Bundesgerichtshof Beschluss, 06. Dez. 2000 - 2 StR 471/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls in vier Fällen, versuchten Diebstahls und Bedrohung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt, ihn im übrigen freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hiergegen eingelegte Revision führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtstrafe; im übrigen ist sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. 1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig. Die Nachprüfung des Urteils auf Grund der allgemein erhobenen Sachrüge hat hin-sichtlich des Schuldspruchs, der Einzelstrafen sowie der verhängten Maßregel keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 2. Jedoch kann der Gesamtstrafenausspruch nicht bestehen bleiben.
a) Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der Angeklagte zwischen dem 28. April 1992 und dem 27. September 1995 insgesamt neunmal rechtskräftig verurteilt worden. Nachträgliche Gesamtstrafenbeschlüsse sind am 22. November 1995 (Strafen aus der 1. und der 2. Vorverurteilung) und am 9. Oktober 1998 (Strafen aus der 4., 5., 7., 8. und 9. Vorverurteilung) ergangen. Die Tatzeiten der in den Vorverurteilungen jeweils abgeurteilten Taten sind im angefochtenen Urteil nur hinsichtlich der 3. Vorverurteilung (zwei Taten vor dem 1., eine Tat zwischen dem 1. und dem 2., zwei Taten zwischen dem 2. und dem 3. Urteil) und der 4. Vorverurteilung (eine Tat zwischen dem 2. und dem 3., eine Tat zwischen dem 3. und dem 4. Urteil) angegeben. Die jetzt abgeurteilten Taten 1 und 2 liegen zeitlich zwischen der 2. und 3., die Tat 3 zwischen der 7. und 8., die Taten 9, 12 und 13 nach der 9. Vorverurteilung und dem ersten Gesamtstrafenbeschluß. Aus den Urteilsgründen ergibt sich nicht, ob und gegebenenfalls welche Vorverurteilungen bereits vollstreckt oder sonst erledigt sind; die Frage der nachträglichen Gesamtstrafenbildung ist nicht angesprochen. Die zutreffende Anwendung von § 55 StGB kann auf dieser Grundlage nicht abschließend geprüft werden. Möglicherweise hätten hier, unter Auflösung früherer Gesamtstrafen und unter Beachtung der Zäsurwirkung von Vorverurteilungen , mehrere neue Gesamtstrafen gebildet werden müssen; war eine Einbeziehung einzelner Strafen wegen zwischenzeitlicher vollständiger Erledigung nicht mehr möglich, so war insoweit ein Härteausgleich zu gewähren. Entgegen der Ansicht des Generalbundesanwalts kann der Senat nicht aus-
schließen, daß sich die - jedenfalls fehlerhafte - Beurteilung des Landgerichts zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt hat. Über die Bildung der Gesamtstrafe ist daher insgesamt neu zu entscheiden.
b) Einen Einfluß des Rechtsfehlers auf die Bemessung der Einzelstrafen kann der Senat ausschließen. Auch die rechtsfehlerfreie Anordnung der Maßregel ist von der Aufhebung nicht berührt. 3. Für den Antrag des Angeklagten vom 1. Oktober 2000, ihm für die Revisionsinstanz Rechtsanwalt S. aus Erfurt als Pflichtverteidiger beizuordnen, ist der Vorsitzende des Gerichts zuständig, dessen Urteil angefochten wird (BGHR StPO § 141 Bestellung 3; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO 44. Aufl. § 141 Rdn. 6 m.w.N.). Eines Zuwartens mit der Entscheidung des Senats über die Revision bedurfte es hier nicht. Ein Nachschieben von Verfahrensrügen wäre wegen des Ablaufs der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO unzulässig; auf die Sachrüge hat der Senat das Urteil umfassend geprüft. Bode Otten Rothfuß Fischer Elf
moreResultsText
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die §§ 53 und 54 sind auch anzuwenden, wenn ein rechtskräftig Verurteilter, bevor die gegen ihn erkannte Strafe vollstreckt, verjährt oder erlassen ist, wegen einer anderen Straftat verurteilt wird, die er vor der früheren Verurteilung begangen hat. Als frühere Verurteilung gilt das Urteil in dem früheren Verfahren, in dem die zugrundeliegenden tatsächlichen Feststellungen letztmals geprüft werden konnten.
(2) Nebenstrafen, Nebenfolgen und Maßnahmen (§ 11 Abs. 1 Nr. 8), auf die in der früheren Entscheidung erkannt war, sind aufrechtzuerhalten, soweit sie nicht durch die neue Entscheidung gegenstandslos werden.
(1) In den Fällen der notwendigen Verteidigung wird dem Beschuldigten, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist und der noch keinen Verteidiger hat, unverzüglich ein Pflichtverteidiger bestellt, wenn der Beschuldigte dies nach Belehrung ausdrücklich beantragt. Über den Antrag ist spätestens vor einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm zu entscheiden.
(2) Unabhängig von einem Antrag wird dem Beschuldigten, der noch keinen Verteidiger hat, in den Fällen der notwendigen Verteidigung ein Pflichtverteidiger bestellt, sobald
- 1.
er einem Gericht zur Entscheidung über Haft oder einstweilige Unterbringung vorgeführt werden soll; - 2.
bekannt wird, dass der Beschuldigte, dem der Tatvorwurf eröffnet worden ist, sich auf Grund richterlicher Anordnung oder mit richterlicher Genehmigung in einer Anstalt befindet; - 3.
im Vorverfahren ersichtlich ist, dass sich der Beschuldigte, insbesondere bei einer Vernehmung des Beschuldigten oder einer Gegenüberstellung mit ihm, nicht selbst verteidigen kann, oder - 4.
er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist; ergibt sich erst später, dass die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig ist, so wird er sofort bestellt.
(1) Die Revisionsanträge und ihre Begründung sind spätestens binnen eines Monats nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen. Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat. War bei Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels das Urteil noch nicht zugestellt, so beginnt die Frist mit der Zustellung des Urteils und in den Fällen des Satzes 2 der Mitteilung des Zeitpunktes, zu dem es zu den Akten gebracht ist.
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen.