Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Juli 2011 - 3 StR 201/11

bei uns veröffentlicht am14.07.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 201/11
vom
14. Juli 2011
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts- zu 2. auf dessen Antrag - am 14. Juli
2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Duisburg vom 4. Oktober 2010 im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der Zuhälterei in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Einschleusen von Ausländern , mit gefährlicher Körperverletzung und mit vorsätzlicher Körperverletzung, sowie des Einschleusens von Ausländern in zwei tateinheitlichen Fällen, des Einschleusens von Ausländern in zwei Fällen, der vorsätzlichen Körperverletzung und des Verschaffens von falschen amtlichen Ausweisen schuldig ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten unter anderem in den Fällen II. A. 1. und II. A. 2. der Urteilsgründe (Fälle III. 1. und III. 2. der Anklage) wegen des Einschleusens von Ausländern in zwei tatmehrheitlichen Fällen verurteilt. Dem lag die Feststellung zugrunde, der Angeklagte habe zwei aus der Russischen Föderation stammende Frauen, die er zu seinem eigenen finanziellen Vorteil der Prostitution habe zuführen wollen, dazu veranlasst, von ihm am 8. Januar 2004 in T. /Dänemark organisierte Scheinehen mit deutschen Staatsangehörigen einzugehen, wobei er in der Absicht gehandelt habe, sich aus der wiederholten Tatbegehung eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen. Beide Frauen hätten daraufhin am 13. Januar 2004 unter Bezugnahme auf die Eheschließung eine Aufenthaltsgenehmigung bei der Ausländerbehörde der Stadt Duisburg beantragt.
2
Diese Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen zweier tatmehrheitlicher Fälle des Einschleusens von Ausländern nach § 92 Abs. 2 Nr. 2, § 92a Abs. 1 und 2 Nr. 1 AuslG in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung nicht. Die Strafbarkeit des Angeklagten wegen täterschaftlichen Einschleusens von Ausländern knüpft hier daran an, dass er die beiden Ausländerinnen zu einer Straftat nach § 92 Abs. 2 Nr. 2 AuslG in der bis zum 31. Dezember 2004 gültigen Fassung angestiftet und ihnen zu ihren Taten Hilfe geleistet hat. Seine Tathandlungen stehen indes nicht im Verhältnis der Tatmehrheit zueinander; denn fördert der Täter des Einschleusens von Ausländern rechtlich selbständige Haupttaten mehrerer Ausländer durch eine Beihilfehandlung , so liegt nur eine Beihilfe vor (vgl. BGH, Beschluss vom 19. August 2010 - 3 StR 221/10, juris, Rn. 3 mwN). Da aufgrund der Feststellungen des Landgerichts von einer einheitlichen Beihilfehandlung - Organisation beider Eheschließungen am selben Tag vor demselben dänischen Standesamt zur Täuschung im Verwaltungsverfahren auf Erlangung einer Aufenthaltsgenehmigung - auszugehen ist, liegt lediglich ein Einschleusen von Ausländern in zwei tateinheitlichen Fällen vor.
3
Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab. § 265 StPO steht nicht entgegen, da sich der Angeklagte gegen den Vorwurf tateinheitlicher Tatbegehung nicht anders als geschehen hätte verteidigen können.
4
Mit der Annahme von Tateinheit entfällt eine der vom Landgericht in den Fällen II. A. 1. und II. A. 2. festgesetzten Einzelstrafen von einem Jahr und sechs Monaten. Der Senat kann jedoch in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die Gesamtstrafe bestehen lassen. Das Urteil ergibt im Übrigen keinen Rechtsfehler zulasten des Angeklagten. Das Landgericht hat die von ihm auf drei Jahre und drei Monate festgesetzte Einsatzstrafe sowie die übrigen Einzelstrafen bei der Bildung der Gesamtstrafe straff zusammengezogen. Es ist deshalb auszuschließen, dass es bei einer richtigen Bewertung des Konkurrenzverhältnisses zu einer niedrigeren Gesamtstrafe gelangt wäre.
5
Der geringfügige Erfolg des Rechtsmittels gibt keinen Anlass, den Angeklagten von den Kosten des Verfahrens und seinen Auslagen auch nur teilweise zu entlasten. Gleiches gilt für die notwendigen Auslagen der Nebenklägerinnen (§ 473 Abs. 4 StPO).
Becker Pfister von Lienen Mayer Menges

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Gesetz über den Lastenausgleich


Lastenausgleichsgesetz - LAG

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Aug. 2010 - 3 StR 221/10

bei uns veröffentlicht am 19.08.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 221/10 vom 19. August 2010 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen Betruges hier: Revision des Angeklagten U. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesa

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

3
1. Die Schuldsprüche wegen 408 tatmehrheitlicher Fälle des Betruges haben keinen Bestand. Nach den Feststellungen zogen die Angeklagten "in den meisten Fällen" Mitarbeiter und Bekannte heran, welche die an die Mobilfunkunternehmen gerichteten Anträge nach den Vorgaben des Angeklagten U. unter Verwendung fiktiver Personalien herstellten, unterschrieben und mittels Telefax zur Absendung brachten; die Mitangeklagte E. stellte für die Abwicklung der auf die Erlangung ungerechtfertigter Provisionen gerichteten Geschäfte absprachegemäß das von ihr betriebene Unternehmen zur Verfügung. In welchen Fällen die Angeklagten selbst mit der Herstellung oder der Absendung der Anträge befasst waren, konnte das Landgericht nicht feststellen. Danach ist zugunsten der Angeklagten anzunehmen, dass sie jeweils (nur) einen einheitlichen Tatbeitrag erbrachten, der sich auf die Gesamtheit der von den Mitarbeitern und Bekannten begangenen einzelnen Straftaten erstreckte. Wie der Generalbundesanwalt zutreffend ausführt, sind ihnen diese Einzeltaten deshalb als tateinheitlich begangen zuzurechnen (BGH, Urteil vom 17. Juni 2004 - 3 StR 344/03, NJW 2004, 2840; Beschluss vom 29. April 2008 - 4 StR 125/08, NStZ-RR 2008, 275). Der Senat ändert die Schuldsprüche entsprechend ab.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.