Bundesgerichtshof Beschluss, 10. Aug. 2000 - 1 StR 343/00
Gericht
Richter
BUNDESGERICHTSHOF
Gründe:
Die Jugendschutzkammer hat den Angeklagten wegen sexuellen Mißbrauchs von Schutzbefohlenen in 37 Fällen, davon in fünf Fällen in Tateinheit mit sexueller Nötigung, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Der Angeklagte hat in sämtlichen Fällen massive sexuelle Handlungen an seiner zur Zeit der Taten 14 und 15 Jahre alten Tochter vorgenommen; überwiegend ließ diese das Verhalten des Angeklagten widerstandslos über sich ergehen; in den Fällen, in denen sie sich sträubte, setzte sich der Angeklagte gewaltsam hierüber hinweg. Nach jeder Tat erhielt die Geschädigte Geld zur "Belohnung", deren Höhe sich im Einzelfall auf bis zu 150,- DM belief. Durch das Verhalten des Angeklagten hat die Geschädigte "jegliches Selbstwertgefühl" verloren. Die auf die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten ist unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO). Der näheren Ausführung bedarf nur folgendes:Die strafschärfende Erwägung, der Angeklagte habe die Geschädigte gleichsam zum "Sexualobjekt degradiert", hält hier rechtlicher Überprüfung stand:
a) Bei Straftaten, die ausschließlich gegen die sexuelle Selbstbestimmung gerichtet sind, kann allerdings allein der Umstand, daß der Täter den Willen des Opfers durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt gebrochen und er es dadurch zum Sexualobjekt degradiert hat, nicht strafschärfend berücksichtigt werden (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 3 Vergewaltigung 1; BGH, Beschluß vom 3. März 1993 - 2 StR 24/93; BGH, Beschluß vom 30. März 2000 - 4 StR 80/00); die sexuellen Handlungen wären nämlich strafrechtlich bedeutungslos, wenn sie einvernehmlich erfolgt wären.
b) Hier liegen jedoch in allen Fällen (überwiegend ausschließlich) Delikte gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 3 StGB vor. Diese Bestimmung soll, unabhängig von den Umständen des Einzelfalls, die Entwicklung des Opfers von sexuellen Handlungen seiner Eltern oder eines Elternteils freihalten (vgl. BGHR StGB § 174 Abs. 1 Strafzumessung 2). Hier steht der strafschärfenden Erwägung, der Täter habe über die Erfüllung des Tatbestandes hinaus das Opfer zum Sexualobjekt herabgewürdigt, nichts entgegen, soweit sie von den Feststellungen getragen wird.
c) Dies ist hier der Fall. Durch die ständige Verbindung zwischen der Duldung von sexuellen Handlungen und einer finanziellen Belohnung hat der Angeklagte seiner Tochter das Gefühl ihrer Käuflichkeit vermittelt und sie dadurch zusätzlich herabgewürdigt. RiBGH Dr. Boetticher hat Urlaub und kann deshalb nicht unterschreiben. Nack Wahl Nack Schluckebier Pfister
Annotations
(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.
(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.
(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.
(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.
(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.
(1) Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe. Die Wirkungen, die von der Strafe für das künftige Leben des Täters in der Gesellschaft zu erwarten sind, sind zu berücksichtigen.
(2) Bei der Zumessung wägt das Gericht die Umstände, die für und gegen den Täter sprechen, gegeneinander ab. Dabei kommen namentlich in Betracht:
die Beweggründe und die Ziele des Täters, besonders auch rassistische, fremdenfeindliche, antisemitische oder sonstige menschenverachtende, die Gesinnung, die aus der Tat spricht, und der bei der Tat aufgewendete Wille, das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art der Ausführung und die verschuldeten Auswirkungen der Tat, das Vorleben des Täters, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie sein Verhalten nach der Tat, besonders sein Bemühen, den Schaden wiedergutzumachen, sowie das Bemühen des Täters, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen.
(3) Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, dürfen nicht berücksichtigt werden.
(1) Wer sexuelle Handlungen
- 1.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist, - 2.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm im Rahmen eines Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Ausbildungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder - 3.
an einer Person unter achtzehn Jahren, die sein leiblicher oder rechtlicher Abkömmling ist oder der seines Ehegatten, seines Lebenspartners oder einer Person, mit der er in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft lebt,
(2) Mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren wird eine Person bestraft, der in einer dazu bestimmten Einrichtung die Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung von Personen unter achtzehn Jahren anvertraut ist, und die sexuelle Handlungen
- 1.
an einer Person unter sechzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt oder - 2.
unter Ausnutzung ihrer Stellung an einer Person unter achtzehn Jahren, die zu dieser Einrichtung in einem Rechtsverhältnis steht, das ihrer Erziehung, Ausbildung oder Betreuung in der Lebensführung dient, vornimmt oder an sich von ihr vornehmen lässt.
(3) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 oder 2
- 1.
sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt, um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, oder - 2.
den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, daß er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
(4) Der Versuch ist strafbar.
(5) In den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 1, des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 oder des Absatzes 3 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 oder mit Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 kann das Gericht von einer Bestrafung nach dieser Vorschrift absehen, wenn das Unrecht der Tat gering ist.