Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2019 - 1 StR 598/18

published on 28/03/2019 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 28. März 2019 - 1 StR 598/18
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 598/18
vom
28. März 2019
in der Strafsache
gegen
wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht
geringer Menge u.a.
ECLI:DE:BGH:2019:280319B1STR598.18.0


Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung der Beschwerdeführerin und des Generalbundesanwalts am 28. März 2019 gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Weiden i.d. OPf. vom 16. Juli 2018, soweit es sie betrifft, mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Amberg zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision der Angeklagten hat mit der Sachrüge Erfolg. Eines Eingehens auf die Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
2
I. Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
3
1. Der nicht revidierende Mitangeklagte W. und die Angeklagte unterhielten seit etwa September/Oktober 2017 eine Liebesbeziehung. Ab diesem Zeitraum lebte der Mitangeklagte auch in der Wohnung der Angeklagten, in die er Marihuana verbrachte, um es dort zu portionieren, verpacken und anschließend gewinnbringend weiterzuverkaufen. Der Mitangeklagte, der die Betäubungsmittel von einem unbekannt gebliebenen Lieferanten erworben hatte, wickelte seine Betäubungsmittelgeschäfte vornehmlich über soziale Messenger -Dienste im Internet mit seinen Abnehmern ab. Diese erschienen nunmehr in der vom Mitangeklagten mitbewohnten Wohnung der Angeklagten, um das erworbene Marihuana in Empfang zu nehmen. Der Mitangeklagte verwahrte die zum Verkauf bestimmten, bereits von ihm portionierten Betäubungsmittel in einem versperrten Werkzeugkoffer, der in einer Metallkiste im Schlafzimmer der Wohnung verstaut war.
4
Die Angeklagte wusste, dass der Mitangeklagte W. größere Mengen Marihuana in ihre Wohnung zum gewinnbringenden Weiterverkauf verbrachte und dort vorrätig hielt. Sie war auch damit einverstanden, dass die Abnehmer in die Wohnung kamen, um das erworbene Marihuana vom Mitangeklagten im Schlafzimmer in Empfang zu nehmen. Des Weiteren vereinbarte sie mit dem Mitangeklagten W. zu einem nicht bezeichneten Zeitpunkt, in ihrem Freundeskreis weitere Abnehmer für das vorrätige Marihuana zu akquirieren , „was sie auf der Grundlage der gemeinsamen Vereinbarung auch bereits in der Vergangenheit so machte“. Darüber hinaus sollte sie im Falle der Ver- hinderung des Mitangeklagten die Übergabe der Drogen auf dessen „Geheiß“ an die Abnehmer durchführen und den Kaufpreis, den der Mitangeklagte auf Verhandlungsbasis und Verfügbarkeit der Betäubungsmittel im Einzelfall festlegte , von diesen entgegennehmen, was sie „bereits in der Vergangenheit gele- gentlich machte“. Die Angeklagte wusste, wo der Schlüssel zum versperrten Werkzeugkoffer aufbewahrt wurde, und hatte somit jederzeit Zugriff auf die Betäubungsmittel.
5
Am 7. November 2017 verwahrte der Mitangeklagte W. im Werkzeugkoffer 991,01 Gramm Marihuana mit einem Wirkstoffgehalt von rund 13 % THC zum gewinnbringenden Weiterverkauf im Schlafzimmer der gemeinsamen Wohnung, was die Angeklagte wusste und zuließ. Das Rauschgift hatte der Mitangeklagte in 49 Druckverschlusstüten zu 5, 20 und 50 Gramm verkaufsfertig portioniert. Im Heizungsraum im Keller des Hauses bewahrten beide Angeklagte zudem 2,5 Gramm Metamphetamin sowie57,47 Gramm Marihuana und neun fertig gedrehte Joints auf, die zum Eigenverbrauch bestimmt waren.Der Angeklagten war es seitens des Mitangeklagten „gestattet, sich frei für ihren Eigenkonsum an diesen Drogen zu bedienen“.
6
2. Das Landgericht hat die Angeklagte wegen der im Schlafzimmer ihrer Wohnung aufgefundenen Betäubungsmittel wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge verurteilt. Die Angeklagte habe dem Mitangeklagten W. ihre Wohnung auch dazu zur Ver- fügung gestellt, dass dieser darin die von ihm „weiter zu veräußernden Drogen aufbewahren“ und in der Wohnung auch seine Drogengeschäfte abwickeln konnte. Sie habe in dem Bewusstsein gehandelt, dass es bereits in der Vergangenheit zu einer Vielzahl an Drogenverkaufsvorgängen in der Wohnung im Schlafzimmer gekommen sei. In diesem Bewusstsein habe sie auch dem Mitangeklagten weiterhin ihre Wohnung zur Verfügung gestellt, so dass im konkreten – allein anklagegegenständlichen – Fall eine Beihilfehandlung zu sehen sei. Zudem sei es seitens beider Angeklagter „angedacht“ gewesen – „wie in der Vergangenheit bereits auch geschehen“ –, dass die Angeklagte im Hinblick auf die Handelsmenge von 991 Gramm Abnehmer in ihrem Freundeskreis suche und im Falle der Verhinderung des Mitangeklagten bei dem Verkaufsvorgang in dessen Auftrag tätig werde.
7
II. Die Verurteilung der Angeklagten wegen Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (§ 29a Abs. 1 Nr. 2 BtMG, § 27 StGB) hält sachlich-rechtlicher Prüfung nicht stand.
8
1. Das Landgericht stellt bei der rechtlichen Bewertung der Beihilfehandlung der Angeklagten maßgeblich darauf ab, sie habe ihren Lebensgefährten für die von ihm am 7. November 2017 zum gewinnbringenden Weiterverkauf vorrätig gehaltene Handelsmenge an Marihuana in seiner Handelstätigkeit dadurch unterstützt, dass sie ihm hierfür ihre Wohnung zur Verfügung gestellt habe, obwohl sie bereits zuvor von seiner im Wohnbereich betriebenen Handelsstätigkeit Kenntnis hatte. Dieser rechtliche Ansatz ist vorliegend verfehlt.
9
a) Die Tat des Gehilfen ist allein seine Beihilfehandlung (vgl. BGH, Beschluss vom 11. Mai 1999 – 4 StR 162/99, NStZ 1999, 451). Abzustellen ist hierbei – insbesondere bei der Gewichtung des Schuldumfangs der Beihilfehandlung – auf die konkret festzustellenden Beihilfebeiträge. Hierbei erfüllt allein die Kenntnis und Billigung eines Wohnungsinhabers von der Lagerung von Betäubungsmitteln und deren Verkauf aus der Wohnung heraus durch einen Dritten nicht die Voraussetzungen strafbarer Beihilfe. Ebenso wenig begründet es ohne Weiteres die Strafbarkeit des Wohnungsinhabers, dass er gegen den Betäubungsmittelhandel in seiner Wohnung nicht vorgegangen ist. Dies käme vielmehr nur in Betracht, wenn er als Wohnungsinhaber rechtlich verpflichtet gewesen wäre, gegen den in seiner Wohnung betriebenen Betäubungsmittelhandel einzuschreiten (§ 13 Abs. 1 StGB). Eine solche Rechtspflicht des Wohnungsinhabers ist aber grundsätzlich nicht gegeben (vgl. BGH, Beschlüsse vom 30. September 2009 – 2 StR 329/09, NStZ 2010, 221 f.; vom 2. August 2006 – 2 StR 251/06, StraFo 2006, 468, 469 und vom 7. Januar 2003 – 3 StR 414/02, NStZ-RR 2003, 153).
10
b) Gemessen daran hat das Landgericht keine Umstände festgestellt, wonach die Angeklagte bereits durch die Aufnahme des Mitangeklagten W. in ihrer Wohnung diesen bei seinem Betäubungsmittelhandel unterstützt hat. Feststellungen dazu, dass die Angeklagte zu diesem Zeitpunkt von dessen Betäubungsmittelgeschäften Kenntnis hatte oder diesem die Wohnung in der Erwartung zur Verfügung stellte, an den Erlösen des Mitangeklagten in irgendeiner Form zu partizipieren, hat das Landgericht nicht getroffen (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003 – 3 StR 414/02, NStZ-RR 2003, 153). Es hat vielmehr ausgeführt, dass die vom Mitangeklagten zum Eigenkonsum bereit gestellten Betäubungsmittel keine Entlohnung für eine irgendwie geartete Tätigkeit der Angeklagten darstellen.
11
c) Eine rechtliche Verpflichtung der Angeklagten, gegen den Betäubungsmittelhandel ihres Lebensgefährten aus ihrer Wohnung heraus einzuschreiten , lag nicht vor. Umstände, die ausnahmsweise eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2003, aaO), sind nicht festgestellt.
12
2. Bei der Bewertung des Umfangs der Beihilfehandlung für die verfahrensgegenständliche Handelsmenge von 991 Gramm Marihuana wäre das Landgericht demnach gehalten gewesen, auf etwaige hierauf bezogene, konkrete Unterstützungsbeiträge der Angeklagten abzustellen. Insoweit bedarf es jedoch genauerer Feststellungen, insbesondere auch zur subjektiven Tatseite , wodurch die Angeklagte die Haupttat ihres Lebensgefährten im Einzelnen tatsächlich gefördert oder erleichtert hat. Nach den getroffenen Feststellungen ist die Angeklagte jedenfalls nicht in die Beschaffung der Betäubungsmittel eingebunden gewesen. Die Angeklagte hat sich demnach ausschließlich an nicht näher konkretisierten Akquisetätigkeiten, um Abnehmer für Marihuana im Freundes- und Bekanntenkreis zu finden, und „gelegentlichen“, vom Mitangeklagten veranlassten und nicht näher dargestellten Übergaben von Betäubungsmitteln an Abnehmer gegen Bezahlung – und zwar vor der verfahrensgegenständlichen Tat – beteiligt. Danach kommt als etwaige Beihilfehandlung der Angeklagten lediglich ihre Bereitschaft in Betracht, weiterhin solche Tätigkeiten zur Förderung der Haupttat auszuführen. Soweit eine solche Bereitschaftserklärung auf die Angaben des Nichtrevidenten gestützt sein sollte, ist dies jedenfalls nicht rechtsfehlerfrei begründet. Das Landgericht hat nämlich nicht erkennbar bedacht, dass die Angaben des Nichtrevidenten im Zusammenhang mit einer tatsächlichen Verständigung erfolgt sind und deshalb besonders kritischer Würdigung bedürfen, wenn sie die Belastung eines Mitangeklagten enthalten (BGH, Beschluss vom 28. Januar 2014 – 1 StR 562/13, NStZ 2014, 287).
13
3. Die rechtsfehlerhafte Bewertung der Beihilfehandlung führt – ungeachtet des Umstands, dass die verhängte Strafe die Schuld der Angeklagten unvertretbar übersteigt – zur Aufhebung des Schuldspruchs und damit des Urteils insgesamt. Die Aufhebung erfasst auch die an sich rechtsfehlerfreie tateinheitliche Verurteilung wegen Besitzes von Betäubungsmitteln (Eigenkonsummenge im Heizungskeller).
14
Das neue Tatgericht wird genauere Feststellungen zu etwaigen Beihilfehandlungen der Angeklagten zu treffen und diese gegebenenfalls zu gewichten haben. Hierbei könnte es auch auf die Kenntnisse der Angeklagten hinsichtlich des Erwerbs der tatgegenständlichen Betäubungsmittel durch den Mitangeklagten ankommen.
15
III. Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein zu demselben Land gehörendes anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Mit Freiheitsstrafe nicht unter einem Jahr wird bestraft, wer

1.
als Person über 21 JahreBetäubungsmittel unerlaubt an eine Person unter 18 Jahren abgibt oder sie ihr entgegen § 13 Abs. 1 verabreicht oder zum unmittelbaren Verbrauch überläßt oder
2.
mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel treibt, sie in nicht geringer Menge herstellt oder abgibt oder sie besitzt, ohne sie auf Grund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 erlangt zu haben.

(2) In minder schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren.

(1) Als Gehilfe wird bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat.

(2) Die Strafe für den Gehilfen richtet sich nach der Strafdrohung für den Täter. Sie ist nach § 49 Abs. 1 zu mildern.

(1) Wer es unterläßt, einen Erfolg abzuwenden, der zum Tatbestand eines Strafgesetzes gehört, ist nach diesem Gesetz nur dann strafbar, wenn er rechtlich dafür einzustehen hat, daß der Erfolg nicht eintritt, und wenn das Unterlassen der Verwirklichung des gesetzlichen Tatbestandes durch ein Tun entspricht.

(2) Die Strafe kann nach § 49 Abs. 1 gemildert werden.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.