Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 3 StR 192/13

bei uns veröffentlicht am20.08.2013

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 192/13
vom
20. August 2013
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 20. August 2013 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 7. Januar 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung schuldig gesprochen und den Angeklagten W. unter Einbeziehung anderweitig verhängter Strafen zur Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten, den Angeklagten K. zur Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte W. mit seiner auf die Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gestützten Revision; der Angeklagte K. begründet sein Rechtsmittel mit der - nicht ausgeführten - Rüge der Verletzung formellen Rechts und mit der in allgemeiner Form erhobenen Sachbeschwerde. Beide Rechtsmittel haben mit der Sachrüge Erfolg.
2
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift zum Schuldspruch des angefochtenen Urteils im Wesentlichen ausgeführt: "Die Überprüfung des Urteils auf die Sachrüge hat einen durchgreifenden Rechtsfehler zuungunsten der Angeklagten ergeben, denn die Voraussetzungen einer schweren räuberischen Erpressung sind durch die bisherigen Feststellungen nicht dargetan. 1. Eine räuberische Erpressung erfordert gemäß § 255 StGB Gewalt gegen eine Person oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. Solche qualifizierten Nötigungsmittel hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt. Vielmehr drohte der Angeklagte W. , nachdem er ein Messer und eine Pistole auf den Tisch des Geschädigten gelegt hatte, damit, der Hund des Geschädigten 'müsse dran glauben'. Später verknüpfte er seine unberechtigte Geldforderung mit der erneuten Drohung 'Sonst erschieße ich Deinen Hund' (UA S. 11). Damit sind Drohungen mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben einer Person nicht festgestellt. Drohungen mit Gewalt, die sich nicht gegen Personen richten, genügen als solche nicht, mögen sie auch noch so willensbeugend sein (vgl. Vogel in Leipziger Kommentar , StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 15). Zwar kann eine Drohung auch durch schlüssige Handlungen erfolgen. Erforderlich ist aber, dass der Täter die Gefahr für Leib oder Leben deutlich in Aussicht gestellt, sie also genügend erkennbar gemacht hat; es genügt nicht, wenn das Opfer nur erwartet, der Täter werde ihn an Leib oder Leben gefährden (BGH bei Holtz MDR 1987, 281; BGHR StGB § 249 Abs. 1 Drohung 1). Die bisherigen Feststellungen lassen keinen sicheren Schluss dahin zu, dass die Angeklagten eine Leibes- oder Lebensgefahr für den Geschädigten durch konkludentes Handeln deutlich in Aussicht stellten. Das Niederlegen der Waffen auf den Tisch genügte vorliegend hierzu nicht, denn die darin möglicherweise zunächst zu sehende schlüssige Drohung mit Gewalt gegenüber dem Geschädigten wurde durch die Ankündigung, bei Ausbleiben der Zahlung den Hund zu töten , konkretisierend eingeschränkt. Weitere Drohungen sind nicht festgestellt. Zwar hat der Geschädigte später gegenüber seiner Schwester, die er um Zurverfügungstellung des benötigten Geldes bat, erklärt, der Angeklagte W. habe ihm 'ein Ding mit einem Schalldämpfer an den Kopf gehalten' (UA S. 12). Auch einem weiteren Bekannten gegenüber äußerte er, er sei 'mit einer Waffe mit Schalldämpfer und einem Fleischermesser bedroht' worden (UA S. 12). Den Feststellungen lässt sich jedoch nicht - auch nicht im Gesamtzusammenhang - entnehmen, dass sich die Kammer von einer solchen Bedrohung des Geschädigten selbst in der Nötigungssituation überzeugen konnte. Es ist nicht ersichtlich, dass der Geschädigte im Ermittlungsverfahren oder der Hauptverhandlung eine entsprechende Tatschilderung abgegeben hätte, wonach er selbst mit den Waffen bedroht worden sei. Vielmehr hat umgekehrt das Landgericht die Aussage des Geschädigten, er habe 'zwar auch sein eigenes Leben bedroht gesehen ...., der Angeklagte W. [habe] aber zur Unterstützung seines Verlangens mit der Tötung des Hundes gedroht' als Beleg für dessen mangelnden Belastungseifer und die Glaubhaftigkeit seiner Angaben angesehen (UA S. 16). Dass der Geschädigte um sein Leben fürchtete und Angst hatte (UA S. 11), reicht jedoch für die Annahme einer räuberischen Erpressung nicht aus. Allein das Schaffen einer diffusen Atmosphäre der Einschüchterung ist keine qualifizierte Drohung i.S.d. § 255 StGB (BGH bei Holtz MDR 1987, 281). Gleiches gilt für das Erkennen und Ausnutzen der Angst des Geschädigten durch die Angeklagten (UA S. 11), sofern diese - wie hier - weder ausdrücklich noch konkludent damit drohten, dem Geschädigten ans Leben zu gehen oder ihm eine erhebliche Körperverletzung zuzufügen (vgl. BGH NStZ 2013, 279). 2. Unabhängig davon hätte es darüber hinaus sorgfältiger Darlegung bedurft, dass die Angeklagten trotz ihrer Äußerung, den Hund zu erschießen , dennoch den Vorsatz hatten, konkludent auch dem Geschädigten mit einer Leibes- oder Lebensgefahr zu drohen. Allein aus äußeren, dem Täter bekannten Umständen kann dies nicht - jedenfalls nicht ohne Weiteres - geschlossen werden (vgl. BGH NJW 1984, 1632; Vogel in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 249 Rn. 14). Woraus jedoch die Kammer ihre Überzeugung gewonnen hat, die Angeklagten hätten den Vorsatz gehabt, dass der Angeklagte die Drohung mit der Tötung des Hundes auch als Bedrohung für das eigene Leben oder seine körperliche Unversehrtheit auffasst, ist dem Urteil nicht zu entnehmen."
3
Dem schließt sich der Senat an und weist für die neue Hauptverhandlung weiter auf Folgendes hin:
4
Der neue Tatrichter wird hinsichtlich des Angeklagten W. für den Fall einer Verurteilung zu bedenken haben, dass die Voraussetzungen für eine Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 15. Februar 2010 (Az.: 6 KLs 01/10) und der Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Neubrandenburg vom 3. März 2009 (Az.: 16 Ls 510/08) in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 8. Juni 2009 (Az.: 9 Ns 26/09) entgegen den Gründen des angefochtenen Urteils nicht vorlagen. Die frühere der beiden vorgenannten Verurteilungen kommt - bezogen auf den Zeitpunkt des Berufungsurteils als letzte tatrichterliche Sachentscheidung - eine Zäsurwirkung zu, die hier die Anwendung des § 55 StGB ausschließt, weil die gegenständliche Tat am 24. August 2009 und somit nach diesem maßgeblichen Zeitpunkt begangen worden ist (vgl. LK/Rissing-van Saan, StGB, 12. Aufl., § 55 Rn. 6 f., 15 mwN).
5
Hinsichtlich des Angeklagten K. wird der neue Tatrichter zu berücksichtigen haben, dass bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, nur derjenige mittäterschaftlich im Sinne von § 25 Abs. 2 StGB handelt, der seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach seiner Vorstellung in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so stellt seine Tatbeteiligung Beihilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) dar (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 12. Juni 2012 - 3 StR 166/12, NStZ 2013, 104 mwN). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil nicht.
Schäfer Hubert Mayer Gericke Ri'inBGH Dr. Spaniol ist urlaubsbedingt ortsabwesend und deshalb an der Unterschrift gehindert. Schäfer

ra.de-Urteilsbesprechung zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 3 StR 192/13

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 3 StR 192/13

Referenzen - Gesetze

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 3 StR 192/13 zitiert 7 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafgesetzbuch - StGB | § 55 Nachträgliche Bildung der Gesamtstrafe


(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen h

Strafgesetzbuch - StGB | § 27 Beihilfe


(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. (2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu milde

Strafgesetzbuch - StGB | § 25 Täterschaft


(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. (2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

Strafgesetzbuch - StGB | § 249 Raub


(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird m

Strafgesetzbuch - StGB | § 255 Räuberische Erpressung


Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 3 StR 192/13 zitiert oder wird zitiert von 1 Urteil(en).

Bundesgerichtshof Beschluss, 20. Aug. 2013 - 3 StR 192/13 zitiert 1 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundesgerichtshof Beschluss, 12. Juni 2012 - 3 StR 166/12

bei uns veröffentlicht am 12.06.2012

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 166/12 vom 12. Juni 2012 in der Strafsache gegen wegen räuberischer Erpressung Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und der Beschwerdeführerin am 12. Juni 2012 gemäß

Referenzen

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine fremde bewegliche Sache einem anderen in der Absicht wegnimmt, die Sache sich oder einem Dritten rechtswidrig zuzueignen, wird mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr bestraft.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen.

(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.

(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.

(1) Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht.

(2) Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter).

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 166/12
vom
12. Juni 2012
in der Strafsache
gegen
wegen räuberischer Erpressung
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und der Beschwerdeführerin am 12. Juni 2012 gemäß § 349 Abs. 4
StPO einstimmig beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neubrandenburg vom 15. Februar 2011, soweit es die Angeklagte betrifft, mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Neubrandenburg zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen räuberischer Erpressung zur Jugendstrafe von zehn Monaten mit Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Hiergegen wendet sich die Angeklagte mit ihrer auf die Sachbeschwerde gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
2
1. Die rechtliche Wertung des Landgerichts, die Angeklagte habe sich als Mittäterin an der räuberischen Erpressung der Mitangeklagten und Nichtrevidenten beteiligt, hält der Nachprüfung nicht stand. Sie wird durch die Urteilsgründe nicht hinreichend belegt.
3
a) Nach den Feststellungen nahm die Angeklagte in Umsetzung des Tatplanes unter einem falschen Namen telefonisch mit dem Geschädigten Kontakt auf, traf sich mit ihm und brachte ihn schließlich am späten Abend mit ihrem Fahrzeug zu dem abgelegenen Tatort. Dort stieg der Geschädigte aus. Nach ihrer unwiderlegt gebliebenen Einlassung fuhr die Angeklagte weiter, stellte ihr Fahrzeug in einiger Entfernung ab und blieb in diesem sitzen. Nach dem Aussteigen des Geschädigten nötigten die Mitangeklagten diesen unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für dessen Leib und Le- ben zur Übergabe von 9.000 €, ohne hierauf einen Anspruch gehabt zu haben.
4
b) Diese Feststellungen tragen die Verurteilung der Angeklagten wegen mittäterschaftlicher räuberischer Erpressung (§ 253 Abs. 1 und 2, §§ 255, 25 Abs. 2 StGB) nicht.
5
Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint (Fischer, StGB, 59. Aufl., § 25 Rn. 12 mwN). Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat der Tatrichter aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 2008 - 3 StR 243/08, StV 2008, 575; Urteile vom 12. Februar 1998 - 4 StR 428/97, NJW 1998, 2149, 2150; vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289, 291). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kernge- schehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (BGH, Urteil vom 17. Oktober 2002 - 3 StR 153/02, NStZ 2003, 253, 254; Beschluss vom 2. Juli 2008 - 1 StR 174/08, NStZ 2009, 25). Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach seiner Vorstellung in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so stellt seine Tatbeteiligung Beihilfe dar (§ 27 Abs. 1 StGB; vgl. BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - 3 StR 63/12, StraFo 2012, 194).
6
c) Daran gemessen kann der Schuldspruch nicht bestehen bleiben. Das Urteil lässt nicht nur die hier zur Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe gebotene wertende Gesamtbetrachtung vermissen, sondern bereits Feststellungen dazu, ob und in welcher Ausprägung die Angeklagte ein eigenes Interesse an der Tat sowie - über ihren eigenen Tatbeitrag hinaus - Tatherrschaft oder wenigstens den Willen dazu hatte. Die Annahme der Jugendkammer, die Angeklagte sei Mittäterin, weil sie sich "wissentlich und willentlich an der Drohkulisse" beteiligt habe, machte die mit Blick auf den festgestellten untergeordneten Tatbeitrag der Angeklagten gebotene wertende Gesamtbetrachtung sowie die erforderliche Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme nicht entbehrlich.
7
Der Senat kann nicht ausschließen, dass zur rechtlichen Beurteilung der Tatbeteiligung der Angeklagten in einer neuen Verhandlung weiter gehende Feststellungen getroffen werden können.
8
2. Der neue Tatrichter wird darauf hingewiesen, dass die Einlassung der Angeklagten zum Hintergrund der Tat, sie habe vermutet, dass der Geschädigte seinen Bruder, den Mitangeklagten A. R. , bestohlen habe, im an- gefochtenen Urteil im Rahmen der Beweiswürdigung jedenfalls nicht ausdrücklich widerlegt worden ist. Lediglich dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe kann entnommen werden, dass der Angeklagten aus der "imGroben" erfolgten gemeinsamen Tatplanung, die sie nach der Überzeugung des Landgerichts - entgegen den Angaben des Mitangeklagten S. - gekannt hat, bekannt gewesen sein könnte, dass Anlass der Tat nicht ein Diebstahl des Geschädigten P. R. zum Nachteil seines Bruders, des Mitangeklagten A. R. , und somit nach der Vorstellung der Angeklagten nicht eine rechtmäßige Forderung dieses Mitangeklagten war, sondern dass es bei der Tat um die Erlangung des bei dem Zeugen J. gestohlenen Geldes ging, auf das die Mitangeklagten keinen Anspruch hatten.
9
Die im Rahmen der Strafzumessung des angefochtenen Urteils bei der Begründung der Erforderlichkeit der Verhängung von Jugendstrafe wegen der Schwere der Schuld der Angeklagten im Sinne von § 17 Abs. 2 JGG zu ihren Lasten angestellte Erwägung, sie habe "alle Bedenken, die sich gegen ihre Handlungsweise ergeben können, beiseitegeschoben", unterliegt im Hinblick auf § 46 Abs. 3 StGB rechtlichen Bedenken, weil der Angeklagten damit angelastet wurde, dass sie die Tat überhaupt begangen hat (vgl. Fischer, aaO, § 46 Rn. 76b f.).
10
Schließlich wird der neue Tatrichter das Vorliegen der Voraussetzungen für die Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zu prüfen haben (BGH, Beschluss vom 17. Januar 2008 - GSSt 1/07, NStZ 2008, 234). Auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts hierzu in seiner Antragsschrift wird hingewiesen.
11
Die Zurückverweisung an das Amtsgericht - Jugendschöffengericht - Neubrandenburg beruht auf § 354 Abs. 3 StPO i.V.m. § 33 Abs. 1 und 2, § 40 Abs. 1 Satz 1, § 107 JGG. Dessen Zuständigkeit reicht zur Erledigung der Sache aus (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 54. Aufl., § 354 Rn. 42).
Becker Pfister Hubert Mayer Gericke