Bundesgerichtshof Beschluss, 08. März 2017 - 2 ARs 359/16

bei uns veröffentlicht am08.03.2017

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 359/16
2 AR 241/16
vom
8. März 2017
in der Strafvollstreckungssache
gegen
Az.: 5 BWL 178/16 (5 Ds 43 Js 21873/08) Amtsgericht Reutlingen
Az.: 211 AR 6/16 Landgericht Tübingen
Az.: R910 VRs 43 Js 21873/08 Staatsanwaltschaft Tübingen
Az.: NZS 13a StVK 74/16 L Amtsgericht Lingen (Ems)
ECLI:DE:BGH:2017:080317B2ARS359.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts am 8. März 2017 beschlossen:
Für die weiteren Entscheidungen, die sich auf die Aussetzung der Vollstreckung der Strafen aus dem Urteil des Amtsgerichts Reutlingen vom 2. April 2009 – 5 Ds 43 Js 21873/08 – und seines Beschlusses vom 14. Dezember 2009 beziehen, ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen (Ems) zuständig.

Gründe:


I.

1
Der Verurteilte wurde durch Urteil des Amtsgerichts Reutlingen – Jugendrichter – vom 2. April 2009 – 5 Ds 43 Js 21873/08 – unter Einbeziehung der Strafe aus einem Strafbefehl des Amtsgerichts Bad Urach vom 10. Februar 2009 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von elf Monaten und zu einer Geldbuße verurteilt. Mit Beschluss vom 14. Dezember 2009 bildete das Amtsgericht Reutlingen aus den Einzelstrafen in den genannten Entscheidungen und einem zwischenzeitlich ergangenen Strafbefehl eine Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten neben einer gesonderten Freiheitsstrafe von zwei Monaten.
2
Mit Beschluss vom 26. Juni 2012 setzte das Amtsgericht Reutlingen die Vollstreckung eines Rests der Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung aus. Es folgte jedoch die Vollstreckung anderer Freiheitsstrafen gegen den Verurteilten. Dazu befand er sich in der Zeit vom 29. April 2015 bis zum 30. November 2015 in der Justizvollzugsanstalt Lingen (Ems), danach in der Justizvollzugsanstalt Rottenburg.
3
Die Staatsanwaltschaft Tübingen hat am 22. Juli 2015 bei dem Amtsgericht Reutlingen beantragt, die Strafaussetzung zur Bewährung hinsichtlich des Rests der Gesamtfreiheitsstrafe aus dem Urteil vom 2. April 2009 in der Fassung des Beschlusses vom 14. Dezember 2009 zu widerrufen. Das Amtsgericht Reutlingen hat die Sache dem Landgericht Tübingen vorgelegt, das eine Übernahme abgelehnt hat. Nach Aktenrückgabe hat das Amtsgericht Reutlingen mit Beschluss vom 20. Juni 2016 die nachträglichen Entscheidungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewährung beziehen, an die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück verwiesen. Diese hat ebenfalls die Übernahme der Sache abgelehnt und angemerkt, die Sache sei dort nicht anhängig geworden. Mit Beschluss vom 6. September 2016 hat das Amtsgericht Reutlingen die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.

II.

4
1. Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht des Amtsgerichts Reutlingen und der Landgerichte Tübingen und Osnabrück zur Entscheidung über die Zuständigkeitsfrage berufen.
5
2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück bei dem Amtsgericht Lingen (Ems).
6
Für die Beantwortung der Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zuständig ist, gilt der Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen diejenige Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der sich der Verur- teilte befindet oder zuletzt befand. Maßgeblich ist der Zeitpunkt der erstmaligen Befassung des Gerichts mit der Angelegenheit (vgl. Senat, Beschluss vom 19. Juni 2013 – 2 ARs 227/13, NStZ-RR 2013, 390 f.).
7
Der Angeklagte befand sich zur Zeit der Befassung des Landgerichts Osnabrück mit dem Widerrufsantrag in dessen Gerichtsbezirk in Haft. Spätestens mit Eingang der Akten bei dem Amtsgericht Lingen am 21. August 2015 wurde die dortige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Osnabrück mit der Sache befasst (§ 462a Abs. 1 Satz 1 StPO). Darauf, ob die Akten zu diesem Zeitpunkt vollständig waren, insbesondere ob der Strafvollstreckungskammer auch das Bewährungsheft vorlag, kommt es nicht an. Auch setzt die gesetzliche Zuständigkeit des Gerichts gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO keinen förmlichen Abgabebeschluss des bisher mit der Sache befassten Gerichts voraus.
8
Die Zuständigkeit des mit der Sache befassten Gerichts wirkt bei einer späteren Verlegung des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk fort, solange über diese Frage nicht abschließend entschieden ist (vgl. Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2016 – 2 ARs 5/16, StraFo 2016, 86, 87 f.). Daher ist die Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Rottenburg nach dem 30. November 2015 unerheblich. RiBGH Dr. Appl ist urlaubsbedingt an der Unterschrift gehindert. Eschelbach Eschelbach Zeng Bartel Grube

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Strafprozeßordnung - StPO | § 462a Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer und des erstinstanzlichen Gerichts


(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte z

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Juni 2013 - 2 ARs 227/13

bei uns veröffentlicht am 19.06.2013

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 227/13 2 AR 156/13 vom 19. Juni 2013 in der Strafvollstreckungssache gegen hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 14 StPO Az.: 055 StVK 128/11, 055 StVK 152/11 Landgericht Düsseldorf Az.: 33 e StVK 11-1

Bundesgerichtshof Beschluss, 08. Dez. 2016 - 2 ARs 5/16

bei uns veröffentlicht am 08.12.2016

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 2 ARs 5/16 vom 8. Dezember 2016 in dem Strafvollstreckungsverfahren gegen wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a. Az.: 426 Js 15448/04 VRS LG Potsdam ECLI:DE:BGH:2016:081216B2ARS5.16.0 Der 2. Strafsena

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BESCHLUSS
2 ARs 227/13
2 AR 156/13
vom
19. Juni 2013
in der Strafvollstreckungssache
gegen
hier: Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 14 StPO
Az.: 055 StVK 128/11, 055 StVK 152/11 Landgericht Düsseldorf
Az.: 33 e StVK 11-12/13 Landgericht Aachen
Az.: 501 Js 302/06 V, 601 Js 280/10 V Staatsanwaltschaft Aachen
Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbundesanwalts
am 19. Juni 2013 beschlossen:
Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der mit Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 bewilligten Reststrafenaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf.

Gründe:

1
1. Der Verurteilte befand sich zur Vollstreckung zweier Freiheitsstrafen aus Urteilen des Amtsgerichts Aachen seit Oktober 2010 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf. Mit Beschluss vom 27. April 2011 setzte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf nach Teilverbüßung die Vollstreckung der Reststrafen zur Bewährung aus.
2
Am 15. September 2011 teilte der zuständige Bewährungshelfer dem Landgericht Düsseldorf mit, dass sich der Proband wegen zwischenzeitlich begangener schwerer Straftaten in Untersuchungshaft befand. Auf entsprechende Berichtsanfrage des Landgerichts Düsseldorf informierte der Bewährungshelfer über den Fortgang des Verfahrens, das mit Urteil des Landgerichts Aachen vom 12. März 2012 - rechtskräftig seit dem 22. November 2012 - endete. Die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verbüßt der Verurteilte seitdem in der Justizvollzugsanstalt Aachen.
3
Mit Beschlüssen vom 23. Januar 2013 hat das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Düsseldorf die weitere, die Strafaussetzung zur Bewährung betreffenden Entscheidungen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen an das Landgericht Aachen - Strafvollstreckungskammer - abgegeben.
4
Am 12. Februar 2013 beantragte die Staatsanwaltschaft Aachen bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Aachen, die dem Verurteilten durch Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährte Aussetzung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts Aachen zu widerrufen. Das Landgericht Aachen hält die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für zuständig, das die Akten gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt hat.
5
2. Zuständig ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf. Der Generalbundesanwalt hat ausgeführt: "Der Bundesgerichtshof ist als gemeinschaftliches oberes Gericht zur Entscheidung des Zuständigkeitsstreits berufen (§ 14 StPO). Für die Beantwortung der - hier streitigen - Frage, welche Strafvollstreckungskammer für die beantragte Widerrufsentscheidung örtlich zuständig ist, ist auszugehen von dem Grundsatz, dass für anstehende Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig ist, in deren Bezirk die Justizvollzugsanstalt liegt, in der sich der Verurteilte befindet oder zuletzt befand (KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 14f.). Diese Regelung der örtlichen Zuständigkeit wird durch § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO dahingehend präzisiert, dass insofern abzustellen ist auf den Zeitpunkt, zu dem eine erstmalige Befassung mit der konkreten Angelegenheit - hier mit dem Widerruf der Bewährung - gegeben war (BGH, Beschluss vom 21. Juli 2006 - 2 ARs 302/06, NStZ-RR 2007, 94; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 462a Rn. 16; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 9). Eine mit der ersten Befassung in der Sache begründete örtliche Zuständigkeit wird, soweit es diese konkrete Sache anbelangt, durch eine Verlegung des Verurteilten in eine in einem anderen Landgerichtsbezirk befindliche Justizvollzugsanstalt beziehungsweise durch eine neuerliche Aufnahme eines Verurteilten in den Strafvollzug nicht berührt (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12; Meyer-Goßner StPO 55. Auflage 2012 § 462a Rn. 13). Vor diesem Hintergrund ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf für die Entscheidung über den beantragten Widerruf der durch Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 27. April 2011 gewährten Reststrafenaussetzung zur Bewährung örtlich zuständig. Denn die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf war mit dieser Sache bereits befasst, bevor der Verurteilte in neuerliche Strafhaft in der Justizvollzugsanstalt Aachen aufgenommen wurde. Eine Befassung im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO liegt nicht erst dann vor, wenn die betreffende Strafvollstreckungskammer tatsächlich tätig wird, sondern bereits dann, wenn Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung - hier einen Widerruf - unter Umständen erforderlich machen (BGH, Beschluss vom 14. August 1981 - 2 ARs 174/81, BGHSt 30, 189; BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2010 - 2 ARs 441/10, BGH, Beschluss vom 11. Juli 2012 - 2 ARs 164/12, KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Solche Tatsachen wurden bereits vor Beginn der neuerlichen Strafhaft des Verurteilten am 22. November 2012 aktenkundig, also zu einem Zeitpunkt, als die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf noch im Rahmen ihrer Fortwirkungszuständigkeit örtlich zuständig war. Mit Schreiben vom 14. September 2011, eingegangen beim Landgericht Düsseldorf am 15. September 2011, teilte der Bewährungshelfer zu den Bewährungsheften mit, das sich der Verurteilte wegen des dringenden Tatverdachts neuer Straftaten seit dem 24. August 2011 in der Justizvollzugsanstalt Düsseldorf in Untersuchungshaft befindet (Bl. 22 BewH 501 Js 302/06 und Bl. 25 BewH 601 208/10). Unerheblich ist, dass zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststand, ob es tatsächlich zu einer Verurteilung kommt. Denn befasst ist das Gericht auch dann, wenn die Kammer zunächst nicht veranlasst, sondern den Ausgang des neuen Verfahrens abwartet, aus dem sich Widerrufsgründe ergeben können (OLG Düsseldorf NStZ 1982, 47; KK-StPO-Appl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). So ist die bislang zuständige Strafvollstreckungskammer mit der Frage des Bewährungswiderrufs schon dann befasst, wenn ein Bewährungshelfer mitteilt, sein Proband befinde sich in Untersuchungshaft (BGH, Beschluss vom 22. November 2000 - 2 ARs 302/00, KK-StPOAppl 6. Auflage 2008 § 462a Rn. 17). Vorliegend war der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Düsseldorf aufgrund der Mitteilung des Bewährungshelfers vom 14. September 2011 bekannt, dass der Angeklagte unter anderem einer räuberischen Erpressung, mithin eines Verbrechens , dringend verdächtig war, so dass Anlass bestand, die Frage des Bewährungswiderrufs von Amts wegen zu prüfen."
6
Dem schließt sich der Senat an.
Becker Fischer Appl Berger Eschelbach

(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.

(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.

(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.

(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.

(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.

(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 ARs 5/16
vom
8. Dezember 2016
in dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen
wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung u.a.
Az.: 426 Js 15448/04 VRS LG Potsdam
ECLI:DE:BGH:2016:081216B2ARS5.16.0

Der 2. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 8. Dezember 2016 gemäß § 14 StPO und § 120 Abs. 1 StVollzG in Verbindung mit § 14 StPO beschlossen :
1. Für die nachträglichen Entscheidungen im Verfahren über die Strafrestaussetzung zur Bewährung ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal zuständig. 2. Das Verfahren zur Entscheidung gemäß § 119a Abs. 1 StVollzG ist bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam anhängig.

Gründe:

1
Die Vorlage betrifft die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts im Verfahren über die Strafrestaussetzung zur Bewährung (§ 57 StGB, §§ 14, 454, 462a StPO) und im Verfahren zur Feststellung der Vereinbarkeit von Maßnahmen im Strafvollzug mit dem Gesetz (§ 14 StPO, §§ 119a, 120 StVollzG).

I.

2
1. Das Landgericht Potsdam verhängte gegen den vielfach vorbestraften Verurteilten durch Urteil vom 10. August 2006 wegen (besonders) schwerer räuberischer Erpressung in fünf Fällen, jeweils in Tateinheit mit Verstoß gegen das Waffengesetz, unter Einbeziehung der Strafe aus einem Urteil des Landgerichts Gera vom 23. Januar 2006 eine Gesamtfreiheitsstrafe von elf Jahren. Außerdem ordnete es die Unterbringung des Verurteilten in der Sicherungsverwahrung an. Die Strafe ist zum überwiegenden Teil vollstreckt; das Strafende wird am 6. Juni 2019 erreicht. Es ist über die Frage einer Strafrestaussetzung zur Bewährung zu entscheiden. Dafür kommen das Landgericht Potsdam und das Landgericht Stendal als zuständige Gerichte in Betracht. Dem liegt Folgendes zu Grunde:
3
Der Verurteilte befand sich vom 25. August 2005 bis zum 11. Januar 2011 in der Justizvollzugsanstalt T. . Am 12. Januar 2011 wurde er nach einem Fluchtversuch in die Justizvollzugsanstalt B. verlegt. Er strebte die Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt an. Am 23. Februar 2015 erklärte er sein Einverständnis mit einer bedingten Entlassung. Am 24. Februar 2015 wurde er in die Justizvollzugsanstalt Br. überstellt , wo er zunächst für drei Monate ein Motivationsprogramm absolvieren sollte.
4
Durch Verfügung vom 5. März 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Potsdam, die Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe nicht zur Bewährung auszusetzen. Mit Schriftsatz vom 13. April 2015 bestellte sich Rechtsanwalt Dr. O. als Verteidiger des Verurteilten und beantragte seine Beiordnung durch das Gericht. Termine zur Anhörung des Verurteilten im Beistand des Verteidigers wurden wegen Verhinderung des Verteidigers aufgehoben. Eine Anhörung durch das Landgericht Potsdam fand im Ergebnis nicht statt.
5
Am 13. Juli 2015 beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Potsdam gemäß § 119a Abs. 1 Nr. 1 StVollzG festzustellen, dass das Betreuungsangebot in der Justizvollzugsanstalt Br. den gesetzlichen Vorgaben entsprochen habe. Sie erklärte außerdem zum Verfahren über die Strafrestaussetzung zur Bewährung, die Einholung eines Sachver- ständigengutachtens sei nicht erforderlich. Diese komme nur in Betracht, wenn die Strafvollstreckungskammer eine Strafrestaussetzung tatsächlich erwäge, was fernliegend erscheine.
6
Unter dem 20. August 2015 teilte der Verteidiger dem Landgericht Potsdam mit, dass der Verurteilte die Rücküberstellung in die Justizvollzugsanstalt B. anstrebe. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2015 erklärte der Ver- teidiger „für den Verurteilten“, dass er das erklärte Einverständnis mit der Strafrestaussetzung zur Bewährung im Sinne von § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB zurücknehme. Sobald der Verurteilte in die Justizvollzugsanstalt B. zurückverlegt werde, solle dort ein neuer Antrag gestellt werden, über den sodann die für diese Justizvollzugsanstalt zuständige Strafvollstreckungskammer zu entscheiden habe.
7
Das Landgericht Stendal vermerkte am 24. September 2015, dass es im Verfahren über die Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung gemäß § 462a Abs. 1 Nr. 1 StPO nicht zuständig sei, weil das für die Justizvollzugsanstalt Br. zuständige Gericht nach der dortigen Aufnahme des Verurteilten mit der Sache befasst worden sei und noch nicht entschieden habe.
8
Mit einem an die Staatsanwaltschaft Potsdam gerichteten Schriftsatz vom 26. Oktober 2015 beantragte der Verteidiger „die Aussetzung der Rest- freiheitsstrafe“ und seine Beiordnung indiesem Verfahren. Er vertrat die An- sicht, das Verfahren bei dem Landgericht Potsdam sei durch Rücknahme der Einwilligung des Verurteilten in die Strafrestaussetzung zur Bewährung beendet worden; nunmehr sei das Landgericht Stendal zuständig.
9
Mit Beschluss vom 2. November 2015 erklärte sich das Landgericht Potsdam für unzuständig und legte die Sache dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vor. Es vertrat die Ansicht, das Verfahren über die Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung bei dem Landgericht Potsdam sei mit der Rücknahme der Einwilligung des Verurteilten erledigt. Anhängig sei noch das Verfahren gemäß § 119a StVollzG. Auch dafür sei aber nicht das Landgericht Potsdam zuständig.
10
2. Der Generalbundesanwalt hat beantragt festzustellen, dass für die nachträglichen Entscheidungen über die Strafaussetzung zur Bewährung die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam zuständig sei. Die Auffassung des Landgerichts Stendal, wonach das dortige Verfahren erledigt sei, weil der Verurteilte seine Einwilligung in die Strafaussetzung zurückgenommen habe, treffe nicht zu. Zwar könne der Verurteilte die gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB erforderliche Zustimmung jederzeit widerrufen, jedoch sei auch dann noch eine abschließende Entscheidung des bisher mit der Sache befassten Gerichts erforderlich. Der Verurteilte könne nur über seine Einwilligung, nicht aber über das Verfahren disponieren. Das Verfahren nach § 119a Abs. 1 StVollzG sei noch bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Potsdam anhängig.
11
3. Der Senat hat freibeweislich den Verteidiger zur Bedeutung der Rücknahme der Einwilligung in die Strafrestaussetzung zur Bewährung befragt. Er hat dazu erklärt, dies sei nach Absprache mit dem Verurteilten er- folgt, damit „ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit erreicht werden“ solle. Ein anschließend bei dem Landgericht Stendal durchgeführtes Verfahren sei gleichfalls ohne gerichtliche Entscheidung nach erfolgter Anhörung des Verurteilten durch Rücknahme der Einwilligung erledigt worden.
12
4. Der Verteidiger hat eine Verzögerung des Verfahrens vor dem Senat gerügt.

II.

13
1. Die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 14 StPO im Verfahren über die Strafrestaussetzung zur Bewährung sind gegeben. Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat. Hier streiten die Landgerichte Stendal und Potsdam um die Zuständigkeit. Diese Landgerichte liegen in den Bezirken verschiedener Oberlandesgerichte, so dass der Bundesgerichtshof das gemeinsame obere Gericht ist.
14
2. Zuständig ist gemäß § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal.
15
Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die unter anderem nach § 454 StPO zu treffende Entscheidung die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befasst wird, aufgenommen ist. Dies war zunächst das Landgericht Potsdam, weil es mit der Sache befasst wurde, nachdem der Verurteilte in der Justizvollzugsanstalt Br. aufgenommen worden war und das Landgericht Potsdam nicht abschließend entschieden hat. Dieses Verfahren ist jedoch durch Rücknahme der Einwilligung des Verurteilten in die bedingte Entlassung beendet worden.
16
a) Die anfängliche Zuständigkeit des Landgerichts Potsdam folgte daraus , dass der Verurteilte in die in seinem Bezirk liegende Justizvollzugsanstalt Br. aufgenommen worden war, als dieses Landgericht mit der Frage der Strafrestaussetzung zur Bewährung befasst wurde.
17
aa) Im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO ist ein Verurteilter in eine Strafanstalt aufgenommen, wenn er sich in der betreffenden Vollzugseinrichtung tatsächlich und nicht nur ganz vorübergehend aufhält (LR/GraalmannScherer , StPO, 26. Aufl., § 462a Rn. 12). Dies gilt sogar, wenn eine spätere Verlegung in eine andere Einrichtung bereits abzusehen ist (vgl. Senat, Beschluss vom 28. August 1991 – 2 ARs 366/91, BGHSt 38, 63, 65; Beschluss vom 16. Mai 2012 – 2 ARs 159/12, NStZ 2012, 652, 653; Beschluss vom 5. November 2014 – 2 ARs 388/14, NStZ-RR 2015, 58). Eine Aufnahmeist demnach – vom Fall einer kurzfristigen Verschubung abgesehen – auch im Fall der Verlegung aus einer Justizvollzugsanstalt in eine andere anzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Juli 1989 – 2 ARs 381/89, BGHSt 36, 229, 230 f.). Hier wurde der Verurteilte zwar zunächst nur zur Durchführung eines Motivationsprogramms von drei Monaten in die Justizvollzugsanstalt Br. verlegt. Der anschließende Verbleib war offen, die Rückverlegung nicht absehbar. Die Verlegung erfolgte daher nicht nur kurzfristig.
18
bb) Eine Befassung mit der Sache liegt nicht erst vor, wenn die betreffende Strafvollstreckungskammer tatsächlich tätig wird, sondern bereits dann, wenn Tatsachen vorliegen, die eine Entscheidung erforderlich machen (vgl. Senat, Beschluss vom 21. Dezember 2010 – 2 ARs 441/10; Beschluss vom 27. August 2013 – 2 ARs 267/13, NStZ-RR 2013, 389). Insbesondere ist dies der Fall, wenn im Rahmen der Strafvollstreckung ein Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf eine gerichtliche Entscheidung gestellt wird (vgl. KK/Appl, StPO, 7. Aufl., § 462a Rn. 18; SSW/Hanft, StPO, 2. Aufl., § 462a Rn. 5; SK/Paeffgen, StPO, 4. Aufl., § 462a Rn. 13; Schmitt in MeyerGoßner /Schmitt, StPO, 56. Aufl., § 462a Rn. 10). Demnach war über den Antrag der Staatsanwaltschaft an das Landgericht Potsdam vom 5. März 2015, die Strafrestaussetzung zur Bewährung abzulehnen, zunächst durch dieses Gericht zu entscheiden, weil der Verurteilte zu diesem Zeitpunkt in die Justizvollzugsanstalt Br. aufgenommen worden war.
19
b) Die Zuständigkeit des Gerichts durch Befasstsein mit der Frage der bedingten Entlassung wirkt bei einer Verlegung des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt in einem anderen Landgerichtsbezirk fort, solange über diese Frage nicht abschließend entschieden wurde (vgl. Senat, Beschluss vom 16. Mai 2012 – 2 ARs 167/12, NStZ-RR 2013, 59; Beschluss vom 24. Oktober 2013 – 2 ARs 335/13).
20
Eine abschließende Entscheidung des Landgerichts Potsdam ist allerdings nicht erfolgt. Sie ist auch nicht in dem Beschluss vom 2. November 2015 enthalten, mit dem das Landgericht Potsdam die Sache dem Bundesgerichtshof vorgelegt hat. Darin wurde zwar angemerkt, dass das Verfahren durch Rücknahme der Einwilligung des Verurteilten in die bedingte Entlassung beendet sei. Diese Bemerkung ist aber nur zur Begründung der Ansicht des Landgerichts Potsdam zur Frage seiner örtlichen Unzuständigkeit gemacht worden und nicht in eine Sachentscheidung über die Strafrestaussetzung zur Bewährung eingeflossen.
21
c) Die Erklärung des Verteidigers vom 12. Oktober 2015, die Einwilligung in die bedingte Entlassung werde zurückgenommen, um sie nach Rückverlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt B. erneut zu erklären, hat das Verfahren beim Landgericht Potsdam jedoch beendet.
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aa) Es ist umstritten, ob ein Verfahren über die Strafrestaussetzung zur Bewährung auch in einem Fall, in dem die Einwilligung des Verurteilten in die bedingte Entlassung zurückgenommen wurde, stets nur aufgrund einer Sachentscheidung des mit dieser Frage befassten Gerichts endet.
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Zum Teil wird darauf abgestellt, dass eine Sachentscheidung entbehrlich sei, weil dem Gericht nach Zurücknahme der Einwilligung des Verurteilten keine Entscheidungsalternative verbleibe. Daher sei das Verfahren bereits mit der Rücknahmeerklärung des Verurteilten beendet (vgl. OLG Düsseldorf , Beschluss vom 7. Februar 1994 – 3 Ws 27/94, NStZ 1994, 454 f.; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. Januar 1992 – 1 Ws 273/91; MDR 1992, 595 f.; KG, Beschluss vom 3. April 2001 – 1 AR 284/015 Ws 154/01; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 2. April 2001 – 1 Ws 170-172/01, NStZ-RR 2001, 311; KK/Appl aaO § 462a Rn. 23; Arnoldi, NStZ 2001, 503 f.; Bußmann in Matt/Renzikowski, StGB, 2012, § 57 Rn. 14; BeckOK-StGB/von Heintschel-Heinegg, StGB, 31. Ed., § 57 Rn. 10; SK/Paeffgen aaO § 462a Rn. 16; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt aaO § 462a Rn. 12). Dies ist nach einer modifizierenden Ansicht, der auch der Senat folgt, auf Fälle zu beschränken , in denen das endgültige Fehlen der für eine bedingte Entlassung erforderlichen Einwilligung des Verurteilten zweifelsfrei feststeht (vgl. KG, Beschluss vom 4. Dezember 2000 – 1 Ws 462/00, NStZ 2001, 278 ff.; Beschluss vom 19. April 2006 – 1 AR 229/065 Ws 105/06; KK/Appl aaO § 454 Rn. 26; Fischer, StGB, 63. Aufl., § 57 Rn. 19a). Andere Stimmen plädieren dafür, eine Erledigung des Verfahrens nur dann anzunehmen, wenn das Gericht in der Sache entschieden hat (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 6. November 2002 – 1 Ws 490/02; LK/Hubrach, StGB, 12. Aufl., § 57 Rn. 89; Laubenthal JZ 1988, 951, 955).
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bb) Hier ist das Verfahren auch ohne Sachentscheidung des zunächst zuständigen Gerichts aufgrund der wiederholten Erklärungen des Verteidigers erledigt worden, er nehme für den Verurteilten dessen Einwilligung in die bedingte Entlassung zurück.
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(1) Die Einwilligung des Verurteilten ist eine in § 57 Abs. 1 Nr. 3 StGB vorgesehene materiell-rechtliche Voraussetzung für die Bewilligung einer Strafrestaussetzung zur Bewährung. Dabei handelt es sich um eine höchstpersönliche Erklärung, so dass Stellvertretung ausscheidet, während eine Übermittlung der Erklärung durch einen Erklärungsboten zulässig ist (vgl. Gross in Festschrift für Rieß, 2002, S. 691, 696). Gleiches muss für die Zurücknahme der Einwilligung gelten.
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Die Erklärung des Verteidigers eines Verurteilten, er nehme für diesen die erklärte Einwilligung zurück, um später nach einem Wechsel der Gerichtszuständigkeit einen neuen Antrag auf Strafrestaussetzung einzureichen , ließ zunächst nicht eindeutig erkennen, ob sie in Vertretung für den Verurteilten oder als dessen eigene Erklärung abgegeben wurde. Zudem schien ein Willensmangel bei der Rücknahmeerklärung nicht zweifelsfrei auszuschließen zu sein, weil die Rücknahmeerklärung abgegeben wurde, um die Zuständigkeit eines anderen Gerichts herbeizuführen. Im Verfahren über die Strafrestaussetzung ist jedenfalls eine zweifelsfreie Klärung der Frage geboten, ob der Verurteilte in die bedingte Entlassung einwilligt oder eine erklärte Einwilligung endgültig zurückgenommen hat. Die Erklärung des Verteidigers, er nehme für den Verurteilten die von diesem erklärte Einwilligung zurück, um sie nach einer Verlegung des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt im Zuständigkeitsbereich eines anderen Gerichts erneut abzugeben , rechtfertigte noch nicht ohne weiteres die Annahme einer Erledigung des Verfahrens.
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(2) Jedoch hat der Verteidiger nach Rückfrage durch den Senat versichert , er habe die Einwilligung ausdrücklich nach Rücksprache mit dem Mandanten gegenüber beiden Gerichten erklärt. Hiernach ist von einer Be- endigung des Verfahrens des Landgerichts Potsdam auszugehen. Auf das Motiv für die Rücknahmeerklärung kommt es nicht an.
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Zwar erscheint die Rücknahme der Einwilligung in die Strafrestaussetzung zur Bewährung im Hinblick auf die gesetzlich geregelten Gerichtszuständigkeiten (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) bedenklich, wenn sie nur darauf abzielt, die Zuständigkeit eines anderen Gerichts herbeizuführen und anschließend durch eine neue Einwilligungserklärung ersetzt zu werden. Der gesetzlichen Regelung in § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB und in den §§ 454, 462a StPO ist die Erteilung einer Einwilligungserklärung nur für ein konkretes Verfahren gegenüber einem bestimmten Gericht fremd (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 18. März 2013 – III-3 Ws 71/13).
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Jedoch hat der Verurteilte zwischenzeitlich nach Anhörung auch gegenüber dem Landgericht Stendal eine entsprechende Erklärung abgegeben. Sein eindeutig erklärter Rücknahmewille ist in diesem Fall beachtlich, da die Gerichte sich darüber nicht durch Bewilligung einer Strafrestaussetzung zur Bewährung hinwegsetzen können.

III.

30
1. Im Verfahren gemäß § 119a StVollzG (BT-Drucks. 17/9874 S. 28 f.) sind die Voraussetzungen einer Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, § 14 StPO gegeben. Auch insoweit streiten die Landgerichte Stendal und Potsdam um die Zuständigkeit. Der Bundesgerichtshof ist das gemeinsame obere Gericht.
31
2. Zuständig ist – insoweit im Einklang mit dem Antrag des Generalbundesanwalts – die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Stendal, jedoch ist das Verfahren noch beim Landgericht Potsdam anhängig. Der Senat hat nur letzteres festzustellen.
32
Zuständig ist gemäß § 119a Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit § 110 StVollzG die Strafvollstreckungskammer, in deren Bezirk die Vollzugsbehörde ihren Sitz hat. Die Dauer des vom Gericht zu überprüfenden Zeitraums ist in § 119a Abs. 3 Satz 1 StVollzG mit zwei Jahren festgesetzt und kann verlängert , aber nicht abgekürzt werden. In dem Überprüfungszeitraum kann es zu einer Zuständigkeitsänderung durch Verlegung des Verurteilten in eine Justizvollzugsanstalt im Bezirk eines anderen Gerichts kommen, weil das Gesetz für das Verfahren nach § 119a StVollzG, anders als im Verfahren nach § 462a StPO, keine Fortwirkung der zuerst begründeten Gerichtszuständigkeit vorsieht (vgl. BeckOK-Strafvollzug-Bund/Euler, StVollzG, 8. Ed., § 110 Rn. 5).
33
Zur Zeit des Fristablaufs und zur Zeit des Überprüfungsantrags der Staatsanwaltschaft war das Landgericht Potsdam für die Überprüfung nach § 119a Abs. 1 StVollzG zuständig. Nach der Verlegung des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt B. wurde das Landgericht Stendal zuständig. Dorthin kann das Verfahren verwiesen werden, was aber bisher nicht geschehen ist. Eine Verweisung ist auch dem Vorlagebeschluss des Landgerichts Potsdam vom 2. November 2015 nicht zu entnehmen. Daher hat der Senat nur festzustellen, dass das Verfahren zur Überprüfung der Gesetzmäßigkeit der Maßnahmen im Behandlungsvollzug beim Landgericht Potsdam anhängig ist.

IV.

34
Es wird festgestellt, dass das Verfahren vor dem Senat durch zeitweilige , insbesondere krankheitsbedingte Abwesenheit verschiedener Senats- mitglieder, die an der anfänglichen Beratung teilgenommen haben, verzögert worden ist. RiBGH Prof. Dr. Krehl ist gehindert zu unterschreiben. Fischer Fischer Eschelbach Bartel Grube