Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2017 - 2 ARs 359/16

published on 08/03/2017 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2017 - 2 ARs 359/16
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 359/16
2 AR 241/16
vom
8. März 2017
in der Strafvollstreckungssache
gegen
Az.: 5 BWL 178/16 (5 Ds 43 Js 21873/08) Amtsgericht Reutlingen
Az.: 211 AR 6/16 Landgericht Tübingen
Az.: R910 VRs 43 Js 21873/08 Staatsanwaltschaft Tübingen
Az.: NZS 13a StVK 74/16 L Amtsgericht Lingen (Ems)
ECLI:DE:BGH:2017:080317B2ARS359.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 8. März 2017 beschlossen:
Für die weiteren Entscheidungen, die sich auf die Aussetzung der Vollstreckung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 2. April 2009 – 5 Ds 43 Js 21873/08 – und seines Beschlusses vom 14. Dezember 2009 beziehen, ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen (Ems) zuständig.

Gründe:


I.

1
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Reutlingen – Jugendrichter – vom 2. April 2009 – 5 Ds 43 Js 21873/08 – unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Urach vom 10. Februar 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten und zu einer Geldbuße verurteilt. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 bildete das Amtsgericht Reutlingen aus den Einzelstrafen in den genannten Entscheidungen und einem zwischenzeitlich ergangenen Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten neben einer gesonderten Freiheitsstrafe von zwei Monaten.
2
Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 setzte das Amtsgericht Reutlingen die Vollstreckung eines Rests der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung aus. Es folgte jedoch die Vollstreckung anderer Freiheitsstrafen gegen den Verurteilten. Dazu befand er sich in der Zeit vom 29. April 2015 bis zum 30. November 2015 in der Justizvollzugsanstalt Lingen (Ems), danach in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg.
3
Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat am 22. Juli 2015 bei dem Amtsgericht Reutlingen beantragt, die Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich des Rests der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 2. April 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 14. Dezember 2009 zu widerrufen. Das Amtsgericht Reutlingen hat die Sache dem Landgericht Tübingen vorgelegt, das eine Übernahme abgelehnt hat. Nach Aktenrückgabe hat das Amtsgericht Reutlingen mit Beschluss vom 20. Juni 2016 die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück verwiesen. Diese hat ebenfalls die Übernahme der Sache abgelehnt und angemerkt, die Sache sei dort nicht anhängig geworden. Mit Beschluss vom 6. September 2016 hat das Amtsgericht Reutlingen die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

4
1. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht des Amtsgerichts Reutlingen und der Landgerichte Tübingen und Osnabrück zur Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage berufen.
5
2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen (Ems).
6
Für die Beantwortung der Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zuständig ist, gilt der Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der sich der Verur- teilte befindet oder zuletzt befand. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der erstmaligen Befassung des Gerichts mit der Angelegenheit (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 2 ARs 227/13, NStZ-RR 2013, 390 f.).
7
Der Angeklagte befand sich zur Zeit der Befassung des Landgerichts Osnabrück mit dem Widerrufsantrag in dessen Gerichtsbezirk in Haft. Spätestens mit Eingang der Akten bei dem Amtsgericht Lingen am 21. August 2015 wurde die dortige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit der Sache befasst (§ 462a Abs. 1 Satz 1 StPO). Darauf, ob die Akten zu diesem Zeitpunkt vollständig waren, insbesondere ob der Strafvollstreckungskammer auch das Bewährungsheft vorlag, kommt es nicht an. Auch setzt die gesetzliche Zuständigkeit des Gerichts gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO keinen förmlichen Abgabebeschluss des bisher mit der Sache befassten Gerichts voraus.
8
Die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts wirkt bei einer späteren Verlegung des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk fort, solange über diese Frage nicht abschließend entschieden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 2 ARs 5/16, StraFo 2016, 86, 87 f.). Daher ist die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Rottenburg nach dem 30. November 2015 unerheblich. RiBGH Dr. Appl ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Eschelbach Eschelbach Zeng Bartel Grube
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(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z
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Annotations

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.