Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 4 StR 192/16

bei uns veröffentlicht am11.01.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 192/16
vom
11. Januar 2017
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen
Person u.a.
hier: Anhörungsrüge
ECLI:DE:BGH:2017:110117B4STR192.16.0

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. Januar 2017 beschlossen :
Die Anhörungsrüge des Verurteilten gegen den Senatsbeschluss vom 11. Oktober 2016 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat die Revision des Verurteilten gegen das Urteil des Landgerichts Münster vom 20. November 2015 mit Beschluss vom 11. Oktober 2016 als unbegründet verworfen. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit seiner beim Bundesgerichtshof am 17. November 2016 eingegangenen Anhörungsrüge. Zur Begründung führt er aus, der Senat sei mit der Verwerfung der Revision ohne Durchführung des gebotenen Anfrageverfahrens (§ 132 Abs. 2, 3 GVG) von eigener Rechtsprechung und der der anderen Strafsenate des Bundesgerichtshofs zur Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Widerstandsunfähigkeit in § 179 Abs. 1 StGB abgewichen und habe seine Entscheidung auch nicht näher begründet.
2
Die rechtzeitig erhobene und auch im Übrigen zulässige Anhörungsrüge ist unbegründet.
3
1. Soweit der Verurteilte eine Verletzung der Vorlegungspflicht (§ 132 Abs. 2, 3 GVG) geltend macht, weist der Senat darauf hin, dass der Sonderrechtsbehelf des § 356a StPO nach seinem Wortlaut und Normzweck, eine Durchsetzungsgarantie für das „prozessuale Urrecht“ auf rechtliches Gehör zu schaffen (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 30. April 2003 – 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 395, 408), nicht dazu bestimmt ist, dass damit auch behauptete Verletzungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht werdenkönnen. Für eine entsprechende Anwendung des § 356a StPO auf solche Fälle ist kein Raum (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2012 – 2 StR 585/11 mwN; ebenso schon BFH, Beschluss vom 17. Juni 2005 – VI S 3/05, NJW 2005, 2639, 2640 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom 24. März 2011 – 4 StR 637/10, StraFo 2011, 218).
4
2. Im Übrigen hat der Senat bei seiner Entscheidung weder Verfahrensstoff verwertet, zu dem der Verurteilte nicht gehört worden wäre, noch hat er zu berücksichtigendes Vorbringen des Verurteilten übergangen. Er hat bei seiner Entscheidung vielmehr das Revisionsvorbringen in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber – in Übereinstimmung mit dem eingehend begründeten Verwerfungsantrag des Generalbundesanwalts – nicht für durchgreifend erachtet. Dies gilt auch für die ergänzenden Ausführungen im Schriftsatz vom 23. Mai 2016 zu der zunächst nur allgemein erhobenen Rüge der Verletzung materiellen Rechts, die sich u.a. bereits eingehend mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Beschluss vom 29. September 2009 – 1 StR 426/09, BGHSt 54, 169 ff.) befassen, die der Verurteilte nunmehr zur Begründung der behaupteten Divergenz heranzieht.
5
Eine (weiter gehende) Begründungspflicht für letztinstanzliche, mit ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidungen besteht nicht (BVerfG, Beschluss vom 17. Juli 2007 – 2 BvR 496/07, StraFo 2007, 463 mwN). Ebenso wenig ist das Revisionsgericht verpflichtet, vor seiner Entscheidung über ein Rechtsmittel des Angeklagten diesen auf seine Rechtsauffas- sung hinzuweisen (Senatsbeschluss vom 5. November 2014 – 4 StR 34/14 mwN).
Sost-Scheible Franke Quentin
Feilcke Paul

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Bundesgerichtshof Beschluss, 11. Jan. 2017 - 4 StR 192/16 zitiert 4 §§.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 101


(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. (2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Gerichtsverfassungsgesetz - GVG | § 132


(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate. (2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Sena

Strafprozeßordnung - StPO | § 356a Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör bei einer Revisionsentscheidung


Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der

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Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Sept. 2009 - 1 StR 426/09

bei uns veröffentlicht am 29.09.2009

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 426/09 vom 29. September 2009 BGHSt: ja BGHR: ja Nachschlagewerk: ja Veröffentlichung: ja __________________________ StGB § 174c Abs. 2 Täter des § 174c Abs. 2 StGB kann nur sein, wer zum Führen der Bezeichnung

Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Dez. 2012 - 2 StR 585/11

bei uns veröffentlicht am 13.12.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 585/11 vom 13. Dezember 2012 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. hier: Richterablehnungen und Anhörungsrüge des Verurteilten E. Der 2. Str

Bundesgerichtshof Beschluss, 24. März 2011 - 4 StR 637/10

bei uns veröffentlicht am 24.03.2011

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 637/10 vom 24. März 2011 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2011 beschlossen: Die

Referenzen

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

(1) Beim Bundesgerichtshof werden ein Großer Senat für Zivilsachen und ein Großer Senat für Strafsachen gebildet. Die Großen Senate bilden die Vereinigten Großen Senate.

(2) Will ein Senat in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Senats abweichen, so entscheiden der Große Senat für Zivilsachen, wenn ein Zivilsenat von einem anderen Zivilsenat oder von dem Großen Zivilsenat, der Große Senat für Strafsachen, wenn ein Strafsenat von einem anderen Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen, die Vereinigten Großen Senate, wenn ein Zivilsenat von einem Strafsenat oder von dem Großen Senat für Strafsachen oder ein Strafsenat von einem Zivilsenat oder von dem Großen Senat für Zivilsachen oder ein Senat von den Vereinigten Großen Senaten abweichen will.

(3) Eine Vorlage an den Großen Senat oder die Vereinigten Großen Senate ist nur zulässig, wenn der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, auf Anfrage des erkennenden Senats erklärt hat, daß er an seiner Rechtsauffassung festhält. Kann der Senat, von dessen Entscheidung abgewichen werden soll, wegen einer Änderung des Geschäftsverteilungsplanes mit der Rechtsfrage nicht mehr befaßt werden, tritt der Senat an seine Stelle, der nach dem Geschäftsverteilungsplan für den Fall, in dem abweichend entschieden wurde, zuständig wäre. Über die Anfrage und die Antwort entscheidet der jeweilige Senat durch Beschluß in der für Urteile erforderlichen Besetzung; § 97 Abs. 2 Satz 1 des Steuerberatungsgesetzes und § 74 Abs. 2 Satz 1 der Wirtschaftsprüferordnung bleiben unberührt.

(4) Der erkennende Senat kann eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen, wenn das nach seiner Auffassung zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.

(5) Der Große Senat für Zivilsachen besteht aus dem Präsidenten und je einem Mitglied der Zivilsenate, der Große Senate für Strafsachen aus dem Präsidenten und je zwei Mitgliedern der Strafsenate. Legt ein anderer Senat vor oder soll von dessen Entscheidung abgewichen werden, ist auch ein Mitglied dieses Senats im Großen Senat vertreten. Die Vereinigten Großen Senate bestehen aus dem Präsidenten und den Mitgliedern der Großen Senate.

(6) Die Mitglieder und die Vertreter werden durch das Präsidium für ein Geschäftsjahr bestellt. Dies gilt auch für das Mitglied eines anderen Senats nach Absatz 5 Satz 2 und für seinen Vertreter. Den Vorsitz in den Großen Senaten und den Vereinigten Großen Senaten führt der Präsident, bei Verhinderung das dienstälteste Mitglied. Bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

(1) Ausnahmegerichte sind unzulässig. Niemand darf seinem gesetzlichen Richter entzogen werden.

(2) Gerichte für besondere Sachgebiete können nur durch Gesetz errichtet werden.

Hat das Gericht bei einer Revisionsentscheidung den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt, versetzt es insoweit auf Antrag das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. Der Antrag ist binnen einer Woche nach Kenntnis von der Verletzung des rechtlichen Gehörs schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle beim Revisionsgericht zu stellen und zu begründen. Der Zeitpunkt der Kenntniserlangung ist glaubhaft zu machen. Hierüber ist der Angeklagte bei der Bekanntmachung eines Urteils, das ergangen ist, obwohl weder er selbst noch ein Verteidiger mit nachgewiesener Vertretungsvollmacht anwesend war, zu belehren. § 47 gilt entsprechend.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 585/11
vom
13. Dezember 2012
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
hier: Richterablehnungen und Anhörungsrüge des Verurteilten E.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 13. Dezember 2012 beschlossen
:
Die Ablehnungsgesuche der Verurteilten E. und O.
gegen den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof
Dr. Ernemann und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer, Prof. Dr. Krehl, Dr. Berger und Dr. Eschelbach
werden verworfen.
Die Anhörungsrüge des Verurteilten E. gegen den
Senatsbeschluss vom 15. Februar 2012 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Damit ist der Senatsbeschluss vom 31. März 2012 über den Vollstreckungsaufschub
gegenstandslos.

Gründe:

I.

1
Der Senat hat über die Revisionen der Verurteilten durch Beschluss vom 15. Februar 2012, der am 16. Februar 2012 auf der Geschäftsstelle eingegangen ist, gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO entschieden. Mit einem hiernach am 16. Februar 2012 um 17.43 Uhr per Telefax und am 17. Februar 2012 per Post eingegangenen Schriftsatz hat der Verurteilte E. die mitwirken- den Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Auch der Verurteilte O. hat mit Schriftsatz vom 24. Februar 2012 diese Richter abgelehnt.
2
Der Verurteilte E. hat unter dem 12. März 2012 eine Anhörungsrüge erhoben, weil er auf Tatsachen, die nach seiner Ansicht eine Richterablehnung begründen könnten, nicht vor der Revisionsverwerfung hingewiesen worden sei.
3
Der Senat hat ihm durch Beschluss vom 31. März 2012 Vollstreckungsaufschub bis zur Entscheidung über die Anhörungsrüge gewährt.

II.

4
1. Die nachträgliche Richterablehnung derjenigen Senatsmitglieder, die am Beschluss vom 15. Februar 2012 mitgewirkt hatten, ist unzulässig.
5
Unabhängig von der Frage einer entsprechenden Anwendung von § 25 Abs. 2 Satz 2 StPO auf das Beschlussverfahren über die Begründetheit oder Unbegründetheit der Revision ist eine Richterablehnung im Revisionsverfahren nur statthaft, solange dieses noch nicht durch Wirksamwerden eines Beschlusses gemäß § 349 Abs. 2 StPO beendet ist (vgl. BGH, Beschluss vom 15. November 2012 - 3 StR 239/12; Jahn in: Festschrift für Fezer, 2008, S. 413, 424). Dies gilt auch dann, wenn die Richterablehnung mit einer Anhörungsrüge verbunden wird, die sich als unbegründet erweist.
6
Der Sonderrechtsbehelf nach § 356a StPO ist nach seinem Wortlaut und Normzweck, eine Durchsetzungsgarantie für das "prozessuale Urrecht" auf rechtliches Gehör zu schaffen (BVerfG, Beschluss vom 30. April 2004 - 1 PBvU 1/02, BVerfGE 107, 305, 408), nicht dazu bestimmt, dass damit auch behaupte- te Verletzungen von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht werden können. Für eine analoge Anwendung des § 356a StPO auf solche Fälle ist kein Raum (vgl. Jahn in: Festschrift für Fezer, 2008, S. 413, 427). Das Recht auf Richterablehnung ist Bestandteil des Gewährleistungsgehalts von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG (vgl. BVerfG, Beschluss vom 8. Februar 1967 – 2 BvR 235/64, BVerfGE 21, 139, 145 f.; Beschluss vom 26. Januar 1971 – 2 BvR 443/69, BVerfGE 30, 149, 153), nicht desjenigen nach Art. 103 Abs. 1 GG. Daher ist das Nachschieben einer Richterablehnung mit einer Anhörungsrüge nach § 356a StPO nicht möglich.
7
2. Die Anhörungsrüge des Verurteilten E. ist unbegründet, weil der Senat Art. 103 Abs. 1 GG nicht verletzt hat.
8
Dem Senat lagen zurzeit der Entscheidung gemäß § 349 Abs. 2 und Abs. 4 StPO alle Äußerungen der Verteidigung vor, die bis zu jenem Zeitpunkt abgegeben worden waren. Alle auf das Revisionsverfahren bezogenen Schriftsätze waren Gegenstand der Beratung.
9
Der Senat war auch nicht dazu verpflichtet, die Verteidigung auf Umstände hinzuweisen, aus denen sich nach deren Ansicht Ablehnungsgründe hätten herleiten lassen. Die Selbstanzeige ist vielmehr ausschließlich nach § 30 StPO vorgesehen und danach in das Ermessen der einzelnen Richter gestellt.
10
Die insoweit von Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Krehl abgegebenen Erklärungen sind hier gegenstandslos, weil er urlaubsbedingt an der Entscheidung nicht mitwirkt.
11
Nach dem Maßstab aus dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 23. Mai 2012 – 2 BvR 610, 625/12 – (NJW 2012, 2334, 2337) wäre eine Richterablehnung im Übrigen unbegründet gewesen. Dann aber kann der Revi- sionsverwerfungsbeschluss auch nicht auf einer Verletzung des Anspruchs des Verurteilten E. auf rechtliches Gehör beruhen.
Becker Fischer Berger Eschelbach Ott

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 637/10
vom
24. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 24. März 2011 beschlossen:
Die Gegenvorstellung des Angeklagten gegen den Beschluss des Senats vom 8. Februar 2011 wird zurückgewiesen.

Gründe:


1
Der Senat hat mit Beschluss vom 8. Februar 2011 die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom 4. Juni 2010 nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen. Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz des Verteidigers vom 16. März 2011 erhobene Gegenvorstellung, mit welcher eine Verletzung des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG geltend gemacht und die Aufhebung des Senatsbeschlusses begehrt wird. Der Rechtsbehelf hat keinen Erfolg.
2
Eine Gegenvorstellung gegen einen nach § 349 Abs. 2 StPO ergangenen Beschluss ist als solche nicht statthaft. Ein derartiger Beschluss kann grundsätzlich weder aufgehoben noch abgeändert oder ergänzt werden (BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 - 5 StR 481/05; vom 10. Februar 1988 - 3 StR 579/87, BGHR StPO § 349 Abs. 2 Beschluss 2).
3
Ob eine Verletzung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf den gesetzlichen Richter in entsprechender Anwendung des § 356a StPO in dem dort für die Anhörungsrüge geregelten Verfahren geltend gemacht werden kann (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 - 5 StR 481/05; vom 17. Juli 2008 - V ZR 149/07, MDR 2008, 1175 zu § 321a ZPO), kann der Senat offen lassen. Denn die vom Angeklagten erhobene Beanstandung ist jedenfalls unbegründet. Der Senat war zur Entscheidung über die Revisionssache des Angeklagten berufen, weil der ebenfalls revidierende Mitangeklagte B. durch das Urteil des Landgerichts Dresden vom 4. Juni 2010 u.a. wegen fahrlässiger Gefährdung des Straßenverkehrs verurteilt worden war und es sich daher insgesamt um eine Verkehrsstrafsache im Sinne der Nr. 2 der Regelungen über die Zuständigkeit des 4. Strafsenats im Geschäftsverteilungsplan des Bundesgerichtshofs handelte.
Ernemann Solin-Stojanović Roggenbuck
Franke Bender

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 426/09
vom
29. September 2009
BGHSt: ja
BGHR: ja
Nachschlagewerk: ja
Veröffentlichung: ja
__________________________
Täter des § 174c Abs. 2 StGB kann nur sein, wer zum Führen der Bezeichnung
"Psychotherapeut" berechtigt ist und sich bei der Behandlung wissenschaftlich
anerkannter psychotherapeutischer Verfahren bedient.
BGH, Beschl. vom 29. September 2009 - 1 StR 426/09 - LG Ulm
in der Strafsache
gegen
wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 29. September 2009 gemäß §
349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Ulm vom 15. Januar 2009
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person schuldig ist;
b) im Strafausspruch aufgehoben; die insoweit zugrunde liegenden Feststellungen bleiben bestehen. 2. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den bislang unbestraften Angeklagten wegen sexuellen Missbrauchs einer widerstandsunfähigen Person in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die Revision des Angeklagten hat mit der Sachrüge im tenorierten Umfang Erfolg. Die erhobenen Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 17. August 2009 dargelegten Erwägungen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

I.


2
Nach den landgerichtlichen Feststellungen betrieb der Angeklagte, ein ausgebildeter Heilpraktiker, seit 1997 „ein Naturheilzentrum, in dem er neben Akupunktur, Homöopathie und Bachblüten auch Lebensberatung, Konfliktlösung , Entspannung und Heilmassage sowie Meditation“ anbot. Von Beginn an zählte die aus dem Elternpaar und fünf Töchtern bestehende Familie S. zu seinen Patienten, wobei C. S. , die Mutter, den Angeklagten als „Erleuchteten“ betrachtete. Die bei Begehung der Tat am 10. August 2005 23 Jahre alte Tochter M. S. war beim Angeklagten in Behandlung, da sie „an starker Schüchternheit, Minderwertigkeitskomplexen, Ängsten vor Sozialkontakten sowie sexueller Gehemmtheit“ litt. Mit ihrem Einverständnis führte der Angeklagte neben Gesprächen Massagen durch, insbesondere - manuell wie auch mit einem Massagegerät - der Brüste und des Genitalbereichs (sog. intime Tantrakomponente).
3
Da diese Maßnahmen zu keiner Besserung der Beschwerden führten, kamen der Angeklagte und M. S. überein, diese solle vor der nächsten Behandlung „eine erhebliche Menge alkoholischer Getränke zu sich nehmen, um entspannter zu sein“. Auf dem Weg zum Naturheilzentrum und dort in Gegenwart des Angeklagten trank sie am Tattag soviel „Jägermeister“ und „Batida de Coco“, dass sich der Füllstand der beiden 0,7-l-Flaschen jeweils um sechs Zentimeter verringerte und sich bei ihr bei „einer maximalen Blutalkoholkonzentration in der Größenordnung von mindestens etwa 2,268 Promille umgehend ein starker Rauschzustand“ einstellte, den der Angeklagte erkannte. Er war M. S. beim Entkleiden behilflich, weil diese wegen ihrer Bewegungsund Koordinationsstörungen hierzu allein nicht mehr in der Lage war, sondern im Anschluss „völlig apathisch und reglos“ auf einer Matte lag. In diesem Zustand führte der Angeklagte mit der bis dahin insoweit sexuell Unerfahrenen zweimal den geschützten, für M. S. schmerzhaften Geschlechtsverkehr durch.

II.


4
Der hierauf gestützte Schuldspruch begegnet durchgreifenden Bedenken , soweit er wegen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses erfolgt ist. Denn die Bewertung des Landgerichts, M. S. wäre dem Angeklagten i.S.d. § 174c Abs. 2 StGB „zur psychotherapeutischen Behandlung“ anvertraut gewesen, hält rechtlicher Prüfung nicht stand, weil der Angeklagte nicht zum Führen der Bezeichnung „Psychotherapeut“ berechtigt war und deshalb den Tatbestand des § 174c Abs. 2 StGB nicht verwirklichen konnte (1.). Soweit das Landgericht M. S. als alkoholbedingt widerstandsunfähig (§ 179 StGB) angesehen hat, liegt dem hingegen eine noch hinreichende Beweiswürdigung zugrunde (2.).
5
1. a) Das Landgericht hat die Auffassung vertreten, der Begriff der „psychotherapeutischen Behandlung“ sei weit zu verstehen, weswegen „alle psychologischen Behandlungen wegen einer tatsächlichen oder nur vermeintlichen psychischen Störung oder Erkrankung“ darunter fielen. Entscheidend sei, „dass die Behandlung zur Feststellung und/oder Linderung eines konkreten psychischen Leidens“ diene. Hingegen sei „nicht entscheidend, ob die Behandlung durch einen Arzt oder einen gem. §§ 5, 6 PsychThG Therapeuten oder Heilpraktiker nach § 1 HeilPrG vorgenommen“ werde.
6
b) Das Tatbestandsmerkmal der „psychotherapeutischen Behandlung“ ist bislang obergerichtlich nicht ausgelegt worden. Das Landgericht hat sich daher bei seinem Verständnis des Merkmals ersichtlich an den in der Literatur geäußerten Meinungen orientiert.
7
Dort wird überwiegend die Ansicht vertreten, der Begriff der „psychotherapeutischen Behandlung“ sei im Hinblick auf den Schutzzweck der Norm weit zu verstehen. Ihm werden daher nicht nur Therapien subsumiert, die anerkannten Regeln der Berufsverbände folgen und sich einer der sog. Schulen zuordnen lassen, sondern auch „alternative“ Therapieformen einschließlich zahlreicher Therapie- und Psychotrainingsprogramme, die von Weltanschauungsgemeinschaften und religiös auftretenden Gruppierungen angeboten werden (Fischer, StGB 56. Aufl. § 174c Rdn. 6). Zudem soll es nicht auf eine bestimmte Amtsstellung, Ausbildung und Qualifikation des Täters ankommen (Fischer aaO Rdn. 13; Wolters in SK-StGB § 174c Rdn. 11). Vielmehr sollen auch Behandlungen durch Außenseiter und „Scharlatane“ erfasst werden (Renzikowski in MünchKomm, StGB § 174c Rdn. 2, 21; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 174c Rdn. 1, 8). Lediglich Veranstaltungen, Kurse und „Workshops“, die allein der Erlernung oder Erhöhung sozialer Kompetenz dienen sollen oder in Selbsthilfegruppen ohne therapeutische Leitung durchgeführt werden, sollen den Tatbestand des § 174c Abs. 2 StGB nicht erfüllen (Fischer aaO Rdn. 6; Renzikowski aaO Rdn. 21). Als Abgrenzungskriterium wird vorgeschlagen , maßgeblich auf die Intention des Opfers abzustellen, d.h. zu prüfen, ob sich dieses zum Zweck der Heilung oder Linderung einer psychischen Be- einträchtigung einer hierauf ausgerichteten therapeutischen Behandlung unterzieht (Laubenthal, Sexualstraftaten, 2000, Rdn. 279).
8
c) Einem derartigen Verständnis des Merkmals der „psychotherapeutischen Behandlung“ vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar mag es sich noch innerhalb der Wortlautgrenze halten, da sich der Begriff der Psychotherapie allgemein mit „Heilbehandlung der Seele“ übersetzen lässt und darunter in der klinischen Praxis alle Formen der Behandlung von psychischen und psychosomatischen Störungen und Erkrankungen mit psychologischen Mitteln zusammengefasst werden (vgl. Pschyrembel, Klinisches Wörterbuch 261. Aufl. Stichwort : "Psychotherapie"). Eine derart weite Auslegung wird aber weder dem verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot gerecht (aa) noch steht sie in Einklang mit den gesetzgeberischen Vorstellungen (bb).
9
aa) Das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG) verlangt, dass ein Strafgesetz seinen Anwendungsbereich möglichst genau in einer für den Bürger vorhersehbaren Weise zu umschreiben hat, d.h. der Normadressat muss erkennen können, ob er sich mit seinem Verhalten strafbar macht. Dem Bestimmtheitsgebot ist daher auch bei der Auslegung eines Straftatbestandes zu entsprechen (BGHSt 50, 105, 114 f.).
10
Diesem Erfordernis genügt das vom Landgericht im Anschluss an die Literatur vertretene Verständnis des Begriffs der „psychotherapeutischen Behandlung“ nicht. Denn es führt zu keiner verlässlichen und trennscharfen Begrenzung des Tatbestandes. Da weder an eine berufliche Stellung oder Qualifikation des Täters noch an bestimmte von ihm verwendete Therapieformen oder zumindest an deren Anerkennung durch dafür zuständige Stellen angeknüpft wird, bleibt die Reichweite des Tatbestandsmerkmals in einem nicht akzeptablen Maße unklar. Dies wird beispielhaft verdeutlicht durch den Umstand, dass sich bereits im Jahr 1979 allein die Zahl der psychotherapeutischen „Schulen“ auf 300 bis 400 lediglich schätzen ließ (Spenner, Die Strafbarkeit des „sexuellen Missbrauchs“ in der Psychotherapie gem. den §§ 174 ff. StGB S. 6 f.). Erst recht gewinnt der Tatbestand keine Konturen, würde man zu seiner Begrenzung auf die Einschätzung des jeweiligen „Opfers“ abstellen, ob es sich nach seiner Einschätzung in einer psychotherapeutischen Behandlung befunden habe.
11
bb) Im Unterschied dazu lässt sich der Anwendungsbereich des § 174c Abs. 2 StGB eindeutig bestimmen, wenn man als „psychotherapeutische Behandlung“ ausschließlich eine solche ansieht, die von einer Person durchgeführt wird, die berechtigt ist, die Bezeichnung „Psychotherapeut“ zu führen. Dies ist neben Ärzten lediglich Psychologischen Psychotherapeuten sowie Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gestattet (§ 1 Abs. 1 Satz 4 PsychThG), nicht aber Heilpraktikern wie dem Angeklagten. Hinzu treten muss, dass sich der Behandelnde wissenschaftlich anerkannter psychotherapeutischer Verfahren bedient , um Störungen mit Krankheitswert, bei denen Psychotherapie indiziert ist, festzustellen, zu heilen oder zu lindern, denn nur dann handelt es sich nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 3 PsychThG um die Ausübung von Psychotherapie.
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Allerdings hat der Gesetzgeber davon abgesehen, den in Betracht kommenden Täterkreis ausdrücklich nach Berufsgruppen zu bestimmen, wie dies in dem Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches der Freien und Hansestadt Hamburg vom 17. September 1993 noch vorgesehen war (BRDrucks. 656/93). Dies lässt jedoch nicht den Schluss zu, dass eine derartige tatbestandliche Begrenzung den gesetzgeberischen Vorstellungen zuwider laufen würde. Denn bei dem Entwurf eines Strafrechtsänderungsgesetzes - § 174 c StGB - vom 21. Juli 1997 (BTDrucks. 13/8267), in dem § 174c Abs. 2 StGB bereits mit dem am 1. April 1998 in Kraft getretenen Wortlaut enthalten war, konnte der Gesetzgeber das durch den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. vom 24. Juni 1997 (BTDrucks. 13/8035) initierte Gesetzgebungsverfahren betreffend das Psychotherapeutengesetz einschließlich der dort vorgesehenen Regelungen voraussetzen. Dies gilt in besonderem Maße, nachdem aufgrund der Beratungen des Ausschusses für Gesundheit im Interesse des Patientenschutzes der Gesetz gewordene § 1 Abs. 1 Satz 4 PsychThG in die Beschlussempfehlung vom 12. November 1997 Eingang gefunden hatte (BTDrucks. 13/9212 S. 7, 39).
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Dass der Gesetzgeber den dort definierten Begriff des „Psychotherapeuten“ bewusst als auch für das Strafrecht maßgeblich einstufen wollte, folgt bereits aus dem Umstand, dass mit den Artikeln 4 und 5 des Gesetzes über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten , zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16. Juni 1998 (BGBl. I S. 1311, 1319) die genannten Berufsbezeichnungen in § 132a Abs. 1 Nr. 2 StGB und in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StPO eingefügt wurden.
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Die vom Senat vorgenommene Auslegung wird schließlich dadurch gestützt , dass der Gesetzgeber in der Begründung des Entwurfs eines Strafrechtsänderungsgesetzes - § 174c StGB - vom 21. Juli 1997 selbst über Fälle sexuellen Missbrauchs berichtet, die er als „außerhalb des durch den hier vorgeschlagenen § 174c StGB erfassten Bereichs“ angesiedelt beurteilt. Hierzu werden insbesondere sexuell motivierte Berührungen eines Heilpraktikers im Brust- und Genitalbereich seiner Patientinnen gezählt (BTDrucks. 13/8267 S. 5 f.). Dementsprechend ist bei der näheren Erläuterung des Sinns der ge- sonderten Regelung des § 174c Abs. 2 StGB allein von der „Konsultation eines Psychotherapeuten“ die Rede (BTDrucks. 13/8267 S. 7).
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Der vorgenommenen Auslegung steht schließlich nicht die Begründung des Entwurfes eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches vom 24. August 1995 entgegen, auf die in der Literatur Bezug genommen wird. Die dort vom Bundesrat vorgeschlagene - nicht Gesetz gewordene - Fassung des § 174c StGB verzichtete zwar ausdrücklich darauf, den Täterkreis durch Berufsbezeichnungen zu definieren, „weil die Vorschrift dadurch notwendigerweise lückenhaft bliebe“ und sie stattdessen auch „Scharlatane“ erfassen solle (BTDrucks. 13/2203 S. 4). Insofern hatte aber die Bundesregierung bereits in ihrer Stellungnahme eingewandt, im weiteren Gesetzgebungsverfahren sollte eine engere Fassung des Tatbestands geprüft werden (BTDrucks. 13/2203 S. 6).
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2. Mit ihrem Vorbringen, das Landgericht habe die Annahme von Widerstandsunfähigkeit M. S. s i.S.d. § 179 StGB auf eine nicht tragfähige Beweiswürdigung gestützt, dringt die Revision hingegen nicht durch.
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a) Ihr ist allerdings zuzugeben, dass gegen die Feststellung der in diesem Zusammenhang indiziell herangezogenen Blutalkoholkonzentration der Geschädigten von knapp 2,3 Promille methodische Einwände bestehen. Denn das Landgericht hat zwar bei der Berechnung dieses Wertes zu Recht die sog. Widmark-Formel angewandt. Es ist dabei aber von einem Resorptionsdefizit des getrunkenen Alkohols von lediglich 10 % ausgegangen. Dies wäre zwar zutreffend, wenn es um die Frage der Schuldfähigkeit des Angeklagten gegangen wäre. Da die Blutalkoholkonzentration aber im Zusammenhang mit der möglichen Widerstandsunfähigkeit M. S. s festgestellt werden sollte, hätte das Landgericht - vergleichbar den Fällen eines sog. Nachtrunks (vgl.
BGHR StGB § 21 Blutalkoholkonzentration 10; s. auch BGHR StGB § 323a Abs. 1 Rausch 3) - zugunsten des Angeklagten ein Resorptionsdefizit von 30 % in seine Rechnung einstellen müssen. Es wäre dann zu einer - für sich genommen noch immer erheblichen - Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,7 Promille gelangt.
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Dem Urteil lässt sich zudem die Tatzeit nicht eindeutig entnehmen. Infolge dessen ist insbesondere die Prüfung nicht möglich, ob Teile des aufgenommenen Alkohols bereits wieder abgebaut gewesen sein könnten.
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b) Der Senat kann jedoch ausschließen, dass die Beweiswürdigung durch die unzutreffend berechnete Blutalkoholkonzentration maßgeblich beeinflusst worden ist. Denn das - zu den Merkmalen alkoholbedingter Widerstandsunfähigkeit zudem durch einen Rechtsmediziner und Psychiater sachverständig beratene - Landgericht hat seine insofern gewonnene Überzeugung einerseits vor allem auf zahlreiche, zutreffend herangezogene psychodiagnostische Beurteilungskriterien (vgl. BGHSt 43, 66) gestützt. Namentlich die bei der alkoholungewohnten M. S. festgestellten gravierenden motorischen Koordinationsstörungen , die ausgeprägte Lethargie sowie die Sehstörungen hat es plausibel als Anzeichen eines Rausches gewertet. Im Zusammenwirken hiermit hat das Landgericht auf die Widerstandsunfähigkeit andererseits aufgrund der vom Sachständigen bei der Geschädigten diagnostizierten psychopathologischen Persönlichkeit geschlossen. Diesen Schluss sieht der Senat angesichts dessen, dass der Angeklagte selbst zugegeben hat, „er hätte erkennen können und müssen, dass M. S. völlig apathisch war und sich teilnahmslos verhalten habe“, als noch tragfähig begründet an.

III.


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1. Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Strafausspruchs. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Zwar hat das Landgericht die gleichzeitige Verwirklichung zweier Tatbestände nicht ausdrücklich strafschärfend gewertet, sondern - zu Recht - auf das Tatbild abgestellt. Dieses hat es aber als dadurch erschwert eingestuft, „dass der Therapeut in ganz erheblichem Ausmaß das Vertrauen von M. S. in den langjährigen Arzt missbraucht hat“, und dem Angeklagten damit auch den Unrechtsgehalt des § 174c Abs. 2 StGB - vom Standpunkt des Landgerichts freilich konsequent - angelastet.
21
2. Die Feststellungen zum Strafausspruch sind von dem aufgezeigten Rechtsfehler nicht betroffen; sie können aufrechterhalten bleiben und aufgrund der neuen Hauptverhandlung ggf. ergänzt werden.
Nack Kolz Elf Graf Sander