Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Feb. 2010 - 3 StR 11/10
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
a) im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe mit den Feststellungen zur Beschaffenheit der bei der Tat verwendeten Schreckschusswaffe ; im Übrigen bleiben die Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen aufrechterhalten,
b) im Maßregelausspruch mit den zugehörigen Feststellungen. 2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 3. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:
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- Das Landgericht hat die Angeklagte wegen gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Bedrohung sowie wegen versuchter "schwerer räuberischer Erpressung" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt und ihre Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Angeklagten, mit der sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts beanstandet. Das Rechts- mittel hat auf die Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
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- 1. Die Verurteilung im Fall II. 2. b) der Urteilsgründe wegen versuchter - richtigerweise: "besonders" - schwerer räuberischer Erpressung gemäß § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand (vgl. zur Tenorierung BGH NStZ-RR 2009, 377).
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- Das Landgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, nähere Feststellungen zur Beschaffenheit der von der Angeklagten bei Bedrohung des Erpressungsopfers eingesetzten geladenen Schreckschusswaffe zu treffen. Die Voraussetzungen des Qualifikationstatbestands des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB sind deshalb nicht belegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterfällt eine geladene Schreckschusspistole nur dann dem Waffenbegriff des § 250 StGB, wenn feststeht, dass beim Abfeuern der Waffe der Explosionsdruck nach vorne aus dem Lauf austritt und deshalb die Waffe nach ihrer Beschaffenheit geeignet ist, erhebliche Verletzungen hervorzurufen (BGHSt 48, 197, 201 f.; BGH NStZ-RR 2004, 169). Dies ergeben die Urteilsgründe nicht.
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- Dieser Rechtsfehler wirkt sich auf den Schuldspruch aus, da infolge der lückenhaften Feststellungen zur Tatwaffe nicht erkennbar ist, ob die Angeklagte lediglich den Qualifikationstatbestand des § 250 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b StGB verwirklicht, mithin eine (versuchte) schwere räuberische Erpressung begangen hat, oder eine (versuchte) besonders schwere räuberische Erpressung im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Das Urteil ist deshalb, soweit es den Fall II. 2 b) betrifft, aufzuheben. Von der Aufhebung werden jedoch lediglich die Feststellungen zur Beschaffenheit der Tatwaffe erfasst; hingegen können im Übrigen die Feststellungen zum objektiven und subjektiven Tatgeschehen bestehen bleiben, da sie von dem Rechtsfehler nicht betroffen sind.
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- 2. Darüber hinaus begegnet der Maßregelausspruch durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Der Generalbundesanwalt hat hierzu Folgendes ausgeführt : "Keinen Bestand kann ... die Anordnung der Unterbringung der Angeklagten in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 StGB haben. Diese setzt voraus, dass der Ausschluss oder die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit auf einem länger dauernden psychischen Defekt des Täters beruht. Hat letztlich, wie vorliegend, der Genuss von Alkohol die Schuldfähigkeit bei der Begehung der Tat erheblich vermindert , so ist für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus grundsätzlich nur Raum, wenn der Täter an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist (st. Rspr. BGHSt 34, 313 ff.; 44, 369, 373; BGH NStZ-RR 2007, 138). Diese Voraussetzungen hat das Landgericht jedoch nicht festgestellt ; vielmehr ist der gehörte psychiatrische Sachverständige lediglich zur Diagnose einer polyvalenten Abhängigkeit mit den Hauptdrogen Alkohol, Kokain, Heroin, Cannabinoiden gelangt (UA S. 12, 13). Allerdings kann auch bei einer fehlenden krankhaften Sucht die Anordnung einer Maßregel nach § 63 StGB getroffen werden, wenn infolge einer dauerhaften und behandlungsbedürftigen psychischen Störung eine verhältnismäßig geringe Alkoholmenge zur Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit führt oder wenn im Zusammenwirken der psychischen Störung und einer aktuellen Alkoholisierung als Auslöser des nach § 21 StGB relevanten Zustandes schon geringfügige, alltäg- liche Ereignisse in Betracht kommen (BGHSt 44, 369, 374 ff.; Fischer StGB 57. Auflage § 63 Rdn. 9a m.w.N.). Auch diese Voraussetzungen ergeben sich jedoch nicht aus den Urteilsgründen. Vielmehr hat die Strafkammer, dem Sachverständigen folgend, lediglich festgestellt, 'dass die Angeklagte aufgrund der Intelligenzminderung und der besonders ausgeprägten emotionalen und sozialen Unreife in erheblicher Weise irritierbar sei, so dass sie unter ungünstigen Rahmenbedingungen die Verhaltenssteuerung im Rahmen der bestehenden Gesetze und Normen kaum noch aufrechterhalten kann (UA S. 14, 15)', wobei aufgrund der bei beiden Taten vorhandenen zusätzlichen mittelgradigen Alkoholisierung die Steuerungsfähigkeit nur noch eingeschränkt vorhanden gewesen sei (UA S. 15). Dies genügt, wie dargelegt, für die Anordnung der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nicht. Feststellungen, die eine Anordnung nach § 63 StGB rechtfertigen, erscheinen in einer neuen Hauptverhandlung vorliegend nicht ausgeschlossen."
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- Dem schließt sich der Senat an. Becker von Lienen Sost-Scheible Hubert Mayer
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Auf Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren ist zu erkennen, wenn
- 1.
der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub - a)
eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, - b)
sonst ein Werkzeug oder Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer anderen Person durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu verhindern oder zu überwinden, - c)
eine andere Person durch die Tat in die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder
- 2.
der Täter den Raub als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden hat, unter Mitwirkung eines anderen Bandenmitglieds begeht.
(2) Auf Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter am Raub
- 1.
bei der Tat eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug verwendet, - 2.
in den Fällen des Absatzes 1 Nr. 2 eine Waffe bei sich führt oder - 3.
eine andere Person - a)
bei der Tat körperlich schwer mißhandelt oder - b)
durch die Tat in die Gefahr des Todes bringt.
(3) In minder schweren Fällen der Absätze 1 und 2 ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.
Ist die Fähigkeit des Täters, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, aus einem der in § 20 bezeichneten Gründe bei Begehung der Tat erheblich vermindert, so kann die Strafe nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.
Hat jemand eine rechtswidrige Tat im Zustand der Schuldunfähigkeit (§ 20) oder der verminderten Schuldfähigkeit (§ 21) begangen, so ordnet das Gericht die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus an, wenn die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Tat ergibt, daß von ihm infolge seines Zustandes erhebliche rechtswidrige Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich erheblich geschädigt oder erheblich gefährdet werden oder schwerer wirtschaftlicher Schaden angerichtet wird, zu erwarten sind und er deshalb für die Allgemeinheit gefährlich ist. Handelt es sich bei der begangenen rechtswidrigen Tat nicht um eine im Sinne von Satz 1 erhebliche Tat, so trifft das Gericht eine solche Anordnung nur, wenn besondere Umstände die Erwartung rechtfertigen, dass der Täter infolge seines Zustandes derartige erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird.