Bundesgerichtshof Beschluss, 16. Jan. 2019 - 2 StR 488/18
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers - zu Ziff. 3. auf Antrag des Generalbundesanwalts - am 16. Januar 2019 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig
beschlossen:
a) im Strafausspruch zu Fall II.2 und II.3 der Urteilsgründe und im Gesamtstrafenausspruch sowie
b) im Ausspruch über die erweiterte Einziehung des Wertes von Taterträgen, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen, aufgehoben. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. 2. Die weiter gehende Revision wird verworfen.
Gründe:
- 1
- Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen und Handeltreibens mit Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, einen Geldbetrag von 10.000 Euro eingezogen und die erweiterte Einziehung von Taterträgen in Höhe von 26.550,95 Euro angeordnet. Die auf die Verletzung sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
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- 1. Die Überprüfung des Schuldspruchs, des Strafausspruchs zu Fall II.1 der Urteilsgründe sowie der Einziehung eines Geldbetrags von 10.000 Euro hat durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten nicht ergeben.
- 3
- 2. Hingegen halten der Strafausspruch zu Fall II.2 und II.3 der Urteilsgründe sowie die Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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- a) Im Fall II.2 der Urteilsgründe hat das Landgericht einen minder schweren Fall gemäß § 29a Abs. 2 BtMG abgelehnt und die Freiheitsstrafe von einem Jahr und zwei Monaten dem Regelstrafrahmen des § 29a Abs. 1 StGB entnommen. Dies erweist sich als rechtsfehlerhaft.
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- Die Strafkammer hat zwar die erforderliche „Gesamtwürdigung allererkennbaren mildernden und schärfenden Umstände“ vorgenommen, hat dabei aber strafschärfend die Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge der zum Weiterverkauf vorgesehenen Drogen berücksichtigt. Dies steht mit der Rechtsprechung des Senats nicht im Einklang, wonach die Überschreitung der Grenze zur nicht geringen Menge bei der Prüfung eines minder schweren Fal- les zwar grundsätzlich von Bedeutung ist, aber nicht jede über dem Grenzwert liegende Wirkstoffmenge als strafschärfender Umstand gegen die Annahme eines minder schweren Falles spricht. Je geringer die Überschreitung des Grenzwerts ist, desto näher liegt die Annahme eines minder schweren Falles. Eine nur geringe Grenzwertüberschreitung wird deshalb ein Kriterium für die Annahme eines minder schweren Falles sein, während eine ganz erhebliche Überschreitung gegen die Annahme eines solchen spricht (BGHSt 62, 90, 93).
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- Die im Fall II.2 der Urteilsgründe gehandelten Betäubungsmittel wiesen einen Mindestwirkstoffgehalt von 62,14 Gramm MDMA-Base bzw. 9 Gramm Delta-9-THC auf und stellten bei Zusammenrechnung etwas mehr als das dreifache der nicht geringen Menge und damit – was das Landgericht auch erkannt hat – eine „nicht ganz erhebliche“ Überschreitung des Grenzwerts dar. Dies spricht (eher) für die Annahme eines minder schweren Falles, stellt aber jedenfalls entgegen der Ansicht des Landgerichts keinen Strafschärfungsgrund dar.
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- Angesichts des Umstands, dass das Landgericht weitere strafschärfende Umstände nicht festgestellt und im Übrigen eine Reihe von Strafmilderungsgründen bei seiner Gesamtwürdigung berücksichtigt hat, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die beanstandete Erwägung zur Annahme eines minder schweren Falles gelangt wäre.
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- b) Weder bei der Strafrahmenwahl noch bei der konkreten Strafbemessung im Fall II.3 der Urteilsgründe hat das Landgericht die polizeiliche Überwachung des Betäubungsmittelgeschäfts, die schließlich auch zur Sicherstellung der Betäubungsmittel führte, zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt. Der Umstand polizeilicher Überwachung eines Betäubungsmittelgeschäfts mit der Folge, dass eine tatsächliche Gefahr der Übernahme durch den Abnehmer und eines tatsächlichen In-Verkehr-Gelangens nicht besteht, ist aber ein bestim- mender Strafzumessungsgrund zugunsten des Angeklagten, dem neben der Sicherstellung der Drogen als solcher eigenes Gewicht zukommt (st. Rspr.; zuletzt Senat, Beschluss vom 24. Januar 2017 – 2 StR 477/16). Da die Strafkammer somit einen strafmildernden Gesichtspunkt nicht erörtert hat, ist die Strafzumessung in einem wesentlichen Punkt lückenhaft. Es ist nicht auszuschließen , dass die Strafkammer ohne diesen Rechtsfehler auf eine mildere Strafe erkannt hätte.
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- Da es sich bei den aufgezeigten Rechtsfehlern in der Strafzumessung um bloße Wertungsfehler handelt, bedarf es insoweit der Aufhebung von Feststellungen nicht. Der Tatrichter ist jedoch nicht gehindert, neue Feststellungen zu treffen, die den bisherigen nicht widersprechen.
- 10
- c) Die Aufhebung der Einzelstrafen zieht die Aufhebung der Gesamtstrafe nach sich.
- 11
- d) Auch die Anordnung der erweiterten Einziehung von Taterträgen nach § 73a Abs. 1 StGB erweist sich als rechtsfehlerhaft. Zwar hat sich das Landgericht mit Blick auf die in einem Telefonat gegenüber dem gesondert verfolgten R. angesprochenen Einzahlungen auf sein Konto rechtsfehlerfrei die Überzeugung verschafft, dass sich der Angeklagte größere Geldbeträge aus anderen rechtswidrigen als den abgeurteilten Taten verschafft hat (UA S. 9).
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- Es hat aber für den Senat nicht nachvollziehbar dargelegt, in welcher Höhe der Angeklagte illegale Gelder vereinnahmt hat. Soweit die Strafkammer dabei auf eine beim Angeklagten aufgefundene „Gewinnberechnung“ abgestellt hat, erweist sich die Erwägung, es handele sich bei den neun Abkürzungen in Spalte 1 sämtlich um verschiedene Betäubungsmittelsorten, die im Zusammenhang mit den Angaben in den weiteren Spalten (zu Menge und Preis der Betäubungsmittel ) den jeweiligen Gesamtpreis ergeben, als bloße Spekulation und mangels weiterer sie stützender Umstände als nicht tragfähig. Dagegen spricht nicht nur, dass sich etwa für die Kürzel „CV“, „ST“ oder den Begriff „Karten“ kei- ne dazu passende Zuordnung zu einem Betäubungsmittel findet. Es ist auch nicht besonders lebensnah, dass – wie die Zahlen zu den angeblichen Mengenangaben es ausweisen sollen – mit Betäubungsmitteln gerade in einer vom Verkäufer festgestellten Menge von 396,75 oder 896,86 Gramm Handel getrieben wird und dafür dann insgesamt ein ungerader Betrag von 26.550,95 Euro vereinnahmt worden ist. Die Sache bedarf deshalb auch insoweit neuer Verhandlung und Entscheidung.
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer
- 1.
als Person über 21 Jahre Betäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder - 2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.
(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.
(1) Ist eine rechtswidrige Tat begangen worden, so ordnet das Gericht die Einziehung von Gegenständen des Täters oder Teilnehmers auch dann an, wenn diese Gegenstände durch andere rechtswidrige Taten oder für sie erlangt worden sind.
(2) Hat sich der Täter oder Teilnehmer vor der Anordnung der Einziehung nach Absatz 1 an einer anderen rechtswidrigen Tat beteiligt und ist erneut über die Einziehung seiner Gegenstände zu entscheiden, berücksichtigt das Gericht hierbei die bereits ergangene Anordnung.