315 b Rdn. 5 b, jew. m.w.N.). Das zweimalige Rammen des Opel Kadett beeinträchtigte die Sicherheit des Straßenverkehrs, wodurch andere Menschen, insbesondere die sechs Insassen des Opel Kadett (vier Frauen und zwei Kleinkinder), konkret gefährdet wurden. Der Angeklagte war sich dessen bewußt, nahm "eventuelle Verletzungen jedoch billigend in Kauf, um sein Ziel zu erreichen" (UA 8). Durch den vom Angeklagten verursachten Unfall erlitt Fidana S. , eine der Insassinnen des Opel Kadett ein Halswirbelsäulenschleudertrauma. Zudem wurde der Opel Kadett durch das Rammen erheblich beschädigt. Wie sich den Urteilsausführungen zu dem Gutachten des Sachverständigen zum Hergang des Unfalls in Verbindung mit den
Lichtbildern entnehmen läßt (SA Bd. III Bl. 472 ff.), auf die im Urteil in zulässiger Weise verwiesen wird (UA 16), wurden unter anderem die hintere Stoßstange abgerissen, das Fahrzeugheck abgeknickt und der Kofferraum eingedrückt und verformt. Zwar verhält sich das Urteil nicht dazu, ob der Angeklagte auch in bezug auf die mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Fahrzeugs verbundene Gefährdung des Opel Kadetts vorsätzlich handelte. Dies versteht sich aber hier nach den Feststellungen zum Unfallhergang von selbst. Nachdem es dem Angeklagten nicht gelungen war, die Fahrerin auf andere Weise (Handzeichen , mehrfacher Spurwechsel) dazu zu bringen, ihr Fahrzeug anzuhalten, kam es ihm nunmehr darauf an, das Fahrzeug zu rammen, um seine Weiterfahrt zu verhindern. Der Vorsatz des Angeklagten umfaßte mithin nicht nur die Gefährdung des Opel Kadett, sondern auch eine - mit einem Auffahren mit einer relativen Aufprallgeschwindigkeit von mindestens 40 km/h notwendigerweise verbundene – Beschädigung des Fahrzeugs. Der Angeklagte handelte dabei jedoch nicht - wovon das Landgericht ausgeht - in der Absicht, eine andere Straftat zu ermöglichen. Zwar wollte er mit dem zweckwidrigen Einsatz seines Kraftfahrzeugs die Fahrerin des Opel Kadett zum Anhalten zwingen, was ihm schließlich auch gelang. Gleichwohl war dieser Eingriff in die Sicherheit des Straßenverkehrs nicht Mittel, um die Nötigungshandlung zu ermöglichen; vielmehr stellt er sich rechtlich als die Nötigungshandlung im Sinne des § 240 StGB dar (vgl. BGH VRS 89, 366). Die gefährliche Körperverletzung, die der Angeklagte nach dem Anhalten der Fahrzeuge begangen hat, kommt als andere Straftat im Sinne des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB nicht in Betracht, da der Angeklagte Sukrije M. nach den Feststellungen zunächst nur zum Anhalten zwingen wollte. Den Entschluß, auf sie mit dem mitgeführten Klappmesser einzustechen, faßte er erst im Verlauf des weiteren Tatgeschehens (UA 8).
Der Schuldspruch kann jedoch auch insoweit bestehen bleiben, da der Qualifikationstatbestand des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erfüllt ist. Der Angeklagte hat durch den zweckwidrigen Einsatz seines Fahrzeugs, nämlich das gezielte Auffahren auf den Opel Kadett, absichtlich einen Unglücksfall herbeigeführt. Dem steht nicht entgegen, daß er nur mit bedingtem Körperverletzungsvorsatz handelte und daß es ihm im Rahmen der verfolgten Absicht, das vor ihm fahrende Fahrzeug zu rammen, möglicherweise nicht entscheidend darauf ankam, einen hohen Fremdschaden zu verursachen. Für die nach § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a StGB erforderliche Absicht reicht es aus, daß der Täter den Verkehrsunfall – und damit unter den hier gegebenen Umständen einen Unglücksfall – durch einen verkehrsfremdem (verkehrsfeindlichen) Eingriff gezielt herbeigeführt hat (vgl. BGH NZV 1992, 325; NStZ 1992, 182, 183). Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, daß er dabei ein weiter gehendes Ziel verfolgte (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 315 Rdn. 22). Der Senat kann daher den Schuldspruch mit der Maßgabe bestehen lassen, daß insoweit die Verurteilung nicht nach dem Qualifikationstatbestand des § 315 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b StGB, sondern wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zur Herbeiführung eines Unglücksfalls im Sinne von Abs. 3 Nr. 1 Buchst. a dieser Vorschrift erfolgt. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, da der Angeklagte in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen wurde, "daß auch eine Verurteilung nach § 315 b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Ziff. 1 a StGB in Betracht kommt" (Protokollband Bl. 18). Die Beurteilung der Konkurrenzverhältnisse hält rechtlicher Nachprüfung stand. Selbst wenn – insoweit - zugunsten des Angeklagten, wie die Revision meint, davon auszugehen wäre, daß er den gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr vornahm, um dadurch den nachfolgenden Einsatz des Messers
gegen Sukrije M. zu ermöglichen, würde dies nicht zur Annahme von Tateinheit führen. Der gefährliche Eingriff in den Straßenverkehr war bereits beendet, als der Angeklagte auf Sukrije M. einstach, und mithin nicht zugleich auch Mittel zur Begehung dieser gefährlichen Körperverletzung (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 306 b Rdn. 14). 2. Zur Bemessung der Einzelstrafen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 1. Februar 2001. Der Gesamtstrafenausspruch kann dagegen nicht bestehen bleiben, weil das Landgericht den im Hinblick auf den Strafbefehl des Amtsgerichts Lünen vom 5. Juli 1999 notwendigen Härteausgleich nicht vorgenommen hat. Eine Einbeziehung der durch diesen Strafbefehl wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verhängten Geldstrafe von 50 Tagessätzen in die vom Landgericht gebildete Gesamtstrafe kam nur deshalb nicht in Betracht, weil die Vollstreckung in jener Sache bereits erledigt war. Kann aber eine Strafe, weil sie bereits vollstreckt ist, nicht mehr zur Bildung einer Gesamtstrafe nach § 55 StGB herangezogen werden, so ist die darin liegende Härte im Rahmen der Strafzumessung auszugleichen (vgl. BGHR StGB § 55 Abs. 1 Satz 1 Härteausgleich 1 m.w.N.). Der Senat kann den Härteausgleich ausnahmsweise selbst vornehmen, da hier als Härteausgleich von der Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren nur der Abzug von einem Monat in Betracht kommt (§ 39 StGB). Der Senat setzt die Gesamtfreiheitsstrafe deshalb in entsprechender Anwendung des § 354
Abs. 1 StPO auf nunmehr sechs Jahre und elf Monate fest. Der Angeklagte ist hierdurch unter keinen Umständen beschwert.
Maatz Kuckein Athing
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Wer die Sicherheit des Schienenbahn-, Schwebebahn-, Schiffs- oder Luftverkehrs dadurch beeinträchtigt, daß er
- 1.
Anlagen oder Beförderungsmittel zerstört, beschädigt oder beseitigt, - 2.
Hindernisse bereitet, - 3.
falsche Zeichen oder Signale gibt oder - 4.
einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt,
(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) Auf Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr ist zu erkennen, wenn der Täter
- 1.
in der Absicht handelt, - a)
einen Unglücksfall herbeizuführen oder - b)
eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, oder
- 2.
durch die Tat eine schwere Gesundheitsschädigung eines anderen Menschen oder eine Gesundheitsschädigung einer großen Zahl von Menschen verursacht.
(4) In minder schweren Fällen des Absatzes 1 ist auf Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen des Absatzes 3 auf Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu erkennen.
(5) Wer in den Fällen des Absatzes 1 die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(6) Wer in den Fällen des Absatzes 1 fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(1) Wer einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Rechtswidrig ist die Tat, wenn die Anwendung der Gewalt oder die Androhung des Übels zu dem angestrebten Zweck als verwerflich anzusehen ist.
(3) Der Versuch ist strafbar.
(4) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter
(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.
(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn
- 1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen, - 2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder - 3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.
(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.
(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
Freiheitsstrafe unter einem Jahr wird nach vollen Wochen und Monaten, Freiheitsstrafe von längerer Dauer nach vollen Monaten und Jahren bemessen.