Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2011 - 3 StR 12/11

published on 05/04/2011 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Apr. 2011 - 3 StR 12/11
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 12/11
vom
5. April 2011
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 1. c) und 2. auf dessen Antrag - am
5. April 2011 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stade vom 22. Juli 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 16 Fällen und des sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Einzelstrafen in den drei Fällen des sexuellen Missbrauchs zum Nachteil der Nebenklägerin W. (jeweils Einführen einer Kerze in den Randbereich des Anus u.a.) und über die Gesamtstrafe aufgehoben; jedoch bleiben die jeweils zugehörigen Feststellungen aufrecht erhalten;
c) im Ausspruch über die Anordnung der Sicherungsverwahrung mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin W. dadurch ent- standenen notwendigen Auslagen, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Der Angeklagte hat die der Nebenklägerin K. durch sein Rechtsmittel entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen in 16 Fällen sowie sexuellen Missbrauchs von Kindern in vier Fällen, davon in drei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen , zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und gegen ihn die Sicherungsverwahrung angeordnet; von weiteren Tatvorwürfen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet, hat mit der Sachrüge den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Der Schuldspruch hält sachlichrechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Landgericht den Angeklagten in den drei Fällen des sexuellen Miss- brauchs zum Nachteil der Nebenklägerin W. (jeweils Einführen einer Kerze in den Randbereich des Anus u.a.) jeweils auch wegen tateinheitlich begangenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen (§ 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB) verurteilt hat; denn die Feststellungen belegen nicht, dass die Nebenklägerin dem Angeklagten bereits zum Zeitpunkt dieser Taten zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut war.
3
a) Ein die Anforderungen des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllendes Anvertrautsein setzt ein den persönlichen, allgemein menschlichen Bereich erfassendes Abhängigkeitsverhältnis des Jugendlichen zu dem Betreuer im Sinne einer Unter- und Überordnung voraus (BGH, Beschluss vom 21. April 1995 - 3 StR 526/94, BGHSt 41, 137, 139); entscheidend ist, ob nach den konkreten Umständen ein Verantwortungsverhältnis besteht, kraft dessen dem Täter das Recht und die Pflicht obliegen, die Lebensführung des Jugendlichen und damit dessen geistig-sittliche Entwicklung zu überwachen und zu leiten (BGH, Beschluss vom 26. Juni 2003 - 4 StR 159/03, NStZ 2003, 661).
4
b) Ein derartiges Obhutsverhältnis ist den Urteilsgründen für die Tatzeit im März 2008 nicht zu entnehmen. Danach war die Nebenklägerin zwar sehr oft bei der Zeugin K. und dem Angeklagten zu Besuch; dieser kümmerte sich um sie, machte die Wäsche und half ihr bei den Hausarbeiten. Allein diese Umstände genügen jedoch auch bei Berücksichtigung des Alters der Nebenklägerin nicht zur Begründung eines dem Schutzzweck des § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechenden Abhängigkeitsverhältnisses. Ein solches entstand vielmehr erst nach Pfingsten 2008, als die Nebenklägerin ganz bei der Zeugin K. und dem Angeklagten lebte und dieser sich nunmehr auch um ihre Erziehung kümmerte , mithin den der Norm unterfallenden Pflichtenkreis tatsächlich übernahm (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Januar 1967 - 1 StR 595/65, BGHSt 21, 196, 201 f.; Urteil vom 5. November 1985 - 1 StR 491/85, BGHSt 33, 340, 344 f.).
5
c) Der Senat schließt aus, dass in einer neuen Hauptverhandlung Feststellungen getroffen werden könnten, die bereits für März 2008 ein Obhutsverhältnis in dem dargelegten Sinne belegen; er ändert deshalb in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den Schuldspruch selbst ab. § 265 StPO steht nicht entgegen; denn der Angeklagte hätte sich gegen den alleinigen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern nicht wirksamer als geschehen verteidigen können.
6
2. Der Wegfall des vom Landgericht angenommenen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in den genannten Fällen führt zur Aufhebung der jeweiligen Einzelfreiheitsstrafen; denn das Landgericht hat ausdrücklich die tateinheitliche Verwirklichung dieses Delikts strafschärfend berücksichtigt. Aufgrund des Wegfalls der drei Einzelfreiheitsstrafen kann auch die Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben. Die zugehörigen Strafzumessungstatsachen werden allerdings durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt; sie können deshalb bestehen bleiben. Ergänzende Feststellungen durch das neue Tatgericht, die den bisherigen nicht widersprechen, sind zulässig.
7
3. Die auf § 66 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 StGB aF gestützte Anordnung der Sicherungsverwahrung begegnet ebenfalls durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift hierzu u.a. ausgeführt : "Zur Begründung des Hangs hat die Kammer eine Gesamtwürdigung der Persönlichkeit des Angeklagten und der Taten vorgenommen (UA S. 52 ff.). Die starke Neigung zu pädosexuellen Handlungen begründet die Strafkammer dabei auch mit dem Einlassungsverhalten des Angeklagten: Die Betonung der eigenen Anteile des Opfers und des Guten, das er auch getan habe, sowie die Uneinsichtigkeit des Angeklagten seien Merkmale, die das eingeschliffene Verhaltensmuster kennzeichnen (UA S. 55 f.). Bei der Begründung der Gefährlichkeit lastet das Tatgericht - dem Sachverständigen folgend - dem Angeklagten seine fehlende Verantwortungsübernahme und dessen verformte Realitätswahrnehmung an, weil er stets die Nebenklägerin W. als die eigentliche Täterin dargestellt und sämtliche Schuld bei ihr gesehen habe (UA S. 56). Bei der Annahme, dass sich der Angeklagte in Zukunft weiterer erheblicher Taten nicht enthalten kann, hat die Strafkammer zur Begründung auf das unbelehrbare Verhalten des Angeklagten, seine Projektion seiner Schuld auf andere sowie den Mangel an Einsicht abgestellt (UA S. 58). Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des - hier jedenfalls nicht voll geständigen - Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 4). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf nicht hangbegründend verwertet werden (BGH NStZ 2001, 595, 596; 2010, 270, 271; …). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8, 9, 10). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10). Diese Grenze zu einer verbotenen oder auch nur die Belange der Geschädigten grob missachtenden Verteidigungsstrategie ist hier jedoch noch nicht überschritten."
8
Dem stimmt der Senat zu.
9
4. Sollte das neue Tatgericht die formellen und materiellen Voraussetzungen für die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 66 Abs. 2, Abs. 3 Satz 2 StGB aF gegen den 68 Jahre alten Angeklagten auch ohne Berücksichtigung von dessen zulässigem Verteidigungsverhalten erneut bejahen, weist der Senat zur pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens auf Folgendes hin:
10
Nach der Vorstellung des Gesetzgebers soll das Tatgericht die Möglichkeit haben, sich ungeachtet der festgestellten Gefährlichkeit des Täters zum Zeitpunkt der Urteilsfällung auf die Verhängung einer Freiheitsstrafe zu beschränken , sofern erwartet werden kann, dass sich dieser die Strafe hinreichend zur Warnung dienen lässt. Damit wird dem Ausnahmecharakter der Vorschrift Rechnung getragen, der sich daraus ergibt, dass § 66 Abs. 2 StGB - im Gegensatz zu Abs. 1 - eine frühere Verurteilung und eine frühere Strafverbüßung des Täters nicht voraussetzt. Die Wirkungen eines langjährigen Strafvollzugs sowie die mit dem Fortschreiten des Lebensalters erfahrungsgemäß eintretenden Haltungsänderungen sind deshalb wichtige Kriterien, die nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen dieser Ermessensentscheidung grundsätzlich zu berücksichtigen sind (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 4. August 2009 - 1 StR 300/09, NStZ 2010, 270, 271 f. mwN). Dies gilt entsprechend auch für § 66 Abs. 3 Satz 2 StGB.
Becker Pfister von Lienen
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel
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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen läßt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen

1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder
2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
Ebenso wird bestraft, wer unter den Voraussetzungen des Satzes 1 den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen an oder vor einer dritten Person vornimmt oder von einer dritten Person an sich vornehmen lässt.

(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2

1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder
2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(4) Der Versuch ist strafbar.

(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Das Gericht ordnet neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn

1.
jemand zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren wegen einer vorsätzlichen Straftat verurteilt wird, die
a)
sich gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die persönliche Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung richtet,
b)
unter den Ersten, Siebenten, Zwanzigsten oder Achtundzwanzigsten Abschnitt des Besonderen Teils oder unter das Völkerstrafgesetzbuch oder das Betäubungsmittelgesetz fällt und im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mindestens zehn Jahren bedroht ist oder
c)
den Tatbestand des § 145a erfüllt, soweit die Führungsaufsicht auf Grund einer Straftat der in den Buchstaben a oder b genannten Art eingetreten ist, oder den Tatbestand des § 323a, soweit die im Rausch begangene rechtswidrige Tat eine solche der in den Buchstaben a oder b genannten Art ist,
2.
der Täter wegen Straftaten der in Nummer 1 genannten Art, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon zweimal jeweils zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist,
3.
er wegen einer oder mehrerer dieser Taten vor der neuen Tat für die Zeit von mindestens zwei Jahren Freiheitsstrafe verbüßt oder sich im Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung befunden hat und
4.
die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.
Für die Einordnung als Straftat im Sinne von Satz 1 Nummer 1 Buchstabe b gilt § 12 Absatz 3 entsprechend, für die Beendigung der in Satz 1 Nummer 1 Buchstabe c genannten Führungsaufsicht § 68b Absatz 1 Satz 4.

(2) Hat jemand drei Straftaten der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 genannten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verwirkt hat, und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzung neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen.

(3) Wird jemand wegen eines die Voraussetzungen nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a oder b erfüllenden Verbrechens oder wegen einer Straftat nach § 89a Absatz 1 bis 3, § 89c Absatz 1 bis 3, § 129a Absatz 5 Satz 1 erste Alternative, auch in Verbindung mit § 129b Absatz 1, den §§ 174 bis 174c, 176a, 176b, 177 Absatz 2 Nummer 1, Absatz 3 und 6, §§ 180, 182, 224, 225 Abs. 1 oder 2 oder wegen einer vorsätzlichen Straftat nach § 323a, soweit die im Rausch begangene Tat eine der vorgenannten rechtswidrigen Taten ist, zu Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt, so kann das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung anordnen, wenn der Täter wegen einer oder mehrerer solcher Straftaten, die er vor der neuen Tat begangen hat, schon einmal zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist und die in Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 und 4 genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Hat jemand zwei Straftaten der in Satz 1 bezeichneten Art begangen, durch die er jeweils Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verwirkt hat und wird er wegen einer oder mehrerer dieser Taten zu Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt, so kann das Gericht unter den in Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 bezeichneten Voraussetzungen neben der Strafe die Sicherungsverwahrung auch ohne frühere Verurteilung oder Freiheitsentziehung (Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 und 3) anordnen. Die Absätze 1 und 2 bleiben unberührt.

(4) Im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 2 gilt eine Verurteilung zu Gesamtstrafe als eine einzige Verurteilung. Ist Untersuchungshaft oder eine andere Freiheitsentziehung auf Freiheitsstrafe angerechnet, so gilt sie als verbüßte Strafe im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 3. Eine frühere Tat bleibt außer Betracht, wenn zwischen ihr und der folgenden Tat mehr als fünf Jahre verstrichen sind; bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beträgt die Frist fünfzehn Jahre. In die Frist wird die Zeit nicht eingerechnet, in welcher der Täter auf behördliche Anordnung in einer Anstalt verwahrt worden ist. Eine Tat, die außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieses Gesetzes abgeurteilt worden ist, steht einer innerhalb dieses Bereichs abgeurteilten Tat gleich, wenn sie nach deutschem Strafrecht eine Straftat der in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1, in den Fällen des Absatzes 3 der in Absatz 3 Satz 1 bezeichneten Art wäre.