Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2015 - 15 C 15.1263

bei uns veröffentlicht am18.08.2015
vorgehend
Verwaltungsgericht Regensburg, RO 2 K 13.1115, 15.04.2015

Gericht

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Tenor

I.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

II.

Der Beiladungsbewerber hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Der Beiladungsbewerber begehrt seine Beiladung zum verwaltungsgerichtlichen Verfahren RO 2 K 13.1115. Gegenstand dieses Verfahrens ist das Verpflichtungsbegehren des Klägers, ihm eine Baugenehmigung zum Neubau eines Schweinemaststalls mit Güllegrube zu erteilen. Der Standort des Vorhabens liegt über 250 m nördlich des Ortsteils E. der Gemeinde B. im Außenbereich. Das Wohnhaus des Beiladungsbewerbers liegt - in zweiter Reihe - am nördlichen Ortsrand des Ortsteils E. in einer Entfernung von über 300 m zum Standort des Vorhabens.

Das Verwaltungsgericht wies den Beiladungsantrag des Beiladungsbewerbers mit Beschluss vom 15. April 2015 ab. Die Beiladung sei nicht zweckmäßig, weil sie nicht nur auf den Beiladungsbewerber beschränkt werden könne, sondern auf eine Vielzahl in ihren rechtlichen Interessen berührte Grundstückseigentümer erstreckt werden müsse, deren Kreis nur schwer abzugrenzen sei. Dies würde das Verfahren erschweren ohne dass zugleich möglichen weiteren Rechtsstreitigkeiten effektiv vorgebeugt werden könne.

Mit seiner Beschwerde verfolgt der Beiladungsbewerber sein Begehren weiter. Das Gericht könne aus einer größeren Zahl materiell Beteiligter so viele beiladen, wie es für erforderlich erachte, oder nur solche, die hierzu am geeignetsten erscheinen würden. Gerade weil diese Möglichkeit bestehe und der Beiladungsbewerber statt aller betroffenen Dorfbewohner beigeladen werden könne, seien die Erwägungen des Gerichts fehlerhaft. Ein Dominoeffekt sei nicht zu befürchten, weil es das Gericht in der Hand habe, jeden künftigen Beiladungsantrag aus prozessökonomischen Gründen abzulehnen. Für den ersten Beiladungsantrag könne dies nicht gelten; dies gelte erst Recht, wenn es sich bei dem Beizuladenden - wie hier - um den dem Bauvorhaben nächstgelegenen Nachbarn handle. Die Erwägung, ob durch die Beiladung des Beiladungsbewerbers weiteren Rechtsstreitigkeiten vorgebeugt werden könne oder nicht, sei spekulativ. Die mit der Beiladung des Beiladungsbewerbers verbundene Transparenz trage zur Beseitigung von Rechtsunsicherheiten bei und könne unnötige Klageverfahren vermeiden.

Der Beklagte hat sich zum Beiladungsantrag nicht geäußert. Die beigeladene Gemeinde befürwortet die Beiladung des Beiladungsbewerbers. Der Kläger beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.

II.

Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Nach § 65 Abs. 1 VwGO kann das Gericht, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen (sog. einfache Beiladung). Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (§ 65 Abs. 2 VwGO, notwendige Beiladung).

1. Zwischen den Beteiligten besteht Einigkeit, dass ein Fall der notwendigen Beiladung i. S.v. § 65 Abs. 2 VwGO nicht vorliegt. Dies trifft zu, weil hier der Anspruch des Klägers gegenüber dem Beklagten auf Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung für sein Vorhaben streitig ist. An diesem Rechtsverhältnis ist ein Nachbar nicht deshalb beteiligt, weil eine Genehmigungserteilung möglicherweise seine Rechte verletzt (vgl. BVerwG, U.v. 11.2.1977 - 4 C 9/75 - BayVBl 1977, 473 = juris Rn. 20 m. w. N.; BVerwG, U.v. 5.7.1974 - 4 C 50/72 - BVerwGE 45, 309 = juris Rn. 35).

2. Unstreitig ist auch, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine einfache Beiladung nach § 65 Abs. 1 VwGO vorliegen. Ob bei Vorliegen dieser Voraussetzungen eine Beiladung erfolgt, liegt im Ermessen des Gerichts, bei dem die Streitsache anhängig ist, im Fall der Beschwerde gegen die den Beiladungsantrag ablehnende Entscheidung im Ermessen des Beschwerdegerichts, das nicht auf die Nachprüfung des Ermessens der Vorinstanz beschränkt ist (vgl. OVG NW, B.v. 3.8.2015 - 13 E 513/5 - juris Rn. 10 m. w. N.).

Aus Sicht des Senats besteht keine Veranlassung für eine einfache Beiladung des Beiladungsbewerbers. Im Einzelfall mag sich die einfache Beiladung in Fällen empfehlen, in denen die Genehmigungserteilung Rechte Dritter berühren kann, um unter Bindung auch der Dritten (§ 121 Nr. 1 VwGO) den Streitstoff in einem einzigen Verfahren erledigen zu können (vgl. BVerwG, B.v. 21.6.1973 - 4 B 38/73 - DÖV 1975, 99 = juris Rn. 5). Dies kann insbesondere dann in Betracht kommen, wenn ein unmittelbar benachbarter Grundstückseigentümer handgreiflich von der Baugenehmigung betroffen wird, etwa weil ein Abweichen von nachbarschützenden Vorschriften beantragt wurde. Wird aber - wie hier - eine mit zumutbarem Aufwand nur schwer zu ermittelnde Zahl von potenziell Drittbetroffenen von der Baugenehmigung für ein Vorhaben in rechtlichen Interessen berührt, so spricht jedenfalls aus Gründen der Prozessökonomie wenig dafür, einen Einzelnen oder eine eher zufällig ausgewählte Gruppe von Nachbarn zum Verfahren beizuladen. Davon abgesehen sind die schutzwürdigen Nachbarrechte im Rahmen der Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Baugenehmigung auch ohne Beiladung Gegenstand der gerichtlichen Prüfung. In Fällen wie hier spricht deshalb Überwiegendes dafür, von der Möglichkeit der einfachen Beiladung abzusehen und die potenziell Drittbetroffenen auf die etwaige Anfechtung der Baugenehmigung zu verweisen, wenn sie in Kenntnis der Regelungen der Baugenehmigung der Auffassung sind, ihre nachbarlichen Interessen seien nicht hinreichend berücksichtigt worden.

Angesichts der Vorbehalte gegen das Vorhaben u. a. der Bürgerinitiative „keine Schweinemast bei uns“ kann erwartet werden, dass auch andere Nachbarn als der Beiladungsbewerber eine etwaige Baugenehmigung anfechten werden. Im Übrigen zeichnet sich das Grundstück FlNr. ... des Beiladungsbewerbers in Ansehung des Vorhabens weder durch eine gegenüber anderen potenziell Drittbetroffenen abweichende besondere Schutzwürdigkeit aus noch ist sonst ersichtlich, weshalb gerade der Beiladungsbewerber „statt aller betroffenen Dorfbewohner“ beigeladen werden solle. Insbesondere trifft es in der Sache nicht zu, dass er der dem Bauvorhaben nächstgelegene Nachbar sei; sein Grundstück liegt auch nicht in der Hauptwindrichtung zum Vorhaben. Von einer Beiladung des Beiladungsbewerbers wird vor diesem Hintergrund abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 18. Aug. 2015 - 15 C 15.1263 zitiert 4 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 65


(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen. (2) Sind

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 121


Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,1.die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und2.im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

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(1) Das Gericht kann, solange das Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen oder in höherer Instanz anhängig ist, von Amts wegen oder auf Antrag andere, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden, beiladen.

(2) Sind an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, daß die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann, so sind sie beizuladen (notwendige Beiladung).

(3) Kommt nach Absatz 2 die Beiladung von mehr als fünfzig Personen in Betracht, kann das Gericht durch Beschluß anordnen, daß nur solche Personen beigeladen werden, die dies innerhalb einer bestimmten Frist beantragen. Der Beschluß ist unanfechtbar. Er ist im Bundesanzeiger bekanntzumachen. Er muß außerdem in Tageszeitungen veröffentlicht werden, die in dem Bereich verbreitet sind, in dem sich die Entscheidung voraussichtlich auswirken wird. Die Bekanntmachung kann zusätzlich in einem von dem Gericht für Bekanntmachungen bestimmten Informations- und Kommunikationssystem erfolgen. Die Frist muß mindestens drei Monate seit Veröffentlichung im Bundesanzeiger betragen. In der Veröffentlichung in Tageszeitungen ist mitzuteilen, an welchem Tage die Frist abläuft. Für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Frist gilt § 60 entsprechend. Das Gericht soll Personen, die von der Entscheidung erkennbar in besonderem Maße betroffen werden, auch ohne Antrag beiladen.

(4) Der Beiladungsbeschluß ist allen Beteiligten zuzustellen. Dabei sollen der Stand der Sache und der Grund der Beiladung angegeben werden. Die Beiladung ist unanfechtbar.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.