Bundesgerichtshof Beschluss, 29. Nov. 2011 - 3 StR 281/11
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zur Rüge der Verletzung von § 240 StPO, § 142 Abs. 1 Nr. 2, § 145 Abs. 2 GVG, Art. 6 MRK:
a) Der Generalbundesanwalt macht geltend, die Beanstandung sei unzulässig , "soweit" der Revisionsführer bestimmte Äußerungen und Verhaltensweisen der Oberamtsanwältin und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft behauptet, da die Richtigkeit dieser Behauptungen ohne eine dem Revisionsgericht verschlossene Rekonstruktion der Hauptverhandlung nicht geklärt werden könne. Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Das Verbot der Rekonstruktion der Hauptverhandlung betrifft zum einen das im Urteil festzustellende Ergebnis der Beweisaufnahme, soweit es nicht - wie etwa der Wortlaut von Urkunden - der unmittelbaren Kenntnisnahme durch das Revisionsgericht offensteht. Es gilt daher etwa für den Inhalt der Einlassung des Angeklagten oder der Aussagen von Zeugen und Sachverständigen (BGH, Urteil vom 7. Oktober 1966 - 1 StR 305/66, BGHSt 21, 149, 151; KK/Kuckein, StPO, 6. Aufl., § 351 Rn. 10). Zum anderen hat eine Rekonstruktion von Verfahrensvorgängen zu unterbleiben, die als wesentliche Förmlichkeiten der Hauptverhandlung (§ 273 Abs. 1, 1a StPO) protokollierungspflichtig sind und daher allein durch die Sitzungsniederschrift bewiesen werden können (§ 274 Abs. 1 Satz 1 StPO; Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 274 Rn. 8). Alle anderen Verfahrensvorgänge in der Hauptverhandlung sind dagegen, soweit entscheidungserheblich, durch das Revisionsgericht im Freibeweis aufzuklären (s. etwa BGH, Urteil vom 13. Dezember 1967 - 2 StR 544/67, BGHSt 22, 26, 28; Meyer-Goßner aaO). Das gälte daher auch für die vom Revisionsführer behaupteten Äußerungen der Oberamtsanwältin und des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, soweit sie nicht protokollierungspflichtig waren. So sieht es im Übrigen auch der Vertreter des Generalbundesanwalt, wenn er im Gegensatz zu seinen Ausführungen zur Zulässigkeit der Rüge deren Unbegründetheit auch aus der Darstellung der Vorgänge in der Hauptverhandlung herleiten will, die der Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft in der Revisionsgegenerklärung vom 7. Juli 2011 abgegeben hat.
b) Die Rüge bleibt indes ohne Erfolg. Allerdings hat das Landgericht - wie durch das Protokoll belegt wird - der Oberamtsanwältin gesetzeswidrig in der Hauptverhandlung Verfahrensrechte eingeräumt, indem es sie umfassend hat Fragen an Beweispersonen stellen lassen. Nach § 142 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, § 145 Abs. 2 GVG dürfen Amtsanwälte das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten wahrnehmen. In Verhandlungen vor den Landgerichten dürfen ihnen - unabhängig von ihrer persönlichen Qualifikation - Verfahrensrechte der Staatsanwaltschaft nicht übertragen werden, auch nicht unter Aufsicht eines Staatsanwaltes (vgl. KK/Schmidt/Schoreit, StPO, 6. Aufl., § 145 GVG Rn. 6). Dies ergibt sich schon daraus, dass einem Rechtsreferendar gemäß § 142 Abs. 3 GVG im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht beim Landgericht übertragen werden kann, während eine entsprechende gesetzliche Regelung für Amtsanwälte fehlt.
Das gesetzliche Verbot für Amtsanwälte, Verfahrensrechte der Staatsanwaltschaft vor den Landgerichten wahrzunehmen, darf nicht durch die Einräumung eines umfassenden Fragerechts in der Hauptverhandlung nach § 240 Abs. 2 Satz 1 StPO umgangen werden. Der Vorsitzende kann nicht prozessbeteiligten Personen lediglich gestatten, einzelne Fragen unmittelbar an den Angeklagten , einen Zeugen oder einen Sachverständigen zu richten, wenn er dies nach pflichtgemäßem Ermessen im Interesse der Wahrheitsfindung für zweckmäßig hält und dadurch die berechtigten Interessen anderer Verfahrensbeteiligter nicht beeinträchtigt werden (LR/Becker, StPO, 26. Aufl., § 240 Rn. 9). Die Einräumung des Fragerechts bezieht sich dabei aber stets auf einzelne Fragen; sie darf nicht zu einer Übertragung von gesetzlich nicht vorgesehenen generellen Teilnahme- und Fragerechten an einen unzuständigen Amtsträger führen. Dem steht nicht entgegen, dass nach teilweise vertretener Ansicht Amtsanwälte in Verfahren, die sie nicht selbständig bearbeiten dürfen, als Ermittlungsassistenten zur Unterstützung des Staatsanwalts herangezogen werden können (LR/Franke, StPO, 26. Aufl., § 142 GVG Rn. 30). Denn im Falle einer solchen Zuarbeit verbleibt die Wahrnehmung der Rechte der Anklagebehörde bei dem sachbearbeitenden Staatsanwalt.
Das angefochtene Urteil beruht jedoch nicht auf dem Verfahrensverstoß. Die Strafkammer hat sich ausweislich der Urteilsgründe ihre Überzeugung von den getroffenen Feststellungen aufgrund der in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen und verlesenen Urkunden verschafft. Der Senat schließt aus, dass die Wahrnehmung von Verfahrensrechten durch die Oberamtsanwältin sich auf das Urteil ausgewirkt hat. Der pauschale Vortrag der Revision, der Angeklagte sei in seinen Rechten verletzt worden, weil die Zeugen und Sachverständigen durch die Fragen der nicht frageberechtigten Oberamtsanwältin beeinflusst worden seien, zeigt keinen Zusammenhang zwischen dem Gesetzesverstoß und der Verurteilung auf. Dasselbe gilt für die Behauptung, die negative Einstellung des Gerichts zur Glaubwürdigkeit des Angeklagten sei durch dessen Nichtbeantwortung der unberechtigten Fragen der Oberamtsanwältin mitveranlasst worden.
Becker von Lienen Schäfer Mayer Menges
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.
(2) Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten. Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig.
(1) Das Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt:
- 1.
bei dem Bundesgerichtshof durch einen Generalbundesanwalt und durch einen oder mehrere Bundesanwälte; - 2.
bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte; - 3.
bei den Amtsgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte oder Amtsanwälte.
(2) Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Amtsgerichte gehören.
(3) Referendaren kann die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts und im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht übertragen werden.
(1) Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.
(2) Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen.
(1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandlung im wesentlichen wiedergeben und die Beachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Urkunden oder derjenigen, von deren Verlesung nach § 249 Abs. 2 abgesehen worden ist, sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. In das Protokoll muss auch der wesentliche Ablauf und Inhalt einer Erörterung nach § 257b aufgenommen werden.
(1a) Das Protokoll muss auch den wesentlichen Ablauf und Inhalt sowie das Ergebnis einer Verständigung nach § 257c wiedergeben. Gleiches gilt für die Beachtung der in § 243 Absatz 4, § 257c Absatz 4 Satz 4 und Absatz 5 vorgeschriebenen Mitteilungen und Belehrungen. Hat eine Verständigung nicht stattgefunden, ist auch dies im Protokoll zu vermerken.
(2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Strafrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen; dies gilt nicht, wenn alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel verzichten oder innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt wird. Der Vorsitzende kann anordnen, dass anstelle der Aufnahme der wesentlichen Vernehmungsergebnisse in das Protokoll einzelne Vernehmungen im Zusammenhang als Tonaufzeichnung zur Akte genommen werden. § 58a Abs. 2 Satz 1 und 3 bis 6 gilt entsprechend.
(3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorgangs in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende von Amts wegen oder auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person die vollständige Protokollierung und Verlesung anzuordnen. Lehnt der Vorsitzende die Anordnung ab, so entscheidet auf Antrag einer an der Verhandlung beteiligten Person das Gericht. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist oder welche Einwendungen erhoben worden sind.
(4) Bevor das Protokoll fertiggestellt ist, darf das Urteil nicht zugestellt werden.
Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.
(1) Das Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt:
- 1.
bei dem Bundesgerichtshof durch einen Generalbundesanwalt und durch einen oder mehrere Bundesanwälte; - 2.
bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte; - 3.
bei den Amtsgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte oder Amtsanwälte.
(2) Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Amtsgerichte gehören.
(3) Referendaren kann die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts und im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht übertragen werden.
(1) Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten sind befugt, bei allen Gerichten ihres Bezirks die Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft selbst zu übernehmen oder mit ihrer Wahrnehmung einen anderen als den zunächst zuständigen Beamten zu beauftragen.
(2) Amtsanwälte können das Amt der Staatsanwaltschaft nur bei den Amtsgerichten versehen.
(1) Das Amt der Staatsanwaltschaft wird ausgeübt:
- 1.
bei dem Bundesgerichtshof durch einen Generalbundesanwalt und durch einen oder mehrere Bundesanwälte; - 2.
bei den Oberlandesgerichten und den Landgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte; - 3.
bei den Amtsgerichten durch einen oder mehrere Staatsanwälte oder Amtsanwälte.
(2) Die Zuständigkeit der Amtsanwälte erstreckt sich nicht auf das amtsrichterliche Verfahren zur Vorbereitung der öffentlichen Klage in den Strafsachen, die zur Zuständigkeit anderer Gerichte als der Amtsgerichte gehören.
(3) Referendaren kann die Wahrnehmung der Aufgaben eines Amtsanwalts und im Einzelfall die Wahrnehmung der Aufgaben eines Staatsanwalts unter dessen Aufsicht übertragen werden.
(1) Der Vorsitzende hat den beisitzenden Richtern auf Verlangen zu gestatten, Fragen an den Angeklagten, die Zeugen und die Sachverständigen zu stellen.
(2) Dasselbe hat der Vorsitzende der Staatsanwaltschaft, dem Angeklagten und dem Verteidiger sowie den Schöffen zu gestatten. Die unmittelbare Befragung eines Angeklagten durch einen Mitangeklagten ist unzulässig.