Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2013 - 3 StR 426/12

published on 28/05/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. Mai 2013 - 3 StR 426/12
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
Referenzen - Gesetze
Referenzen - Urteile

Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 426/12
vom
28. Mai 2013
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes;
hier: Zurücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 28. Mai 2013 beschlossen
:
1. Der Beschluss des Landgerichts Hannover vom 21. März 2013
wird aufgehoben, soweit darin festgestellt ist, dass die Rücknahme
der bezüglich des Angeklagten T. am 24. April 2012
gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. April
2012 eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft nicht wirksam
ist (Ziffer 1. des Beschlusses).
2. Es wird festgestellt, dass die am 24. April 2012 hinsichtlich
des Angeklagten T. eingelegte Revision der Staatsanwaltschaft
gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom
23. April 2012 wirksam zurückgenommen ist.

Gründe:

I.


1
Das Landgericht hat den Angeklagten durch Urteil vom 23. April 2012 wegen Mordes zur lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Ihre am 24. April 2012 (auch) hinsichtlich des Angeklagten T. eingelegte, insoweit unbegründet gebliebene Revision hat die Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 12. Juli 2012 zurückgenommen. Mit Beschluss vom 21. März 2013 hat das Landgericht festgestellt, dass diese Zurücknahme der Revision nicht wirksam und die Strafvollstreckung aus dem Urteil des Landgerichts vom 23. April 2012 unzulässig sei.
2
Auf die gegen diese Entscheidung gerichtete sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Celle am 9. April 2013 beschlossen , dass es zu einer Entscheidung über das Rechtsmittel nicht berufen sei, soweit dieses die Frage der Wirksamkeit der Rücknahme der Revision der Staatsanwaltschaft betreffe, und hat die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft im Übrigen als unbegründet verworfen. Das Landgericht hat dem Senat die Sache zur Entscheidung über die Wirksamkeit der Revisionszurücknahme vorgelegt.
3
Der Generalbundesanwalt hat beantragt, den Beschluss des Landgerichts vom 21. März 2013 aufzuheben, soweit darin festgestellt ist, dass die Rücknahme der bezüglich des Angeklagten T. am 24. April 2012 eingelegten Revision unwirksam sei und festzustellen, dass diese Rücknahme wirksam ist.
4
Bereits mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 22. Februar 2013 hatte der Angeklagte beim Senat beantragt, "das rechtliche Gehör gemäß § 33a StPO nachzuholen und über die Revision neu zu entscheiden". Zur Begründung hatte er im Wesentlichen vorgetragen, die Zurücknahme der ihn betreffenden Revision der Staatsanwaltschaft sei nicht wirksam.

II.


5
Die als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts anzusehende sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss des Landgerichts vom 21. März 2013 führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses des Landgerichts in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang sowie zu der Feststellung, dass die Zurücknahme der hinsichtlich des Angeklagten T. eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft wirksam ist.
6
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Der Senat ist für die Entscheidung über die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme zuständig (vgl. im Einzelnen BGH StraFo 2011, 232 m.w.N.). Die Rücknahme der von der Staatsanwaltschaft Hannover am 24. April 2012 eingelegten Revision bezüglich des Angeklagten T. war wirksam. Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Angeklagten bedurfte es zur Rücknahme des Rechtsmittels keiner Zustimmung des Angeklagten gemäß § 302 Abs. 1 S. 3 StPO. Die Revision war nicht zu seinen Gunsten eingelegt worden. Zugunsten eines Beschuldigten ist ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft nur eingelegt, wenn sich dies aus der Einlegung oder Begründung ergibt (Paul in Karlsruher Kommentar , StPO, 6. Aufl., § 296 Rn. 5). Ist ein derartiger Wille weder aus der Rechtsmittelschrift noch aus der Begründung zu entnehmen, fehlt es also an jeglicher entsprechenden Erklärung, dass das Rechtsmittel zugunsten des Beschuldigten eingelegt werde, muss regelmäßig ein von der Staatsanwaltschaft eingelegtes Rechtsmittel als zu dessen Ungunsten geltend gemacht angesehen werden (BGHSt 2, 41 ff.; RGSt 65, 231, 235; Frisch in Systematischer Kommentar, StPO, § 296 Rn. 13; Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, § 296 Rn. 47; Paul in Karlsruher Kommentar aaO.) So verhält es sich hier: Die Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft vom 24. April 2012 erschöpft sich in der Benennung der beiden Angeklagten des Verfahrens ... im Rubrum und der Erklärung, dass gegen das Urteil des Landgerichts Hannover vom 23. April 2012Rechtsmittel eingelegt werde. In der Revisionsbegründung vom 12. Juli 2012 wurden ausschließlich Ausführungen zur Verurteilung des Angeklagten B. gemacht und die Revision hinsichtlich des Angeklagten T. zurückgenommen. Hinweise, dass die Revision hinsichtlich des Angeklagten T. von der Staatsanwaltschaft zu dessen Gunsten eingelegt worden sein könnte, lassen sich deshalb weder der Rechtsmittelschrift noch deren Begründung entnehmen. Eine Einlegung zu dessen Gunsten ergibt sich entgegen der Auffassung des Landgerichts auch nicht inzident aus dem Umstand, dass der Angeklagte T. vom Schwurgericht des Landgerichts Hannover zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden war, denn auch gegen eine solche Verurteilung kann die Staatsanwaltschaft Revision zuungunsten eines Angeklagten einlegen, soweit - wie hier (vgl. UA S. 59) - eine Feststellung der besonderen Schwere der Schuld verneint worden ist. Schließlich lässt sich entgegen der Auffassung des Angeklagten auch nichts aus dem Umstand folgern, dass die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung in ihrem Schlussvortrag nicht auf Mord, sondern auf Totschlag plädiert hatte, denn die Frage, ob ein Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zugunsten eines Beschuldigten eingelegt ist, ist nur nach dem Gesamtinhalt der Rechtsmittelerklärungen zu beantworten, nicht nach Umständen außerhalb dieser Erklärungen (BGHSt 2, 41 ff.). Mithin hat es damit sein Bewenden, dass im Zweifelsfall von einer Revisionseinlegung der Staatsanwaltschaft zuungunsten eines Beschuldigten auszugehen ist (s.o.). Somit ist vorliegend die Wirksamkeit der Revisionsrücknahme festzustellen. Mit dieser Feststellung erledigt sich zugleich auch der dem Senat vorliegende Antrag des Angeklagten vom 22. Februar 2013."
7
Dem stimmt der Senat zu (vgl. auch BGH, Beschluss vom 8. März 2005 - 4 StR 573/04, NStZ-RR 2005, 211 mwN).
Tolksdorf Pfister Hubert Mayer Spaniol
ra.de-Urteilsbesprechung zu {{shorttitle}}
{{count_recursive}} Urteilsbesprechungen zu {{shorttitle}}

3 Referenzen - Gesetze

{{title}} zitiert {{count_recursive}} §§.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausges

Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte
1 Referenzen - Urteile
{{Doctitle}} zitiert oder wird zitiert von {{count_recursive}} Urteil(en).

published on 08/03/2005 00:00

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 4 StR 573/04 vom 8. März 2005 in der Strafsache gegen wegen gefährlicher Körperverletzung u.a. Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers am 8. März 200
{{Doctitle}} zitiert {{count_recursive}} Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Annotations

Hat das Gericht in einem Beschluss den Anspruch eines Beteiligten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt und steht ihm gegen den Beschluss keine Beschwerde und kein anderer Rechtsbehelf zu, versetzt es, sofern der Beteiligte dadurch noch beschwert ist, von Amts wegen oder auf Antrag insoweit das Verfahren durch Beschluss in die Lage zurück, die vor dem Erlass der Entscheidung bestand. § 47 gilt entsprechend.

(1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht auf die Einlegung eines Rechtsmittels können auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist ein Verzicht ausgeschlossen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden.

(2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung.