Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Juni 2015 - 2 ARs 113/15
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
- 1
- 1. Zur Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Bochum vom 18. Juli 2007 (Az. II-1 KLs 43 Js 601/06-22/07) verhängten Freiheitsstrafe fand der Verurteilte am 11. Mai 2013 Aufnahme in die Justizvollzugsanstalt DuisburgHamborn. Seine Entlassung erfolgte - nach Zurückstellung der Vollstreckung der Restfreiheitsstrafe gemäß § 35 BtMG - am 3. Juni 2013. Mit Beschluss vom 13. Januar 2014 setzte das Landgericht Bochum die Vollstreckung des Strafrests zur Bewährung aus.
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- Bereits zuvor hatte das Amtsgericht Duisburg mit Beschluss vom 13. November 2013 die Vollstreckung einer mit Urteil vom 15. Januar 2013 (Az. 82 Ds 332 Js 804/12-232/12) gegen den Verurteilten verhängten Freiheitsstrafe ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt.
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- Streitig ist, welchem Gericht die Entscheidung über den von der Staatsanwaltschaft beantragten Widerruf der beiden Strafaussetzungen obliegt. Die Landgerichte Bochum, Essen und Duisburg haben jeweils ihre Zuständigkeit verneint. Das Landgericht Bochum hat die Sache gemäß § 14 StPO dem Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt.
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- 2. Zuständig für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzungen ist die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg.
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- Mit der Aufnahme des Verurteilten in die zu ihrem Bezirk gehörende Justizvollzugsanstalt wurde die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg für alle den Verurteilten betreffenden nachträglichen Entscheidungen zuständig (§ 462a Abs. 1 Satz 1 StPO). Diese einmal begründete Zuständigkeit wirkte auch nach Entlassung des Verurteilten am 3. Juni 2013 für Nachtragsentscheidungen nach Aussetzung des Strafrests zur Bewährung fort (§ 462a Abs. 1 Satz 2 StPO).
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- Die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg blieb auch nach der im Oktober 2014 erfolgten Aufnahme des Verurteilten in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne und (anschließend) in die Justizvollzugsanstalt Essen für die Entscheidung über den Widerruf der Bewährung zuständig, da sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit dieser Sache „befasst“ im Sinne des § 462a Abs. 1 Satz 1 StPO war. Dafür ausreichend ist, dass Tatsachen aktenkundig werden, die eine Entscheidung, wie zum Beispiel einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, rechtfertigen können (Senatsbeschluss vom 14. August 1981 - 2 StR 174/81, BGHSt 30, 189, 191; Appl in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl., § 462a Rn. 17, 18). Eine solche Tatsache war hier der Eingang der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Duisburg vom 10. Januar 2014.
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- Nach dem Konzentrationsgrundsatz des § 462a Abs. 4 StPO obliegt der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Duisburg auch die Bewährungsüberwachung und die insoweit zu treffenden Entscheidungen hinsichtlich der vom Amtsgericht Duisburg mit Beschluss vom 13. November 2013 ausgesetzten Strafe (vgl. Senatsbeschluss vom 21. Juli 2006 - 2 ARs 302/06, NStZ-RR 2007, 94, 95).
Ott Bartel
Annotations
(1) Ist jemand wegen einer Straftat zu einer Freiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren verurteilt worden und ergibt sich aus den Urteilsgründen oder steht sonst fest, daß er die Tat auf Grund einer Betäubungsmittelabhängigkeit begangen hat, so kann die Vollstreckungsbehörde mit Zustimmung des Gerichts des ersten Rechtszuges die Vollstreckung der Strafe, eines Strafrestes oder der Maßregel der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für längstens zwei Jahre zurückstellen, wenn der Verurteilte sich wegen seiner Abhängigkeit in einer seiner Rehabilitation dienenden Behandlung befindet oder zusagt, sich einer solchen zu unterziehen, und deren Beginn gewährleistet ist. Als Behandlung gilt auch der Aufenthalt in einer staatlich anerkannten Einrichtung, die dazu dient, die Abhängigkeit zu beheben oder einer erneuten Abhängigkeit entgegenzuwirken.
(2) Gegen die Verweigerung der Zustimmung durch das Gericht des ersten Rechtszuges steht der Vollstreckungsbehörde die Beschwerde nach dem Zweiten Abschnitt des Dritten Buches der Strafprozeßordnung zu. Der Verurteilte kann die Verweigerung dieser Zustimmung nur zusammen mit der Ablehnung der Zurückstellung durch die Vollstreckungsbehörde nach den §§ 23 bis 30 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz anfechten. Das Oberlandesgericht entscheidet in diesem Falle auch über die Verweigerung der Zustimmung; es kann die Zustimmung selbst erteilen.
(3) Absatz 1 gilt entsprechend, wenn
- 1.
auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von nicht mehr als zwei Jahren erkannt worden ist oder - 2.
auf eine Freiheitsstrafe oder Gesamtfreiheitsstrafe von mehr als zwei Jahren erkannt worden ist und ein zu vollstreckender Rest der Freiheitsstrafe oder der Gesamtfreiheitsstrafe zwei Jahre nicht übersteigt
(4) Der Verurteilte ist verpflichtet, zu Zeitpunkten, die die Vollstreckungsbehörde festsetzt, den Nachweis über die Aufnahme und über die Fortführung der Behandlung zu erbringen; die behandelnden Personen oder Einrichtungen teilen der Vollstreckungsbehörde einen Abbruch der Behandlung mit.
(5) Die Vollstreckungsbehörde widerruft die Zurückstellung der Vollstreckung, wenn die Behandlung nicht begonnen oder nicht fortgeführt wird und nicht zu erwarten ist, daß der Verurteilte eine Behandlung derselben Art alsbald beginnt oder wieder aufnimmt, oder wenn der Verurteilte den nach Absatz 4 geforderten Nachweis nicht erbringt. Von dem Widerruf kann abgesehen werden, wenn der Verurteilte nachträglich nachweist, daß er sich in Behandlung befindet. Ein Widerruf nach Satz 1 steht einer erneuten Zurückstellung der Vollstreckung nicht entgegen.
(6) Die Zurückstellung der Vollstreckung wird auch widerrufen, wenn
- 1.
bei nachträglicher Bildung einer Gesamtstrafe nicht auch deren Vollstreckung nach Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 3 zurückgestellt wird oder - 2.
eine weitere gegen den Verurteilten erkannte Freiheitsstrafe oder freiheitsentziehende Maßregel der Besserung und Sicherung zu vollstrecken ist.
(7) Hat die Vollstreckungsbehörde die Zurückstellung widerrufen, so ist sie befugt, zur Vollstreckung der Freiheitsstrafe oder der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt einen Haftbefehl zu erlassen. Gegen den Widerruf kann die Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszuges herbeigeführt werden. Der Fortgang der Vollstreckung wird durch die Anrufung des Gerichts nicht gehemmt. § 462 der Strafprozeßordnung gilt entsprechend.
Besteht zwischen mehreren Gerichten Streit über die Zuständigkeit, so bestimmt das gemeinschaftliche obere Gericht das Gericht, das sich der Untersuchung und Entscheidung zu unterziehen hat.
(1) Wird gegen den Verurteilten eine Freiheitsstrafe vollstreckt, so ist für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen die Strafvollstreckungskammer zuständig, in deren Bezirk die Strafanstalt liegt, in die der Verurteilte zu dem Zeitpunkt, in dem das Gericht mit der Sache befaßt wird, aufgenommen ist. Diese Strafvollstreckungskammer bleibt auch zuständig für Entscheidungen, die zu treffen sind, nachdem die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe unterbrochen oder die Vollstreckung des Restes der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt wurde. Die Strafvollstreckungskammer kann einzelne Entscheidungen nach § 462 in Verbindung mit § 458 Abs. 1 an das Gericht des ersten Rechtszuges abgeben; die Abgabe ist bindend.
(2) In anderen als den in Absatz 1 bezeichneten Fällen ist das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig. Das Gericht kann die nach § 453 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an das Amtsgericht abgeben, in dessen Bezirk der Verurteilte seinen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthaltsort hat; die Abgabe ist bindend. Abweichend von Absatz 1 ist in den dort bezeichneten Fällen das Gericht des ersten Rechtszuges zuständig, wenn es die Anordnung der Sicherungsverwahrung vorbehalten hat und eine Entscheidung darüber gemäß § 66a Absatz 3 Satz 1 des Strafgesetzbuches noch möglich ist.
(3) In den Fällen des § 460 entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges. Waren die verschiedenen Urteile von verschiedenen Gerichten erlassen, so steht die Entscheidung dem Gericht zu, das auf die schwerste Strafart oder bei Strafen gleicher Art auf die höchste Strafe erkannt hat, und falls hiernach mehrere Gerichte zuständig sein würden, dem Gericht, dessen Urteil zuletzt ergangen ist. War das hiernach maßgebende Urteil von einem Gericht eines höheren Rechtszuges erlassen, so setzt das Gericht des ersten Rechtszuges die Gesamtstrafe fest; war eines der Urteile von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen, so setzt das Oberlandesgericht die Gesamtstrafe fest. Wäre ein Amtsgericht zur Bildung der Gesamtstrafe zuständig und reicht seine Strafgewalt nicht aus, so entscheidet die Strafkammer des ihm übergeordneten Landgerichts.
(4) Haben verschiedene Gerichte den Verurteilten in anderen als den in § 460 bezeichneten Fällen rechtskräftig zu Strafe verurteilt oder unter Strafvorbehalt verwarnt, so ist nur eines von ihnen für die nach den §§ 453, 454, 454a und 462 zu treffenden Entscheidungen zuständig. Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. In den Fällen des Absatzes 1 entscheidet die Strafvollstreckungskammer; Absatz 1 Satz 3 bleibt unberührt.
(5) An Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheidet das Gericht des ersten Rechtszuges, wenn das Urteil von einem Oberlandesgericht im ersten Rechtszuge erlassen ist. Das Oberlandesgericht kann die nach den Absätzen 1 und 3 zu treffenden Entscheidungen ganz oder zum Teil an die Strafvollstreckungskammer abgeben. Die Abgabe ist bindend; sie kann jedoch vom Oberlandesgericht widerrufen werden.
(6) Gericht des ersten Rechtszuges ist in den Fällen des § 354 Abs. 2 und des § 355 das Gericht, an das die Sache zurückverwiesen worden ist, und in den Fällen, in denen im Wiederaufnahmeverfahren eine Entscheidung nach § 373 ergangen ist, das Gericht, das diese Entscheidung getroffen hat.