Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 StR 430/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung von Vorstrafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen Betruges in 16 Fällen zur weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts stützt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachbeschwerde zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht an.
- 2
- Die Verurteilung des Angeklagten hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die subjektive Seite der Betrugstaten ist nicht tragfähig begründet.
- 3
- 1. Das Landgericht hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt:
- 4
- Der Angeklagte betrieb im Tatzeitraum, in dem er seinen Lebensmittelpunkt auf der Insel Mallorca hatte, - wie schon früher - im Internet mehrere "Homepages", auf denen er Mietwohnmobile für Reisen durch die USA und Kanada anbot. Die Buchung der Fahrzeuge war über ein auf diesen "Homepages" vorhandene Kontaktformular per Email möglich. Nach der Buchung erbrachten die Kunden nach einer elektronischen Zahlungsaufforderung eine Anzahlung , in vielen Fällen leisteten sie später auch die Restzahlung. Die jeweiligen Geldbeträge überwiesen sie auf - teils von einem Strohmann eingerichtete - Konten bei deutschen und spanischen Banken, über die alleine der Angeklagte verfügen konnte. In einigen Fällen kam es bereits nach Leistung der Anzahlung, in den übrigen Fällen jedenfalls aber nach Überweisung der Restzahlung dazu, dass die Kunden auf Nachfragen zu den Details der Vertragsabwicklung keine Antwort mehr erhielten. In Einzelfällen stellten die Geschädigten aber auch erst vor Ort fest, dass die gebuchten Wohnmobile nicht wie vereinbart zur Verfügung standen.
- 5
- Bezüglich des subjektiven Tatbestands der Betrugstaten nimmt das Landgericht bedingten Vorsatz des Angeklagten an: Nach den Urteilsfeststellungen hielt er es "zumindest für möglich und nahm es billigend in Kauf, den Geschädigten das gebuchte Wohnmobil trotz Leistung der An- und Restzahlung nicht zur Verfügung stellen zu können". Der Angeklagte habe es für möglich gehalten, dass "er sein Leistungsverspechen nicht in allen Fällen würde erfüllen können" und habe dies gebilligt.
- 6
- 2. Die Annahme eines bedingten Betrugsvorsatzes des Angeklagten wird durch die Urteilsgründe - auch nach ihrem Gesamtzusammenhang - nicht belegt. Eventualvorsatz setzt voraus, dass der Täter die Erfüllung des Tatbestan- des nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern (nur) für möglich hält und dies billigt. Für den subjektiven Tatbestand des Betruges bedeutet dies, dass der Täter es für möglich hält und billigt, durch Täuschung einen Irrtum hervorzurufen und durch die Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten zu veranlassen, die zu einem Vermögensschaden führt.
- 7
- Aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen das Landgericht zu der Annahme gelangt ist, dass der Angeklagte in diesem Sinne mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, bleibt offen. Insbesondere kann den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtheit nichts dazu entnommen werden, ob der Angeklagte - etwa selbst oder über Vertragspartner - überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Tatzeitraumes die Möglichkeit und den Willen hatte, buchenden Kunden ein Wohnmobil zu verschaffen und damit seine vertragliche Leistung zu erbringen.
- 8
- Zwar war der Angeklagte von 1986 bis 1991 sowie von 2000 bis 2006 in Kanada selbständig in der Reisebranche tätig, indes könnte nach den bisherigen Feststellungen auch einiges dafür sprechen, dass der Angeklagte seine angebotene und vertraglich vereinbarte Leistung von vornherein nicht erbringen konnte und dies auch nicht wollte. Allerdings hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, es gehe "zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass die Homepages nicht von vornherein in betrügerischer Absicht errichtet wurden". Danach sind dem Urteil zum subjektiven Tatbestand der Betrugstaten keine tragfähigen Feststellungen zu entnehmen. Es kann daher keinen Bestand haben.
- 9
- 3. Der neue Tatrichter wird auf das Folgende hingewiesen:
- 10
- a) Die Bewertung der Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe als zwei rechtlich selbständige Betrugstaten begegnet rechtlichen Bedenken; denn nach den bisherigen Feststellungen könnte es sich rechtlich um lediglich eine Betrugstat handeln. Das Landgericht hat zu Fall II. 7. festgestellt, dass der Geschädigte über eine der vom Angeklagten betriebenen "Homepages" im Januar 2012 zwei Wohnmobile buchte, eines für sich und seine Ehefrau sowie eines für seine Tochter und seinen Schwiegersohn. Nach Erhalt einer Zahlungsaufforderung überwies er beide Anzahlungen in einer Summe auf ein Bankkonto des Angeklagten. Die Restzahlungen für beide Wohnmobile überwies (hingegen) die Tochter des Geschädigten im Mai 2012 in einem Betrag auf ein anderes Konto des Angeklagten. Diese Zahlung hat das Landgericht als rechtlich selbständige Betrugstat (Fall II. 8.) angesehen. Indes könnte sie auf derselben Täuschungshandlung des Angeklagten wie die beiden Anzahlungen beruhen.
- 11
- b) Der Ausspruch über die (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat diese Gesamtfreiheitsstrafe aus der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und den Einzelstrafen von zweimal acht Monaten aus dem am 19. März 2009 erlassenen Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss gemäß § 55 Abs. 1 StGB nachträglich gebildet. Nach den Feststellungen zu Fall II. 1. der Urteilsgründe hat der Geschädigte zwar - nach vorheriger Buchung - die Anzahlung am 27. Januar 2009, die Restzahlung in Höhe von 1.364 € indes (erst) am 27. April 2009 überwiesen. Die neue Tat ist im Sin- ne von § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB jedoch nur dann vor der früheren Verurteilung begangen worden, wenn sie vor dieser beendet war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - 5 StR 486/08, NStZ-RR 2009, 74). Beendigung der Be- trugstat im Fall II. 1. der Urteilsgründe ist nach den bisherigen Feststellungen aber frühestens am 27. April 2009 und somit erst nach dem Erlass des Strafbefehls eingetreten.
- 12
- c) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass der Angeklagte am 23. April 2014 in Thailand festgenommen und am 8. Mai 2014 nach Deutschland ausgeliefert worden ist. Sofern die Freiheitsentziehung in Thailand gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB anzurechnen ist, hat der Tatrichter gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 den Maßstab der Anrechnung zu bestimmen und in der Urteilsformel auszusprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012 - 4 StR 58/12, NStZ-RR 2012, 271; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 35).
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.
(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.
(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.
(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.
(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.
(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.
(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.
(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.
(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.