BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
1 StR 530/12
vom
20. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 20. November 2012 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Kempten (Allg.) vom 11. Juli 2012 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
Die Verfahrensrüge, das Landgericht habe unter Verletzung von
§ 261 StPO die Inhalte von zwei SMS im Urteil verwertet, ohne diese zuvor in die Hauptverhandlung
eingeführt zu haben, bleibt ohne Erfolg.
Mit dieser Rüge macht die Revision geltend, das Landgericht habe hinsichtlich
der Verurteilung des Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zum
Nachteil der Zeugin R. das Fehlen ihrer Einwilligung in das Zuziehen der um
ihren Hals gelegten Kette auf den Inhalt von zwei SMS der Zeugin vom
11. September 2010 gestützt, ohne dass diese in der Hauptverhandlung verlesen
oder im Selbstleseverfahren bzw. durch Bericht eines Kammermitglieds
oder über einen Vorhalt gegenüber der Zeugin in die Hauptverhandlung eingeführt
worden seien.
Bereits das Vorliegen des Verfahrensfehlers ist nicht erwiesen. Ausweislich einer
handschriftlichen Notiz des Kammervorsitzenden vom 18. September 2012
(Bl. 378 Bd. II d.A.) wurden die SMS der Zeugin vorgelesen, die sich dazu erklärt
habe. Dies findet eine Bestätigung in einem Vermerk der Sitzungsvertreterin
der Staatsanwaltschaft vom 3. Oktober 2012 (Bl. 392 Bd. II d.A.). Danach
wurden die fraglichen SMS im Rahmen der Vernehmung der Zeugin R. in
der Hauptverhandlung inhaltlich thematisiert.
Im Übrigen würde das Urteil auch nicht auf dem behaupteten Verfahrensverstoß
beruhen. Die Revision meint, das Tatgericht habe das Fehlen einer Einwilligung
der Zeugin auf den Inhalt der fraglichen SMS gestützt. Aus den Urteilsgründen
, auf die der Senat wegen der zugleich erhobenen Sachrüge in vollem
Umfang zugreifen kann, ergibt sich jedoch, dass der Angeklagte und die Zeugin
R. übereinstimmend angegeben haben, über das Zuziehen der um den
Hals der Zeugin gelegten Kette sei zuvor nicht gesprochen worden. Auf der
Grundlage dieser rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen
lag eine Einwilligung
der Zeugin mit dem zeitweiligen Würgen mittels der Kette unabhängig von
den Inhalten der fraglichen SMS nicht vor. Einer Einwilligung, gleich ob ausdrücklich
oder konkludent erklärt, kommt nur dann rechtfertigende Wirkung zu,
wenn die über das betroffene Rechtsgut dispositionsbefugte Person mit voller
Kenntnis der Sachlage der Rechtsgutsbeeinträchtigung zustimmt. Der Einwilligende
muss also eine zutreffende Vorstellung von dem voraussichtlichen Verlauf
und den zu erwartenden Folgen des Angriffs haben (Fischer,
StGB,
59. Aufl., 2012, § 228 Rn. 5 mwN). Gerade das war aber bei der Zeugin R.
wegen des Fehlens jeglicher vorheriger Verständigung über das Würgen mit
der Kette nicht der Fall.
Auch für den Ausschluss einer Verurteilung des Angeklagten wegen vorsätzlicher
Körperverletzung kommt es auf den Inhalt der SMS nicht an. Selbst wenn
der Angeklagte irrtümlich davon ausgegangen sein sollte, die Zeugin gehöre
der „SM-Szene“ an, würde eine solche Fehlvorstellung der Bestrafung aus dem
Vorsatzdelikt nicht entgegenstehen. Denn auch auf dieser tatsächlichen Grundlage
hätte mangels Verständigung über das Zuziehen der Kette keine rechtfertigende
Einwilligung vorliegen können. Die für eine solche Rechtfertigung erforderliche
Kenntnis des Einwilligenden über Art und Intensität der bevorstehenden
Rechtsgutsbeeinträchtigung fehlte auf der Grundlage des vom Angeklagten
und der Zeugin angegebenen Geschehensablaufs ebenfalls völlig unabhängig
von dem, was diese dem Angeklagten in den fraglichen SMS nach der Tat mitgeteilt
hat.
Nack Wahl Rothfuß
Sander Radtke