Bundesgerichtshof Beschluss, 03. Aug. 2004 - 1 StR 192/04

bei uns veröffentlicht am03.08.2004

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 192/04
vom
3. August 2004
in der Strafsache
gegen
wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 3. August 2004 beschlossen:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 19. Januar 2004 wird mit der Maßgabe verworfen, daß die Anordnung der Unterbringung dieses Angeklagten in einer Entziehungsanstalt entfällt. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Beschwerdeführer im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen werden ihm und der Staatskasse je zur Hälfte auferlegt.

Gründe:

I.

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit seiner auf die Sachrüge gestützten Revision beanstandet der Angeklagte die ausgesprochene Strafe als unangemessen hoch und die Anordnung der Unterbringung nach § 64 StGB. Die Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen aus den vom Generalbundesanwalt zutreffend dargelegten Gründen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

1. Die Maßregel nach § 64 StGB erfordert, daß die G efahr besteht, der Verurteilte werde infolge seines Hanges in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten begehen. Das Landgericht hat dies bejaht. Eine solche Annahme entbehrt jedoch hinreichender Feststellungen in den Urteilsgründen. Das Landgericht stützt die Gefahrprognose auf die zwischenzeitlich eingetretene psychosoziale Desintegration und dissoziale Entwicklung des drogenabhängigen, anhaltend arbeitslosen Angeklagten im Zusammenhang mit seinen erheblichen Vorstrafen (UA S. 43, 44). 2. Der Angeklagte wurde in den Jahren 1995 bis 1997 m ehrfach wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln und auch wegen Diebstahlshandlungen , aufgrund Betäubungsmittelabhängigkeit begangen, verurteilt. Zum Diebesgut finden sich keine Ausführungen. 1998 führte der Angeklagte eine neunmonatige Drogenentzugstherapie durch. Im Jahre 2000 wurde er wegen gefährlicher Körperverletzung, begangen in einer Justizvollzugsanstalt, und wegen Diebstahls in drei Fällen, wobei es sich um Zigaretten in Mengen von 16, 9 und 2 Packungen handelte, zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Ende 2002 wurde der Angeklagte hinsichtlich seines Drogenkonsums wieder rückfällig. Er nahm von März bis Juli 2003 - bis zur Festnahme in vorliegendem Verfahren - an einem Methadon -Programm teil und konsumierte zusätzlich illegale Drogen. Bei seiner Festnahme befand er sich im Besitz eines Briefchens mit 0,5 g Heroingemisch zum Eigenkonsum, das er zuvor erworben hatte. 3. a) Ein symptomatischer Zusammenhang zwischen dem Hang d es Angeklagten , berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und den Straftaten , die der Verurteilung aus dem Jahre 2000 zugrunde liegen, ist aus den
geschilderten Sachverhalten (UA S. 17, 18) nicht ersichtlich. Diese Straftaten können entgegen der Auffassung des Landgerichts zur Begründung der Gefahr im Sinne von § 64 StGB deshalb nicht herangezogen werden.
b) Die Drogenabhängigkeit des Angeklagten, seine psychosozi ale Desintegration und die dissoziale Entwicklung lassen zwar weitere Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz in Form des Erwerbs von kleinen Rauschgiftmengen zum Eigenkonsum erwarten. Dies allein kann aber eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht rechtfertigen (vgl. BGH NStZ 1994, 280 m.w.N. = Senatsurteil vom 7. Dezember 1993 - 1 StR 572/93). Die bisher abgeurteilten Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz und auch die vorliegende Tat können die Annahme künftiger erheblicher Straftaten gegen das Betäubungsmittelgesetz nicht nahe legen.
c) Für die Gefahrprognose einer Beschaffungskriminalität enthält das Urteil keine ausreichende Tatsachengrundlage. Die letzte Verurteilung wegen Eigentumsdelikts, die im Zusammenhang mit der Betäubungsmittelabhängigkeit des Angeklagten steht, erfolgte 1997. Für die Zeit danach sind keine Straftaten zur Finanzierung des Eigenkonsums festgestellt. Da die Verhältnisse im Zeitpunkt der Urteilsfindung maßgebend sind (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Gefährlichkeit 4, 6), können die Urteilsfeststellungen die Prognose des Landgerichts nicht belegen, der Angeklagte werde zur Finanzierung des Eigenkonsums erhebliche weitere Straftaten begehen. 4. Bei den hier vorliegenden Umständen kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen würden. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. BGH, Beschl. vom 6. November
2003 - 1 StR 451/03 - und Beschl. vom 26. Februar 2003 - 1 StR 7/03 -; MeyerGoßner , StPO 47. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.w.N.).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. D er Beschwerdeführer , der sich mit der Revision gegen den Strafausspruch und die Unterbringungsanordnung gewendet hat, ist aus Billigkeitsgründen nur mit der Hälfte der Rechtsmittelkosten und seiner notwendigen Auslagen zu belasten, weil er einen entsprechenden Teilerfolg erreicht hat. Wahl Boetticher Schluckebier Elf Hubert

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung


(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Ansc

Strafprozeßordnung - StPO | § 354 Eigene Entscheidung in der Sache; Zurückverweisung


(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erört

Strafgesetzbuch - StGB | § 64 Unterbringung in einer Entziehungsanstalt


Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb

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Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

Hat eine Person den Hang, alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, und wird sie wegen einer rechtswidrigen Tat, die sie im Rausch begangen hat oder die auf ihren Hang zurückgeht, verurteilt oder nur deshalb nicht verurteilt, weil ihre Schuldunfähigkeit erwiesen oder nicht auszuschließen ist, so soll das Gericht die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass sie infolge ihres Hanges erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Die Anordnung ergeht nur, wenn eine hinreichend konkrete Aussicht besteht, die Person durch die Behandlung in einer Entziehungsanstalt innerhalb der Frist nach § 67d Absatz 1 Satz 1 oder 3 zu heilen oder über eine erhebliche Zeit vor dem Rückfall in den Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf ihren Hang zurückgehen.

(1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet.

(1a) Wegen einer Gesetzesverletzung nur bei Zumessung der Rechtsfolgen kann das Revisionsgericht von der Aufhebung des angefochtenen Urteils absehen, sofern die verhängte Rechtsfolge angemessen ist. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft kann es die Rechtsfolgen angemessen herabsetzen.

(1b) Hebt das Revisionsgericht das Urteil nur wegen Gesetzesverletzung bei Bildung einer Gesamtstrafe (§§ 53, 54, 55 des Strafgesetzbuches) auf, kann dies mit der Maßgabe geschehen, dass eine nachträgliche gerichtliche Entscheidung über die Gesamtstrafe nach den §§ 460, 462 zu treffen ist. Entscheidet das Revisionsgericht nach Absatz 1 oder Absatz 1a hinsichtlich einer Einzelstrafe selbst, gilt Satz 1 entsprechend. Die Absätze 1 und 1a bleiben im Übrigen unberührt.

(2) In anderen Fällen ist die Sache an eine andere Abteilung oder Kammer des Gerichtes, dessen Urteil aufgehoben wird, oder an ein zu demselben Land gehörendes anderes Gericht gleicher Ordnung zurückzuverweisen. In Verfahren, in denen ein Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat, ist die Sache an einen anderen Senat dieses Gerichts zurückzuverweisen.

(3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 451/03
vom
6. November 2003
in der Strafsache
gegen
wegen versuchten Totschlags u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. November 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Mannheim vom 3. Juni 2003 wird mit der Maßgabe
verworfen, daß die Unterbringung des Angeklagten in einer
Entziehungsanstalt entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:

I.

Der Angeklagte wurde wegen versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu sechs Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Außerdem wurde er in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB) und zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an den Geschädigten verurteilt. Der Verurteilung liegt folgendes zu Grunde: R. L. hatte den Angeklagten gegenüber der Polizei verdächtigt, am 30. Juli 2002 ihre Scheckkarte entwendet zu haben. Die Polizei fand die Scheckkarte bei ihm, außerdem hatte er kurz nach dem Verschwinden der Scheckkarte damit Geld vom Konto der R. L. abgehoben. Der Angeklagte forderte seinen Bekannten W. S. , den Freund der R. L. auf, diese zur Rücknahme der Anzeige zu bewegen. S. wei-
gerte sich jedoch. Aus Ärger hierüber drang der Angeklagte am 8. August 2002 in angetrunkenem Zustand gewaltsam in die im vierten Stock gelegene Wohnung S. s ein, zog den ebenfalls angetrunkenen, ihm körperlich unterlegenen S. gewaltsam aus dem Bett und warf ihn schließlich aus dem Fenster aus über zehn Meter Höhe in den Garten. S, wurde schwer verletzt und überlebte nur dank glücklicher Umstände.

II.

Die auf mehrere Verfahrensrügen und die nicht näher ausgeführte Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO). 1. Hinsichtlich der Verfahrensrügen nimmt der Senat auf die zutreffenden Ausführungen des Generalbundesanwalts Bezug. 2. Hinsichtlich des Schuldspruchs, des Strafausspruchs und des Schmerzensgeldes hat die auf die Sachrüge gebotene Überprüfung des Urteils ebenfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. 3. Die Voraussetzungen einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt liegen dagegen nicht vor.
a) Der Angeklagte trinkt seit etwa 20 Jahren, zwar zunehmend, aber nach wie vor nur „gelegentlich Alkohol im Übermaß“. Er hat ein „sich anbahnendes Alkoholproblem“. Der sich daraus ergebende Hang zeige sich „andeutungsweise“ auch schon in den Taten, die früheren Verurteilungen zu Grunde liegen. Die – zahlreichen – früheren Taten sind detailliert mitgeteilt, ein Zusammenhang mit Alkohol ist jedoch nur vereinzelt er-
sichtlich. Letztmals war der Angeklagte danach bei einem 1994 began- genen Einbruch in ein Büro angetrunken, die letzte Vorstrafe überhaupt (30 Tagessätze wegen Diebstahls einer Klingelanlage) erfolgte 1998.
b) Die Annahme, ein Alkoholproblem bahne sich erst an, erscheint mit der Annahme, ein Hang zu Alkoholmissbrauch zeige sich auch an Taten, die schon etliche Jahre zurück liegen, nicht ohne weiteres vereinbar. Der Senat braucht dem aber nicht näher nachzugehen. Ein Hang im Sinne des § 64 StGB liegt nämlich nur vor, wenn entweder eine chronische , auf Sucht beruhende körperliche Abhängigkeit gegeben ist, oder wenn zwar noch keine körperliche Abhängigkeit besteht, jedoch eine eingewurzelte, auf psychische Disposition zurückgehende oder durch Übung erworbene intensive Neigung, immer wieder Alkohol (oder andere berauschende Mittel) zu konsumieren (vgl. BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 4, 5; BGH b. Detter NStZ 2003, 133, 138; Hanack in LK 11. Aufl. § 64 Rdn. 40 jew. m.w.N.) Für all dies fehlen jedoch Anhaltspunkte.
c) Hinzukommen müßte außerdem, daß der Angeklagte die Rauschmittel „im Übermaß“ konsumiert. Dies bedeutet, daß er sie in einem solchen Umfang zu sich nimmt, daß seine Gesundheit, Arbeits- und Leistungsfähigkeit dadurch erheblich beeinträchtigt wird (BGH b. Detter aaO; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297; Hanack aaO Rdn. 44 m.w.N. in Fußn. 12). Die Strafkammer stellt demgegenüber ausdrücklich fest, daß der Angeklagte „gesund“ und „uneingeschränkt arbeitsfähig“ ist.
d) Nach alledem ist für eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kein Raum. Gelegentliches Sich-Betrinken in Verbindung mit Straffälligkeit im Rausch genügt hierfür nicht (BGH, Beschluß
vom 15. Oktober 1996 – 1 StR 591/96; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Hang 1 m.w.N.). 4. Unter den hier gegebenen Umständen kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die ein anderes Ergebnis rechtfertigen würden. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf den Wegfall der Unterbringungsanordnung (vgl. BGH, Beschluß vom 26. Februar 2003 – 1 StR 7/03; Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.w.N.).

III.

Trotz dieses Teilerfolges der Revision hält es der Senat nicht für unbillig, den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Es ist nämlich nicht erkennbar, daß der Angeklagte das Urteil nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung abgesehen worden wäre ( BGH aaO; BGH NStZ-RR 1998, 70 m.w.N.). Der Angeklagte hat die Tat in der Hauptverhandlung bestritten. Mit seinen Verfahrensrügen hat er unter anderem geltend gemacht, sein früheres Geständnis sei unverwertbar gewesen und die Feststellung, daß eine Zeugin das Tatgeschehen beobachtet hat, sei nicht rechtsfehlerfrei getroffen worden. Nack Wahl Schluckebier Kolz Elf

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 7/03
vom
26. Februar 2003
in der Strafsache
gegen
wegen Vergewaltigung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 26. Februar 2003 beschlossen
:
Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts
München I vom 16. Juli 2002 wird mit der Maßgabe verworfen,
daß die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt
entfällt.
Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin
im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen
Auslagen zu tragen.

Gründe:


I.

Der Angeklagte hatte mit seiner geschiedenen Frau noch sexuelle Kontakte , für die er jeweils 200 DM bezahlte. Sie "kündigte" diese Vereinbarung, war aber bereit, sich nackt bei ihm dafür zu entschuldigen. Dabei zwang er sie mit Schlägen und unter Vorhalt eines Messers zu Vaginal- und Oralverkehr und weiteren sexualbezogenen Handlungen. Deshalb wurde er wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung zu Freiheitsstrafe verurteilt. Einbezogen wurde eine zur Bewährung aus-
gesetzte Strafe aus einem späteren Urteil. Wegen Konsums von Kokain wurde der Angeklagte in einer Entziehungsanstalt untergebracht (§ 64 StGB). Seine Revision führt zum Wegfall der Unterbringungsanordnung (§ 349 Abs. 4 StPO), bleibt aber im übrigen erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).

II.

1. Zum Schuldspruch verweist der Senat auf die Ausführungen des Generalbundesanwalts , die durch die Erwiderung der Revision (§ 349 Abs. 3 Satz 2 StPO) nicht entkräftet werden. Der Senat weist jedoch darauf hin, daß die schriftlichen Urteilsgründe nicht den Inhalt der in der Hauptverhandlung erhobenen Beweise dokumentieren , sondern das Ergebnis der Hauptverhandlung wiedergeben und die rechtliche Nachprüfung der Entscheidung ermöglichen sollen. Die Beweiswürdigung soll lediglich belegen, warum bestimmte bedeutsame Umstände so festgestellt sind. Es ist aber regelmäßig untunlich, nach den tatsächlichen Feststellungen die Aussagen sämtlicher Zeugen der Reihe nach und in ihren Einzelheiten mitzuteilen (vgl. nur BGH NStZ 1998, 51 m.N.). 2. Auch der Strafausspruch hält im Ergebnis rechtlicher Überprüfung stand. Allerdings ist strafschärfend berücksichtigt, daß der Angeklagte bewährungsbrüchig sei; er habe die Warnfunktion des späteren Urteils nicht beachtet. Das nach der Tat ergangene Urteil konnte bei der Tat jedoch keine Warnfunktion entfalten. Im Ergebnis ist dies aber unschädlich, weil der Angeklagte zur Tatzeit hinsichtlich des Strafrestes aus einer Verurteilung vom 26. April 1996 unter Bewährung stand. 3. Die Unterbringungsanordnung kann nicht bestehen bleiben.

a) Der Angeklagte, der schon einmal untergebracht war, raucht in nicht feststellbarem Umfang, jedoch "nur noch unregelmäßig" Kokain. Gestützt auf Angaben der Geschädigten dazu, wie der Angeklagte bei der Tat seinen Unterkiefer bewegt hat, geht die Strafkammer davon aus, daß der Angeklagte - wie die Urteilsgründe mehrfach hervorheben - "nicht ausschließbar" einen Rückfall erlitten und zur Tatzeit unter Kokaineinfluß gestanden habe, der sich auf die Tat "konstellierend" ausgewirkt habe.
b) Ohne daß es insoweit auf weiteres ankäme, setzt eine Unterbringung gemäß § 64 StGB (unter anderem) voraus, daß ein Hang sicher ("positiv") festgestellt ist. Ist er, wie hier, lediglich nicht auszuschließen, so ist für eine Unterbringung kein Raum (BGH bei Detter NStZ 2003, 133, 138; BGHR StGB § 64 Abs. 1 Rausch 1; BGH, Beschluß vom 6. Juli 1983 - 2 StR 334/83; Körner BtMG 5. Aufl. § 35 Rdn. 297).
c) Unabhängig davon ist nicht erkennbar, daß die abgeurteilte Tat Symptomwert für einen Hang des Angeklagten zum Mißbrauch berauschender Mittel hat, sich also in ihr seine hangbedingte Gefährlichkeit äußert, wie dies etwa bei Beschaffungskriminalität typisch ist. Eine solche Annahme liegt eher fern, wenn der Täter gewaltsam sexuelle Handlungen erzwingt, die ihm so oder ähnlich über geraume Zeit vom Opfer gegen Bezahlung gestattet worden waren (vgl. BGHR aaO m.w.N.). Hier hat die Strafkammer ausdrücklich festgestellt, die Tat sei ein "Beziehungskonflikt" und Ausdruck einer inzwischen weitgehend überwundenen "Lebenskrise". Außerdem sei die Geschädigte "mit der Kindererziehung deutlich überfordert" gewesen. Der aufgestaute Zorn des Angeklagten hierüber habe die Tat "mitgeprägt" und verdiene "unter dem Aspekt pflichtbewußter Vaterschaft einiges Verständnis".

d) Nach alledem kann der Senat ausschließen, daß eine neue Verhandlung Feststellungen ergeben könnte, die eine Unterbringungsanordnung rechtfertigen. Er erkennt daher entsprechend § 354 Abs. 1 StPO auf deren Wegfall (vgl. Meyer-Goßner StPO 46. Aufl. § 354 Rdn. 32 m.N.).

III.

Trotz dieses Teilerfolgs der Revision hält es der Senat nicht für unbillig, den Angeklagten mit den vollen Rechtsmittelkosten zu belasten (§ 473 Abs. 4 StPO). Es ist nämlich nicht erkennbar, daß der Angeklagte das Urteil nicht angefochten hätte, wenn von einer Unterbringung abgesehen worden wäre (vgl. BGH NStZ-RR 1998, 70 m.N.). Der Angeklagte hatte bestritten, am Tattag mit der Geschädigten zusammen gewesen zu sein. Die Revision bringt insbesondere vor, die Urteilsfeststellungen beruhten auf rechtsfehlerhafter Grundlage. Nack Wahl Boetticher Kolz Hebenstreit

(1) Die Kosten eines zurückgenommenen oder erfolglos eingelegten Rechtsmittels treffen den, der es eingelegt hat. Hat der Beschuldigte das Rechtsmittel erfolglos eingelegt oder zurückgenommen, so sind ihm die dadurch dem Nebenkläger oder dem zum Anschluß als Nebenkläger Berechtigten in Wahrnehmung seiner Befugnisse nach § 406h erwachsenen notwendigen Auslagen aufzuerlegen. Hat im Falle des Satzes 1 allein der Nebenkläger ein Rechtsmittel eingelegt oder durchgeführt, so sind ihm die dadurch erwachsenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten aufzuerlegen. Für die Kosten des Rechtsmittels und die notwendigen Auslagen der Beteiligten gilt § 472a Abs. 2 entsprechend, wenn eine zulässig erhobene sofortige Beschwerde nach § 406a Abs. 1 Satz 1 durch eine den Rechtszug abschließende Entscheidung unzulässig geworden ist.

(2) Hat im Falle des Absatzes 1 die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zuungunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten (§ 424 Absatz 1, §§ 439, 444 Abs. 1 Satz 1) eingelegt, so sind die ihm erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen. Dasselbe gilt, wenn das von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten oder eines Nebenbeteiligten eingelegte Rechtsmittel Erfolg hat.

(3) Hat der Beschuldigte oder ein anderer Beteiligter das Rechtsmittel auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt und hat ein solches Rechtsmittel Erfolg, so sind die notwendigen Auslagen des Beteiligten der Staatskasse aufzuerlegen.

(4) Hat das Rechtsmittel teilweise Erfolg, so hat das Gericht die Gebühr zu ermäßigen und die entstandenen Auslagen teilweise oder auch ganz der Staatskasse aufzuerlegen, soweit es unbillig wäre, die Beteiligten damit zu belasten. Dies gilt entsprechend für die notwendigen Auslagen der Beteiligten.

(5) Ein Rechtsmittel gilt als erfolglos, soweit eine Anordnung nach § 69 Abs. 1 oder § 69b Abs. 1 des Strafgesetzbuches nur deshalb nicht aufrechterhalten wird, weil ihre Voraussetzungen wegen der Dauer einer vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 111a Abs. 1) oder einer Verwahrung, Sicherstellung oder Beschlagnahme des Führerscheins (§ 69a Abs. 6 des Strafgesetzbuches) nicht mehr vorliegen.

(6) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend für die Kosten und die notwendigen Auslagen, die durch einen Antrag

1.
auf Wiederaufnahme des durch ein rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens oder
2.
auf ein Nachverfahren (§ 433)
verursacht worden sind.

(7) Die Kosten der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fallen dem Antragsteller zur Last, soweit sie nicht durch einen unbegründeten Widerspruch des Gegners entstanden sind.