Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Juni 2015 - 4 StR 136/15

bei uns veröffentlicht am18.06.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR136/15
vom
18. Juni 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 18. Juni 2015 gemäß § 349 Abs. 2
und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 22. Oktober 2014 im Schuldspruch dahin geändert und neu gefasst, dass der Angeklagte der Vergewaltigung in Tateinheit mit Diebstahl, des Raubes, des Diebstahls in Tateinheit mit Urkundenfälschung, des Diebstahls in Tateinheit mit unbefugtem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort und Fahren ohne Fahrerlaubnis, des Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung, des Diebstahls in Tateinheit mit Missbrauch von Notrufen, des Diebstahls in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis in vier Fällen und des Diebstahls schuldig ist. Die weiter gehende Revision wird verworfen. Es wird davon abgesehen, dem Beschwerdeführer die Kosten und Auslagen des Revisionsverfahrens aufzuerlegen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter Freispruch im Übrigen „der Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub, des Raubes, des Diebstahls in neun Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, in einem Fall in Tateinheit mit Sachbeschädigung, unbefugtem Gebrauch eines Kraftfahrzeugs, unerlaubtem Entfernen vom Unfallort sowie Fahren ohne Fahrerlaubnis, in einem Fall in Tateinheit mit Missbrauch von Notrufen, in vier Fällen in Tateinheit mit Fahren ohne Fahrerlaubnis und in einem Fall in Tateinheit mit Urkundenfälschung“ schuldig gesprochen und ihn hierwegen zu der Jugendstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Ferner hat es die Verwaltungsbehörde angewiesen , dem Angeklagten vor Ablauf von zwei Jahren keine Fahrerlaubnis zu erteilen. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Im Fall III. 1. der Urteilsgründe tragen die Feststellungen nicht die tateinheitliche Verurteilung wegen Raubes. Es ist nicht erkennbar, dass der Angeklagte die qualifizierten Nötigungsmittel des § 249 Abs. 1 StGB final für die Wegnahme des I-Phones seines zuvor vergewaltigten Tatopfers eingesetzt hat. Den Entschluss zur Wegnahme hat er erst nach der Vergewaltigung gefasst (vgl. zu dieser Fallkonstellation BGH, Urteil vom 8. Mai 2013 – 2 StR 558/12, NStZ 2013, 648; Beschlüsse vom 31. Juli 2012 – 3 StR 232/12, NStZ-RR 2012, 342 [Ls.], vom 25. September 2012 – 2 StR 340/12, NStZ-RR 2013, 45 f., vom 13. November 2012 – 3 StR 400/12, vom 5. November 2013 – 2 StR 388/13, StV 2014, 285, und vom 25. Februar 2014 – 4 StR 544/13, NStZ 2014, 269). Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung noch Feststellungen getroffen werden könnten, die eine Verurteilung wegen Raubes tragen. Er hat daher insoweit den Schuldspruch in Vergewaltigung in Tateinheit mit Diebstahl geändert; § 265 StPO steht dem nicht entgegen.
3
Im Fall III. 2. g) der Urteilsgründe ergeben die Feststellungen nicht, durch welche Handlung der Angeklagte den Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt haben könnte; auch der Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist insoweit unergiebig. Der Senat hat daher die tateinheitliche Verurteilung des Angeklagten wegen Sachbeschädigung entfallen lassen.
4
Der Senat hat den Schuldspruch zur Klarstellung neu gefasst.
5
Er schließt aus, dass die Änderungen im Schuldspruch einen Einfluss auf die ohnehin an der untersten Grenze des erzieherisch Vertretbaren bemessene Jugendstrafe haben könnten.
Sost-Scheible Cierniak Franke
Mutzbauer Bender

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

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Bundesgerichtshof Urteil, 08. Mai 2013 - 2 StR 558/12

bei uns veröffentlicht am 08.05.2013

BUNDESGERICHTSHOF IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 2 StR 558/12 vom 8. Mai 2013 in der Strafsache gegen wegen Vergewaltigung u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2013, an der teilgenommen haben: Vorsitzender Richt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
2 StR 558/12
vom
8. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 8. Mai 2013,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof
Becker
und die Richter am Bundesgerichtshof
Prof. Dr. Fischer,
Prof. Dr. Krehl,
Dr. Eschelbach
sowie die Richterin am Bundesgerichtshof
Dr. Ott,
Staatsanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Justizhauptsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,

für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Kassel vom 16. Juli 2012 mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Raub und in weiterer Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung unter Einbeziehung früherer Urteile zu einer Einheitsjugendstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die zuungunsten des Angeklagten eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft. Das Rechtsmittel führt aufgrund der Sachbeschwerde zur Urteilsaufhebung, gemäß § 301 StPO auch zugunsten des Angeklagten.

I.

2
Nach den Feststellungen des Landgerichts überfiel der Angeklagte am 11. September 2011 die Nebenklägerin, als diese in einem zur Tatzeit menschenleeren Geschäftshaus Reinigungsarbeiten vornahm. Er folgte ihr zunächst unbemerkt in den Keller. Als die Nebenklägerin den Angeklagten bemerkte und fragte, was er hier wolle, reagierte er nicht. Die Nebenklägerin bekam Angst und wollte den Keller verlassen, wurde aber vom Angeklagten daran gehindert, indem er sie am Hals packte und so würgte, dass sie kaum noch atmen konnte und ein Schreien unterdrückt wurde. Dann presste der Angeklagte die Nebenklägerin an die Wand des Treppenhauses. Er verlangte, dass sie die Tür eines Abstellraums aufschloss, stieß sie dort hinein und verbot ihr, das Licht anzuschalten. Zwar hörte der Angeklagte nun damit auf, die Nebenklägerin zu würgen; jedoch hatte sie im Verlauf des weiteren Geschehens Angst vor erneuter Gewaltanwendung durch den Angeklagten und fügte sich deshalb seinen Weisungen. Er verlangte von ihr, dass sie sich entkleidete und versuchte den vaginalen sowie analen Geschlechtsverkehr, was ihm zumindest „ansatzweise gelang“. Dabei verursachteer der Geschädigten große Schmerzen. Der Angeklagte verlangte anschließend Oralverkehr, den die Nebenklägerin aus Angst vor Gewalt an ihm vollzog. Hiernach führte er mit ihr vaginalen Geschlechtsverkehr durch. Als der Angeklagte das Licht einschaltete, um sich und der Nebenklägerin das Ankleiden zu ermöglichen, entdeckte er drei goldene Ringe an ihren Händen, die er ihr wegnahm. Die Nebenklägerin ließ auch dies aus Angst vor erneuten Gewalthandlungen durch den Angeklagten geschehen.

II.

3
Die Revision der Staatsanwaltschaft ist begründet und zwar gemäß § 301 StGB sowohl zugunsten des Angeklagten als auch zu seinen Ungunsten.
4
1. Die bisherigen Feststellungen des Landgerichts tragen nicht die Verurteilung wegen Raubes. Nach § 249 Abs. 1 StGB wird nur derjenige bestraft, der mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen. Gewalt oder Drohung müssen dabei Mittel zur Ermöglichung der Wegnahme sein (vgl. Senat, Urteil vom 15. Oktober 2003 – 2 StR 283/03, BGHSt 48, 365, 367). Folgt die Wegnahme einer Anwendung von Gewalt zu anderen Zwecken nur zeitlich nach, ohne dass diese finale Verknüpfung besteht , so scheidet ein Schuldspruch wegen Raubes insoweit aus (vgl. BGH, Beschluss vom 7. September 1994 – 2 StR 431/94, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Gewalt 7). Zurzeit der Anwendung der Gewalt hatte der Angeklagte aber noch nicht mit der Zielrichtung gehandelt, der Geschädigten Sachen wegzunehmen. Es genügt zwar, wenn die zunächst zu anderen - etwa zu sexuellen - Zwecken begonnene Gewaltanwendung beim Fassen des Wegnahmevorsatzes fortgesetzt wird (vgl. BGH, Urteil vom 15. September 1964 - 1 StR 267/64, BGHSt 20, 32, 33). Dies war hier aber nicht der Fall.
5
Eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben der Geschädigten als anderes Mittel der Wegnahme ist vom Landgericht nicht festgestellt worden. Das bloße Ausnutzen der Angst des Opfers vor erneuter Gewaltanwendung enthält für sich genommen noch keine Drohung. Zwar kann eine Drohung auch durch schlüssiges Verhalten erfolgen. Erforderlich ist dafür jedoch , dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht stellt, sie also durch ein bestimmtes Verhalten genügend erkennbar macht. Es genügt nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde es an Leib oder Leben schädigen (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 1987 – 4 StR 324/87, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 1). Das bloße Ausnutzen der Angst eines der Einwirkung des Täters schutzlos ausgelieferten Opfers mag sich als das Ausnutzen einer hilflosen Lage darstellen, die vom Gesetzgeber indes ausschließlich in § 177 Abs. 1 StGB neben Gewalt oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zu einem selbständigen tatbestandlichen Nötigungsmittel erhoben wurde.
6
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht weitere Feststellungen treffen kann, die zur Anwendung von § 249 StGB führen.
7
2. Wenn vom neuen Tatgericht ein Raub festgestellt würde, so wäre unter den weiteren Umständen des Falles auch zu erörtern, ob erpresserischer Menschenraub nach § 239a Abs. 1 StGB vorliegt. Diese Tat begeht nicht nur ein Täter, der einen Menschen entführt oder sich seiner bemächtigt, um von Anfang an die Sorge des Opfers um sein Wohl zu einer Erpressung auszunutzen , sondern auch derjenige, der die durch eine solche Handlung geschaffene Lage zu einer Erpressung ausnutzt. Raub ist dabei ein speziellerer Tatbestand als (räuberische) Erpressung, der auch die Möglichkeit eines hierauf bezogenen erpresserischen Menschenraubs eröffnet (vgl. Senat, Urteil vom 5. März 2003 – 2 StR 494/02, NStZ 2003, 604 f.).
8
Der Angeklagte kann sich der Geschädigten bemächtigt haben. Dazu muss er die physische Herrschaftsgewalt über das Opfer gewonnen, eine stabile Bemächtigungslage geschaffen und diese Lage zu einer Erpressung oder zum Raub ausgenutzt haben. Zwar muss der stabilisierten Bemächtigungslage mit Blick auf das Vermögensdelikt eigenständige Bedeutung zukommen. Damit ist aber nur gemeint, dass sich über die in jeder mit Gewalt oder Drohungen verbundenen Nötigungshandlung liegende Beherrschungssituation hinaus eine weiter gehende Drucksituation aus der stabilen Bemächtigungslage ergeben haben muss (vgl. BGH, Urteil vom 2. Februar 2012 – 3 StR 385/11, NStZ-RR 2012, 173, 174). Dies kommt hier in Betracht und wäre daher vom Tatgericht zu erörtern.

III.

9
Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
10
Das zuletzt erkennende Tatgericht ist bei der Festsetzung einer einheitlichen Jugendstrafe nach § 31 JGG unter Einbeziehung früherer Urteile an die dortigen Wertungen nicht gebunden. Es hat eine neue Entscheidung unter Gesamtwürdigung aller Umstände, auch soweit sie sich aus bindenden Tatsachenfeststellungen zum früheren Tatgeschehen ergeben, in eigener Verantwortung zu treffen (vgl. Senat, Urteil vom 30. April 1990 – 2 StR 64/90, BGHSt 37, 34, 39 f.). Die Bezugnahme auf wertende Überlegungen früherer Gerichte begegnet daher Bedenken. Das neue Tatgericht ist frei in seiner Entscheidung über die angemessene Rechtsfolge, auch hinsichtlich der Frage, ob das Jugendstrafrecht anzuwenden (vgl. BGH, Urteil vom 9. August 2001 – 1 StR 211/01, NJW 2002, 73, 75) und welche Sanktionsform innerhalb des Jugendgerichtsgesetzes angemessen ist. Auch dabei kann die Annahme des Vorliegens einer dissozialen Persönlichkeitsstörung, die besonderen Therapiebedarf über die erzieherischen Einwirkungen im Jugendstrafvollzug hinaus begründen könnte, von Bedeutung sein.
11
Bei der Bemessung einer nachträglich zu bildenden Einheitsjugendstrafe geht es nicht um das Maß einer Erhöhung der einzubeziehenden Jugendstrafen. Vielmehr sind die früher begangenen Straftaten im Rahmen einer Gesamtwürdigung neu zu bewerten und zusammen mit der neuen Tat zur Grundlage einer einheitlichen Sanktion zu machen. Dies gilt auch dann, wenn die früher verhängten Jugendstrafen zwischenzeitlich vollstreckt sind (vgl. Senat, Beschluss vom 31. März 2011 – 2 StR 8/11, StraFo 2011, 288 f.).
Becker Fischer Krehl Eschelbach Ott

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.