Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Nov. 2004 - 1 StR 379/04

published on 23/11/2004 00:00
Bundesgerichtshof Beschluss, 23. Nov. 2004 - 1 StR 379/04
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Gericht


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 379/04
vom
23. November 2004
in der Strafsache
gegen
wegen schweren sexuellen Mißbrauchs eines Kindes u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 23. November 2004 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
Waldshut-Tiengen vom 1. April 2004 wird als unbegründet verworfen
, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung
keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten
ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die
dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat zu den Verfahrensrügen nach § 338 Nr. 5
1. Der Angeklagte war für die Dauer der Vernehmung des Geschädigten
aufgrund eines entsprechenden Gerichtsbeschlusses gemäß § 247
StPO aus dem Gerichtszimmer entfernt worden. In Abwesenheit des
Angeklagten und in Unterbrechung der Zeugenvernehmung weist das
Protokoll folgenden Verfahrensvorgang aus: "Die Verfahrensbeteiligten
erörtern die Sachlage, wie weiter vorgegangen werden soll". Danach
machte der Zeuge weitere Angaben zur Sache. Als der Angeklagte
wieder anwesend war, wurde er vom Vorsitzenden über den
Inhalt der Zeugenaussage unterrichtet.
Der Beschwerdeführer beanstandet die Erörterung in Ab wesenheit
des Angeklagten und die fehlende Unterrichtung des Angeklagten
über diese Erörterung. Dazu beruft er sich auf die Urteilsgründe (UA
S. 68). Ausweislich der Urteilsgründe habe diese Erörterung dazu geführt
, daß die Kammer entgegen ihrer ursprünglichen Planung doch
noch eine aussagepsychologische Begutachtung des Geschädigten
in Auftrag gegeben habe.
Der Generalbundesanwalt hat in seiner Antragsschrift di e Rügen als
unzulässig im Sinne von § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erachtet, weil der
Beschwerdeführer den konkreten Inhalt der Erörterung nicht wiedergegeben
habe. Der Beschwerdeführer führt in seiner Erwiderung aus,
daß weder er noch der für das Revisionsverfahren mandatierte Verteidiger
an der Erörterung beteiligt worden seien, so daß ihm nichts
objektiv Unmögliches abverlangt und er nicht dazu veranlaßt werden
könne, eine Revisionsbegründung "ins Blaue hinein" vorzutragen.
2. Entgegen dem Revisionsvortrag war nach den Urteilsfeststellungen
Anstoß für die Kammer, eine aussagepsychologische Begutachtung
des Geschädigten in Auftrag zu geben, dessen Aussageverhalten (UA
S. 68). Der Inhalt der beanstandeten Erörterung ist weder dem Protokoll
noch den Urteilsgründen zu entnehmen. In Unkenntnis des Inhalts
der Erörterung kann das Revisionsgericht nicht prüfen, ob es
sich dabei um einen wesentlichen Teil der Hauptverhandlung handelte
, auf den sich der Ausschluß des Angeklagten nicht erstreckte (vgl.
BGHR StPO § 247 Abwesenheit 16; BGH NStZ 1996, 398). Ebenso
kann es nicht prüfen, ob der Angeklagte ohne Kenntnis dieses Verfahrensvorgangs
sich nicht sachgerecht hat verteidigen können
(BGHR StPO § 247 Satz 4 Unterrichtung 5).
Einem Verteidiger, der erst nach der Hauptverhandlung hinzugezogen
wird, bleibt es unbenommen, derartige Verfahrensfehler zu
rügen. Er muß allerdings nach außen hin die Verantwortung für die
Geltendmachung der Verfahrensmängel übernehmen, indem er sie
mit der erforderlichen Bestimmtheit vorträgt und mit Tatsachen belegt.
Der Revision ist beizupflichten, daß Revisionsrügen nicht mit
Behauptungen "ins Blaue hinein" begründet werden können (vgl.
schon BGHSt 7, 162, 164, 165). Läßt sich - wie hier - weder aus
dem Protokoll noch aus dem Urteil entnehmen, daß die Erörterung
in Abwesenheit des Angeklagten zu den behaupteten Verfahrensmängeln
geführt hat, so hätte der für die Revisionsinstanz mandatierte
Verteidiger Erkundigungen einziehen können und müssen
- etwa bei dem erstinstanzlichen Verteidiger, der die Rechte des
Angeklagten in dessen Abwesenheit wahrgenommen hat - , wenn
er die Revision auf derartige - bisher durch nichts belegte - Verfahrensmängel
gründen will.
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(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer R

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen.
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published on 23/11/2004 00:00

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Annotations

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.

(1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen.

(2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden.

Das Gericht kann anordnen, daß sich der Angeklagte während einer Vernehmung aus dem Sitzungszimmer entfernt, wenn zu befürchten ist, ein Mitangeklagter oder ein Zeuge werde bei seiner Vernehmung in Gegenwart des Angeklagten die Wahrheit nicht sagen. Das gleiche gilt, wenn bei der Vernehmung einer Person unter 18 Jahren als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten ein erheblicher Nachteil für das Wohl des Zeugen zu befürchten ist oder wenn bei einer Vernehmung einer anderen Person als Zeuge in Gegenwart des Angeklagten die dringende Gefahr eines schwerwiegenden Nachteils für ihre Gesundheit besteht. Die Entfernung des Angeklagten kann für die Dauer von Erörterungen über den Zustand des Angeklagten und die Behandlungsaussichten angeordnet werden, wenn ein erheblicher Nachteil für seine Gesundheit zu befürchten ist. Der Vorsitzende hat den Angeklagten, sobald dieser wieder anwesend ist, von dem wesentlichen Inhalt dessen zu unterrichten, was während seiner Abwesenheit ausgesagt oder sonst verhandelt worden ist.