Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2013 - 1 StR 667/12

published on 21/03/2013 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 21. März 2013 - 1 StR 667/12
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 667/12
vom
21. März 2013
in der Strafsache
gegen
wegen gefährlicher Körperverletzung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 21. März 2013 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 8. Oktober 2012 im Strafausspruch aufgehoben. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.
2
Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Sein Rechtsmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
3
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts stach der Angeklagte im Rahmen einer körperlichen Auseinandersetzung dem Geschädigten mit einem unbekannten Gegenstand, vermutlich einem metallenen Schlüsselanhänger, wuchtig in den Unterbauch und fügte diesem hierdurch eine sieben Zentimeter tiefe Stichwunde mit einem Durchmesser von etwa zwei Zentimetern zu.
4
Nur aufgrund glücklicher Umstände und der adipösen Konstitution des Geschädigten kam es nicht zu einer Verletzung innerer Organe, zu einer Eröffnung der Bauchhöhle oder zu einer Durchtrennung wichtiger Blutgefäße. Es bestand allerdings abstrakte Lebensgefahr.
5
Der Angeklagte begann nach dem Stich zu weinen und sich beim Geschädigten , der keine Schmerzen verspürte und die nur wenig blutende Wunde nicht als ernsthafte Verletzung ansah, zu entschuldigen. Er bot dem Geschädigten an, ihn ins Krankenhaus zu fahren. Dieser lehnte ab, indem er auch sagte , die Verletzung sei nicht so schlimm und alles sei in Ordnung.
6
Die Wunde verheilte folgenlos; die Narbe ist noch sichtbar. Psychische Folgen beim Geschädigten, der an der Strafverfolgung nicht interessiert war, traten nicht ein.
7
Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte den Tod des Geschädigten billigend in Kauf genommen hat, aber strafbefreiend von einem unbeendeten Versuch (bei korrigiertem Rücktrittshorizont, UA S. 52) zurückgetreten ist.
8
Das Landgericht hat das Vorliegen einer gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 5 StGB) bejaht.
9
2. Der Schuldspruch hält rechtlicher Nachprüfung stand (§ 349 Abs. 2 StPO). Der Strafausspruch weist hingegen einen Rechtsfehler auf (§ 349 Abs. 4 StPO).
10
Das Landgericht hat bei der Verneinung eines minder schweren Falles der gefährlichen Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 a.E. StGB) u.a. strafschärfend gewertet, dass der Tathandlung "eine hohe Gefährlichkeit" innewohnte (UA S. 55). Dies lässt einen Verstoß gegen § 46 Abs. 3 StGB besorgen.
11
Die vom Landgericht rechtsfehlerfrei angenommene Tatbegehung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung (§ 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB) beinhaltet eine hohe Gefährlichkeit der Tathandlung. Eine konkrete Gefährdung kann das Landgericht nicht gemeint haben, weil diese im vorliegenden Fall nicht eingetreten war. Es kommt daher als Überlegung des Landgerichts nur eine abstrakte Gefährdung in Betracht. Diese wird aber gerade von § 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB erfasst.
12
Es kann deshalb hier offen bleiben, ob "eine hohe Gefährlichkeit" grundsätzlich bereits durch die ebenfalls verwirklichte Alternative des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB (mittels eines anderen gefährlichen Werkzeugs) gegeben ist.
13
Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich dieser Rechtsfehler in der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten ausgewirkt hat.
14
Der Strafausspruch war daher aufzuheben. Die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen sind von dem Wertungsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben. Weitere nicht in Widerspruch stehende Feststellungen können insoweit getroffen werden.
15
Der neue Tatrichter wird auch Gelegenheit haben, die Voraussetzungen des § 46a StGB intensiver als geschehen zu prüfen.
16
Der Senat hat die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen, da dessen Zuständigkeit nach Wegfall des (versuchten) Tötungsdelikts zur Erledigung ausreicht (BGH NJW 1994, 3304, 3305). Richter am BGH Dr. Wahl ist wegen Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert. Rothfuß Rothfuß Graf Radtke Zeng
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.

(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:

die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende,die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille,das Maß der Pflichtwidrigkeit,die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat,das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowiesein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.

(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.

(1) Wer die Körperverletzung

1.
durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen,
2.
mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs,
3.
mittels eines hinterlistigen Überfalls,
4.
mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder
5.
mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung
begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

Hat der Täter

1.
in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich), seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wiedergutgemacht oder deren Wiedergutmachung ernsthaft erstrebt oder
2.
in einem Fall, in welchem die Schadenswiedergutmachung von ihm erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert hat, das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt,
so kann das Gericht die Strafe nach § 49 Abs. 1 mildern oder, wenn keine höhere Strafe als Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe bis zu dreihundertsechzig Tagessätzen verwirkt ist, von Strafe absehen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.