Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2015 - 3 StR 430/15

bei uns veröffentlicht am08.12.2015

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 430/15
vom
8. Dezember 2015
in der Strafsache
gegen
wegen Betruges
ECLI:DE:BGH:2015:081215B3STR430.15.0

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2015 gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 20. Mai 2015 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betruges unter Einbeziehung von Vorstrafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten sowie wegen Betruges in 16 Fällen zur weiteren Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf Rügen der Verletzung formellen und sachlichen Rechts stützt. Das Rechtsmittel führt auf die Sachbeschwerde zur Aufhebung des Urteils mit den Feststellungen sowie zur Zurückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung (§ 349 Abs. 4, § 354 Abs. 2 Satz 1 StPO). Auf die erhobenen Verfahrensrügen kommt es danach nicht an.
2
Die Verurteilung des Angeklagten hält der rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die subjektive Seite der Betrugstaten ist nicht tragfähig begründet.
3
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen das Folgende festgestellt:
4
Der Angeklagte betrieb im Tatzeitraum, in dem er seinen Lebensmittelpunkt auf der Insel Mallorca hatte, - wie schon früher - im Internet mehrere "Homepages", auf denen er Mietwohnmobile für Reisen durch die USA und Kanada anbot. Die Buchung der Fahrzeuge war über ein auf diesen "Homepages" vorhandene Kontaktformular per Email möglich. Nach der Buchung erbrachten die Kunden nach einer elektronischen Zahlungsaufforderung eine Anzahlung , in vielen Fällen leisteten sie später auch die Restzahlung. Die jeweiligen Geldbeträge überwiesen sie auf - teils von einem Strohmann eingerichtete - Konten bei deutschen und spanischen Banken, über die alleine der Angeklagte verfügen konnte. In einigen Fällen kam es bereits nach Leistung der Anzahlung, in den übrigen Fällen jedenfalls aber nach Überweisung der Restzahlung dazu, dass die Kunden auf Nachfragen zu den Details der Vertragsabwicklung keine Antwort mehr erhielten. In Einzelfällen stellten die Geschädigten aber auch erst vor Ort fest, dass die gebuchten Wohnmobile nicht wie vereinbart zur Verfügung standen.
5
Bezüglich des subjektiven Tatbestands der Betrugstaten nimmt das Landgericht bedingten Vorsatz des Angeklagten an: Nach den Urteilsfeststellungen hielt er es "zumindest für möglich und nahm es billigend in Kauf, den Geschädigten das gebuchte Wohnmobil trotz Leistung der An- und Restzahlung nicht zur Verfügung stellen zu können". Der Angeklagte habe es für möglich gehalten, dass "er sein Leistungsverspechen nicht in allen Fällen würde erfüllen können" und habe dies gebilligt.
6
2. Die Annahme eines bedingten Betrugsvorsatzes des Angeklagten wird durch die Urteilsgründe - auch nach ihrem Gesamtzusammenhang - nicht belegt. Eventualvorsatz setzt voraus, dass der Täter die Erfüllung des Tatbestan- des nicht erstrebt oder als sicher voraussieht, sondern (nur) für möglich hält und dies billigt. Für den subjektiven Tatbestand des Betruges bedeutet dies, dass der Täter es für möglich hält und billigt, durch Täuschung einen Irrtum hervorzurufen und durch die Irrtumserregung eine Vermögensverfügung des Getäuschten zu veranlassen, die zu einem Vermögensschaden führt.
7
Aufgrund welcher tatsächlichen Feststellungen das Landgericht zu der Annahme gelangt ist, dass der Angeklagte in diesem Sinne mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat, bleibt offen. Insbesondere kann den Urteilsgründen auch in ihrer Gesamtheit nichts dazu entnommen werden, ob der Angeklagte - etwa selbst oder über Vertragspartner - überhaupt zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb des Tatzeitraumes die Möglichkeit und den Willen hatte, buchenden Kunden ein Wohnmobil zu verschaffen und damit seine vertragliche Leistung zu erbringen.
8
Zwar war der Angeklagte von 1986 bis 1991 sowie von 2000 bis 2006 in Kanada selbständig in der Reisebranche tätig, indes könnte nach den bisherigen Feststellungen auch einiges dafür sprechen, dass der Angeklagte seine angebotene und vertraglich vereinbarte Leistung von vornherein nicht erbringen konnte und dies auch nicht wollte. Allerdings hat das Landgericht ausdrücklich festgestellt, es gehe "zu Gunsten des Angeklagten davon aus, dass die Homepages nicht von vornherein in betrügerischer Absicht errichtet wurden". Danach sind dem Urteil zum subjektiven Tatbestand der Betrugstaten keine tragfähigen Feststellungen zu entnehmen. Es kann daher keinen Bestand haben.
9
3. Der neue Tatrichter wird auf das Folgende hingewiesen:
10
a) Die Bewertung der Fälle II. 7. und 8. der Urteilsgründe als zwei rechtlich selbständige Betrugstaten begegnet rechtlichen Bedenken; denn nach den bisherigen Feststellungen könnte es sich rechtlich um lediglich eine Betrugstat handeln. Das Landgericht hat zu Fall II. 7. festgestellt, dass der Geschädigte über eine der vom Angeklagten betriebenen "Homepages" im Januar 2012 zwei Wohnmobile buchte, eines für sich und seine Ehefrau sowie eines für seine Tochter und seinen Schwiegersohn. Nach Erhalt einer Zahlungsaufforderung überwies er beide Anzahlungen in einer Summe auf ein Bankkonto des Angeklagten. Die Restzahlungen für beide Wohnmobile überwies (hingegen) die Tochter des Geschädigten im Mai 2012 in einem Betrag auf ein anderes Konto des Angeklagten. Diese Zahlung hat das Landgericht als rechtlich selbständige Betrugstat (Fall II. 8.) angesehen. Indes könnte sie auf derselben Täuschungshandlung des Angeklagten wie die beiden Anzahlungen beruhen.
11
b) Der Ausspruch über die (erste) Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten begegnet ebenfalls rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat diese Gesamtfreiheitsstrafe aus der im Fall II. 1. der Urteilsgründe verhängten Einzelfreiheitsstrafe von einem Jahr und den Einzelstrafen von zweimal acht Monaten aus dem am 19. März 2009 erlassenen Strafbefehl des Amtsgerichts Neuss gemäß § 55 Abs. 1 StGB nachträglich gebildet. Nach den Feststellungen zu Fall II. 1. der Urteilsgründe hat der Geschädigte zwar - nach vorheriger Buchung - die Anzahlung am 27. Januar 2009, die Restzahlung in Höhe von 1.364 € indes (erst) am 27. April 2009 überwiesen. Die neue Tat ist im Sin- ne von § 55 Abs. 1 Satz 1 StGB jedoch nur dann vor der früheren Verurteilung begangen worden, wenn sie vor dieser beendet war (vgl. BGH, Beschluss vom 11. November 2008 - 5 StR 486/08, NStZ-RR 2009, 74). Beendigung der Be- trugstat im Fall II. 1. der Urteilsgründe ist nach den bisherigen Feststellungen aber frühestens am 27. April 2009 und somit erst nach dem Erlass des Strafbefehls eingetreten.
12
c) Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass der Angeklagte am 23. April 2014 in Thailand festgenommen und am 8. Mai 2014 nach Deutschland ausgeliefert worden ist. Sofern die Freiheitsentziehung in Thailand gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 StGB anzurechnen ist, hat der Tatrichter gemäß § 51 Abs. 4 Satz 2 den Maßstab der Anrechnung zu bestimmen und in der Urteilsformel auszusprechen (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2012 - 4 StR 58/12, NStZ-RR 2012, 271; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 260 Rn. 35).
Becker Hubert Mayer Gericke Spaniol

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 51 Anrechnung


(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Juni 2012 - 4 StR 58/12

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 58/12 vom 5. Juni 2012 in der Strafsache gegen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts u
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Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 17. März 2016 - 8 Ss 18/16

bei uns veröffentlicht am 17.03.2016

Gründe Oberlandesgericht Bamberg 3 OLG 8 Ss 18/16 Beschluss vom 17. 3. 2016 Zum Sachverhalt: Das AG verurteilte den Angekl. wegen Betrugs in 10 Fällen und versuchten Betruges „unter Einbeziehung der mit Urt

Oberlandesgericht Bamberg Beschluss, 17. März 2016 - 3 OLG 8 Ss 18/16

bei uns veröffentlicht am 17.03.2016

Gründe Oberlandesgericht Bamberg 3 OLG 8 Ss 18/16 Beschluss vom 17. 3. 2016 Zum Sachverhalt: Das AG verurteilte den Angekl. wegen Betrugs in 10 Fällen und versuchten Betruges „unter Einbeziehung der mit Urt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Hat der Verurteilte aus Anlaß einer Tat, die Gegenstand des Verfahrens ist oder gewesen ist, Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung erlitten, so wird sie auf zeitige Freiheitsstrafe und auf Geldstrafe angerechnet. Das Gericht kann jedoch anordnen, daß die Anrechnung ganz oder zum Teil unterbleibt, wenn sie im Hinblick auf das Verhalten des Verurteilten nach der Tat nicht gerechtfertigt ist.

(2) Wird eine rechtskräftig verhängte Strafe in einem späteren Verfahren durch eine andere Strafe ersetzt, so wird auf diese die frühere Strafe angerechnet, soweit sie vollstreckt oder durch Anrechnung erledigt ist.

(3) Ist der Verurteilte wegen derselben Tat im Ausland bestraft worden, so wird auf die neue Strafe die ausländische angerechnet, soweit sie vollstreckt ist. Für eine andere im Ausland erlittene Freiheitsentziehung gilt Absatz 1 entsprechend.

(4) Bei der Anrechnung von Geldstrafe oder auf Geldstrafe entspricht ein Tag Freiheitsentziehung einem Tagessatz. Wird eine ausländische Strafe oder Freiheitsentziehung angerechnet, so bestimmt das Gericht den Maßstab nach seinem Ermessen.

(5) Für die Anrechnung der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a der Strafprozeßordnung) auf das Fahrverbot nach § 44 gilt Absatz 1 entsprechend. In diesem Sinne steht der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis die Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 94 der Strafprozeßordnung) gleich.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 58/12
vom
5. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u.a.
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 5. Juni 2012 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dessau-Roßlau vom 18. Oktober 2011 im Ausspruch über den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 6.590,00 € mit den Feststellungen aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen; jedoch wird die Urteilsformel dahin ergänzt, dass der Anrechnungsmaßstab für die in der Schweiz erlittene Auslieferungs- und Abschiebehaft 1 : 1 beträgt.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt und den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 6.590,00 € angeordnet. Die Revision, mit der der Angeklag- te die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

I.


2
Die Verfahrensrügen haben aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 19. März 2012 keinen Erfolg.

II.


3
1. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Sachrüge hat zum Schuld- und Strafausspruch einen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler nicht ergeben.
4
2. Das Landgericht hat indes entgegen § 51 Abs. 4 Satz 2 StGB im Urteil keine Bestimmung über den Maßstab getroffen, nach dem die in der Schweiz aus Anlass der abgeurteilten Taten erlittene Freiheitsentziehung auf die erkannte Freiheitsstrafe anzurechnen ist. Dabei kann dahinstehen, ob diese Freiheitsentziehung in Form von Auslieferungs- oder zusätzlich auch noch in Form von Abschiebehaft erfolgt ist (vgl. einerseits Urteilsabdruck UA 3, andererseits UA 4). In beiden Fällen hat die unterbliebene Anrechnung zu erfolgen, wenn, was hier der Fall ist, die Freiheitsentziehung "aus Anlass der Tat" erfolgte (BGH, Beschluss vom 10. April 1997 - 5 StR 674/96, NStZ 1997, 385; MünchKommStGB/Franke, § 51 Rn. 21). In entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO kann der Senat im vorliegenden Fall den Anrechnungsmaßstab selbst bestimmen, da nur eine Anrechnung im Verhältnis von 1 : 1 in Be- tracht kommt (BGH, Beschluss vom 15. April 2008 - 1 StR 166/08, Beschluss vom 5. August 2010 - 2 StR 254/10).
5
3. Die Anordnung des Verfalls eines Geldbetrages in Höhe von 6.590,00 € hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Insoweit hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 19. März 2012 Folgendes ausgeführt : "Zwar ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass die Kammer die Verfallsentscheidung zutreffend auf die Vorschriften der §§ 73, 73a StGB (Verfall von Wertersatz) gestützt hat (UA S. 27, 29). Allerdings wird die Höhe des erkannten Betrages von den Feststellungen nicht getragen. Das Landgericht hat insoweit - gestützt auf die Angaben des Zeugen S. zu den veräußerten Drogen, den Preisen und den vereinnahmten Geldbeträgen - das vom Angeklagten aus den Taten Erlangte gemäß § 73b StGB geschätzt (UA S. 27 ff.), was grundsätzlich zulässig ist, wenn die notwendigen Einzelheiten soweit geklärt sind, dass eine hinreichend sichere Schätzgrundlage gegeben ist (BGH NStZ-RR 2001, 327). Jedoch erweist sich das Urteil insoweit als widersprüchlich, als die Kammer von monatlichen Einnahmen des Angeklagten in Höhe von 1.300 € bei den Taten II. 2. bis 6. ausgegangen ist. Nach den Feststellungen hat der Zeuge S. zwar an den Angeklagten weitergegebene Einnahmen in dieser Höhe bekundet (UA S. 11). Dies steht jedoch im Widerspruch zu seinen weiteren Angaben, er habe 5 Gramm Heroin für 50 € veräußern sollen und auch Mengen von 0,5 Gramm für 8 € veräußert (UA S. 10). Diese Angaben zunächst zugrunde gelegt, konnte der Zeuge aus dem Verkauf des Heroins in den Fällen II. 2. bis 6. monatlich lediglich 800 € vereinnahmen. Der von dem Zeugen angegebene Betrag von 1.300 € erschließt sich hingegen mit Blick auf die Preise für die Einzelmengen nicht und das Urteil verhält sich auch nicht zu dieser Diskrepanz. Daran ändert sich auch unter Berücksichtigung der weiteren Einnahmen aus der Veräußerung des Haschischs und Teilen des Kokains im Fall II. 2. nichts. Hinzu kommt, dass die Kammer zwar die bei dem Zeugen S. erfolgte Sicherstellung am 15. Dezember 2009 berücksichtigt und für die Tat II. 7. keine Einnahmen in Ansatz gebracht hat. Allerdings hat sie im Rahmen der Wertersatzverfallsentscheidung außer Acht gelassen, dass bereits am 21. Oktober 2009 ebenfalls Betäubungsmittel und am 15. Dezember 2009 über die letzte Lieferung hinausgehende Betäubungsmittel sichergestellt worden sind (UA S. 8), für die Einnahmen folglich nicht erzielt werden konnten. Der neue Tatrichter wird daher über den Verfall von Wertersatz neu zu befinden haben."
6
Dem schließt sich der Senat an.
Mutzbauer Schmitt Franke
Bender Quentin