Bundesgerichtshof Beschluss, 14. Apr. 2010 - 1 StR 54/10

bei uns veröffentlicht am14.04.2010

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 54/10
vom
14. April 2010
in der Strafsache
gegen
wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln
in nicht geringer Menge
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. April 2010 gemäß § 349
Abs. 2 und 4 StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2009 dahin abgeändert, dass vor der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt vier Jahre und sieben Monate von den gegen den Angeklagten verhängten Gesamtfreiheitsstrafen zu vollziehen sind. Die weitergehende Revision wird verworfen. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen unter Einbeziehung einer anderen Freiheitsstrafe zu einer ersten Gesamtstrafe von sechs Jahren Freiheitsstrafe und wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 14 Fällen zu einer zweiten Gesamtstrafe von sechs Jahren und zwei Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet und einen Vorwegvollzug von jeder der beiden Gesamtfreiheitsstrafen bestimmt.
2
Die Entscheidung über die Dauer des Vorwegvollzugs war aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts aufgeführten Gründen abzuändern.
3
Die Dauer der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt von 18 Monaten ist nur einmal in Abzug zu bringen, so dass ein Vorwegvollzug von vier Jahren und sieben Monaten der verhängten Gesamtfreiheitsstrafen verbleibt, vgl. BGH, Beschl. vom 19. Januar 2010 - 3 StR 499/09.
4
Der Senat konnte in entsprechender Anwendung von § 354 Abs. 1 StPO den vorab zu vollstreckenden Teil der Strafen selbst festlegen, weil die zur Therapie erforderliche Dauer der Unterbringung festgestellt ist.
5
Im Übrigen ist die Revision unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO. Nack Rothfuß Hebenstreit Elf Graf

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

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Bundesgerichtshof Beschluss, 19. Jan. 2010 - 3 StR 499/09

bei uns veröffentlicht am 19.01.2010

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 3 StR 499/09 vom 19. Januar 2010 in der Strafsache gegen wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u. a. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers und des Generalbundesanwal

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
3 StR 499/09
vom
19. Januar 2010
in der Strafsache
gegen
wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls u. a.
Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschwerdeführers
und des Generalbundesanwalts - zu 2. auf dessen Antrag - am
19. Januar 2010 gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO einstimmig beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wuppertal vom 16. Juli 2009 im Ausspruch über die Reihenfolge der Vollstreckung dahin geändert, dass die Vollziehung von zwei Jahren vier Monaten und zwei Wochen aus beiden verhängten Freiheitsstrafen vor der Unterbringung des Angeklagten in der Entziehungsanstalt angeordnet wird. 2. Die weitergehende Revision wird verworfen. 3. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe:

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen sowie wegen gefährlicher Körperverletzung unter Einbeziehung von Strafen aus zwei Vorverurteilungen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die aufgrund einer der einbezogenen Strafen geleistete gemeinnützige Arbeit mit zwei Wochen nach § 56 f Abs. 3 StGB angerechnet , die Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet und einen Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel von einem Jahr und fünf Monaten bestimmt. Dar- über hinaus hat es den Angeklagten wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt. Hiergegen richtet sich die Revision des Angeklagten mit sachlichrechtlichen Beanstandungen. Das Rechtsmittel hat den aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten erbracht.
2
Grundlage der Gesamtfreiheitsstrafe war unter anderem ein bewaffneter Diebstahl, dessen Beute dem heroinabhängigen Angeklagten zur Finanzierung seines Drogenkonsums dienen sollte. Den besonders schweren räuberischen Diebstahl, der Anlass zu der zweiten Freiheitsstrafe gab, beging der Angeklagte zu einem späteren Zeitpunkt, als seine Sucht bereits mit Methadon substituiert wurde.
3
Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt als solche hält rechtlicher Überprüfung stand. Durchgreifende Bedenken bestehen auch nicht gegen die Formulierung, wegen der Begehung des besonders schweren räuberischen Diebstahls habe die Strafkammer von der Anordnung einer Unterbringung abgesehen, weil insoweit die Voraussetzungen des § 64 StGB nicht vorlägen. Das Landgericht hat damit erkennbar nur zum Ausdruck bringen wollen , dass es diese letzte abgeurteilte Tat nicht als Symptomtat angesehen hat.
4
Die Entscheidung, dass ein Teil der verhängten Strafe vor der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zu vollziehen sei, hält im Grundsatz sachlichrechtlicher Prüfung stand. Sie soll bei zeitigen Freiheitsstrafen von über drei Jahren getroffen werden (vgl. § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB). Umstände, die ausnahmsweise ein Absehen von der teilweisen Vorwegvollstreckung der Strafe ermöglichen würden, sind nicht erkennbar.
5
Rechtsfehlerhaft hat das Landgericht indes den teilweisen Vorwegvollzug der Strafe nur hinsichtlich der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, nicht aber auch für die daneben ausgesprochene Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten angeordnet. Die letztgenannte Strafe ist in dem Urteil verhängt worden, in welchem das Landgericht neben einer Strafe auch eine Unterbringung nach § 64 StGB angeordnet hat. Dass wegen der Zäsurwirkung einer Vorverurteilung zwei getrennte Strafen gebildet werden mussten, ändert daran nichts. Damit ist - anders als in den Fällen der Vollstreckung mehrerer Freiheitsstrafen aus verschiedenen Urteilen (vgl. hierzu Fischer, StGB 57. Aufl. § 67 Rdn. 2 f. m. w. N.) - die Vorschrift über die Reihenfolge der Vollstreckung (§ 67 StGB) auf beide Strafen anzuwenden, sodass auch die Sollvorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB für beide Strafen einheitlich gilt. Ebenso ist die zweite ausgeurteilte Strafe auch bei der durch § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB geregelten Bemessung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der Strafe zu berücksichtigen.
6
Dieses mit dem Wortlaut des Gesetzes in Einklang stehende Ergebnis wird auch dem Sinn von § 67 Abs. 2 Satz 3 StGB gerecht. Danach soll durch das Abstellen auf einen Zeitpunkt, zu dem gemäß § 67 Abs. 5 Satz 1 StGB eine Aussetzung des Strafrests zur Bewährung nach Erledigung der Hälfte der Strafe möglich ist, ein Anreiz für die Therapie gegeben und eine Entlassung nach deren erfolgreichem Abschluss ermöglicht werden, um den Verurteilten nicht erneut in den Vollzug der Freiheitsstrafe zurückverlegen oder ihn länger als erforderlich im Maßregelvollzug belassen zu müssen.
7
Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden. Auch unter Berücksichtigung der zweiten Strafe sind keine Umstände ersichtlich, die Anlass geben könnten, von der Soll-Vorschrift des § 67 Abs. 2 Satz 2 StGB abzuweichen. Die für die Berechnung des Vorwegvollzugs erforderlichen Grundlagen sind sämtlich rechtsfehlerfrei festgestellt worden (vgl. BGHR StPO § 354 Abs. 1 Maßregelausspruch 1). Danach dauert die Therapie des Angeklagten voraussichtlich neun Monate. Die Summe beider Strafen beträgt sechs Jahre und drei Monate, die Hälfte hiervon sind drei Jahre, ein Monat und 2 Wochen. Somit sind zwei Jahre vier Monate und 2 Wochen Freiheitsstrafe vor der Unterbringung zu vollziehen. In diesen Vorwegvollzug ist die erlittene Untersuchungshaft einzurechnen (BGH NStZ-RR 2009, 234); Gleiches gilt für die Anrechnung nach § 56 f Abs. 3 StGB.
8
Der teilweise Erfolg des Rechtsmittels ist nicht von einer solchen Bedeutung , dass es unbillig wäre, den Beschwerdeführer mit den Gebühren und Auslagen in vollem Umfang zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Becker Pfister von Lienen Hubert Schäfer

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.