Bundesfinanzhof Urteil, 15. März 2012 - III R 59/08

bei uns veröffentlicht am15.03.2012

Tatbestand

1

I. Die am 6. Oktober 1984 geborene Tochter des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) hielt sich von August 2004 bis September 2005 als Au-pair in den USA auf. Dort besuchte sie vier Kurse an einem Community College mit einem Umfang von insgesamt 163 Unterrichtsstunden. Dabei handelte es sich um:

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 3 Wochenstunden "Intermediate Grammar"; insgesamt 42 Stunden in der Zeit vom 1. September 2004 bis zum 13. Dezember 2004;

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4 Wochenstunden "Authentic Spoken English"; in der Zeit vom 31. Januar 2005 bis 28. April 2005 insgesamt 50 Stunden;

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2,5 Wochenstunden "Let's talk"; in der Zeit vom 9. Februar 2005 bis 12. September 2005 insgesamt 35 Stunden;

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"American Government and Politics"; in der Zeit vom 8. Juli 2005 bis 10. Juli 2005 insgesamt 36 Stunden.

   

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Darüber hinaus nahm sie vom 19. bis zum 23. Juli 2004 an einem Au-pair-Workshop in New York teil.

4

Zum Sommersemester 2006 begann die Tochter des Klägers ein Studium der Internationalen Betriebswirtschaft - Interkulturelle Studien an der Hochschule X. Die Auswahl der Bewerber zu dem zulassungsbeschränkten Studiengang beruhte auf einer Rangliste, in die verschiedene Kriterien einflossen. Eine qualifizierende Auslandserfahrung, zu der auch ein Auslandsaufenthalt als Au-pair zählt, vermittelte abhängig von seiner Dauer bis zu 10 v.H. der erzielbaren Rankingpunkte. Ein Teil der Lehrveranstaltungen wird in englischer Sprache angeboten.

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Die Beklagte und Revisionsbeklagte (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers ab dem 1. August 2004 auf und forderte das für August 2004 bis Mai 2005 gezahlte Kindergeld zurück, da der Au-pair-Aufenthalt nicht als Berufsausbildung anzuerkennen sei. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 19. Februar 2002 VIII R 83/00 (BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469) aus, Sprachaufenthalte im Ausland könnten nur dann als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn sie entweder mit anerkannten Formen der Berufsausbildung (z.B. dem Besuch eines Colleges oder einer Universität) verbunden seien oder von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht von im Regelfall mindestens zehn Wochenstunden begleitet würden. Die Tochter des Klägers habe auch unter Einbeziehung des Kurses "American Government and Politics", dessen Charakter als theoretisch-systematischer Sprachkurs zweifelhaft sei, sowie unter Berücksichtigung von Vor- und Nachbereitungszeiten bei einer Unterrichtsdauer von nur insgesamt 163 Stunden den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Mindestumfang deutlich verfehlt. Ausnahmetatbestände, die das Unterschreiten der Grenze von zehn Unterrichtsstunden pro Woche als unschädlich erscheinen lassen könnten, lägen nicht vor.

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Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts. Nach dem BFH-Urteil in BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469 handele es sich bei einem Sprachurlaub um Ausbildung, wenn dieser in einer Studien- oder Ausbildungsordnung vorgeschrieben oder empfohlen sei oder zehn Wochenstunden in Anspruch nehme; im Einzelfall könne das Unterschreiten dieser Grenze unschädlich sein. Entgegen der Rechtsauffassung des FG sei der Sprachaufenthalt der Tochter für ihren Studiengang empfohlen; er stehe damit in einem hinreichenden Zusammenhang.

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Der Kläger beantragt sinngemäß, das FG-Urteil, den Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.

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Die Familienkasse beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision ist unbegründet und zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Für ein volljähriges Kind besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) Anspruch auf Kindergeld, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Die Ausbildungsmaßnahme braucht Zeit und Arbeitskraft des Kindes nicht überwiegend in Anspruch zu nehmen (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298).

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a) Eine Berufsausbildung kann auch im Ausland absolviert werden. Sofern ein Kind dort z.B. eine Universität oder Fachschule besucht oder ein Praktikum zur Erlangung beruflicher Qualifikationen ableistet (Senatsurteil vom 26. August 2010 III R 88/08, BFH/NV 2011, 26), kann es auch dann berücksichtigt werden, wenn zugleich ein Au-pair-Verhältnis besteht. Ein Au-pair-Verhältnis dient regelmäßig nicht der Ausbildung; es schließt die Berücksichtigung eines Kindes nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wegen einer anderweitigen Ausbildung jedoch ebenso wenig aus wie ein neben der Ausbildung bestehendes Wehrdienstverhältnis (Senatsurteil vom 27. August 2008 III R 88/07, BFH/NV 2009, 132).

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b) Nicht jeder Auslandsaufenthalt, der zu einer Verbesserung der Kenntnisse in der jeweiligen Landessprache führt, erfüllt das Tatbestandsmerkmal der Ausbildung für einen Beruf (BFH-Urteil in BFHE 198, 192, BStBl II 2002, 469; Senatsbeschlüsse vom 31. August 2006 III B 39/06, BFH/NV 2006, 2256; vom 14. September 2009 III B 119/08, BFH/NV 2010, 34). Zwecks Abgrenzung von längeren Urlauben und sonstigen Auslandsaufenthalten, etwa zur Persönlichkeitsbildung --z.B. zur Verbesserung der Selbstständigkeit oder um andere Länder und Kulturen kennenzulernen--, werden Sprachaufenthalte im Rahmen eines Au-pair-Verhältnisses nach ständiger Rechtsprechung daher nur dann als Berufsausbildung angesehen, wenn sie von einem theoretisch-systematischen Sprachunterricht begleitet werden, der nach seinem Umfang den Schluss auf eine hinreichend gründliche (Sprach-)Ausbildung rechtfertigt und grundsätzlich mindestens zehn Wochenstunden umfassen muss (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl II 1999, 701). Dabei ist grundsätzlich eine Durchschnittsbetrachtung für die Dauer des gesamten Aufenthaltes anzustellen, so dass bei insgesamt hinreichend umfangreichem Unterricht die Berücksichtigung in einem Ferienmonat nicht unterbrochen wird. Bei weniger als durchschnittlich zehn Wochenstunden können ausnahmsweise einzelne Monate gleichwohl als Berufsausbildung zu werten sein, wenn sie --z.B. infolge von Blockunterricht oder Lehrgängen-- durch intensiven, die Grenze von zehn Wochenstunden deutlich überschreitenden Unterricht geprägt werden.

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c) Sprachaufenthalte im Ausland können darüber hinaus unter besonderen Umständen des Einzelfalls als Berufsausbildung anerkannt werden, wenn der Fremdsprachenunterricht zwar weniger als zehn Wochenstunden umfasst, aber einen über die übliche Vor- und Nachbereitung hinausgehenden erheblichen zusätzlichen Zeitaufwand des Kindes erfordert. Dies kann z.B. darauf beruhen, dass Einzelunterricht oder fachlich orientierter Sprachunterricht (z.B. Englisch für Juristen) erteilt wird oder das Kind Vorträge in der Fremdsprache hält (Senatsbeschluss in BFH/NV 2006, 2256).

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d) Bezwecken der Auslandsaufenthalt und der Sprachunterricht, ein gutes Ergebnis in einem für die Zulassung zum Studium oder zu einer anderweitigen Ausbildung erforderlichen Fremdsprachentest zu erlangen (z.B. TOEFL oder IELTS) oder wird ein Auslandsaufenthalt von einer Ausbildungs- oder Prüfungsordnung zwingend vorausgesetzt, so kann ein Auslandsaufenthalt ebenfalls als Berufsausbildung zu qualifizieren sein, obwohl weniger als zehn Wochenstunden Sprachunterricht erteilt werden.

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e) Ein Auslandsaufenthalt ohne gründliche Sprachausbildung gehört demgegenüber nicht bereits deshalb zur Berufsausbildung, weil er Erfahrungen und Fähigkeiten vermittelt, die sich allgemein förderlich auf die Aussichten auswirken, für einen Ausbildungsplatz oder eine Beschäftigung ausgewählt zu werden, ohne dafür indessen erforderlich zu sein. Denn derartige Vorteile können auch durch eine vorübergehende Berufstätigkeit im Ausland oder längere Besuche bei im Ausland lebenden Verwandten erreicht werden, die ebenfalls nicht als Berufsausbildung einzustufen sind.

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Im Übrigen berücksichtigen einige Hochschulen und Arbeitgeber bei der Bewerberauswahl auch die Ausübung von Mannschaftssportarten oder Leistungssport sowie soziales oder politisches Engagement von Jugendlichen, weil sie Kooperationsfähigkeit, eine zupackende Art oder Leistungsbereitschaft indizieren; um eine Berufsausbildung handelt es sich indessen bei der Mitgliedschaft in einer Sportmannschaft oder der Mitarbeit in einer Hilfsorganisation oder der Jugendorganisation einer politischen Partei unzweifelhaft nicht.

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2. Die Entscheidung des FG, dass die Tochter des Klägers während ihres Au-pair-Aufenthaltes nicht i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG für einen Beruf ausgebildet wurde, ist danach revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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Ihr Fremdsprachenunterricht erreichte auch zusammen mit dem Kurs "American Government and Politics" sowie dem Au-pair-Workshop bei Weitem nicht einen Durchschnitt von zehn Wochenstunden; ob der Workshop aufgrund seiner Inhalte als Ausbildung in Betracht käme, ist daher unerheblich.

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Die Teilnahme an dem Kurs "American Government and Politics" genügt auch nicht für sich den Anforderungen an eine Berufsausbildung: Der Kurs umfasste lediglich 36 Unterrichtsstunden und wurde nicht im Rahmen einer anerkannten Form der Berufsausbildung belegt. Es bestehen auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dieser Kurs zu einem fachlich anerkannten Abschluss führen sollte (vgl. hierzu BFH-Urteile vom 9. Juni 1999 VI R 34/98, BFHE 189, 95, BStBl II 1999, 705: "associate degree"; vom 14. November 2000 VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495: "Master of Laws"), auf das anschließend im Inland betriebene Studium angerechnet wurde oder dieses beschleunigt oder wesentlich erleichtert hat; der Kurs wurde auch nicht von der Hochschule X für die Studienzulassung vorausgesetzt.

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Finanzgerichtsordnung - FGO | § 126


(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss. (2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück. (3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof 1. in der Sache selbs

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Bundesfinanzhof Urteil, 26. Aug. 2010 - III R 88/08

bei uns veröffentlicht am 26.08.2010

Tatbestand 1 I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre 1981 geborene Tochter, die im Januar 2007 ihr Hochschulstudium der Germanistik, A

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(1) Ist die Revision unzulässig, so verwirft der Bundesfinanzhof sie durch Beschluss.

(2) Ist die Revision unbegründet, so weist der Bundesfinanzhof sie zurück.

(3) Ist die Revision begründet, so kann der Bundesfinanzhof

1.
in der Sache selbst entscheiden oder
2.
das angefochtene Urteil aufheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverweisen.
Der Bundesfinanzhof verweist den Rechtsstreit zurück, wenn der in dem Revisionsverfahren nach § 123 Abs. 1 Satz 2 Beigeladene ein berechtigtes Interesse daran hat.

(4) Ergeben die Entscheidungsgründe zwar eine Verletzung des bestehenden Rechts, stellt sich die Entscheidung selbst aber aus anderen Gründen als richtig dar, so ist die Revision zurückzuweisen.

(5) Das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, hat seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des Bundesfinanzhofs zugrunde zu legen.

(6) Die Entscheidung über die Revision bedarf keiner Begründung, soweit der Bundesfinanzhof Rügen von Verfahrensmängeln nicht für durchgreifend erachtet. Das gilt nicht für Rügen nach § 119 und, wenn mit der Revision ausschließlich Verfahrensmängel geltend gemacht werden, für Rügen, auf denen die Zulassung der Revision beruht.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) bezog Kindergeld für ihre 1981 geborene Tochter, die im Januar 2007 ihr Hochschulstudium der Germanistik, Anglistik und Wirtschaftswissenschaften mit der Magisterprüfung abschloss. Die Tochter strebte eine Tätigkeit im Bereich Presse, Public Relations oder Marketing an und hatte bereits während ihres Studiums entsprechende Praktika absolviert.

2

Zum 15. Juni 2007 schloss sie einen auf ein Jahr befristeten Vertrag als Trainee im Bereich Marketing mit einem kleineren Verlag. Der Ausbildungsplan sah vier Monate in der Event- und Marketingabteilung, zwei Monate in der Anzeigenabteilung, je einen Monat in der Koordination und der Bildredaktion und je zwei Monate in der Redaktion und der Distribution vor. Die Jahresbruttovergütung belief sich auf 7.800 €. Vorgeschaltet war ein nicht vergütetes 14-tägiges Praktikum. Vom 1. Juli 2008 an sollte die Tochter unbefristet als Marketingassistentin für eine Jahresbruttovergütung von 21.600 € beschäftigt werden.

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Die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) hob die Kindergeldfestsetzung ab Februar 2007 auf. Mit Bekanntgabe der Prüfungsergebnisse im Januar 2007 seien die Anspruchsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab Februar 2007 entfallen. Die Tochter habe sich auch nicht in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befunden, da es sich bei ihrer Tätigkeit als Trainee nicht um eine Berufsausbildung handele. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

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Das Finanzgericht (FG) hob den Aufhebungsbescheid und die Einspruchsentscheidung mit Urteil vom 30. Oktober 2008, 4 K 4113/07 Kg (Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2009, 357) auf. Es führte aus, die Tochter der Klägerin habe sich als Trainee in Ausbildung befunden. Dabei sei zu berücksichtigen, dass ein wissenschaftliches Hochschulstudium nicht die erforderliche Qualifikation für das angestrebte Berufsziel "Assistent im Bereich Marketing und Public Relations im Pressewesen und Verlagswesen" vermittele, dass die Tochter alle den angestrebten Beruf berührenden Sachbereiche durchlaufen habe, dass eine theoretische und praktische Unterweisung durch fachkundiges Personal bei ihrer Mitarbeit an Projekten stattgefunden habe und ein Einstieg in den angestrebten Beruf mit einem auskömmlichen Gehalt eröffnet worden sei, während das Gehalt der Höhe nach einer Ausbildungsvergütung entsprochen habe. Die in der befristeten Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten würden unternehmensübergreifend als berufsqualifizierend anerkannt, was sich daran zeige, dass die Tochter anschließend eine Festanstellung bei einem anderen Unternehmen erhalten habe und ihre Vorgängerin in der Traineestelle sofort danach in die Marketing-Abteilung eines DAX30-Unternehmens gewechselt sei.

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Die Familienkasse trägt zur Begründung ihrer Revision unter Hinweis auf die Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes (DA-FamEStG) 63.3.2.2 Abs. 3 Satz 3 (BStBl I 2009, 1029, 1060) und die dazu ergangene Weisung des Bundeszentralamtes für Steuern im Newsletter aus Juli 2008 vor, bei der Stelle als Marketing-Trainee habe es sich um ein Arbeits- und nicht um ein Ausbildungsverhältnis gehandelt. Dies zeige insbesondere ein Vergleich mit dem Arbeitsvertrag über die unbefristete Anstellung ab dem 1. Juli 2008, denn die Verträge seien mit Ausnahme der Vereinbarung über die Vergütung und die Kündigungsfristen inhaltlich nahezu identisch. Dies begründe ein starkes Indiz für die Einschätzung des Trainee-Verhältnisses als verlängerte Probezeit. Der Ausbildungsplan habe auch keine theoretischen Unterweisungen vorgesehen. Das Niedersächsische FG gehe in seinem Urteil vom 21. April 1999 II 684/97 Ki (EFG 1999, 901) wie auch das Thüringer FG in seinem Urteil vom 5. September 2007 III 610/06 (EFG 2008, 631) davon aus, dass Trainee-Programme regelmäßig als Arbeitsverhältnis zu würdigen seien.

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Die Familienkasse beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

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1. Die Entscheidung des FG, die Traineetätigkeit sei als Berufsausbildung zu werten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

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a) Für ein über 18 Jahre altes Kind, das für einen Beruf ausgebildet wird, besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG Anspruch auf Kindergeld. Das Kind darf zudem das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben; Kinder, die --wie die Tochter der Klägerin-- im Veranlagungszeitraum 2006 das 25. Lebensjahr vollendet haben, werden bis zur Vollendung des 27. Lebensjahrs berücksichtigt (§ 52 Abs. 40 Satz 4 EStG, jetzt Satz 7).

11

In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl II 2010, 298, m.w.N.).

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Eine Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird in der Regel mit einer Prüfung abgeschlossen. Die Berufsausbildung umfasst aber nicht nur Ausbildungsmaßnahmen, die erforderlich sind, um die Mindestvoraussetzungen für die Ausübung des gewählten Berufs zu erfüllen, sondern auch solche, die geeignet sind, die berufliche Stellung des Kindes zu verbessern. Danach kann sich ein Kind auch dann noch in Berufsausbildung befinden, wenn es nach einer erfolgreich absolvierten Ausbildung in ernsthafter und nachhaltiger Weise zusätzliche Qualifikationen erwirbt, sofern diese als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Der BFH hat daher ein Studium nach einer Lehre, ein Zusatzstudium mit dem Ziel "Master of Laws (LLM)" nach bestandenem Staatsexamen (BFH-Urteil vom 14. November 2000 VI R 128/00, BFHE 193, 457, BStBl II 2001, 495), die Fortsetzung des Studiums nach bestandener Diplomprüfung als Maschinenbauingenieur (Senatsurteil vom 24. Februar 2010 III R 80/08, BFH/NV 2010, 1431), den Erwerb der ersten Musterberechtigung (sog. type rating) durch einen Verkehrsflugzeugführer (Senatsurteil vom 4. März 2010 III R 23/08, BFH/NV 2010, 1264) und insbesondere auch die gegen geringe Entlohnung ausgeübte Volontärtätigkeit einer Wirtschaftsassistentin (BFH-Urteil vom 9. Juni 1999 VI R 50/98, BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706) als Ausbildung angesehen. Der Begriff der Ausbildung für einen Beruf i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ist daher weiter als der Begriff der Berufsausbildung i.S. von § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG; die dort bedeutsame Abgrenzung zwischen Ausbildungs- und Fortbildungskosten (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 29. Aufl., § 10 Rz 122) ist für § 32 EStG nicht maßgeblich (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 16. März 2004 VIII R 65/03, BFH/NV 2004, 1522).

13

b) Ob es sich bei einer Tätigkeit als Volontärin, als Trainee oder als bezahlte Praktikantin um eine Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG oder um ein Arbeitsverhältnis handelt, hängt nicht von der Bezeichnung der Maßnahme ab. Entscheidend ist vielmehr, ob die Erlangung beruflicher Qualifikationen oder die Erbringung von Arbeitsleistungen im Vordergrund steht (BFH-Urteile in BFHE 189, 98, BStBl II 1999, 706; vom 21. Januar 2010 III R 17/07, BFH/NV 2010, 1423, betr. Tätigkeit als Shampooneuse in einem Frisiersalon).

14

Das FG ist im Rahmen der Gesamtwürdigung unter Einbeziehung der Aussage der als Zeugin vernommenen Tochter und der Stellungnahme der Ausbildungsleiterin des Verlages zu dem Ergebnis gelangt, dass die Traineetätigkeit nicht als ein gering bezahltes Arbeitsverhältnis, sondern als Ausbildung zu beurteilen sei. Da die tatsächliche Würdigung des FG verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen ist und auch nicht gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt, bindet sie den BFH als Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO, selbst wenn die Wertung des FG nicht zwingend, sondern lediglich möglich ist (z.B. Senatsurteil vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BFH/NV 2009, 638, unter II.2.).

15

2. Der Anspruch auf Kindergeld besteht nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG auch für die Monate Februar bis Mai 2007. Die Tochter befand sich zwischen ihrem Hochschulstudium und dem Beginn ihrer Tätigkeit als Marketing-Trainee in einer Übergangszeit i.S. von § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG; die Vier-Monats-Frist ist nicht taggenau zu berechnen, sondern umfasst vier volle Kalendermonate (BFH-Urteile vom 15. Juli 2003 VIII R 105/01, BFHE 203, 102, BStBl II 2003, 847; vom 23. Februar 2006 III R 82/03, BFHE 212, 476, BStBl II 2008, 702).