Die Klägerin, ein EU-Mitgliedstaat, begehrt vom Beklagten, einem privaten Münzsammler, die Herausgabe einer keltischen Münze, welche jener im März 2013 vom britischen Auktionshaus C.R. erworben hat. Sie macht geltend, bei der Münze, die nach den Angaben im Auktionskatalog am 28. September 2011 in Slowenien gefunden worden sei, handele es sich um nationales Kulturgut, welches unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet der Klägerin verbracht worden sei.
Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat die auf Herausgabe der Münze gerichtete Klage der Klägerin mit Urteil vom 16. Juli 2015 abgewiesen. Die Voraussetzungen des Rückgabeanspruches (§ 6 Abs. 1 des Kulturgüterrückgabegesetzes -KultGüRückG) seien nicht erfüllt. Die nationale gesetzliche Regelung der Klägerin, welche alle im Hoheitsgebiet der Klägerin aufgefundenen archäologischen Gegenstände (älter als 100 Jahre) als nationales Kulturgut abstrakt definiere, genüge für die Unterschutzstellung nach deutschem Recht nicht, da die streitgegenständliche Münze somit nicht - wie es § 6 Abs. 1 KultGüRückG voraussetze - konkret als nationales Kulturgut eingestuft („verzeichnet“) sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils Bezug genommen.
Mit der vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr Rechtsschutzbegehren weiter und beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die streitgegenständliche Münze an die Klägerin herauszugeben,
hilfsweise,
den Beklagten zu verpflichten, die Münze gegen eine gerichtlich festzulegende, angemessene Entschädigung an die Klägerin herauszugeben.
Die Klägerin trägt - unter Berücksichtigung des gerichtlichen Hinweises auf das am 6. August 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts, welches das Kulturgüterrückgabegesetz durch das Gesetz zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetz - KGSG) ersetzt hat und damit unter anderem die Vereinfachung des Rückgabeverfahrens für unrechtmäßig verbrachtes Kulturgut ausländischer Staaten bezweckt - vor, ihr Rückgabeanspruch sei jedenfalls nach Maßgabe des neuen Gesetzes (§ 50 KGSG) begründet. Die Münze sei als nationales (archäologisches) Kulturgut gesetzlich definiert und aus dem Hoheitsgebiet der Klägerin unter Verstoß gegen nationale Rechtsvorschriften verbracht worden. Die Klägerin habe sich nach Kenntnisnahme vom Auktionskatalog des britischen Auktionshauses umgehend um Rückgabe der Münze bemüht. Unbeschadet dessen habe ihr Rückgabeanspruch bereits nach Maßgabe des bisher geltenden Rechts (§ 6 Abs. 1 KultGüRückG) bestanden, weil auch insoweit die allgemeine gesetzliche Regelung genüge, welche die streitgegenständliche Münze abstrakt als nationales Kulturgut der Klägerin definiere.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Das Verwaltungsgericht gehe zu Recht davon aus, dass das Kulturgüterrückgabegesetz für den von der Klägerin geltend gemachten Rückgabeanspruch die vorherige konkrete Benennung des beanspruchten Gegenstands in einem „Verzeichnis“ entsprechend schutzwürdiger Kulturgüter voraussetze. Die Klägerin habe es jedoch bis heute unterlassen, die streitgegenständliche Münze in ein derartiges Verzeichnis aufzunehmen. Sie habe darüber hinaus nicht bewiesen, dass die Münze in ihrem Hoheitsgebiet gefunden worden und deshalb nach dem nationalen Recht der Klägerin überhaupt als nationales Kulturgut zu definieren sei. Die Klägerin stütze sich als Nachweis für den Fundort der Münze lediglich auf die Angabe im Auktionskatalog, die jedoch durch die spätere schriftliche und notariell beglaubigte Angabe des Einlieferers der Münze sowie ergänzend durch die Erklärung des Auktionshauses, dass die Angabe im Auktionskatalog falsch sei, widerlegt werde. Vergleichbare Münzen seien zudem nicht nur innerhalb sondern auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Klägerin aufgefunden worden. Die Prozesssituation habe sich durch das neue Kulturgutschutzgesetz nicht verändert, weil eine Anwendung des neuen Gesetzes auf den vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen sei. Der Sachverhalt sei mit der behördlich genehmigten Ausfuhr der Münze aus Großbritannien nach Deutschland und der Zahlung des Auktionspreises durch den Beklagten abgeschlossen. Damit habe sich die Münze zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes rechtmäßig im Bundesgebiet befunden. In diesen abgeschlossenen Sachverhalt könne das neue Kulturgutschutzgesetz nicht nachträglich zulasten des Beklagten eingreifen. Unbeschadet dessen sei der Rückgabeanspruch nach Maßgabe des neuen Gesetzes auch deshalb nicht begründet, weil der deutsche Gesetzgeber Münzen als „archäologisches Massenprodukt“ generell von dem Anwendungsbereich der neuen Vorschriften habe ausnehmen wollen. Die Klägerin habe ferner - wie bereits erstinstanzlich vorgetragen - ihrer Klage nicht die nach § 13 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 KultGüRückG (jetzt: § 63 Abs. 1 KGSG) erforderlichen Beschreibungen des streitbefangenen Gegenstands und die zum Nachweis der Voraussetzungen des Rückgabeanspruchs erforderlichen Urkunden und Erklärungen beigefügt.
Mit Beschluss vom 7. Dezember 2016, ergänzt durch Beschluss vom 27. April 2017, hat der Senat Beweiserhebung zu den strittigen Fragen nach dem Fundort der streitgegenständlichen Münze und den Umständen der Verbringung der Münze aus dem Hoheitsgebiet der Klägerin durch Einvernahme des Einlieferers der Münze und zweier Mitarbeiter des britischen Auktionshauses als Zeugen angeordnet. Wegen der Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2017 verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen.
Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.
1. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat weder nach Maßgabe des bis zum 6. August 2016 geltenden Kulturgüter-rückgabegesetzes (KultGüRückG) noch des zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Gesetzes zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetzes - KGSG) einen Anspruch auf Herausgabe der streitgegenständlichen Münze.
a) § 6 Abs. 1 des Kulturgüterrückgabegesetzes vom 18. Mai 2007 (BGBl I S. 757), geändert durch Gesetz vom 6. Juni 2013 (BGBl I S. 1482), setzt unter anderem voraus, dass der beanspruchte und unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines EU-Mitgliedstaats in das Bundesgebiet verbrachte Gegenstand von diesem Mitgliedstaat durch Rechtsvorschrift oder Verwaltungsakt als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Sinne des Artikels 30 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft öffentlich eingestuft wurde oder seine Einstufung als nationales Kulturgut eingeleitet und die Einleitung des Verfahrens öffentlich bekannt gemacht wurde.
Das Verwaltungsgericht geht bei der Anwendung und Auslegung dieser Vorschrift zu Recht davon aus, dass das Kulturgüterrückgabegesetz voraussetzt, dass der EU-Mitgliedstaat den beanspruchten Gegenstand als nationales Kulturgut durch Rechtsvorschrift oder Verwaltungsakt konkret benannt („verzeichnet“) und auf diese Weise - dem Wortlaut des § 6 Abs. 1 KultGüRückG entsprechend - „öffentlich eingestuft“ hat. Die zwischen den Beteiligten unstrittige nationale gesetzliche Regelung der Klägerin, welche alle im Hoheitsgebiet der Klägerin aufgefundenen archäologischen Gegenstände (älter als 100 Jahre) als nationales Kulturgut abstrakt definiert, genügt diesen Anforderungen nicht.
Dieses Verständnis des § 6 Abs. 1 KultGüRückG entspricht nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch dem Willen des Gesetzgebers, der bei der seinerzeitigen Neufassung des Kulturgüterrückgabegesetzes im Jahr 2007 die zur Ausführung des UNESCO-Übereinkommens vom 14. November 1970 über Maßnahmen zum Verbot und zur Verhütung der rechtswidrigen Einfuhr, Ausfuhr und Übereignung von Kulturgut (UNESCO-Kulturgutübereinkommen) dienenden Bestimmungen hinsichtlich der Rückgabe von Kulturgut an die Vertragsstaaten des UNESCO-Kulturgutübereinkommens (§ 6 Abs. 2 KultGüRückG) parallel zu denjenigen Bestimmungen des Kulturgüterrückgabegesetzes entwickelt hat, die der Umsetzung der Richtlinie 93/7/EWG des Rates vom 15. März 1993 über die Rückgabe von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verbrachten Kulturgütern dienten (§ 6 Abs. 1 KultGüRückG).
Danach unterlag - für die Vertragsstaaten des UNESCO-Kulturgutübereinkommens ebenso wie für die EU-Mitgliedstaaten - nicht jedes Kulturgut der Rückgabepflicht, sondern nur Gegenstände, die öffentlich „aus religiösen oder weltlichen Gründen als für die Archäologie, Vorgeschichte, Geschichte, Literatur, Kunst oder Wissenschaft besonders bedeutsam bezeichnet“ (§ 6 Abs. 2 KultGüRückG) bzw. als „nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert im Sinne des Artikels 30 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft öffentlich eingestuft“ wurden (§ 6 Abs. 1 KultGüRückG). In beiden Fällen mussten aus Gründen der Rechtssicherheit die Gegenstände „individuell identifizierbar in öffentlich zugänglichen Verzeichnissen erfasst sein“ (vgl. BT-Drs. 16/1371 S. 16 und 18).
Diese inhaltlich für die Vertragsstaaten des UNESCO-Kulturgutübereinkommens ebenso wie für die EU-Mitgliedstaaten parallel ausgebildete Struktur des Rückgabeanspruchs von unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des jeweiligen Staates verbrachten Kulturguts hat der Gesetzgeber mit dem am 6. August 2016 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuregelung des Kulturgutschutzrechts vom 31. Juli 2016 (BGBl I 18 S. 1914), welches das Kulturgüterrückgabegesetz durch das neue Gesetz zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetz - KGSG) ersetzte, fortentwickelt. Der Gesetzgeber hat dabei, weil sich die „in Deutschland gesetzlich verankerte Voraussetzung, dass nur für jene Kulturgüter ein Rückgabeanspruch besteht, die in ein öffentliches und in Deutschland einsehbares Verzeichnis des Herkunftsstaates eingetragen wurden“ (vgl. BT-Drs. 17/13378 S. 8 und 29 f.), als nicht praktikabel erwiesen und zu außenpolitischen Belastungen geführt habe, das Rückgabeverfahren für unrechtmäßig verbrachtes Kulturgut ausländischer Staaten durch die Abschaffung des Eintragungserfordernisses vereinfacht (vgl. BT-Drs. 18/7456 S. 2). Das Gesetz regelt nunmehr, dass jeder EU-Mitgliedstaat einen Rückgabeanspruch für das unrechtmäßig aus dem Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats verbrachte Kulturgut hat, das der Mitgliedstaat durch nationale Rechtsvorschriften oder durch Verwaltungsverfahren als nationales Kulturgut „eingestuft oder definiert“ hat (§ 50 KGSG).
Der Gesetzgeber hat damit ausdrücklich bestätigt, dass ein EU-Mitgliedstaat die Rückgabe eines unrechtmäßig aus seinem Hoheitsgebiet verbrachten Kulturguts, welches er in Rechtsvorschriften oder durch Verwaltungsverfahren nicht konkret als nationales Kulturgut von künstlerischem, geschichtlichem oder archäologischem Wert eingestuft, sondern lediglich abstrakt als ein solches Kulturgut definiert hat, nicht nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 KultGüRückG, sondern erst auf der Grundlage des am 6. August 2016 in Kraft getretenen Gesetzes zum Schutz von Kulturgut (Kulturgutschutzgesetz - KGSG) beanspruchen kann.
b) Die Klägerin kann die Herausgabe der streitgegenständlichen Münze jedoch auch nicht auf der Grundlage des neuen Rechts (§ 50 KGSG) verlangen, weil die Klägerin nach ihrer nationalen gesetzlichen Regelung nur diejenigen archäologischen Gegenstände (älter als 100 Jahre) als nationales Kulturgut definiert, die in ihrem Hoheitsgebiet aufgefunden worden sind. Dafür trägt sie das Risiko der Nichterweislichkeit (vgl. Geiger in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 86 Rn. 2a). Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren nicht nachgewiesen, dass die Münze in ihrem Hoheitsgebiet aufgefunden wurde. Es kommt für die gerichtliche Entscheidung deshalb auf die weiteren Einwände des Beklagten in Bezug auf die Anwendung des Kulturgutschutzgesetzes im vorliegenden Rechtsstreit nicht mehr an.
Die Klägerin hat sich im gerichtlichen Verfahren als Nachweis des Fundorts der Münze lediglich auf die Angabe im Auktionskatalog, wonach die Münze am 28. September 2011 in Slowenien (nahe des Flusses Mura) gefunden worden sei, gestützt. Die Angabe im Auktionskatalog beruht unstreitig auf der gegenüber dem britischen Auktionshaus im Jahr 2012 getätigten Angabe des Einlieferers der Münze, der im Hoheitsgebiet der Klägerin wohnt und deren Staatsangehörigkeit besitzt. Der Einlieferer der Münze hat seine Angabe jedoch im Jahr 2013 gegenüber dem Auktionshaus widerrufen und durch die Angabe ersetzt, er habe die Münze von seinem Großvater erhalten, der sie wiederum während des Zweiten Weltkrieges in Russland von einem deutschen Soldaten erhalten habe. Diese Angabe hat der Einlieferer der Münze in einer schriftlichen (notariell beglaubigten) Erklärung vom 25. Januar 2015 bestätigt. Damit ist die Glaubwürdigkeit der im Auktionskatalog enthaltenen Angabe zum Fundort der Münze substantiiert erschüttert.
Dem Gericht ist es im Rahmen seiner Pflicht zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen nicht gelungen, den Wahrheitsgehalt der widersprüchlichen Angaben des Einlieferers der Münze aufzuklären, weil trotz der gerichtlichen Bitte an die Klägerin, auf das Erscheinen des geladenen Zeugen in der mündlichen Verhandlung hinzuwirken, dieser vor Gericht nicht erschienen ist. Nach dem Ergebnis der Einvernahme der beiden ebenfalls als Zeugen geladenen und vor Gericht erschienenen Mitarbeiter des britischen Auktionshauses bleibt offen, welche der widersprüchlichen Angaben des Einlieferers der Münze der Wahrheit entspricht. Nachdem die Klägerin keine weiteren Beweise zum Nachweis des Fundorts der Münze angeboten hat und auch sonst eine weitere Aufklärung des Sachverhalts nicht möglich erscheint, bleibt der Fundort der Münze ungeklärt. Da - zwischen den Parteien unstreitig - mit der streitgegenständlichen Münze vergleichbare Münzen auch außerhalb des Hoheitsgebiets der Klägerin aufgefunden worden sind, hat die Klägerin eine der wesentlichen Voraussetzungen des Rückgabeanspruchs nach § 50 KGSG, dass es sich bei der beanspruchten Münze um nationales Kulturgut handelt, nicht nachgewiesen. Der in der mündlichen Verhandlung vorsorglich gestellte Beweisantrag der Klägerin, ein Sachverständigengutachten zur Seltenheit der Münze einzuholen, ist für die gerichtliche Entscheidung unerheblich.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.