Bundesgerichtshof Beschluss, 13. Apr. 2010 - 3 StR 28/10

bei uns veröffentlicht am13.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 28/10
vom
13. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen versuchter Förderung der Entwicklung von Atomwaffen u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
am 13. April 2010 gemäß § 349 Abs. 1 StPO beschlossen:
Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24. September 2009 wird verworfen.
Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten dadurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchter Förderung der Entwicklung von Atomwaffen und des Versuchs, ohne die erforderliche Genehmigung Maklerdienstleistungen im Zusammenhang mit dem Verkauf und der Ausfuhr von Gütern im Sinne von Anhang II der Verordnung (EG) Nr. 423/2007 nach Iran oder ihrer Herstellung und Verwendung im Iran zu erbringen, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt sowie deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Mit ihrer hiergegen gerichteten Revision erhebt die Staatsanwaltschaft ausschließlich die verfahrensrechtliche Beanstandung , das Landgericht habe unter Verstoß gegen § 261 StPO seiner Entscheidung nicht das gesamte beweisrelevante Ergebnis der Hauptverhandlung zugrunde gelegt, weil es sich in der Beweiswürdigung nicht mit den Äußerungen des Angeklagten in einem Telefongespräch vom 1. November 2007 mit seinem Neffen auseinandergesetzt habe. Das Rechtsmittel ist - wie auch der Generalbundesanwalt im Ergebnis zu Recht annimmt - unzulässig.
2
Es bedarf keiner näheren Betrachtung, ob die Revision, wie der Generalbundesanwalt meint, auf den Strafausspruch im Tatkomplex "Bifo-Kameras" und den Ausspruch über die Gesamtstrafe beschränkt ist. Hiergegen könnte sprechen, dass die Staatsanwaltschaft beantragt hat, das landgerichtliche Urteil mit den Feststellungen bezüglich des genannten Tatkomplexes insgesamt aufzuheben , und die Ausführungen zur Begründung des Rechtsmittels vor diesem Hintergrund auch dahin verstanden werden können, dass die Revisionsführerin den Schuldspruch wegen versuchter statt vollendeter Tat angreift. Dies kann indes dahinstehen; denn die Rüge genügt in jedem Fall nicht den Begründungsanforderungen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.
3
Danach ist der Revisionsführer verpflichtet, die den Verfahrensmangel begründenden Tatsachen so genau anzugeben, dass das Revisionsgericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft. Hieran fehlt es; denn allein aus dem Rügevorbringen erschließt sich die Beweisrelevanz der Äußerungen des Angeklagten in dem Telefonat mit seinem Neffen nicht.
4
Die Staatsanwaltschaft teilt in der Revisionsbegründung neben dem Inhalt des Telefongesprächs und Auszügen aus dem Hauptverhandlungsprotokoll lediglich einen geringen Teil der Strafzumessungserwägungen sowie einen Ausschnitt aus der Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils mit. Da die Sachrüge nicht erhoben worden ist, darf der Senat den weiteren Inhalt des Urteils nicht ergänzend heranziehen (Kuckein in KK-StPO 6. Aufl. § 344 Rdn. 39 m. w. N.). Ohne jede Kenntnis vor allem von den Feststellungen zum Tatkomplex "Bifo-Kameras", aber auch von den sonstigen diesbezüglichen Beweiserwägungen des Landgerichts, kann nicht beurteilt werden, ob es sich bei den Äußerungen des Angeklagten in dem Telefongespräch mit seinem Neffen um einen für die Beweiswürdigung wesentlichen und deshalb sich aufdrängenden Beweisumstand handelt. Nur in diesem Fall war die Strafkammer indes zu einer Erörterung im Urteil veranlasst; denn die §§ 261, 267 StPO verpflichten das Tatgericht nicht, in den Urteilsgründen stets in allen Einzelheiten darzulegen, auf welche Weise es zu bestimmten Feststellungen gelangt ist und sich mit allen - auch für die Überzeugungsbildung nebensächlichen - Beweisergebnissen zu befassen (vgl. BGH NStZ 2008, 705, 706; Meyer-Goßner, StPO 52. Aufl. § 261 Rdn. 38 a; § 267 Rdn. 12 jeweils m. w. N.).
5
Die Unzulässigkeit der verfahrensrechtlichen Beanstandung führt, weil die Sachrüge nicht erhoben worden ist, zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (BGH, Beschl. vom 18. August 2009 - 5 StR 323/09; Beschl. vom 16. September 2009 - 2 StR 299/09).
Becker Pfister Sost-Scheible Schäfer Mayer

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 344 Revisionsbegründung


(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.

5 StR 323/09

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
vom 18. August 2009
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer
Menge u. a.
Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 18. August 2009

beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23. April 2009 wird als unzulässig verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
G r ü n d e
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zehn Fällen sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.
2
Die allgemein erhobene, nicht näher begründete Verfahrensrüge genügt nicht den Formerfordernissen des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO. Die Unzulässigkeit der Verfahrensrüge führt, weil die Sachrüge nicht erhoben worden ist, zur Unzulässigkeit der Revision insgesamt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. März 2008 – 2 StR 61/08 m.w.N.).
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