Bundesgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2009 - 1 StR 107/09

bei uns veröffentlicht am18.08.2009

Gericht

Bundesgerichtshof


Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das höchste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland.  Der BGH besteht aus 16 Senaten, die jeweils von einem Vorsitzenden und mehreren anderen Richtern geleitet werden. Die Zusammensetzung der Senate

Richter

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 107/09
vom
18. August 2009
in der Strafsache
gegen
alias:
wegen Freiheitsberaubung u.a.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die Revision des Angeklagten
gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 12. September 2008, soweit
es ihn betrifft, am 18. August 2009 beschlossen:
1. Die Strafverfolgung wird mit Zustimmung des Generalbundesanwalts im Fall III 3 der Urteilsgründe auf die rechtlichen Gesichtspunkte des versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und des Diebstahls beschränkt. 2. Im Übrigen wird das vorbezeichnete Urteil aufgehoben
a) im Ausspruch über die Einzelstrafe im Fall III 3 der Urteilsgründe ;
b) im Ausspruch über die Gesamtstrafe. 3. Die weitergehende Revision wird als unbegründet verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels , an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


1
1. Die Strafkammer hat, soweit es den Angeklagten betrifft, ohne diesen benachteiligende Rechtsfehler folgendes festgestellt:
2
a) Der frühere Mitangeklagte B. , der keine Revision eingelegt hat, erbeutete zusammen mit einem Unbekannten am 5. Oktober 2007 bei einem Einbruch Schmuck und Uhren im Wert von 90.000,-- €. Später war ihm der Angeklagte beim Verkauf der schwer absetzbaren Beute behilflich (Fall III 2 der Urteilsgründe).
3
b) Am 18. November 2007 überfielen zwei Täter den 70 Jahre alten P. K. in seiner Wohnung, fesselten ihn mit einem Klebeband und erbeuteten Uhren und Schmuck im Wert von etwa 10.000,-- €. K. wurde erst nach Stunden befreit.
4
Bei diesen Tätern, die die Strafkammer nicht sicher identifizieren konnte - den Freispruch des Mitangeklagten H. von diesem Vorwurf hat der Senat auf die Revision der Staatsanwaltschaft durch Urteil von heute aufgehoben - handelte es sich nicht um B. und den Angeklagten. Diese waren zwar nicht am Tatort, jedoch an der Planung und Vorbereitung der Tat maßgeblich beteiligt. Die Strafkammer geht davon aus, dass sie nur einen Wohnungseinbruch wollten. Es sei vereinbart gewesen, dass die Tat abgebrochen werde, wenn der Geschädigte zu Hause sein sollte. Dass die Tat dennoch zu einem Raub eskaliert sei, nachdem die am Tatort anwesenden Täter unmittelbar zum Wohnungseinbruch angesetzt hatten, sei ein nur von diesen zu verantwortender Exzess, der dem Angeklagten und B. nicht zugerechnet werden könne. Der Angeklagte und B. erfuhren jedoch alsbald den tatsächlichen Tatablauf in allen Details. Die Beute wurde vom Angeklagten noch am gleichen Tag verkauft (Fall III 3 der Urteilsgründe).
5
2. Auf der Grundlage dieser Feststellungen wurde der Angeklagte im Fall III 2 der Urteilsgründe wegen Hehlerei und Begünstigung zu sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt.
6
Im Fall III 3 der Urteilsgründe wurde der Angeklagte wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls in Tateinheit mit dem in dem Raub enthaltenen Diebstahl sowie mit Freiheitsberaubung durch Unterlassen schuldig gesprochen. Insoweit ist ausgeführt, auch wenn der Angeklagte die Fesselung K. s nicht gewollt habe, hätte er (ebenso wie B. ) wegen seiner Beteiligung an der Planung der Tat als Einbruch dafür sorgen (können und) müssen, dass K. befreit wird, nachdem er vom wahren Tatablauf erfahren hatte.
7
Aus den genannten Strafen wurde eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten gebildet.
8
3. Gegen dieses Urteil richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten, die zur Verurteilung wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen näher ausgeführt ist.
9
Der Senat hat mit Zustimmung des Generalbundesanwalts im Fall III 3 der Urteilsgründe die Strafverfolgung auf die rechtlichen Gesichtspunkte des versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und des Diebstahls beschränkt (§ 154a Abs. 2 StPO); dies führte zur Aufhebung der Einzelstrafe im Fall III 3 der Urteilsgründe und der Gesamtfreiheitsstrafe (§ 349 Abs. 4 StPO). Im Übrigen bleibt die Revision erfolglos (§ 349 Abs. 2 StPO).
10
a) Die Überprüfung des Schuldspruchs im Fall III 2 der Urteilsgründe hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben. Dies bedarf keiner näheren Ausführungen.
11
b) Gleiches gilt, soweit der Angeklagte im Fall III 3 wegen versuchten Wohnungseinbruchdiebstahls und Diebstahls verurteilt ist.
12
c) Wie auch der Generalbundesanwalt und die Verteidigung im Kern übereinstimmend näher ausgeführt haben, kann die Verurteilung wegen Freiheitsberaubung durch Unterlassen keinen Bestand haben. Pflichtwidriges Vorverhalten , dies liegt hier vor, führt nur dann zu einer Garantenstellung, wenn es die nahe liegende Gefahr des Eintritts des konkret zu untersuchenden tatbestandsmäßigen Erfolgs begründet (vgl. BGH NStZ 2000, 583; NStZ 1998, 83 jew. m.w.N.). Wenn, wie die Strafkammer festgestellt hat, ausdrücklich abgemacht ist, dass der Einbruch sofort abgebrochen wird, wenn der Wohnungsinhaber anwesend ist, begründet dies nicht die nahe liegende Gefahr, dass der Wohnungsinhaber (beraubt und) gefesselt zurückbleibt.
13
d) Wie der Generalbundesanwalt zutreffend näher ausgeführt und belegt hat, erscheint auf der Grundlage der übrigen Feststellungen hinsichtlich der unterbliebenen Befreiung K. s eine Verurteilung wegen unterlassener Hilfeleistung jedenfalls nicht ausgeschlossen. Abgesehen davon, dass die Strafkammer die Strafverfolgung auf die von ihr abgeurteilten Delikte beschränkt hat, käme jedoch eine Schuldspruchänderung durch den Senat schon im Blick auf § 265 StPO hier nicht in Betracht. Unter diesen Umständen nimmt der Senat aus Gründen der Prozessökonomie eine Verfahrensbeschränkung auf die genannten rechtlichen Gesichtspunkte vor.
14
e) Nachdem die Strafkammer die strafschärfende Wirkung der Freiheitsberaubung betont hat, führt diese Verfahrensbeschränkung zur Aufhebung des Strafausspruchs im Fall III 3 und der Gesamtstrafe. Die Einzelstrafe im Fall III 2 bleibt unberührt. Ebenso können die die Strafzumessung betreffenden Feststellungen bestehen bleiben.
15
Erwägungen darüber, ob die bisher verhängte Strafe auch auf der Grundlage des geänderten Schuldspruchs angemessen sein könnte, sind dem Senat mangels tragfähiger Rechtsgrundlage verwehrt (BVerfG NJW 2007, 2977, 2982).

16
4. Eine Erstreckung der Entscheidung auf den im Fall III 3 der Urteilsgründe identisch verurteilten früheren Mitangeklagten B. kommt nicht in Betracht, weil sich die Schuldspruchänderung aus einer Verfahrensbeschränkung ergibt (BGH, Beschl. vom 9. Oktober 2008 - 1 StR 359/08; BGH b. Becker NStZ-RR 2002, 103 m.w.N.). Nack Wahl Elf Graf Jäger

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Strafprozeßordnung - StPO | § 349 Entscheidung ohne Hauptverhandlung durch Beschluss


(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das Revisionsgeric

Strafprozeßordnung - StPO | § 265 Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes oder der Sachlage


(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gel

Strafprozeßordnung - StPO | § 154a Beschränkung der Verfolgung


(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind, 1. für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder2. neben einer Strafe oder Maß

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Bundesgerichtshof Beschluss, 09. Okt. 2008 - 1 StR 359/08

bei uns veröffentlicht am 09.10.2008

BUNDESGERICHTSHOF BESCHLUSS 1 StR 359/08 vom 9. Oktober 2008 in der Strafsache gegen 1. 2. wegen versuchter räuberischer Erpressung Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2008 beschlossen: 1. Mit Zustimmung des Generalbund

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(1) Fallen einzelne abtrennbare Teile einer Tat oder einzelne von mehreren Gesetzesverletzungen, die durch dieselbe Tat begangen worden sind,

1.
für die zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung oder
2.
neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat,
nicht beträchtlich ins Gewicht, so kann die Verfolgung auf die übrigen Teile der Tat oder die übrigen Gesetzesverletzungen beschränkt werden. § 154 Abs. 1 Nr. 2 gilt entsprechend. Die Beschränkung ist aktenkundig zu machen.

(2) Nach Einreichung der Anklageschrift kann das Gericht in jeder Lage des Verfahrens mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Beschränkung vornehmen.

(3) Das Gericht kann in jeder Lage des Verfahrens ausgeschiedene Teile einer Tat oder Gesetzesverletzungen in das Verfahren wieder einbeziehen. Einem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Einbeziehung ist zu entsprechen. Werden ausgeschiedene Teile einer Tat wieder einbezogen, so ist § 265 Abs. 4 entsprechend anzuwenden.

(1) Erachtet das Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen.

(2) Das Revisionsgericht kann auf einen Antrag der Staatsanwaltschaft, der zu begründen ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet.

(3) Die Staatsanwaltschaft teilt den Antrag nach Absatz 2 mit den Gründen dem Beschwerdeführer mit. Der Beschwerdeführer kann binnen zwei Wochen eine schriftliche Gegenerklärung beim Revisionsgericht einreichen.

(4) Erachtet das Revisionsgericht die zugunsten des Angeklagten eingelegte Revision einstimmig für begründet, so kann es das angefochtene Urteil durch Beschluß aufheben.

(5) Wendet das Revisionsgericht Absatz 1, 2 oder 4 nicht an, so entscheidet es über das Rechtsmittel durch Urteil.

(1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist.

(2) Ebenso ist zu verfahren, wenn

1.
sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßnahme oder die Verhängung einer Nebenstrafe oder Nebenfolge rechtfertigen,
2.
das Gericht von einer in der Verhandlung mitgeteilten vorläufigen Bewertung der Sach- oder Rechtslage abweichen will oder
3.
der Hinweis auf eine veränderte Sachlage zur genügenden Verteidigung des Angeklagten erforderlich ist.

(3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in der gerichtlich zugelassenen Anklage angeführten oder die zu den in Absatz 2 Nummer 1 bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen.

(4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
1 StR 359/08
vom
9. Oktober 2008
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen versuchter räuberischer Erpressung
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat am 9. Oktober 2008 beschlossen:
1. Mit Zustimmung des Generalbundesanwalts wird das Verfahren , soweit es die Angeklagten betrifft, gemäß § 154a Abs. 2 StPO auf den Vorwurf der versuchten Nötigung beschränkt. 2. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Amberg vom 21. Februar 2008, soweit es sie betrifft,
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass die Angeklagten der versuchten Nötigung schuldig sind;
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. 3. Die weitergehenden Revisionen werden verworfen. 4. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Weiden zurückverwiesen.

Gründe:


1
Die Angeklagten wurden wegen versuchter räuberischer Erpressung verurteilt , der Angeklagte K. zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, die Angeklagte H. zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren. Der frühere Mitangeklagte Z. , der keine Revision eingelegt hat, wurde wegen Beihilfe hierzu zu einer zur Bewährung ausgesetzten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
2
1. Die Strafkammer hat folgenden Geschehensablauf festgestellt:
3
Der Angeklagte K. ist Geschäftsführer und Mitinhaber der S. GmbH. Durch die Insolvenz der P. GmbH, deren Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer B. war, erlitt die S. GmbH Verluste von mehreren hunderttausend Euro. Dies bereitete Schwierigkeiten im Zusammenhang mit einem geplanten Börsengang.
4
Der Angeklagte wollte B. zu Zahlungen zwingen. Er bediente sich dazu der Angeklagten H. , die er über das Internet kennen gelernt hatte. Zwischen ihnen bestand eine sexuelle Beziehung mit - teilweise aus den Urteilsgründen näher ersichtlichen - sadomasochistischen Praktiken, die, so die Strafkammer, die Angeklagte H. als erniedrigend empfand. Im Übrigen ging es um gemeinsame Unternehmungen, aber auch um die vom Angeklagten K. zugesagte Hilfe für von der Angeklagten H. geplante Geschäfte.
5
Auf Verlangen des Angeklagten K. forderte sie B. zwischen Dezember 2006 und Januar 2007 insbesondere durch (anonyme) Drohbriefe und -anrufe auf, 600.000,-- € zu zahlen, sonst würde sein siebenjähriger Sohn erschossen. Untermauert wurde dies etwa mit einem Bild, auf dem um den Kopf des Kindes ein Fadenkreuz eingezeichnet war; auf einem anderen Photo von B. und seinem Sohn waren dessen Kopf und das Herz B. s heraus gebrannt. Teilweise wurde sie dabei vom früheren Mitangeklagten Z. unterstützt. Der Angeklagte K. machte zwar keine detaillierten Vorgaben, fragte aber wiederholt „intensiv“ nach dem Stand. Er wolle „lediglich die Ergebnisse“, die Sache würde schon „gut geregelt“. Soweit die Angeklagten K. und H. über den Vorgang per SMS oder E-Mail kommunizierten, geschah dies verdeckt mit unverfänglichen Begriffen wie „Speisekarte“ oder „Familienessen“.
6
Zu einer Zahlung kam es letztlich nicht.
7
2. Diese Feststellungen sind rechtsfehlerfrei getroffen (§ 349 Abs. 2 StPO). Gleichwohl bestehen Bedenken gegen den Schuldspruch. Es versteht sich nämlich nicht von selbst, dass die Angeklagten sich (bzw. die S. -GmbH, für die ersichtlich gehandelt wurde) zu Unrecht bereichern wollten. Die Rechtswidrigkeit des erstrebten Vermögensvorteils ist ein (normatives) Tatbestandsmerkmal , das vom - zumindest bedingten - Vorsatz des Täters umfasst sein muss (BGH StV 1991, 20).
8
a) Gläubiger einer insolventen GmbH haben keinen Anspruch unmittelbar gegen deren Mitgesellschafter und Geschäftsführer. Anders könnte es sein, wenn dieser, etwa noch in der Absicht, die Gläubiger der GmbH zu benachteiligen , die Insolvenz absichtlich herbeigeführt hätte.
9
Die Urteilsgründe ergeben Anhaltspunkte, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit diese Möglichkeit erörterungsbedürftig erscheinen lassen. Zunächst hatte B. der S. -GmbH für die P. GmbH einen dann ungedeckten Wechsel über 200.000,-- € ausgereicht, diese also im Ergebnis hingehalten. Die Insolvenz wurde dann „nach Offenlegung einer auf Angebot des … B. erfolgten Forderungsabtretung der Fa. P. an die Fa. S. “ angemeldet. Nach der Insolvenz gründete die Ehefrau B. s eine neue GmbH, die die gleichen Geschäfte betreibt wie die frühere Firma; B. ist dort angestellt. Schon früher war ein Insolvenzverfahren hinsichtlich einer GmbH, an der B. maßgeblich beteiligt war, mangels Masse eingestellt worden. Außerdem war B. noch Geschäftsführer einer weiteren GmbH, wobei zumindest die Möglichkeit im Raum zu stehen scheint, dass deren Gesellschafter durch von B. vorgenommene Vermögensverschiebungen zu Lasten dieser GmbH hohe Verluste erlitten.
10
b) Gleichwohl äußert sich die Strafkammer zur Berechtigung der - mit kriminellen Mitteln - geltend gemachten Forderung nicht. Sie beschränkt sich letztlich auf die Feststellung, das Insolvenzverfahren habe bisher keinen Fortgang genommen und auch die vom Angeklagten K. gegen B. erstattete Strafanzeige habe noch keine genaueren Erkenntnisse erbracht.
11
(1) Möglicherweise hält die Strafkammer Feststellungen zur Berechtigung der Forderung für entbehrlich, weil „auf dem … Klageweg … allenfalls langfristig etwas zu erreichen wäre“. Die Frage nach Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Forderung richtet sich aber nicht danach, ob sie voraussichtlich schnell vor Gericht durchgesetzt werden kann, sondern allein nach der materiellen Rechtslage (BGH NStZ 2008, 173, 174; NStZ-RR 1999, 6, 7 m.w.N.). Hierüber hat erforderlichenfalls der Strafrichter eigenverantwortlich zu befinden, vgl. § 262 StPO.
12
(2) Möglicherweise lässt die Strafkammer die Frage nach der Berechtigung der Forderung aber auch im Hinblick auf ihre Feststellungen zu den Vorstellungen der Angeklagten offen. Diese hielten zwar einen Anspruch gegen B. für möglich, ebenso aber auch, dass eine „normale Insolvenz“ vorliegt, also kein Anspruch gegen B. besteht.
13
Damit ist zum Ausdruck gebracht, dass selbst bei Bestehen einer Forderung ein untauglicher Versuch vorläge, weil die Angeklagten auch für möglich hielten, dass keine Forderung bestünde (zum insoweit identischen Fall eines untauglichen versuchten Betruges vgl. BGHSt 42, 268).
14
Insoweit bestehen jedoch Bedenken gegen die Beweiswürdigung:
15
(a) Unmittelbare oder mittelbare Aussagen der Angeklagten selbst, die dafür sprechen könnten, dass sie von einer „normalen Insolvenz“ ausgingen, gibt es nicht.
16
(b) In einer SMS des Angeklagten K. an die Angeklagte H. spricht er von einer „vorsätzlichen Pleite“. Dies spricht ebenso gegen die Annahme, die Angeklagten seien von einer „normalen Insolvenz“ ausgegangen wie die Strafanzeige des Angeklagten K. .
17
(c) Außerdem verweist die Strafkammer noch auf die verdeckte Kommunikation zwischen den Angeklagten, die gegen die Annahme einer legalen Forderung spräche. Jedoch darf man offensichtlich selbst eine berechtigte Forderung nicht mit der Drohung durchzusetzen versuchen, sonst ein Kind zu töten. Die nur verschlüsselte Kommunikation hierüber muss daher nichts zu den Vorstellungen über die Berechtigung der Forderung aussagen. Jedenfalls hat sich die Strafkammer mit diesem Gesichtspunkt nicht auseinandergesetzt.
18
(d) Weitere Anhaltspunkte, die die Annahme einer „normalen Insolvenz“ nahe legten, sind nicht ersichtlich. Noch mehr als für den Angeklagten K. gilt dies für die Angeklagte H. , deren Vorstellungen ersichtlich allein auf Angaben des Angeklagten K. beruhen.
19
3. Nicht zuletzt im Blick auf gebotene Verfahrensbeschleunigung beschränkt der Senat daher die Strafverfolgung gemäß § 154a Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 StPO auf den Vorwurf der versuchten Nötigung (§§ 240, 23 StGB) und ändert entsprechend den Schuldspruch. Die Angeklagten hätten sich gegen die ihnen günstigere, schon vom bisherigen Schuldspruch umfasste rechtliche Bewertung nicht anders als geschehen verteidigen können.
20
4. Dies führt hier ohne weiteres zur Aufhebung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO).
21
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat jedoch auf Folgendes hin:
22
a) Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Angeklagte H. , wie die Strafkammer „nicht ausschließbar“ und „gegebenenfalls“ meint, wegen Art und Folgen ihrer sexuellen Beziehung zum Angeklagten K. nur erheblich vermindert steuerungsfähig i.S.d. § 21 StGB war (vgl. hierzu auch BGHR StGB § 21 seelische Abartigkeit 18 „äußerst selten“), sind weder aus den Feststellungen zur Tat noch sonst erkennbar. In diesem Zusammenhang hat die Strafkammer nicht erörtert, ob es der Angeklagten nicht auch um Unterstützung für ihre geplanten eigenen Geschäfte ging. Im Übrigen ist die Frage der Erheblichkeit einer (etwaigen) Verminderung der Steuerungsfähigkeit eine Rechtsfrage und daher dem Zweifelssatz nicht zugänglich (BGH NStZ-RR 2006, 335, 336 m.w.N.). Bei der Entscheidung hierüber fließen auch normative Gesichtspunkte ein; dabei sind die Anforderungen zu berücksichtigen, die die Rechtsordnung an jedermann stellt. Diese sind umso höher, je schwer wiegender die in Rede stehende Tat ist (BGHSt 49, 45, 53 m.w.N.).
23
b) Die Strafkammer hat eine Strafmilderung gemäß § 46a StGB abgelehnt. Zwar sei von Schuldeinsicht und Reue auszugehen und Familie B. habe „die Entschuldigungen akzeptiert und die vereinbarten Zahlungen angenommen“. Jedoch seien die Ausgleichsmaßnahmen „sehr spät, nämlich erst im Rahmen der Hauptverhandlung vorgenommen worden“.
24
Gemäß § 155a StPO soll das Gericht in jeder Lage des Verfahrens die Möglichkeit eines Täter-Opfer-Ausgleichs prüfen und in geeigneten Fällen darauf hinwirken. Es kann - ohne dass freilich hierauf ein Anspruch bestünde - die Hauptverhandlung sogar zur Herbeiführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs unterbrechen (BGHSt 48, 134, 145). All dies spricht dagegen, allein wegen des genannten Zeitpunktes eine Strafmilderung gemäß § 46a StGB zu verneinen. Besonderheiten des Einzelfalls, die eine andere Beurteilung rechtfertigen könnten (vgl. BGH StV 2000, 129 ; BGH NStZ-RR 2006, 373 ), sind weder dargelegt noch sonst erkennbar.
25
5. Der Generalbundesanwalt (verneinend) und der Verteidiger des Angeklagten K. (bejahend) haben die Frage aufgeworfen, ob der Senat sein ihm gemäß § 354 Abs. 3 StPO eingeräumtes Ermessen dahin ausüben soll, die Sache an das Amtsgericht (Schöffengericht) zurückzuverweisen. Dies war zu verneinen. Eine Fallgestaltung, bei der schon - wie etwa beim Wegfall des Delikts, das die Schwurgerichtszuständigkeit begründet - allein die Schuldspruchänderung zwingend zum Wegfall der Zuständigkeit des höheren Gerichts führen würde , liegt nicht vor. Allein der Umstand, dass - auch unabhängig von der Schuldspruchänderung - im Hinblick auf das Verschlechterungsverbot (§ 358 Abs. 2 StPO) keine Strafen mehr verhängt werden können, die die Strafgewalt des Amtsgerichts übersteigen (§ 24 Abs. 1 Ziffer 2 GVG), gibt dem Senat keine Veranlassung zu einer Zurückverweisung an das Amtsgericht (vgl. auch MeyerGoßner in Gedächtsnisschrift für Ellen Schlüchter, 515, 530 f <“kann nicht Sinn der Regelung sein“>). Gegenläufige Gesichtspunkte des Einzelfalls, die es hier sachgerecht erscheinen lassen könnten, einen neuen Instanzenzug mit einer Berufungsinstanz und dem Oberlandesgericht als Revisionsinstanz zu eröffnen, sind nicht erkennbar.
26
6. Der Senat macht jedoch, insoweit entsprechend dem Antrag der Verteidigung der Angeklagten H. , von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO, letzte Alternative ). Das neu zur Entscheidung berufene Tatgericht wird auch bald über die Fortdauer der Untersuchungshaft zu entscheiden haben. Für die von der Verteidigung der Angeklagten H. beantragte Entscheidung des Senats gemäß § 126 Abs. 3 StPO ist hier kein Raum. Allein der gegenwärtige Verfahrensstand ergibt nicht „ohne weiteres“, also ohne dass dem Tatrichter vorbehaltene Abwägungen vorzunehmen wären, dass weitere Untersuchungshaft ausgeschlossen ist.
27
7. Eine Erstreckung der Schuldspruchänderung und der Aufhebung des Strafausspruchs auf den früheren Mitangeklagten Z. findet nicht statt, weil sich die Schuldspruchänderung aus der Verfolgungsbeschränkung ergibt (BGH b. Becker NStZ-RR 2002, 103 m.w.N.). Nack Wahl Elf Graf Sander