Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2011 - 4 StR 204/11

bei uns veröffentlicht am09.06.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 204/11
vom
9. Juni 2011
in der Strafsache
gegen
1.
2.
3.
wegen besonders schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 9. Juni 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten W. und A. wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. Dezember 2010, soweit es sie betrifft, aufgehoben; jedoch bleiben die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen aufrechterhalten. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere als Jugendkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die Revision des Angeklagten S. -G. gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 3. Dezember 2010 wird als unbegründet verworfen. 4. Es wird davon abgesehen, dem Angeklagten S. -G. die Kosten und Auslagen seiner Revision aufzuerlegen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes zu Jugend- und Freiheitsstrafen verurteilt. Gegen dieses Urteil haben die Angeklagten Revision eingelegt und die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt. Die Revisionen der Angeklagten W. und A. haben mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Erfolg. Die Revision des Angeklagten S. -G. ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die von den Angeklagten W. und A. erhobenen Verfahrensrügen bleiben aus den von dem Generalbundesanwalt angeführten Gründen ohne Erfolg. Ihre Verurteilung wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes gemäß § 249 Abs. 1, § 250 Abs. 2 Nr. 1, § 25 Abs. 2 StGB begegnet jedoch durchgreifenden sachlich-rechtlichen Bedenken, weil die Urteilsfeststellungen lückenhaft sind und nicht klar ergeben, dass die Angeklagten mit der erforderlichen Absicht rechtswidriger Zueignung gehandelt haben.
3
a) Nach den Feststellungen der Kammer begaben sich die drei Angeklagten zu dem Anwesen des Zeugen Sa. . Nachdem sie an der Haustür geklingelt hatten, wurde ihnen zunächst von der im Erdgeschoss wohnenden Großmutter des Zeugen geöffnet, die ihren im Obergeschoss wohnenden Enkel herunterrief. Als sich der Zeuge Sa. weigerte, mit den Angeklagten zu reden, hielt ihm der Angeklagte A. ein sog. Überlebensmesser in kurzer Entfernung vor die Brust, das ihm zu diesem Zweck von dem Angeklagten S. -G. zugereicht worden war. Zugleich forderte der Angeklagte A. den Zeugen Sa. auf, „keine Faxen zu machen“ und mit den Angeklagten in seine Wohnung im Obergeschoss zu gehen. Dieser Aufforderung kam der Zeuge Sa. unter dem Eindruck der Bedrohung mit dem Messer nach. In der Wohnung angekommen, zwang der Angeklagte A. den Zeugen Sa. dazu, sich auf eine Couch zu setzen. Der Angeklagte S. -G. verlangte nun von dem Zeugen die Herausgabe von Bargeld und begann ohne eine Antwort abzuwarten, den Wohnzimmerschrank zu durchsuchen. Nachdem er eine Geldkassette gefunden hatte, holte er diese heraus und entnahm ihr zwei Geldmappen, in denen sich Bargeld des Zeugen Sa. in Höhe von ca. 3.500 Euro befand. Während der Angeklagte S. -G. nach weiterem Geld fragte, bemerkten die Angeklagten, dass die Großmutter des Zeugen Sa. zur Wohnung ihres Enkels in das Obergeschoss gekommen war. Noch bevor sie diese betreten konnte, verschloss der Angeklagte W. die Tür. Anschließend veranlassten die Angeklagten A. und S. -G. den Zeugen Sa. „mit entsprechenden Drohgebärden“ dazu, seine vor der Tür stehende Großmutter wegzuschicken, was dieser auch tat. Nachdem sich die Großmutter entfernt hatte, verließen die Angeklagten gemeinsam die Wohnung. Zuvor hatten die Angeklagten A. und S. -G. dem Zeugen Sa. noch angedroht, dass sie wiederkommen und „etwas passieren“ würde, wenn er jemandem von dem Geschehenen erzählen sollte. Die Wegnahme des Bargeldes wurde von dem Zeugen Sa. nur unter dem Eindruck der vorherigen Bedrohung mit dem Messer geduldet. Wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, wurde die Tatbeute von dem Angeklagten S. -G. verbraucht. Die Angeklagten A. und W. erhielten für ihre Beteiligung später lediglich zwischen 40 und 60 Euro ausgehändigt (UA 20, 21, 22 und 29).
4
b) Mittäter eines Raubes kann nach den § 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB nur sein, wer im Zeitpunkt der erzwungenen Wegnahme selbst die Absicht hat, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Dass ein anderer Tatgenosse von dieser Absicht geleitet wird, reicht allein nicht aus (BGH, Beschluss vom 2. Oktober 1997 – 4 StR 410/97, NStZ 1998, 158; Fischer, StGB, 58. Aufl., § 249 Rn. 19 m.w.N.). Dies gilt auch dann, wenn ein Beteiligter erst später in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen in die bereits begonnene Tatausführung eintritt und eine Zurechnung der Gesamttat nur nach den Grundsätzen über die sukzessive Mittäterschaft erfolgen kann (vgl. BGH, Urteile vom 24. April 1952 – 3 StR 48/52, BGHSt 2, 344, 346, und vom 18. Dezember 2007 – 1 StR 301/07, NStZ 2008, 280, 281). An der Absicht einer rechtswidrigen Zueignung fehlt es, wenn der Täter irrig davon ausgeht, er selbst oder – im Fall der angestrebten Drittzueignung – der Dritte habe ein Recht zur Zueignung der weggenommenen Sache (BGH, Urteil vom 12. Januar 1962 – 4 StR 346/61,BGHSt 17, 87, 91; Beschlüsse vom 26. April 1990 – 4 StR 186/90, NJW 1990, 2832, und vom 19. Oktober 1999 – 1 StR 528/99, BGHR § 249 StGB Zueignungsabsicht 10).
5
Wie sich aus den Urteilsgründen ergibt, haben die Angeklagten A. und W. übereinstimmend angegeben, auf Grund von entsprechenden Erzählungen des Angeklagten S. -G. davon ausgegangen zu sein, dass der Zeuge Sa. dem Angeklagten S. -G. noch 600 Euro schulde (UA 21 f.). Dies entspricht der ebenfalls im Urteil mitgeteilten Einlassung des Angeklagten S. -G. , wonach man gemeinsam beschlossen habe, den Zeugen Sa. aufzusuchen, um von ihm die 600 Euro zurückzufordern, die er ihm – dem Angeklagten S. -G. – noch aus einem nicht realisierten Betäubungsmittelgeschäft geschuldet habe (UA 20). Zwar hat das Landgericht hierzu keine ausdrücklichen Feststellungen getroffen, doch hat es die Einlassung des Angeklagten S. -G. in diesem Punkt an anderer Stelle für nicht widerlegt erachtet und ihm bei der Bemessung der Jugendstrafe ausdrücklich zugutegehalten, dass er von dem Bestehen eines Anspruchs gegen den Zeugen Sa. ausgegangen sei (UA 28). Im Rahmen der rechtlichen Wertung wird außerdem ausgeführt, dass der von den Angeklagten behauptete „Drogenhintergrund“ – offenkundig die von dem Angeklagten S. -G. geltend gemachte Forderung – „allenfalls“ ein Zurückverlangen des Betrages von 600 Euro gerechtfertigt hätte (UA 26).
6
Danach ist nicht eindeutig geklärt, ob auch die Angeklagten W. und A. davon ausgegangen sind, dass dem Angeklagten S. -G. gegen den Zeugen Sa. ein Anspruch auf Übereignung von 600 Euro zusteht. Sollte dies – was hier nicht fernliegt – der Fall gewesen sein, käme eine Verurteilung beider Angeklagten wegen gemeinschaftlichen Raubes (§ 249 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB) nur noch dann in Betracht, wenn sie ihre Tatbeiträge in Kenntnis und Billigung der Tatsache erbracht haben, dass dem Zeugen Sa. mehr als 600 Euro weggenommen worden sind. Hierzu fehlen tragfähige Feststellungen. Dem Urteil kann lediglich entnommen werden, dass der Angeklagte S. -G. zwei Geldmappen mit 3.500 Euro an sich nahm, die er zuvor bei der Durchsuchung des Wohnzimmerschranks in einer Geldkassette aufgefunden hatte. Dass die Angeklagten W. und A. noch am Tatort erkannt haben, wieviel Geld sich in diesen Geldmappen befand, ist nicht festgestellt und drängt sich unter den gegebenen Umständen auch nicht auf. Die Geldmappen selbst, auf deren Übereignung der Angeklagte S. -G. für alle Beteiligten ersichtlich keinen Anspruch gehabt haben konnte, waren lediglich das Behältnis, in dem sich das angestrebte Geld befand. Es ist daher nicht anzunehmen, dass sich die Zueignungsabsicht des Angeklagten S. - G. auch auf diese Mappen erstreckt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2000 – 4 StR 91/00, NStZ-RR 2000, 343; Vogel in LK 12. Aufl., § 242 Rn. 162 m.w.N.).
7
c) Auf Grund der aufgezeigten Mängel ist das angegriffene Urteil mit den getroffenen Feststellungen aufzuheben. Da die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen hiervon nicht betroffen sind, können sie bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter wird ergänzend festzustellen haben, welches Vorstellungsbild die Angeklagten W. und A. hatten, als sie sich entschlossen, die von dem Angeklagten S. -G. bewirkte Wegnahme des Geldes abzusichern. Da weitere Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen möglich bleiben, soweit sie zu den bestehen gebliebenen Feststellungen nicht in Widerspruch stehen, wird sich der neu zur Entscheidung berufene Tatrichter zudem mit der Frage befassen müssen, ob dem Zeugen Sa. neben dem Bargeld auch Betäubungsmittel weggenommen worden sind. Der Angeklagte S. -G. hat entsprechende Angaben des Zeugen Sa. bestätigt (UA 20 und 23). Illegal besessene Betäubungsmittel können grundsätzlich taugliches Objekt eines Eigentumsdelikts und damit auch eines Raubes gemäß § 249 Abs. 1 StGB sein (BGH, Beschluss vom 20. September 2005 – 3 StR 295/05, NJW 2006, 72; Vogel in LK 12. Aufl., § 242 Rn. 31 m.w.N.).
8
2. Die Revision des Angeklagten S. -G. ist als unbegründet zu verwerfen, weil die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO). Die insoweit getroffene Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf den §§ 74, 109 Abs. 2 JGG.
Ernemann Roggenbuck Mutzbauer Bender Quentin

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 353 Aufhebung des Urteils und der Feststellungen


(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren

Strafgesetzbuch - StGB | § 250 Schwerer Raub


(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn 1. der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub a) eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,b) sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Wider

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 74 Kosten und Auslagen


Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

Jugendgerichtsgesetz - JGG | § 109 Verfahren


(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn

1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt,
b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden,
c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.

(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub

1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet,
2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder
3.
eine andere Person
a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder
b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.

(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
1 StR 301/07
vom
18. Dezember 2007
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum Mord u. a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 18. Dezember
2007, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Nack
und die Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Wahl,
Dr. Kolz,
die Richterin am Bundesgerichtshof
Elf,
der Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Graf
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Rechtsanwältin
als Vertreterin der Nebenklägerinnen,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 8. Dezember 2006 wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen. 2. Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das vorbezeichnete Urteil
a) im Schuldspruch dahingehend geändert, dass der Angeklagte K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge schuldig ist;
b) im Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten K. aufgehoben. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten dieses Rechtsmittels - an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit schwerem Raub zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der Angeklagte wendet sich mit der auf die Sachbeschwerde gestützten Revision gegen das Urteil. Die zu Ungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft rügt ebenfalls die Verletzung materiellen Rechts. Sie wird vom Generalbundesanwalt vertreten und erstrebt eine Verurteilung des Angeklagten K. wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge. Während das Rechtsmittel des Angeklagten keinen Erfolg hat, ist das Urteil, soweit es den Angeklagten K. betrifft, auf die Revision der Staatsanwaltschaft im Schuldspruch zu ändern und im Strafausspruch aufzuheben.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
3
Am Nachmittag des 29. Oktober 2005 überfielen die Angeklagten S. und K. den 62-jährigen W. in seinem Schrebergarten, um dessen Fahrzeug gewaltsam zu entwenden. Die beiden Angeklagten hatten sich zuvor darauf verständigt, das Opfer niederzuschlagen, um ihm die Autoschlüssel abzunehmen und die Zeit der Ohnmacht oder Benommenheit zur Wegnahme des Autos und zur Flucht zu nutzen. Der Angeklagte K. sollte dazu W. nach Wasser und Arbeit fragen; währenddessen sollte sich der Angeklagte S. unbemerkt von hinten anschleichen und das Opfer niederschlagen. Die Mitangeklagte D. hatte diese Absprache mitbekommen und war damit einverstanden, in der Nähe des Fahrzeugs zu warten und gegebenenfalls vor herannahenden Personen zu warnen. K. und D. wussten, dass der Angeklagte S. ein Fahrtenmesser in der Lederscheide am Gürtel bei sich trug.
4
Dem gemeinsamen Tatplan entsprechend verwickelte der Angeklagte K. W. in ein Gespräch. Der Angeklagte S. hatte sich zunächst im Hintergrund gehalten. In ihm war plötzlich der Gedanke gereift, W. mit seinem mitgeführten Messer zu erstechen, um ungestört und ohne Angst vor späteren Folgen mit dem entwendeten Pkw weiterreisen zu können. Er zog deshalb mit der rechten Hand sein Fahrtenmesser aus der Lederscheide und schlich sich - ansonsten absprachegemäß - von hinten an den völlig ahnungslosen W. heran. Als er dicht hinter ihm angekommen war, schlug er W. nicht - wie vom Angeklagten K. dem Tatplan gemäß erwartet - nieder, sondern umschlang ihn mit dem linken Arm von hinten im Schulterbereich und zog ihn zu sich her. Gleichzeitig führte er mit der rechten Hand mit dem gezückten Messer in Tötungsabsicht zwei heftige Stiche tief in die linke Halsseite, wodurch die Halsschlagader durchtrennt wurde. W. sank zu Boden, versuchte aber in höchster Lebensangst zu schreien und sich durch Arm- und Beinbewegungen zu wehren. Der Angeklagte S. stürzte sich auf ihn und stach weitere neun Mal schnell und heftig vor allem auf die linke Brustseite des Opfers ein. Der nun wehrlose, tödlich getroffene W. gab nur noch schwache Lebenszeichen von sich.
5
Um der Gefahr der zufälligen Entdeckung durch Passanten auf dem nur wenige Meter entfernten Weg zu entgehen, begann der Angeklagte S. W. nach hinten in das Grundstück zu ziehen. Da ihm dies alleine zu schwer und zu langsam ging, forderte er den Angeklagten K. auf, ihm zu helfen. K. hatte, als er die wahre Absicht des Angeklagten S. erkannte, versucht wegzulaufen, war aber an den Spalierdrähten der Sträucher gescheitert. Als er auf die Aufforderung nicht gleich reagierte, drohte ihm der Angeklagte S. , dass ihm dasselbe geschehe. Da es dem Angeklagten K. vor dem Hintergrund ihrer bedrängten Lage (keine finanziellen Mittel, keine Bleibe) und wegen seines angeschlagenen körperlichen Zustandes (Blasen an den Füßen) nach wie vor darum ging, in den Besitz des Fahrzeugs zu gelangen, um damit gemeinsam schnell und bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite und entschloss sich, diesem zu helfen. Er nahm die rechte Hand von W. , dessen Tod auch er alsbald erwartete, und schleifte gemeinsam mit dem Angeklagte S. das bereits bewusstlos gewordene Opfer rund zehn Meter Richtung Grundstücksmitte, um es zu verstecken.
6
Während der Angeklagte K. sich nun auf Anweisung des Angeklagten S. auf den Weg zum Auto machte, nahm der Angeklagte S. den Schlüsselbund, an dem sich unter anderem der Autoschlüssel befand, aus der Hosentasche des Opfers. Die Angeklagte D. war während des Geschehens absprachegemäß in der Nähe des Fahrzeugs geblieben, um den Weg zu beobachten und gegebenenfalls rechtzeitig zu warnen. Die drei Angeklagten flüchteten anschließend mit dem Auto des Opfers. W. verstarb an den ihm zugefügten Verletzungen.
7
II. Die Revision des Angeklagten K. ist unbegründet, da eine Überprüfung des Urteils weder im Schuld- noch im Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben hat. Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Sachrüge geltend macht, das Landgericht habe § 35 Abs. 2 StGB übersehen, dringt er nicht durch. Die Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 StGB liegen nach den getroffenen Feststellungen offensichtlich nicht vor, so dass die Kammer in den Urteilsgründen auch nicht darauf eingehen musste. http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/j8i/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=BJNR001270871BJNE044103307&doc.part=S&doc.price=0.0#focuspoint [Link] http://www.juris.de/jportal/portal/t/jit/page/jurisw.psml?pid=Dokumentanzeige&showdoccase=1&js_peid=Trefferliste&documentnumber=1&numberofresults=1&fromdoctodoc=yes&doc.id=KORE004118042&doc.part=K&doc.price=0.0#focuspoint - 7 -
8
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie eine Verurteilung wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge erstrebt, hat Erfolg. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen tragen diesen Schuldspruch.
9
1. Zwar sind dann, wenn lediglich einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht hat, die übrigen nach § 251 StGB grundsätzlich nur strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewaltanwendungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit gemäß § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hat.
10
Nicht jede Abweichung des tatsächlichen Geschehens von dem vereinbarten Tatplan beziehungsweise von den Vorstellungen des Mittäters begründet die Annahme eines Exzesses. Vielmehr liegt sukzessive Mittäterschaft vor, wenn jemand in Kenntnis und Billigung des bisher Geschehenen - auch wenn dieses in wesentlichen Punkten von dem ursprünglichen gemeinsamen Tatplan abweicht - in eine bereits begonnene Ausführungshandlung als Mittäter eintritt. Sein Einverständnis bezieht sich dann auf die Gesamttat mit der Folge, dass ihm das gesamte Verbrechen strafrechtlich zugerechnet wird. "Nur für das, was schon vollständig abgeschlossen vorliegt, vermag das Einverständnis ... die strafbare Verantwortlichkeit nicht zu begründen" (BGHSt 2, 344, 346). Der die Mittäterschaft begründende Eintritt ist demnach noch möglich, solange der zunächst allein Handelnde die Tat noch nicht beendet hat, selbst wenn sie strafrechtlich schon vorher vollendet war (BGH JZ 1981, 596).

11
2. Von diesen Grundsätzen ausgehend tragen die Feststellungen des Landgerichts den Schuldspruch wegen Beihilfe zum Mord in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge.
12
Der Angeklagte K. hat in Verfolgung des gemeinsamen Tatplanes die tödlich verlaufenden Körperverletzungen, die sein Mittäter - im Rahmen verabredeter Gewaltausübung - dem Opfer beigebracht hatte, dazu ausgenutzt, sich und seine Tatgenossen in den Besitz des Kraftfahrzeugs zu bringen. Dass die tatsächliche Tatausführung von der ursprünglich geplanten abwich, ist dabei unerheblich. Der Angeklagte K. hatte nach den Feststellungen das Geschehen unmittelbar mitverfolgt und trat in Kenntnis und Billigung dieser Umstände in die bereits begonnene, von der ursprünglichen Absprache abweichende Ausführungshandlung ein, indem er mit dem Angeklagten S. das Opfer, "dessen Tod auch er alsbald erwartete" (UA S. 19), versteckte. Um bequem nach München fahren zu können, schob er seine Bedenken wegen des Zustechens durch S. beiseite. Dadurch sowie durch das Ansichnehmen der Kfz-Schlüssel aus der Kleidung des dann zurückgelassenen tödlich Verletzten und durch das folgende Entwenden des Fahrzeugs hat sich sein Vorsatz sukzessiv auf die zum Tod führende Gewalthandlung des Mittäters S. erstreckt (vgl. BGH NJW 1998, 3361, 3362; BGH, Beschl. vom 1. Februar 2007 - 5 StR 494/06; Fischer, StGB 55. Aufl. § 251 Rdn. 10). Der Angeklagte K. handelte im Hinblick auf die von ihm gebilligten Tathandlungen des Angeklagten S. und durch die eigene Mithilfe beim Verstecken des tödlich verletzten Opfers bezüglich des Todeseintritts jedenfalls leichtfertig. Dies bedarf aufgrund der Art des Messereinsatzes durch den Angeklagten S. keiner näheren Ausführung.
13
Somit hat er sich als Mittäter des Raubes mit Todesfolge gemäß §§ 251, 25 Abs. 2 StGB schuldig gemacht. Gleichzeitig wurde er Gehilfe des Mörders mit den eigenen Mordmerkmalen "aus Habgier" und "zur Ermöglichung einer Straftat" nach §§ 211, 27 StGB.
14
3. Da weitere Feststellungen weder in objektiver noch in subjektiver Hinsicht zu erwarten sind, ändert der Senat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO selbst.
15
IV. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Die dazu rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen können bestehen bleiben, da sie von der Änderung des Schuldspruchs nicht berührt werden (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende weitere Feststellungen hierzu kann der neue Tatrichter treffen, soweit sie den bisherigen nicht widersprechen.
16
Da sich das Verfahren nur noch gegen einen Erwachsenen richtet, hat der Senat die Sache zur Bemessung einer neuen Strafe und zur Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft an eine als Schwurgericht zuständige Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Nack Wahl Kolz Elf Graf

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 91/00
vom
6. Juni 2000
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen Bandendiebstahls u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführer am 6. Juni 2000 gemäß §§ 349 Abs. 2
und 4, 357 StPO beschlossen:
I. Auf die Revision des Angeklagten S. wird das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 22. Januar 1999, soweit es ihn betrifft , im Schuldspruch dahin geändert, daß der Angeklagte des Bandendiebstahls in 14 Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, sowie der vorsätzlichen Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig ist. II. Auf die Revision des Angeklagten St. wird das vorbezeichnete Urteil, soweit es ihn und die Mitangeklagten E. und W. betrifft, in den Schuldsprüchen dahin geändert, daß 1. der Angeklagte St. des Bandendiebstahls in 10 Fällen , davon in einem Fall dreimal tateinheitlich begangen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Bandendiebstahl und in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, des versuchten Bandendiebstahls und des versuchten Betruges , 2. der Angeklagte E. des Bandendiebstahls in 16 Fällen, davon in einem Fall dreimal tateinheitlich begangen, in einem Fall in Tateinheit mit versuchtem Bandendiebstahl und in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, 3. der Angeklagte W. des Bandendiebstahls in sieben Fällen, davon in einem Fall dreimal tateinheitlich begangen und in zwei Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug schuldig ist. III. Die weiter gehenden Revisionen werden verworfen. IV. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat den Angeklagten S. wegen ”Bandendiebstahls in 14 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug”, und wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten, den Angeklagten St. wegen ”Bandendiebstahls in 13 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug, versuchten Bandendiebstahls sowie versuchten Betruges” zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Den Angeklagten E. hat es wegen ”Bandendiebstahls in 19 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug” zur Jugendstrafe von zwei Jahren, den Angeklagten W. wegen ”Bandendiebstahls in 9 Fällen, in 2 Fällen in Tateinheit mit Computerbetrug” zur Jugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten - jeweils mit Strafaussetzung zur Bewährung - verurteilt.
Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten S. und St. die Verletzung materiellen Rechts; außerdem beanstanden sie das Verfahren. Die Rechtsmittel haben nur in geringem Umfang Erfolg; im übrigen sind sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.

Nach den Feststellungen beschloß eine Gruppe von etwa 20 jungen Männern, der auch die Angeklagten angehörten, im April 1993, ihren Lebensunterhalt durch die Begehung von Diebstählen zu bestreiten. In Ausführung dieses Vorhabens brachen sie in wechselnder Besetzung in einer Vielzahl von Fällen - jeweils unter Mitwirkung mindestens eines weiteren Bandenmitglieds - Kraftfahrzeuge auf und entwendeten aus diesen insbesondere Bargeld sowie Scheck- und Kreditkarten, die anschließend zu Abhebungen oder Einkäufen genutzt wurden, gelegentlich stahlen sie auch die Fahrzeuge selbst.

II.

Die Verfahrensbeschwerden dringen nicht durch. Ohne Erfolg machen die Revisionen geltend, daß wegen einer Verletzung des Beschleunigungsgebots ein Verfahrenshindernis vorliege. 1. Das Landgericht ist unter Schilderung des Verfahrensganges (UA 42) zu dem Ergebnis gelangt, daß eine von den Angeklagten nicht zu vertretende Verfahrensverzögerung von etwa vier Jahren als Folge der verspäteten Vorlage der Ermittlungsakten durch die Polizei an die Staatsanwaltschaft und einer
verzögerten Anklageerhebung vorliege. Von Amts wegen zu berücksichtigende rechtsstaatswidrige Verfahrensverzögerungen nach Erlaß des tatrichterlichen Urteils sind darüber hinaus weder von den Revisionen vorgetragen noch sonst ersichtlich. 2. Die durch das Landgericht festgestellte Verletzung des in Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK garantierten Rechts auf gerichtliche Entscheidung in angemessener Zeit begründet kein Verfahrenshindernis (vgl. BGHSt 35, 137, 139 f.; Kleinknecht /Meyer-Goßner StPO 44. Aufl. Art. 6 MRK Rdn. 9 m.w.N.). Besondere Umstände, die den Senat dazu veranlassen könnten, das Verfahren abzubrechen und einzustellen, sind nicht gegeben. Die übermäßige, von den Angeklagten nicht verschuldete Verzögerung muß jedoch beim Rechtsfolgenausspruch wieder gutgemacht werden. Das hat das Landgericht getan: Es hat unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerfG NStZ 1997, 591; BGH NStZ 1999, 181; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verfahrensverzögerung 7 und 12) Art und Ausmaß der Verzögerung festgestellt und sodann das Maß der Kompensation durch eine Ermäßigung der an sich verwirkten Jugendstrafen konkret bestimmt. Hierbei hat es dem festgestellten Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MRK durch eine Reduzierung der an sich verwirkten Jugendstrafe von vier Jahren auf zwei Jahre und sechs Monate beim Angeklagten S. bzw. von drei Jahren und sechs Monaten auf zwei Jahre (mit Strafaussetzung zur Bewährung) beim Angeklagten St. angemessen Rechnung getragen. Eine weitere Herabsetzung der außerordentlich milden Strafen erscheint dem Senat nicht vertretbar.

III.

Die Sachrügen haben nur in geringem Umfang Erfolg. 1. Die Annahme von Tatmehrheit in sämtlichen Fällen des Bandendiebstahls hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand:
a) In den Fällen II 7-9 der Urteilsgründe öffneten die Angeklagten St. , E. und W. gemeinsam mit dem gesondert verfolgten Steve Wi. auf dem Parkplatz des Hansa-Parks in Sierksdorf nacheinander gewaltsam drei Pkws verschiedener Eigentümer und entwendeten aus den Fahrzeugen Mitnehmenswertes. In den Fällen II 14 und 15 brachen die AngeklagtenSt. und E. hintereinander zwei auf dem Parkplatz einer Pension in Werder abgestellte Fahrzeuge auf und nahmen daraus ihnen stehlenswert Erscheinendes mit.
b) Da die Handlungen auf den beiden Parkplätzen jeweils auf einer Willensentschließung beruhten und zwischen den Betätigungen ein unmittelbarer räumlicher und zeitlicher Zusammenhang bestand, der das gesamte Handeln objektiv auch für einen Dritten als ein einheitliches zusammengehöriges Tun erscheinen läßt, liegt nur jeweils eine natürliche Handlungseinheit vor (vgl. BGH NStZ 1996, 493, 494). Dem steht nicht entgegen, daß sich die Angriffe gegen verschiedene Eigentümer richteten. Die Fälle II 7-9 sowie II 14 und 15 stehen somit nicht in Tatmehrheit, sondern jeweils in gleichartiger Tateinheit zueinander. 2. Darüber hinaus kann im Fall II 15 der Schuldspruch wegen vollendeten Bandendiebstahls nicht bestehen bleiben:

a) Nach den Feststellungen entnahmen hier die Angeklagten St. und E. einem von ihnen aufgebrochenen VW-Bus einen Aktenkoffer mit Geschäftsunterlagen, den sie anschließend wegwarfen, nachdem sie festgestellt hatten, daß sie für den Inhalt keine Verwendung hatten.
b) Danach kommt lediglich eine Verurteilung wegen versuchten Bandendiebstahls in Betracht; denn wenn für den Täter nur der Inhalt eines Behältnisses von Interesse ist und er sich des Behälters nach Entnahme des Inhalts entledigt, eignet er sich das Behältnis selbst nicht zu (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1975, 543; BGH, Beschluß vom 6. Mai 1999 - 4 StR 177/99). Den Inhalt eignet er sich ebenfalls nicht zu, wenn es ihm - wie hier - auf die Erlangung von Verwertbarem ankommt und er ihn sogleich als ”nicht brauchbar” (UA 32) wegwirft (vgl. BGH bei Dallinger MDR 1976, 16; Tröndle/Fischer StGB 49. Aufl. § 242 Rdn. 19). 3. Im Fall II 21 der Urteilsgründe tragen die Feststellungen den Schuldspruch wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr (§ 315 b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 StGB) nicht:
a) Der Angeklagte S. floh hier mit dem von ihm geführten Pkw in schneller Fahrt, da er - am Steuer eines gestohlenen Fahrzeugs - verhindern wollte, von der Polizei überprüft zu werden. Er mißachtete zunächst eine Lichtzeichenanlage , die rot zeigte. Hierdurch wurden andere Kraftfahrer im Kreuzungsverkehr gezwungen, scharf abzubremsen, um eine Kollision zu vermeiden. Im weiteren Verlauf der Fahrt überholte der Angeklagte trotz Gegenverkehrs , so daß entgegenkommende Fahrzeuge zur Vermeidung eines Zusammenpralls auf den Randstreifen ausweichen mußten.

b) Das so festgestellte vorschriftswidrige Verkehrsverhalten wird nicht von § 315 b StGB erfaßt. Nur wenn im fließenden Verkehr ein Fahrzeugführer das von ihm gesteuerte Kraftfahrzeug in verkehrsfeindlicher Einstellung bewußt zweckwidrig einsetzt, er mithin in der Absicht handelt, den Verkehrsvorgang zu einem Eingriff in den Straßenverkehr zu ”pervertieren”, und es ihm darauf ankommt , durch diesen in die Sicherheit des Straßenverkehrs einzugreifen, kommt § 315 b Abs. 1 Nr. 3 StGB in Betracht (BGHSt 41, 231, 234; BGH NJW 1999, 3132 f.; Tröndle/Fischer aaO § 315 b Rdn. 5). Das ist jedoch nicht festgestellt. Der Angeklagte hat sich aber wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (§ 315 c Abs. 1 Nr. 2 a und 2 b, Abs. 3 Nr. 1 StGB) schuldig gemacht; denn er hat grob verkehrswidrig und rücksichtslos die Vorfahrt nicht beachtet sowie falsch überholt und dadurch Leib oder Leben anderer und fremde Sachen von bedeutendem Wert (konkret) gefährdet. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist zu entnehmen, daß der Angeklagte S. die Verkehrsverstöße zumindest billigend in Kauf genommen und hinsichtlich der Gefährdung wenigstens fahrlässig gehandelt hat. 4. Da nicht zu erwarten ist, daß in einer neuen Hauptverhandlung weitere Feststellungen getroffen werden können, ändert der Senat die Schuldsprüche entsprechend ab. § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich die Angeklagten gegen die geänderten Schuldsprüche nicht wirksamer als geschehen hätten verteidigen können. Gemäß § 357 StPO ist die Schuldspruchänderung in den Fällen II 7-9 auf die Mitangeklagten E. und W. und in den Fällen II 14 und 15 auf den Mitangeklagten E. zu erstrecken.
5. Trotz der Schuldspruchänderungen können die festgesetzten Strafen bestehen bleiben. Der Senat kann im Hinblick auf die Vielzahl und den erheblichen Schuldgehalt der abgeurteilten Straftaten und die für die Bemessung der Jugendstrafen maßgeblichen erzieherischen Gründe (UA 15 ff., 19 ff., 46 ff.) - auch in Bezug auf die Mitangeklagten E. und W. - ausschließen, daß die Jugendkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung trotz der Strafbarkeit (nur) wegen (tateinheitlich begangenen) Versuchs im Fall II 15 und des niedrigeren Strafrahmens in § 315 c Abs. 1, 3 StGB (Fall II 21) auf geringere Jugendstrafen erkannt hätte. Soweit lediglich das Konkurrenzverhältnis anders zu beurteilen ist, wird dadurch der Unrechtsgehalt der Taten nicht berührt (vgl. BGH NStZ 1996, 296, 297). Zum Schuldgehalt der Diebstahlstaten ist im übrigen zu bemerken: Das Landgericht hat festgestellt, daß die Angeklagten und ihre Mittäter in allen Fällen die Bandendiebstähle unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen haben. Daß die Angeklagten nicht wegen schweren Bandendiebstahls nach § 244 a StGB, sondern nur wegen Bandendiebstahls (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.) verurteilt worden sind, ist rechtsfehlerhaft , beschwert die Angeklagten aber nicht. § 244 a StGB gilt auch für Jugendbanden (s. LG Koblenz NStZ 1998, 197 und den diese Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 StPO bestätigenden Beschluß des BGH vom 20. August 1997 - 2 StR 306/97). Die von der Jugendkammer vorgenommene Auslegung der Vorschrift - sie sei nach der ”Intention des Gesetzgebers” auf Jugendbanden nicht anwendbar (UA 44) - ist mit deren Wortlaut nicht vereinbar. Auch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und ihr Normzweck lassen eine "Intention des Gesetzgebers”, Jugendbanden aus dem Anwendungsbereich des § 244 a StGB herauszunehmen, nicht erkennen:
§ 244 a StGB wurde durch das am 22. September 1992 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der Organisierten Kriminalität vom 15. Juli 1992 (BGBl. I 1302) in das StGB eingefügt. Der Gesetzgeber erhoffte sich durch die gegenüber dem Vergehenstatbestand des (”einfachen”) Bandendiebstahls gesteigerte Strafdrohung eine erhöhte Abschreckungswirkung und durch die Ausgestaltung der Vorschrift als Verbrechenstatbestand zugleich eine Vorverlagerung der Strafbarkeitsschwelle (vgl. BTDrucks. 12/989 S. 25; Zopfs GA 1995, 320; Eser in Schönke/Schröder StGB 25. Aufl. § 244 a Rdn. 1). Er hat das Problem der Anwendung auf Jugend-Diebesbanden erkannt und u.a. deswegen davon abgesehen , den - ohne erschwerte Umstände begangenen - Bandendiebstahl (§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB a.F.) allgemein als Verbrechenstatbestand umzugestalten , weil ”dann auch Gruppen von Straftätern erfaßt würden, die kaum dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugerechnet werden können (z.B. Jugendliche , auch Schüler, die bandenmäßig Ladendiebstähle begehen)” (BTDrucks. a.a.O.). Der Verbrechenstatbestand des schweren Bandendiebstahls sollte daher an zusätzliche Kriterien geknüpft werden. Wenn aber diese erfüllt sind und der Bandendiebstahl etwa unter den in § 243 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Voraussetzungen begangen wird, findet § 244 a StGB auf alle Diebesbanden - auch Jugendbanden - Anwendung (kritisch Glandien NStZ 1998, 197, 198; Kindhäuser in NK-StGB (1998) § 244 a Rdn. 2). 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StGB. Der nur geringfügige Erfolg der Revisionen rechtfertigt es nicht, die Angeklagten teilweise
von den durch ihr Rechtsmittel entstandenen Kosten und Auslagen freizustellen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner aaO § 473 Rdn. 25 f.). Eine Kostenfreistellung nach den §§ 74, 109 Abs. 2 JGG ist nicht veranlaßt. Meyer-Goßner Kuckein Athing

(1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie durch die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urteil aufgehoben wird.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 295/05
vom
20. September 2005
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. September 2005
einstimmig beschlossen:
Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Flensburg vom 11. April 2005 werden als unbegründet verworfen. Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen" schweren Raubes zu Freiheitsstrafen verurteilt. Hiergegen richten sich ihre auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel bleiben erfolglos. Nach den Feststellungen des Landgerichts nahmen die drogenabhängigen Angeklagten der Geschädigten, die ebenfalls Heroinkonsumentin war, unter Einsatz eines Messers ca. 4 bis 6 g Heroin weg. Die Überprüfung des Urteils zum Schuld- und Strafausspruch hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Insbesondere hält die rechtliche Bewertung des Tatgeschehens als schwerer Raub der Nachprüfung stand. Anlass zu näherer Erörterung gibt lediglich die Beanstandung der Revision des Angeklagten P. , eine Verurteilung wegen eines Eigentumsdelikts sei nicht möglich, weil es sich bei dem weggenommenen Betäubungsmittel
nicht um eine fremde Sache handele. Diese Rüge ist nicht begründet; die weggenommenen Drogen waren für die Angeklagten fremd. Der Bundesgerichtshof hat auch illegal besessene Drogen in seiner bisherigen Rechtsprechung ohne nähere Begründung als taugliche Objekte für Eigentumsdelikte wie Diebstahl nach § 242 StGB oder Raub nach § 249 StGB angesehen (vgl. BGH NJW 1982, 708; 1982, 1337 f.). Eine Überprüfung unter Berücksichtigung der hiergegen erhobenen Einwände gibt keinen Anlass zu einer Än derung dieser Auffassung. Fremd ist eine Sache wenn sie verkehrsfähig ist, das heißt überhaupt in jemandes Eigentum stehen kann, nicht herrenlos ist und nicht im Alleineigentum des Täters steht (vgl. Ruß in LK 11. Aufl. § 242 Rdn. 6 ff.). Nach dem festgestellten Sachverhalt war das weggenommene Heroin weder derelinquiert noch im Eigentum der Täter. Es handelte sich aber auch um eine verkehrsfähige Sache, die im Eigentum eines anderen stand:
1. Als verkehrsunfähig werden allgemein Sachen angesehen, die nach ihrer Beschaffenheit nicht im Eigentum eines anderen stehen können, etwa die Luft in der Atmosphäre, frei fließendes Wasser u. ä. (vgl. Ruß aaO Rdn. 8); dies trifft für Betäubungsmittel ersichtlich nicht zu.
2. Das Merkmal der Verkehrsfähigkeit illegaler Drogen wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Eigentum an ihnen nach den Verbotsvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes in Verbindung mit § 134 BGB nicht rechtsgeschäftlich übertragen werden kann.

a) Eine Mindermeinung vertritt demgegenüber die Auffassung, dass zwar ein ursprüngliches - etwa durch Produktion - erlangtes Eigentum trotz der
Nichtigkeit etwaiger Übertragungsakte formal fortbestehe, aber nicht mehr feststellbar und vom Vorsatz eines Täters nicht umfasst sei (so Engel, NStZ 1991, 520 ff.), bzw. auf eine "leere Begriffshülse" reduziert sei und deshalb kein Grund für einen strafrechtlichen Schutz bestehe (so Schmitz in MüKo § 242 Rdn. 14).

b) Dem folgt der Senat in Übereinstimmung mit der herrschenden Meinung nicht (vgl. Ruß aaO Rdn. 8; Eser in Schönke/Schröder, StGB 26. Aufl. § 242 Rdn. 19; Kindhäuser in Nomos Kommentar zum StGB § 242 Rdn. 21; Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. § 242 Rdn. 9; Maurach/Schroeder/Maiwald § 32 Rdn. 25; Mitsch BT II/1 § 1 Rdn. 34; Wessels/Hillenkamp Rdn. 62; Marcelli NStZ 1992, 220; Vitt, NStZ 1992, 221).
aa) Soweit Engel (aaO) illegal besessene Drogen für "eigentumsunfähig" hält, übersieht er, dass die Vorschriften des BtMG in Verbindung mit § 134 BGB wohl die rechtsgeschäftliche Begründung neuen Eigentums hindern, aber ohne Auswirkung auf bestehende Eigentumsverhältnisse sind. So verliert der Produzent von Marihuana das Eigentum nicht allein dadurch, dass der Anbau und der Besitz von Betäubungsmitteln ohne Erlaubnis verboten sind. Im Übrigen haben Marcelli und Vitt (aaO) im Einzelnen nachgewiesen, dass Konstellationen möglich sind, in denen Eigentum an illegalen Drogen auch auf nicht rechtsgeschäftliche Weise erlangt werden kann, die nicht von § 134 BGB erfasst ist, was insbesondere für die Produktion und Bearbeitung gilt. Zudem haben sie zu Recht darauf hingewiesen, dass illegale Drogen ganz überwiegend aus dem Ausland kommen und somit ein etwaiger Eigentumserwerb nach den möglicherweise nach Land und Drogenart unterschiedlichen ausländischen Rechtsordnungen beurteilt werden müsste.

Im Übrigen vermengt Engel (aa0) Fragen der dogmatischen Einordnung in unzulässiger Weise mit Fragen der Beweisbarkeit von objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmalen. Für die Verurteilung wegen eines Eigentumsdeliktes genügt jedoch die Feststellung, dass fremdes Eigentum verletzt ist; nicht notwendig ist die Ermittlung der Person des Eigentümers. Dementsprechend ist es auch belanglos, welche Vorstellungen der Täter über die Person des Eigentümers hat; es genügt, dass er weiß, dass die Drogen nicht in seinem Alleineigentum stehen und nicht herrenlos sind.
bb) Demgegenüber räumt Schmitz (aaO) zwar ein, dass auch an illegalen Drogen Eigentum bestehen könne. Er stellt jedoch darauf ab, dass der Eigentümer - etwa nach einem Verkauf - nicht mehr betroffen ist. Selbst wenn die Sache bei ihm gestohlen werden würde, wäre er in seinen Rechten aus § 903 BGB nicht beeinträchtigt, da ihm diese im Hinblick auf die Verbotsvorschriften des BtMG nicht zustehen (Schmitz aaO). Dabei bleibt unberücksichtigt, dass die Strafvorschriften zum Schutz des Eigentums nach § 242, § 259 StGB für den Begriff der fremden Sache allein auf die formale Eigentumsposition, nicht aber auf die tatsächliche oder rechtliche Verfügbarkeit abstellen. Auch ein Eigentümer , der infolge Beschlagnahme, Insolvenz, Verpfändung o. ä. über sein Eigentum nicht mehr verfügen kann, wird durch diese Bestimmungen uneingeschränkt geschützt (vgl. Ruß, aaO Rdn. 7). Im Übrigen trifft es nicht zu, dass die Rechte eines Eigentümers aus § 903 BGB durch die Vorschriften des BtMG völlig beseitigt werden. Zu diesen zählt das - durch diese Vorschriften unberührte - Recht auf Eigentumsaufgabe und Vernichtung (vgl. Palandt, BGB 62. Aufl. § 903 Rdn. 5). Auch der Verbrauch selbst wird durch das BtMG nicht verboten , strafbar wäre insoweit nur der diesem vorausgehende Besitz.

Diese Auffassung steht in Übereinstimmung mit der Rechtslage bei einer Entziehung illegaler Drogen durch eine räuberische Erpressung. Hätten die Angeklagten bei dem Überfall die Filmdose nicht selbst weggenommen, sondern sich von der durch ein Messer bedrohten Geschädigten herausgeben lassen , wäre deren Vermögen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Nachteil zugefügt worden, was die Annahme eines Verbrechens der schweren räuberischen Erpressung gerechtfertigt hätte (BGHR StGB § 253 Abs. 1 Vermögenswert 3 m. w. N.).

c) Soweit Engel (aaO) darauf abstellt, ein Strafbedürfnis wegen der Verletzung fremden Eigentums entfalle schon deswegen, weil die Strafvorschriften des Betäubungsmittelgesetzes eine ausreichende Ahndung ermöglichten, ist diese Argumentation bereits für sich dogmatisch fragwürdig und übersieht zudem , dass damit der Täter eines Drogendiebstahls oder gar eines Drogenraubes mit einem Käufer, der sich seinen Bedarf aus eigenen Geldmitteln kauft, auf eine Stufe gestellt wird, obgleich der Schuldgehalt nicht vergleichbar ist. Besonders augenfällig wird dies im hier zu entscheidenden Fall, in dem - ohne Berücksichtigung einer Strafmilderung nach §§ 21, 49 Abs. 1 StGB - der Strafdrohung wegen schweren Raubes nach § 250 Abs. 2 StGB mit einem Strafrahmen von fünf bis fünfzehn Jahren Freiheitsstrafe nur eine Strafdrohung nach § 29 Abs. 1 BtMG von Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren gegen-überstehen würde.
Winkler Miebach von Lienen Becker Hubert

Nachschlagewerk: ja BGHSt: nein Veröffentlichung: ja __________________

StGB § 242 Abs. 1, § 259 Abs. 1
Illegal erworbene Drogen können tauglicher Gegenstand eines Eigentumsdeliktes sein.
BGH, Beschl. vom 20. September 2005 - 3 StR 295/05 - LG Flensburg

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Im Verfahren gegen einen Jugendlichen kann davon abgesehen werden, dem Angeklagten Kosten und Auslagen aufzuerlegen.

(1) Von den Vorschriften über das Jugendstrafverfahren (§§ 43 bis 81a) sind im Verfahren gegen einen Heranwachsenden die §§ 43, 46a, 47a, 50 Absatz 3 und 4, die §§ 51a, 68 Nummer 1, 4 und 5, die §§ 68a, 68b, 70 Absatz 2 und 3, die §§ 70a, 70b Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2, die §§ 70c, 72a bis 73 und 81a entsprechend anzuwenden. Die Bestimmungen des § 70a sind nur insoweit anzuwenden, als sich die Unterrichtung auf Vorschriften bezieht, die nach dem für die Heranwachsenden geltenden Recht nicht ausgeschlossen sind. Die Jugendgerichtshilfe und in geeigneten Fällen auch die Schule werden von der Einleitung und dem Ausgang des Verfahrens unterrichtet. Sie benachrichtigen den Staatsanwalt, wenn ihnen bekannt wird, daß gegen den Beschuldigten noch ein anderes Strafverfahren anhängig ist. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden, wenn dies im Interesse des Heranwachsenden geboten ist.

(2) Wendet der Richter Jugendstrafrecht an (§ 105), so gelten auch die §§ 45, 47 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3, Abs. 2, 3, §§ 52, 52a, 54 Abs. 1, §§ 55 bis 66, 74 und 79 Abs. 1 entsprechend. § 66 ist auch dann anzuwenden, wenn die einheitliche Festsetzung von Maßnahmen oder Jugendstrafe nach § 105 Abs. 2 unterblieben ist. § 55 Abs. 1 und 2 ist nicht anzuwenden, wenn die Entscheidung im beschleunigten Verfahren des allgemeinen Verfahrensrechts ergangen ist. § 74 ist im Rahmen einer Entscheidung über die Auslagen des Antragstellers nach § 472a der Strafprozessordnung nicht anzuwenden.

(3) In einem Verfahren gegen einen Heranwachsenden findet § 407 Abs. 2 Satz 2 der Strafprozeßordnung keine Anwendung.