Bundesgerichtshof Beschluss, 15. Apr. 2014 - 3 StR 123/14
Bundesgerichtshof
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Ausspruch über die Gesamtstrafe aufgehoben; die zugehörigen Feststellungen bleiben aufrechterhalten,
b) im Adhäsionsausspruch dahin ergänzt, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Schmerzensgeld und zum Ersatz des materiellen Schadens des Mitangeklagten für den Angeklagten nur insoweit besteht, als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat gegen den Angeklagten wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Viersen vom 13. März 2012 eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten verhängt. Im Adhäsionsververfahren hat es den Angeklagten zur Zahlung eines Schmerzens- gelds von 20.000 € an den durch die Tat geschädigten Mitangeklagten verurteilt und die Verpflichtung des Angeklagten festgestellt, diesem allen aus der Tat entstandenen materiellen Schaden zu erstatten. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
- 2
- 1. Der Gesamtstrafenausspruch hat keinen Bestand.
- 3
- Das Amtsgericht Viersen hat gegen den Angeklagten am 13. März 2012 eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen ausgesprochen. Danach läge zwar grundsätzlich Gesamtstrafenfähigkeit vor, denn die vom Landgericht nunmehr abgeurteilte Tat hat der Angeklagte bereits am 28. Juli 2011 begangen. Indes teilt das Landgericht den Stand der Vollstreckung der Geldstrafe nicht mit; wäre diese zum Zeitpunkt des landgerichtlichen Urteils bereits erledigt gewesen, so wäre der Angeklagte durch die Bildung der Gesamtstrafe beschwert.
- 4
- Zudem hat das Amtsgericht Mainz den Angeklagten nachfolgend am 8. Mai 2012 wegen schweren räuberischen Diebstahls zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sieben Monaten verurteilt. Die Tatzeit teilt das Landgericht nicht mit. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die der Entscheidung des Amtsgerichts Mainz zu Grunde liegende Tat noch vor dem 13. März 2012 be- gangen wurde mit der Folge, dass insoweit (ebenfalls) Gesamtstrafenfähigkeit vorläge.
- 5
- Über die Bildung einer Gesamtstrafe ist deshalb neu zu entscheiden. Die bisherigen Feststellungen werden von dem Rechtsfehler nicht berührt und können aufrechterhalten bleiben. Der neue Tatrichter wird zum Stand der Vollstreckung aus dem Urteil des Amtsgerichts Viersen und zu der vom Amtsgericht Mainz abgeurteilten Tat ergänzende Feststellungen zu treffen haben.
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- 2. Der Adhäsionsausspruch ist unter den im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG erforderlichen Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht des Angeklagten nur insoweit besteht, als der Anspruch des Mitangeklagten nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 25. November 2009 - 3 StR 304/09, StraFo 2010, 117).
Mayer Gericke
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Ein auf anderen gesetzlichen Vorschriften beruhender Anspruch auf Ersatz eines Schadens geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit dieser auf Grund des Schadensereignisses Sozialleistungen zu erbringen hat, die der Behebung eines Schadens der gleichen Art dienen und sich auf denselben Zeitraum wie der vom Schädiger zu leistende Schadensersatz beziehen. Dazu gehören auch
- 1.
die Beiträge, die von Sozialleistungen zu zahlen sind, und - 2.
die Beiträge zur Krankenversicherung, die für die Dauer des Anspruchs auf Krankengeld unbeschadet des § 224 Abs. 1 des Fünften Buches zu zahlen wären.
(2) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch Gesetz der Höhe nach begrenzt, geht er auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe über, soweit er nicht zum Ausgleich des Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(3) Ist der Anspruch auf Ersatz eines Schadens durch ein mitwirkendes Verschulden oder eine mitwirkende Verantwortlichkeit des Geschädigten begrenzt, geht auf den Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe von dem nach Absatz 1 bei unbegrenzter Haftung übergehenden Ersatzanspruch der Anteil über, welcher dem Vomhundertsatz entspricht, für den der Schädiger ersatzpflichtig ist. Dies gilt auch, wenn der Ersatzanspruch durch Gesetz der Höhe nach begrenzt ist. Der Anspruchsübergang ist ausgeschlossen, soweit der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen dadurch hilfebedürftig im Sinne der Vorschriften des Zwölften Buches werden.
(4) Stehen der Durchsetzung der Ansprüche auf Ersatz eines Schadens tatsächliche Hindernisse entgegen, hat die Durchsetzung der Ansprüche des Geschädigten und seiner Hinterbliebenen Vorrang vor den übergegangenen Ansprüchen nach Absatz 1.
(5) Hat ein Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe auf Grund des Schadensereignisses dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen keine höheren Sozialleistungen zu erbringen als vor diesem Ereignis, geht in den Fällen des Absatzes 3 Satz 1 und 2 der Schadenersatzanspruch nur insoweit über, als der geschuldete Schadenersatz nicht zur vollen Deckung des eigenen Schadens des Geschädigten oder seiner Hinterbliebenen erforderlich ist.
(6) Ein nach Absatz 1 übergegangener Ersatzanspruch kann bei nicht vorsätzlichen Schädigungen durch eine Person, die im Zeitpunkt des Schadensereignisses mit dem Geschädigten oder seinen Hinterbliebenen in häuslicher Gemeinschaft lebt, nicht geltend gemacht werden. Ein Ersatzanspruch nach Absatz 1 kann auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Schädiger mit dem Geschädigten oder einem Hinterbliebenen nach Eintritt des Schadensereignisses die Ehe geschlossen oder eine Lebenspartnerschaft begründet hat und in häuslicher Gemeinschaft lebt. Abweichend von den Sätzen 1 und 2 kann ein Ersatzanspruch bis zur Höhe der zur Verfügung stehenden Versicherungssumme geltend gemacht werden, wenn der Schaden bei dem Betrieb eines Fahrzeugs entstanden ist, für das Versicherungsschutz nach § 1 des Gesetzes über die Pflichtversicherung für Kraftfahrzeughalter oder § 1 des Gesetzes über die Haftpflichtversicherung für ausländische Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger besteht. Der Ersatzanspruch kann in den Fällen des Satzes 3 gegen den Schädiger in voller Höhe geltend gemacht werden, wenn er den Versicherungsfall vorsätzlich verursacht hat.
(7) Haben der Geschädigte oder seine Hinterbliebenen von dem zum Schadenersatz Verpflichteten auf einen übergegangenen Anspruch mit befreiender Wirkung gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe Leistungen erhalten, haben sie insoweit dem Versicherungsträger oder Träger der Eingliederungshilfe oder der Sozialhilfe die erbrachten Leistungen zu erstatten. Haben die Leistungen gegenüber dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe keine befreiende Wirkung, haften der zum Schadenersatz Verpflichtete und der Geschädigte oder dessen Hinterbliebene dem Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe als Gesamtschuldner.
(8) Weist der Versicherungsträger oder Träger der Sozialhilfe nicht höhere Leistungen nach, sind vorbehaltlich der Absätze 2 und 3 je Schadensfall für nicht stationäre ärztliche Behandlung und Versorgung mit Arznei- und Verbandmitteln 5 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches zu ersetzen.
(9) Die Vereinbarung einer Pauschalierung der Ersatzansprüche ist zulässig.
(10) Die Bundesagentur für Arbeit und die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch gelten als Versicherungsträger im Sinne dieser Vorschrift.
(1) Steht dem Versicherungsnehmer ein Ersatzanspruch gegen einen Dritten zu, geht dieser Anspruch auf den Versicherer über, soweit der Versicherer den Schaden ersetzt. Der Übergang kann nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden.
(2) Der Versicherungsnehmer hat seinen Ersatzanspruch oder ein zur Sicherung dieses Anspruchs dienendes Recht unter Beachtung der geltenden Form- und Fristvorschriften zu wahren und bei dessen Durchsetzung durch den Versicherer soweit erforderlich mitzuwirken. Verletzt der Versicherungsnehmer diese Obliegenheit vorsätzlich, ist der Versicherer zur Leistung insoweit nicht verpflichtet, als er infolgedessen keinen Ersatz von dem Dritten erlangen kann. Im Fall einer grob fahrlässigen Verletzung der Obliegenheit ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung in einem der Schwere des Verschuldens des Versicherungsnehmers entsprechenden Verhältnis zu kürzen; die Beweislast für das Nichtvorliegen einer groben Fahrlässigkeit trägt der Versicherungsnehmer.
(3) Richtet sich der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen eine Person, mit der er bei Eintritt des Schadens in häuslicher Gemeinschaft lebt, kann der Übergang nach Absatz 1 nicht geltend gemacht werden, es sei denn, diese Person hat den Schaden vorsätzlich verursacht.
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a) das Verfahren eingestellt, soweit die Angeklagten im Fall II. 3. der Urteilsgründe wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls verurteilt worden sind; im Umfang der Einstellung fallen die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse zur Last,
b) das vorbezeichnete Urteil aa) im Schuldspruch dahin geändert, dass die Angeklagten jeweils des schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und des Diebstahls schuldig sind; bb) im Adhäsionsausspruch dahin ergänzt, dass hinsichtlich des Angeklagten S. eine Verpflichtung zum Ersatz des materiellen Schadens des Nebenklägers nur insoweit besteht , als die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Versicherer übergegangen sind, und hinsichtlich des Angeklagten O. im Übrigen von einer Entscheidung über den Adhäsionsantrag abgesehen wird; cc) hinsichtlich des Angeklagten O. im Ausspruch über die Gesamtstrafe und hinsichtlich der Angeklagten S. und H. jeweils im Strafausspruch aufgehoben; jedoch bleiben die zugehörigen Feststellungen aufrechterhalten.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten der Rechtsmittel und die dem Nebenkläger dadurch entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat die Angeklagten wegen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung, wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls sowie wegen Diebstahls schuldig gesprochen und den Angeklagten O. zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Angeklagten S. und H. jeweils zu Jugendstrafen von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es den Angeklagten O. im Adhäsionsverfahren verurteilt, als Gesamtschuldner an den als Nebenkläger zugelassenen Geschädigten im Fall II. 1. als Ersatz für dessen materielle Schäden 1.400 Euro und als Schmerzensgeld 600 Euro zu bezahlen. Bezüglich des Angeklagten S. hat es festgestellt, dass er als Gesamtschuldner verpflichtet ist, dem Nebenkläger die aus der Tat II. 1. entstandenen materiellen und immateriellen Schäden zu ersetzen. Gegen dieses Urteil wenden sich die Angeklagten mit ihren Revisionen.
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- 1. Soweit die Angeklagten im Fall II. 3. wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls verurteilt worden sind, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts gemäß § 154 Abs. 2 StPO ein und ändert dementsprechend den Schuldspruch. Dies führt beim Angeklagten O. zum Wegfall der für diese Tat festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe von neun Monaten und zur Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafe. Bei den Angeklagten S. und H. hat die Schuldspruchänderung die Aufhebung der gegen sie verhängten Jugendstrafen zur Folge, da der Senat nicht ausschließen kann, dass das Landgericht diese ohne die Verurteilung im Fall II. 3. niedriger bemessen hätte. Die Feststellungen zu den Strafaussprüchen sind indes rechtsfehlerfrei getroffen und können deshalb bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Ergänzende Feststellungen , die hierzu nicht in Widerspruch stehen, sind zulässig.
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- 2. Ferner bedarf die Adhäsionsentscheidung der Ergänzung. Soweit das Landgericht die Verpflichtung des Angeklagten S. zur Leistung von Ersatz für materielle und immaterielle Schäden sowie Schmerzensgeld dem Grunde nach festgestellt hat, ist dieser Ausspruch unter den im Hinblick auf § 116 SGB X bzw. § 86 VVG erforderlichen Vorbehalt zu stellen, dass eine Ersatzpflicht des Angeklagten nur insoweit besteht, als der Anspruch des Nebenklägers nicht auf Sozialversicherungsträger oder andere Versicherer übergegangen ist (vgl. BGH, Beschl. vom 4. August 2009 - 4 StR 171/09 - Rdn. 8). In Bezug auf den Angeklagten O. ist gemäß § 406 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Satz 3 StPO in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen, dass das Landgericht der vom Nebenkläger geltend gemachten Forderung auf Ersatz des materiellen Schadens (2.000 Euro) nicht in voller Höhe, sondern entsprechend dem Anerkenntnis des Angeklagten nur teilweise - in Höhe von 1.400 Euro - entsprochen, im Ergebnis also insoweit von einem Ausspruch über den weitergehenden Antrag abgesehen hat (BGH aaO Rdn. 9; BGHR StPO § 406 Teilentscheidung 1).