Bundesgerichtshof Beschluss, 26. Jan. 2000 - 2 StR 612/99


Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in acht Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit sexuellem Mißbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und zehn Monaten verurteilt. Dagegen richtet sich seine Revision; er rügt die Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts.1. Das Rechtsmittel führt zunächst zu einer Beschränkung des Schuldspruchs auf den Vorwurf des sexuellen Kindesmißbrauchs in den Fällen 1 und 3 der Urteilsgründe, da Verfolgungsverjährung eingetreten ist, soweit dem Angeklagten in diesen Fällen auch tateinheitlich begangener Mißbrauch von Schutzbefohlenen zur Last liegt; dies hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift zutreffend dargelegt. Bei der hiernach vorzunehmenden Ä nderung des Schuldspruchs hat der Senat den im Tenor des angefochtenen Urteils enthaltenen Zusatz "in einem Fall mit schwerem sexuellem Mißbrauch von Kindern" nicht übernommen; da es sich bei § 176 Abs. 3 Nr. 1 a.F. StGB nicht um einen Qualifizierungstatbestand , sondern nur um einen Regelfall des besonders schweren Falls handelt, gehört dieser Zusatz nicht in den Urteilstenor (BGHSt 27, 287, 289; Kleinknecht /Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 260 Rdn. 25). 2. Der Schuldspruch hält in seiner geänderten Form der rechtlichen Prüfung stand.
a) Die Verfahrensrüge dringt nicht durch. Zwar hätte die Zeugin Heidi P. über ihr Zeugnisverweigerungsrecht als Stieftochter des Angeklagten (§ 52 Abs. 1 Nr. 3 StPO) in der Hauptverhandlung belehrt werden müssen (§ 52 Abs. 3 Satz 1 StPO). Da die Zeugin jedoch erklärt hatte, ungeachtet eines etwaigen Zeugnisverweigerungsrechtes auf jeden Fall aussagen zu wollen (Dienstliche Erklärung des Vorsitzenden), ist auszuschließen, daß sie im Falle der Belehrung das Zeugnis verweigert hätte, weshalb das Urteil nicht auf dem Verfahrensfehler beruht.
b) Sachlichrechtliche Fehler weist der geänderte Schuldspruch nicht auf.
3. Der Strafausspruch kann jedoch nicht bestehen bleiben. Das Landgericht hat zu Lasten des Angeklagten ins Gewicht fallen lassen, daß er "das Näheverhältnis zu seiner Stieftochter und ihre Abhängigkeit zum Erreichen seiner sexuellen Ziele schamlos ausgenutzt" habe. Damit sind - abgesehen von dem im Zusammenhang mit Sexualdelikten kaum aussagekräftigen Wort "schamlos" - nur Umstände angeführt, die bereits zum Tatbestand des sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen gehören und deshalb bei der Strafzumessung nicht berücksichtigt werden dürfen (§ 46 Abs. 3 StGB). Da das Landgericht den Angeklagten in allen acht Fällen wegen dieses Delikts verurteilt hat, sind auch alle Fälle von diesem Rechtsfehler betroffen. Der Strafausspruch war daher insgesamt aufzuheben. Jähnke Theune Niemöller Otten Rothfuß

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Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Zur Verweigerung des Zeugnisses sind berechtigt
- 1.
der Verlobte des Beschuldigten; - 2.
der Ehegatte des Beschuldigten, auch wenn die Ehe nicht mehr besteht; - 2a.
der Lebenspartner des Beschuldigten, auch wenn die Lebenspartnerschaft nicht mehr besteht; - 3.
wer mit dem Beschuldigten in gerader Linie verwandt oder verschwägert, in der Seitenlinie bis zum dritten Grad verwandt oder bis zum zweiten Grad verschwägert ist oder war.
(2) Haben Minderjährige wegen mangelnder Verstandesreife oder haben Minderjährige oder Betreute wegen einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung von der Bedeutung des Zeugnisverweigerungsrechts keine genügende Vorstellung, so dürfen sie nur vernommen werden, wenn sie zur Aussage bereit sind und auch ihr gesetzlicher Vertreter der Vernehmung zustimmt. Ist der gesetzliche Vertreter selbst Beschuldigter, so kann er über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts nicht entscheiden; das gleiche gilt für den nicht beschuldigten Elternteil, wenn die gesetzliche Vertretung beiden Eltern zusteht.
(3) Die zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigten Personen, in den Fällen des Absatzes 2 auch deren zur Entscheidung über die Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts befugte Vertreter, sind vor jeder Vernehmung über ihr Recht zu belehren. Sie können den Verzicht auf dieses Recht auch während der Vernehmung widerrufen.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.