Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2011 - 2 StR 30/11

bei uns veröffentlicht am16.03.2011

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 30/11
vom
16. März 2011
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
und des Beschwerdeführers am 16. März 2011 gemäß §§ 44, 46,
349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Dem Angeklagten wird auf seinen Antrag und seine Kosten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Revision gewährt; der Beschluss des Landgerichts Gießen vom 7. Dezember 2010 ist damit gegenstandslos. 2. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27. August 2010 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in sechs Fällen sowie des unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 41 Fällen, wobei er in einem Fall "eine Schusswaffe und sonstige Gegenstände mit sich führte, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind", schuldig ge- sprochen und ihn unter Einbeziehung eines früheren "Urteils" zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und vier Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete und auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten hat Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO).
2
1. Dem Angeklagten ist aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts gegen die Versäumung der Frist zur Begründung seiner Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Damit ist der Beschluss des Landgerichts vom 7. Dezember 2010, mit dem die Revision des Angeklagten als unzulässig verworfen worden ist, gegenstandslos.
3
2. Nach den Feststellungen erwarb der Angeklagte in sechs Fällen monatlich 100 Gramm Haschisch (Fälle II. 1-6), in weiteren sechs Fällen monatlich 200 Gramm Haschisch (Fälle II. 7-12) sowie in 35 Fällen wöchentlich 200 Gramm Haschisch, 50 Gramm Amphetamin und 20 Gramm Kokain (Fälle II. 13-47), wobei ein Wirkstoffgehalt von 6,8 Gramm THC pro 100 Gramm Haschisch und von 7,9 Gramm Cocainhydrochlorid pro 20 Gramm Kokain zugrunde gelegt wurde. In einem Fall (II. 47) führte der Angeklagte Waffen und vergleichbare Gegenstände mit sich. Weiter stellte das Landgericht fest, dass der Erwerb der Betäubungsmittel in allen Fällen dem Eigenkonsum sowie dem gewinnbringenden Weiterverkauf an mehrere Abnehmer diente (UA 7).
4
3. Auf der Grundlage dieser Feststellungen haben die Schuldsprüche keinen Bestand. Erfolgt wie vorliegend der Erwerb der Betäubungsmittel mit unterschiedlicher Zweckbestimmung, richtet sich seine rechtliche Einordnung nach den jeweiligen Einzelmengen (BGH StV 2002, 255; vgl. BGH StV 2010, 131; StraFo 2004, 252). Im Hinblick auf die zum Eigenkonsum erworbene Menge liegt demnach ein unerlaubter Erwerb von Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) bzw. unerlaubter Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG) vor. Tateinheitlich hierzu steht, bezogen auf die jeweilige Handelsmenge, ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) bzw. ein unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG). Dies hat die Kammer bei ihrer rechtlichen Würdigung übersehen.
5
Eine Änderung der Schuldsprüche durch den Senat kommt nicht in Betracht. Die von der Kammer getroffenen Feststellungen lassen eine zweifelsfreie rechtliche Würdigung nicht zu, da sie im Hinblick auf die Menge der zum Zwecke des Eigenkonsums und des Weiterverkaufs erworbenen Betäubungsmittelmengen widersprüchlich sind und an einem durchgreifenden Darstellungsmangel leiden.
6
Ausgehend von der Feststellung, dass der Angeklagte in den Jahren 2006 bis 2008 in der Regel etwa 2 bis 5 Gramm Haschisch und etwa 1 Gramm Kokain pro Tag sowie gelegentlich Amphetamin konsumierte (UA 3), schätzt die Strafkammer den Eigenkonsum des Angeklagten im Tatzeitraum auf 3 kg Haschisch , 250 Gramm Amphetamin und 300 Gramm Kokain (UA 13), was einem täglichen Konsum von ca. 4,5 Gramm Haschisch, 1 Gramm Kokain und 0,84 Gramm Amphetamin entspricht. Der monatliche Konsum von Haschisch beträgt demzufolge 135 Gramm, was sich jedoch mit den Feststellungen der Kammer, der Angeklagte habe in den Fällen II. 1-6 monatlich 100 Gramm "zum Eigenkonsum sowie zum gewinnbringenden Weiterverkauf" erworben, nicht in Einklang bringen lässt. Auch unter Berücksichtigung des Zusammenhangs der Urteilsgründe lässt sich dieser Widerspruch nicht auflösen. Nach der Beweiswürdigung beruhen die Feststellungen zur Menge des Eigenkonsums auf einer Schätzung der Kammer auf Basis der glaubhaften geständigen Einlassung des Angeklagten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Kammer insoweit zu einer anderen Würdigung gelangt wäre, wenn sie sich im Rahmen dessen mit diesem Widerspruch auseinandergesetzt hätte, können auch die Schuldsprüche in den Fällen II. 7-47 nicht auf Basis der für den gesamten Tatzeitraum festgestellten Eigenkonsummengen geändert werden.
7
3. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass für den Fall einer erneuten Verurteilung des Angeklagten gemäß § 30a Abs. 2 Nr. 2 StGB auf "bewaffnetes unerlaubtes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge" zu erkennen wäre (vgl. zur Fassung des Tenors: BGH, Beschluss vom 22. Februar 2011 - 4 StR 8/11, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 353/10) und dass bei Annahme eines minderschweren Falls § 30a Abs. 3 BtMG in der bis zum 22. Juli 2009 geltenden Fassung zugrunde gelegt werden müsste, weshalb sich unter Berücksichtigung der Sperrwirkung des § 29a Abs. 1 BtMG ein Strafrahmen von einem Jahr bis zu fünf Jahren ergäbe.
Fischer Appl Schmitt Krehl Ott

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Bundesgerichtshof Beschluss, 16. März 2011 - 2 StR 30/11 zitiert 6 §§.

Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29 Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer1.Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt,

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 29a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer1.als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder2.

Betäubungsmittelgesetz - BtMG 1981 | § 30a Straftaten


(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande han

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Bundesgerichtshof Beschluss, 05. Okt. 2010 - 3 StR 353/10

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BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 353/10 vom 5. Oktober 2010 in der Strafsache gegen wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundes

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Bundesgerichtshof Beschluss, 17. Juli 2013 - 2 StR 259/13

bei uns veröffentlicht am 17.07.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 StR 259/13 vom 17. Juli 2013 in der Strafsache gegen wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des.

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

1.
Betäubungsmittel unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt, veräußert, abgibt, sonst in den Verkehr bringt, erwirbt oder sich in sonstiger Weise verschafft,
2.
eine ausgenommene Zubereitung (§ 2 Abs. 1 Nr. 3) ohne Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 Nr. 2 herstellt,
3.
Betäubungsmittel besitzt, ohne zugleich im Besitz einer schriftlichen Erlaubnis für den Erwerb zu sein,
4.
(weggefallen)
5.
entgegen § 11 Abs. 1 Satz 2 Betäubungsmittel durchführt,
6.
entgegen § 13 Abs. 1 Betäubungsmittel
a)
verschreibt,
b)
verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt,
6a.
entgegen § 13 Absatz 1a Satz 1 und 2 ein dort genanntes Betäubungsmittel überlässt,
6b.
entgegen § 13 Absatz 1b Satz 1 Betäubungsmittel verabreicht,
7.
entgegen § 13 Absatz 2
a)
Betäubungsmittel in einer Apotheke oder tierärztlichen Hausapotheke,
b)
Diamorphin als pharmazeutischer Unternehmer
abgibt,
8.
entgegen § 14 Abs. 5 für Betäubungsmittel wirbt,
9.
unrichtige oder unvollständige Angaben macht, um für sich oder einen anderen oder für ein Tier die Verschreibung eines Betäubungsmittels zu erlangen,
10.
einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Erwerb oder zur unbefugten Abgabe von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, eine solche Gelegenheit öffentlich oder eigennützig mitteilt oder einen anderen zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verleitet,
11.
ohne Erlaubnis nach § 10a einem anderen eine Gelegenheit zum unbefugten Verbrauch von Betäubungsmitteln verschafft oder gewährt, oder wer eine außerhalb einer Einrichtung nach § 10a bestehende Gelegenheit zu einem solchen Verbrauch eigennützig oder öffentlich mitteilt,
12.
öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches) dazu auffordert, Betäubungsmittel zu verbrauchen, die nicht zulässigerweise verschrieben worden sind,
13.
Geldmittel oder andere Vermögensgegenstände einem anderen für eine rechtswidrige Tat nach Nummern 1, 5, 6, 7, 10, 11 oder 12 bereitstellt,
14.
einer Rechtsverordnung nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 oder § 13 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, 2a oder 5 zuwiderhandelt, soweit sie für einen bestimmten Tatbestand auf diese Strafvorschrift verweist.
Die Abgabe von sterilen Einmalspritzen an Betäubungsmittelabhängige und die öffentliche Information darüber sind kein Verschaffen und kein öffentliches Mitteilen einer Gelegenheit zum Verbrauch nach Satz 1 Nr. 11.

(2) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 2, 5 oder 6 Buchstabe b ist der Versuch strafbar.

(3) In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

1.
in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1, 5, 6, 10, 11 oder 13 gewerbsmäßig handelt,
2.
durch eine der in Absatz 1 Satz 1 Nr. 1, 6 oder 7 bezeichneten Handlungen die Gesundheit mehrerer Menschen gefährdet.

(4) Handelt der Täter in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, 2, 5, 6 Buchstabe b, Nummer 6b, 10 oder 11 fahrlässig, so ist die Strafe Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe.

(5) Das Gericht kann von einer Bestrafung nach den Absätzen 1, 2 und 4 absehen, wenn der Täter die Betäubungsmittel lediglich zum Eigenverbrauch in geringer Menge anbaut, herstellt, einführt, ausführt, durchführt, erwirbt, sich in sonstiger Weise verschafft oder besitzt.

(6) Die Vorschriften des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 1 sind, soweit sie das Handeltreiben, Abgeben oder Veräußern betreffen, auch anzuwenden, wenn sich die Handlung auf Stoffe oder Zubereitungen bezieht, die nicht Betäubungsmittel sind, aber als solche ausgegeben werden.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 8/11
vom
22. Februar 2011
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a.
Der 4. Strafsenat Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 22. Februar 2011 gemäß
§ 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 1. Oktober 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sechs Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in vier Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, sowie der Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit bewaffneter unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, schuldig ist,
b) im Strafausspruch dahin geändert, dass die im Fall 4 (II. 2.b der Urteilsgründe) verhängte Einzelstrafe auf zwei Jahre festgesetzt wird.
2. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.
3. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten der unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in sieben Fällen, davon in zwei Fällen in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und in fünf Fällen in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, "wobei er in einem Fall einen zur Verletzung von Personen geeigneten und bestimmten Gegen-stand mit sich führte", sowie wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in zwei Fällen schuldig gesprochen und ihn unter Einbeziehung der Strafen aus einem amtsgerichtlichen Urteil zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt. Ferner hat es eine Einziehungsanordnung getroffen und den Angeklagten im Übrigen freigesprochen. Gegen seine Verurteilung wendet sich der Angeklagte mit der auf die Sachrüge gestützten Revision. Diese hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).
2
1. Der Schuldspruch ist aus den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom 12. Januar 2011 dargelegten Gründen im Fall 4 (II. 2.b der Urteilsgründe ) von unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu ändern. Zugleich fasst der Senat den Schuldspruch im Fall der bewaffneten Einfuhr entsprechend der zutreffen- den rechtlichen Bewertung der Strafkammer (UA 26) neu (vgl. zur Fassung des Tenors bei § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG: BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - 3 StR 353/10) und lässt den unnötigen Zusatz "gemeinschaftlich" entfallen (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 260 Rn. 24).
3
2. Auf Antrag des Generalbundesanwalts setzt der Senat die Einzelstrafe im Fall 4 (II. 2.b der Urteilsgründe) von zwei Jahren und drei Monaten auf das gesetzliche Mindestmaß des § 30 Abs. 1 BtMG - also zwei Jahre Freiheitsstrafe - herab. Der Senat schließt aus, dass der Tatrichter, der in den Fällen 1 bis 8 einen minder schweren Fall mit jeweils für sich rechtsfehlerfreier Begründung abgelehnt hat, im Fall 4 bei zutreffender rechtlicher Bewertung einen minder schweren Fall gemäß § 30 Abs. 2 BtMG angenommen hätte.
4
Der Senat schließt im Hinblick auf die nur geringfügige Herabsetzung der Einzelstrafe im Fall 4 und die verbleibenden Einzelstrafen ferner aus, dass der Tatrichter - hätte er diese reduzierte Einzelstrafe selbst festgesetzt - eine geringere Gesamtstrafe verhängt hätte. Die gegen den Angeklagten vom Landgericht verhängte Gesamtstrafe kann daher bestehen bleiben.
5
3. Der geringfügige Teilerfolg des Rechtsmittels des Angeklagten rechtfertigt es nicht, ihn von den Kosten des Revisionsverfahrens teilweise freizustellen (§ 473 Abs. 4 StPO; vgl. Meyer-Goßner aaO § 473 Rn. 25f.).
Ernemann Solin-Stojanović Cierniak
Franke Mutzbauer

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 353/10
vom
5. Oktober 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln u.a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
5. Oktober 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hannover vom 16. April 2010
a) im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren, der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen sowie der gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in 12 Fällen schuldig ist;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafen mit der Maßgabe aufgehoben, dass die aufrechterhaltene Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis entfällt und eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafen nach §§ 460, 462 StPO, auch über die Kosten des Rechtsmittels , zu treffen ist.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen "der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln (Cannabis) als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeln mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in 22 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (Cannabis) in nicht geringer Menge unter Mitsichführen einer Schusswaffe und eines sonstigen Gegenstandes, der nach seiner Art zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist" - unter Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 (215 Ls 70/08 7291 Js 98327/07) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und acht Monaten, wobei die verhängte Sperre für die Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleibt, - unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2008 (324 Ds 121/08 3121 Js 84840/07) nach Auflösung der dort gebildeten Gesamtfreiheitsstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und - unter Einbeziehung der Strafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 10. Juli 2009 (215 Cs 341/09 2031 Js 50904/09) und aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 13. November 2009 (233 Ds 100/09 7261 Js 48032/09) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt.
2
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, mit der er das Verfahren beanstandet und die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg.
3
1. Die Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts weder zum Verfahren noch zur Beweiswürdigung einen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Jedoch war auf der Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen der Schuldspruch zu ändern.
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Im Fall II. 22. der Urteilsgründe ist der Angeklagte des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren schuldig. Das Handeltreiben mit Betäubungsmitteln (§ 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG) tritt als Grunddelikt hinter der Qualifikation des bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) zurück (Weber, BtMG, 3. Aufl., § 30a Rn. 196). Soweit die Strafkammer keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob bei der in der Wohnung des Angeklagten sichergestellten Schreckschusspistole der Explosionsdruck nach vorne austritt, was Voraussetzung für das Vorliegen einer Schusswaffe im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG wäre (BGH, Urteil vom 12. Oktober 2005 - 2 StR 298/05, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Waffe 1; Weber, aaO, Rn. 95 f.), gefährdet dies den Bestand des Schuldspruchs nicht. Denn bei dem in der Wohnung, aus der der Angeklagte das Cannabis verkaufte, ebenfalls aufgefundenen Dolch mit einer Klingenlänge von 12 cm handelt es sich um eine Waffe im technischen Sinn und damit einen Gegenstand, der zur Verletzung von Personen bestimmt und geeignet ist (Weber, aaO, Rn. 108). Der Angeklagte führte den Dolch im Sinne des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich, weil er diesen bewusst gebrauchsbereit zusammen mit einem Teil des zum Weiterverkauf bestimmten Rauschgifts verwahrte, sodass er ihn jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand benutzen konnte (BGH, Beschluss vom 18. April 2007 - 3 StR 127/07, BGHR BtMG § 30a Abs. 2 Mitsichführen 8). Für die Erfüllung des Tat- bestandes des § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist es ausreichend, dass der Dolch nur während einzelner Verkäufe aus der Gesamtmenge von 200 Gramm Marihuana (Wirkstoffgehalt 8,5 % THC) zur Verfügung stand (Weber, aaO, Rn. 144 f.).
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In den Fällen II. 13. bis 21. der Urteilsgründe hat sich der Angeklagte wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren in Tateinheit mit Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in neun Fällen strafbar gemacht. Insoweit ist die Verurteilung wegen tateinheitlich begangenen Handeltreibens mit Betäubungsmittel nicht zu beanstanden, weil der Angeklagte nach den Feststellungen im Zeitraum von Dezember 2007 bis Mai 2008 Teilmengen des jeweils gekauften Rauschgifts auch an den erwachsenen Zeugen S. verkaufte, sodass allein die Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren den Unrechtsgehalt dieser Taten nicht ausschöpfen würde.
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In den Fällen II. 1. bis 12. der Urteilsgründe muss die tateinheitliche Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln entfallen, weil das Landgericht insoweit nicht sicher ausschließen konnte, dass der Angeklagte das Rauschgift nur an die Minderjährigen verkaufte oder selbst verbrauchte. Bei einer solchen Fallkonstellation wird von der Verurteilung wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren auch der im Handeltreiben mit Betäubungsmitteln liegende Unrechtsgehalt der Tat erfasst (Weber, aaO, § 30 Rn. 116; Franke/Wienroeder, BtMG, 3. Aufl., § 30 Rn. 31; Körner, BtMG, 6. Aufl., § 30 Rn. 72). Ob dieses Konkurrenzverhältnis auch beim Handeltreiben in nicht geringer Menge gilt, braucht der Senat nicht zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1994 - 3 StR 138/94, BGHR BtMG § 30a Konkurrenzen 1; BGH, Urteil vom 24. Juli 1997 - 4 StR 222/97, nicht tragend).
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2. Trotz der Änderung des Schuldspruchs können die verhängten Einzelstrafen bestehen bleiben. Das Landgericht hat jeweils rechtsfehlerfrei minder schwere Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB angenommen und bei der konkreten Strafzumessung die tateinheitliche Begehung der weggefallenen Straftatbestände nicht strafschärfend berücksichtigt. Im Fall II. 22. der Urteilsgründe hat es zu Lasten des Angeklagten weder das Mitsichführen von zwei Waffen noch die konkrete Gefährlichkeit der Schreckschusspistole gewertet. Unter diesen Umständen schließt der Senat aus, dass die Strafkammer bei zutreffender rechtlicher Würdigung mildere Einzelstrafen ausgesprochen hätte.
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Soweit das Landgericht gemäß § 31 BtMG aF, § 49 Abs. 2 StGB die Untergrenze der Strafrahmen der minder schweren Fälle gemäß § 30 Abs. 2, § 30a Abs. 3 StGB auf das gesetzliche Mindestmaß herabgesetzt und nicht erkennbar geprüft hat, ob § 31 BtMG in der ab 1. September 2009 geltenden Fassung anzuwenden ist, ist der Angeklagte nicht beschwert. Zwar wäre unter der Voraussetzung, dass er vor Eröffnung des Hauptverfahrens sein Wissen über seinen Marihuanalieferanten offenbart haben sollte (§ 46b Abs. 3 StGB), eine für den Angeklagten günstigere Milderung nach § 49 Abs. 1 StGB mit einer Strafobergrenze von drei Jahren und neun Monaten Freiheitsstrafe möglich gewesen. Angesichts der moderaten Freiheitsstrafen von acht Monaten (Fälle II. 1. bis 20.), von einem Jahr drei Monaten (Fall II. 21.) und von einem Jahr acht Monaten (Fall II. 22.) sowie des Umstandes, dass sich das Landgericht bei der Strafzumessung nicht an der Obergrenze des Strafrahmens orientiert hat, wären von der Strafkammer geringere Einzelstrafen nicht ausgesprochen worden.
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3. Nicht bestehen bleiben können die verhängten drei Gesamtstrafen. Hierzu hat der Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift ausgeführt: "Das Landgericht hat nicht berücksichtigt, dass in die erste zu bildende Gesamtfreiheitsstrafe aufgrund der Zäsurwirkung des Strafbefehls des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 nicht nur die Strafe aus diesem Strafbefehl und die Strafen für die vorliegend abgeurteilten Taten 1 bis 19 (Tatzeiten: 01.06. bis 31.08.2007, 01.09.2007 bis 15.03.2008) und 21 (Tatzeit: Anfang 2008), sondern auch die Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Hannover vom 29. Mai 2008, dem eine am 12. Mai 2007 begangene Tat zugrunde lag, einzubeziehen gewesen wären (BGHSt 32, 190, 192 ff.; BGH NStZ-RR 2007, 369 f.; Fischer StGB 57. Aufl. § 55 Rdn. 12 m.w.N.). Daneben könnte die Bildung einer weiteren nachträglichen Gesamtfreiheitsstrafe aus den Einzelfreiheitsstrafen für die Fälle 20 (Tatzeit: 16.05. bis 01.06.2008) und Fall 22 (Tatzeit: Anfang Juni 2008) sowie den Strafen aus den Vorverurteilungen durch das Amtsgericht Hannover vom 10. Juli 2009 und vom 13. November 2009 in Betracht kommen, sofern die Vollstreckung der Strafen aus den betreffenden Vorerkenntnissen zum Zeitpunkt der Entscheidung der Strafkammer nicht bereits erledigt war. Angaben darüber, dass dies nicht der Fall war, weil diese Strafen bereits verbüßt sind oder sonstige Rechtsgründe gegen ihre Einbeziehung vorliegen, enthält das Urteil nicht. Nach §§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 1b Satz 1 StPO sind die Gesamtstrafen daher mit der Maßgabe aufzuheben, dass über die Frage einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung eine gerichtliche Entscheidung nach §§ 460, 462 StPO zutreffen ist. In den Tenor der neuen Gesamtstrafenentscheidung wird dann auch die Anordnung, dass zur Kompensation einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung zwei Monate der zweiten (Gesamt-)Freiheitsstrafe als verbüßt anzusehen sind (UA S. 17), aufzunehmen sein. Infolge der Aufhebung der Gesamtfreiheitsstrafen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Strafkammer trotz der Einbeziehung der Strafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Hannover vom 15. April 2008 die darin verhängte Sperrfrist für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis (§§ 69, 69a StGB) nicht aufrechterhalten konnte, weil diese bereits abgelaufen war (UA S. 4; BGHSt 42, 308; Fischer aaO § 55 Rdn. 29 m.w.N.)."
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Dem schließt sich der Senat an. Wegen des Ablaufs der Sperrfrist für die Wiedererteilung einer Fahrerlaubnis war auszusprechen, dass diese Maßregel entfällt.
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4. Die Kosten- und Auslageentscheidung war dem Verfahren gemäß §§ 460, 462 StPO vorzubehalten.
Becker Pfister von Lienen Schäfer Mayer

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren wird bestraft, wer Betäubungsmittel in nicht geringer Menge unerlaubt anbaut, herstellt, mit ihnen Handel treibt, sie ein- oder ausführt (§ 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und dabei als Mitglied einer Bande handelt, die sich zur fortgesetzten Begehung solcher Taten verbunden hat.

(2) Ebenso wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 Jahre eine Person unter 18 Jahren bestimmt, mit Betäubungsmitteln unerlaubt Handel zu treiben, sie, ohne Handel zu treiben, einzuführen, auszuführen, zu veräußern, abzugeben oder sonst in den Verkehr zu bringen oder eine dieser Handlungen zu fördern, oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt oder sie, ohne Handel zu treiben, einführt, ausführt oder sich verschafft und dabei eine Schußwaffe oder sonstige Gegenstände mit sich führt, die ihrer Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt sind.

(3) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.