Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Nov. 2006 - 1 StR 434/06

bei uns veröffentlicht am09.11.2006

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 434/06
vom
9. November 2006
in der Strafsache
gegen
wegen schwerer räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. November 2006 beschlossen
:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts
Ravensburg vom 12. April 2006 im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine
andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schwerer räuberischer Erpressung zu sechs Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt und seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet.
2
Die Revision erstrebt mit der Sach- und mehreren Formalrügen die umfassende Aufhebung des Urteils. Der Rüge der Verletzung materiellen Rechts bleibt der Erfolg aus den von dem Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 6. September 2006 dargestellten Gründen versagt (§ 349 Abs. 2 StPO). Demgegenüber hat der Rechtsfolgenausspruch wegen der Verletzung formellen Rechts keinen Bestand.

I.

3
A) Mit den Verfahrensrügen beanstandet die Revision die Verwertung von Erkenntnissen, die nicht oder aufgrund unzutreffender rechtlicher Grundlage in die Hauptverhandlung eingeführt wurden (Verstoß insbesondere gegen § 261 StPO): 1. Aus den Urteilsgründen der Vorverurteilung durch das Landgericht Memmingen vom 13. September 1990 wird in der angefochtenen Entscheidung umfassend detailliert zitiert. Die Sitzungsniederschrift enthält nichts darüber, dass dieses Urteil des Amtsgerichts Memmingen verlesen worden wäre. Die Möglichkeit der Einführung auf andere Weise, etwa durch Vorhalt, scheidet aus. 2. Aus den Urteilsgründen der Vorverurteilung durch das Amtsgericht Freiburg vom 30. Mai 1994 wird ebenfalls umfassend wörtlich zitiert. Die Sitzungsniederschrift enthält auch nichts darüber, dass dieses Urteil verlesen worden wäre. Die Möglichkeit der Einführung auf andere Weise, etwa durch Vorhalt, scheidet auch hier aus. 3. Das Gutachten der Universitätsklinik U. zur Blutalkoholbestimmung beim Angeklagten vom 25. Oktober 2005 wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift nicht gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 StPO, sondern nach entsprechender Beschlussfassung - entgegen § 251 Abs. 4 Satz 2 StPO ohne weitere Begründung - „gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO verlesen“. 4. Das Gutachten Dr. M. vom 16. Dezember 2005 über die immunologische und chemische Untersuchung des Blutes des Angeklagten wurde ebenfalls ohne weitere Begründung „gemäß § 251 Abs. 2 Satz 1 StPO verlesen“. 5. Die Urteilsgründe enthalten tagesgenaue Feststellungen zu Haft- und Therapiezeiten aufgrund von Vorverurteilungen. Die Sitzungsniederschrift enthält nichts über die Verlesung von Urkunden, wie etwa Vollstreckungsheften , denen dies hätte entnommen werden können. Die Möglichkeit der Einführung auf andere Weise, etwa durch Vorhalte, scheidet auch hier aus. 6. In der Hauptverhandlung wurde ausweislich der Sitzungsniederschrift B. , Sachverständiger für Neurologie und Psychiatrie, als Sachverständiger belehrt, vernommen und nach § 79 Abs. 1 StPO unbeeidigt entlassen, nicht jedoch als Zeuge vernommen. Die Urteilsgründe enthalten hierzu folgende Passage: „Die Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten beruhen auf seinen Einlassungen. Seine Angaben werden bestätigt und ergänzt durch die verlässliche Schilderung des insoweit als Zeugen gehörten psychiatrischen Sachverständigen Dr. B. , der den Angeklagten explorierte.“
4
B) Die Berichterstatterin gab zum Revisionsvortrag am 21. Juli 2006 folgende dienstliche Erklärung ab: "Sowohl das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 13.09.1990 ... als auch das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 30.05.1994 … wurden hinsichtlich der wesentlichen Teile in der Hauptverhandlung verlesen. Die im Urteil des Landgerichts Ravensburg vom 12.04.2006 als verlesen aufgeführten Urteile sind lediglich im Sitzungsprotokoll nicht als verlesen vermerkt.
Soweit im Urteil auf Blatt 202 [der Akten - das Urteil hat 23 Seiten] ausgeführt ist, dass der psychiatrische Sachverständige Dr. B. als Zeuge gehört wurde, ist anzumerken, dass es sich hierbei offensichtlich um einen Übertragungsfehler handelt. Ich hatte offensichtlich versehentlich diesen Satz als Baustein aus einem anderen Urteil ohne Prüfung übernommen. Eine Vernehmung des Sachverständigen als Zeuge erfolgte nicht, nachdem die persönlichen Verhältnisse aufgrund umfassender Angaben des Angeklagten festgestellt werden konnten.“
5
Der Richter, der die Hauptverhandlung leitete, vermerkte am 26. Juli 2006 handschriftlich auf der dienstlichen Äußerung der Berichterstatterin: „Ich schließe mich der Stellungnahme der Berichterstatterin an und mache mir ihre Erklärung zu Eigen.“
6
Die Urkundsbeamtin gab am 1. August 2006 folgende dienstliche Stellungnahme ab: „Nachdem es bei der 2. Kammer nicht üblich ist, die verlesenen Vorstrafen im Protokoll zu vermerken, habe ich die Verlesung der Vorstrafen auch nicht im Protokoll aufgenommen. Kann jedoch, nachdem mir der Sachverhalt der Vorstrafen der Berichterstatterin [sic!] erzählt worden ist, sagen, dass diese nach meiner Erinnerung in der Verhandlung verlesen worden sind.“

II.

7
Die Revision hat schon mit der Beanstandung des oben unter Nr. 6 geschilderten Sachverhalts - im Hinblick auf den Rechtsfolgenausspruch - Erfolg. Ausweislich der Sitzungsniederschrift steht fest (§ 274 Satz 1 StPO), dass der Sachverständige Dr. B. nicht als Zeuge vernommen wurde. Dies deckt sich auch - ohne, dass es hierauf allerdings revisionsrechtlich ankommt - mit den dienstlichen Erklärungen der Berufsrichter. Gleichwohl hat die Strafkammer ausweislich der Urteilsgründe „die verlässliche Schilderung des insoweit als Zeugen gehörten psychiatrischen Sachverständigen Dr. B. “, - also über die Verwertung von Befundtatsachen hinaus - ihren Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen jedenfalls ergänzend zugrunde gelegt. Die Strafkammer hat somit unter Verstoß gegen § 261 StPO bei der Urteilsfindung Umstände berücksichtigt und gewürdigt, die nicht Inbegriff der Hauptverhandlung waren. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der Rechtsfolgenausspruch - auch - darauf beruht. Denn den Feststellungen zu den persönlichen Verhältnissen kommt nicht nur bei der Strafzumessung in hohem Maß Bedeutung zu, sondern hier vor allem im Hinblick auf die besonders einschneidende Maßnahme der Anordnung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Die Entscheidung hierüber erfordert in jeder Hinsicht besondere Umsicht und Sorgfalt.
8
Soweit den dienstlichen Äußerungen der Berufsrichter zur Grundlage der Entscheidungsfindung anderes entnommen werden kann, ist dies für die revisionsrechtliche Prüfung ohne Bedeutung. Maßgeblich sind insoweit allein die schriftlichen Urteilsgründe. Diese können nur in den Fällen des § 267 Abs. 4 Satz 3, Abs. 5 Satz 3 StPO ergänzt werden (vgl. BGHSt 43, 22, 24), die hier nicht vorliegen.
9
Auf die übrigen Beanstandungen der Verletzung formellen Rechts kommt es nicht mehr an. Den Schuldspruch vermögen auch sie nicht in Frage zu stellen. Nack Kolz Hebenstreit Elf Graf

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Referenzen - Gesetze

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 261 Grundsatz der freien richterlichen Beweiswürdigung


Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

Strafprozeßordnung - StPO | § 267 Urteilsgründe


(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese

Strafprozeßordnung - StPO | § 274 Beweiskraft des Protokolls


Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Strafprozeßordnung - StPO | § 251 Urkundenbeweis durch Verlesung von Protokollen


(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden, 1. wenn der Angeklagte einen Vert

Strafprozeßordnung - StPO | § 256 Verlesung der Erklärungen von Behörden und Sachverständigen


(1) Verlesen werden können 1. die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen a) öffentlicher Behörden,b) der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowiec) der Ärzte eines ge

Strafprozeßordnung - StPO | § 79 Vereidigung des Sachverständigen


(1) Der Sachverständige kann nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden. (2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht dahin, daß der Sachverständige das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstatt

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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Verlesen werden können

1.
die ein Zeugnis oder ein Gutachten enthaltenden Erklärungen
a)
öffentlicher Behörden,
b)
der Sachverständigen, die für die Erstellung von Gutachten der betreffenden Art allgemein vereidigt sind, sowie
c)
der Ärzte eines gerichtsärztlichen Dienstes mit Ausschluss von Leumundszeugnissen,
2.
unabhängig vom Tatvorwurf ärztliche Atteste über Körperverletzungen,
3.
ärztliche Berichte zur Entnahme von Blutproben,
4.
Gutachten über die Auswertung eines Fahrtschreibers, die Bestimmung der Blutgruppe oder des Blutalkoholgehalts einschließlich seiner Rückrechnung,
5.
Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben und
6.
Übertragungsnachweise und Vermerke nach § 32e Absatz 3.

(2) Ist das Gutachten einer kollegialen Fachbehörde eingeholt worden, so kann das Gericht die Behörde ersuchen, eines ihrer Mitglieder mit der Vertretung des Gutachtens in der Hauptverhandlung zu beauftragen und dem Gericht zu bezeichnen.

(1) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten kann durch die Verlesung eines Protokolls über eine Vernehmung oder einer Urkunde, die eine von ihm erstellte Erklärung enthält, ersetzt werden,

1.
wenn der Angeklagte einen Verteidiger hat und der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte damit einverstanden sind;
2.
wenn die Verlesung lediglich der Bestätigung eines Geständnisses des Angeklagten dient und der Angeklagte, der keinen Verteidiger hat, sowie der Staatsanwalt der Verlesung zustimmen;
3.
wenn der Zeuge, Sachverständige oder Mitbeschuldigte verstorben ist oder aus einem anderen Grunde in absehbarer Zeit gerichtlich nicht vernommen werden kann;
4.
soweit das Protokoll oder die Urkunde das Vorliegen oder die Höhe eines Vermögensschadens betrifft.

(2) Die Vernehmung eines Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten darf durch die Verlesung des Protokolls über seine frühere richterliche Vernehmung auch ersetzt werden, wenn

1.
dem Erscheinen des Zeugen, Sachverständigen oder Mitbeschuldigten in der Hauptverhandlung für eine längere oder ungewisse Zeit Krankheit, Gebrechlichkeit oder andere nicht zu beseitigende Hindernisse entgegenstehen;
2.
dem Zeugen oder Sachverständigen das Erscheinen in der Hauptverhandlung wegen großer Entfernung unter Berücksichtigung der Bedeutung seiner Aussage nicht zugemutet werden kann;
3.
der Staatsanwalt, der Verteidiger und der Angeklagte mit der Verlesung einverstanden sind.

(3) Soll die Verlesung anderen Zwecken als unmittelbar der Urteilsfindung, insbesondere zur Vorbereitung der Entscheidung darüber dienen, ob die Ladung und Vernehmung einer Person erfolgen sollen, so dürfen Protokolle und Urkunden auch sonst verlesen werden.

(4) In den Fällen der Absätze 1 und 2 beschließt das Gericht, ob die Verlesung angeordnet wird. Der Grund der Verlesung wird bekanntgegeben. Wird das Protokoll über eine richterliche Vernehmung verlesen, so wird festgestellt, ob der Vernommene vereidigt worden ist. Die Vereidigung wird nachgeholt, wenn sie dem Gericht notwendig erscheint und noch ausführbar ist.

(1) Der Sachverständige kann nach dem Ermessen des Gerichts vereidigt werden.

(2) Der Eid ist nach Erstattung des Gutachtens zu leisten; er geht dahin, daß der Sachverständige das Gutachten unparteiisch und nach bestem Wissen und Gewissen erstattet habe.

(3) Ist der Sachverständige für die Erstattung von Gutachten der betreffenden Art im allgemeinen vereidigt, so genügt die Berufung auf den geleisteten Eid.

Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig.

Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.

(1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. Auf Abbildungen, die sich bei den Akten befinden, kann hierbei wegen der Einzelheiten verwiesen werden.

(2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden.

(3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz Milderungen von dem Vorliegen minder schwerer Fälle abhängig, so müssen die Urteilsgründe ergeben, weshalb diese Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen verneint werden; dies gilt entsprechend für die Verhängung einer Freiheitsstrafe in den Fällen des § 47 des Strafgesetzbuches. Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb ein besonders schwerer Fall nicht angenommen wird, wenn die Voraussetzungen erfüllt sind, unter denen nach dem Strafgesetz in der Regel ein solcher Fall vorliegt; liegen diese Voraussetzungen nicht vor, wird aber gleichwohl ein besonders schwerer Fall angenommen, so gilt Satz 2 entsprechend. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für die Verwarnung mit Strafvorbehalt und das Absehen von Strafe. Ist dem Urteil eine Verständigung (§ 257c) vorausgegangen, ist auch dies in den Urteilsgründen anzugeben.

(4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so müssen die erwiesenen Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden, und das angewendete Strafgesetz angegeben werden; bei Urteilen, die nur auf Geldstrafe lauten oder neben einer Geldstrafe ein Fahrverbot oder die Entziehung der Fahrerlaubnis und damit zusammen die Einziehung des Führerscheins anordnen, oder bei Verwarnungen mit Strafvorbehalt kann hierbei auf den zugelassenen Anklagesatz, auf die Anklage gemäß § 418 Abs. 3 Satz 2 oder den Strafbefehl sowie den Strafbefehlsantrag verwiesen werden. Absatz 3 Satz 5 gilt entsprechend. Den weiteren Inhalt der Urteilsgründe bestimmt das Gericht unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nach seinem Ermessen. Die Urteilsgründe können innerhalb der in § 275 Abs. 1 Satz 2 vorgesehenen Frist ergänzt werden, wenn gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt wird.

(5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel oder wird innerhalb der Frist kein Rechtsmittel eingelegt, so braucht nur angegeben zu werden, ob die dem Angeklagten zur Last gelegte Straftat aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht festgestellt worden ist. Absatz 4 Satz 4 ist anzuwenden.

(6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet, eine Entscheidung über die Sicherungsverwahrung vorbehalten oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet oder nicht vorbehalten worden ist. Ist die Fahrerlaubnis nicht entzogen oder eine Sperre nach § 69a Abs. 1 Satz 3 des Strafgesetzbuches nicht angeordnet worden, obwohl dies nach der Art der Straftat in Betracht kam, so müssen die Urteilsgründe stets ergeben, weshalb die Maßregel nicht angeordnet worden ist.