Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 28. Sept. 2017 - L 7 R 5059/16

bei uns veröffentlicht am28.09.2017
vorgehend
Sozialgericht München, S 10 R 1315/13, 10.03.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status des Klägers bei der Beigeladenen zu 1 als Intensivkrankenpfleger seit 1.1.2008 bis 31.3.2015.

Die Beigeladene zu 1 betreibt einen ambulanten Pflegedienst speziell für Wachkomapatienten, Heimbeatmung und 24-Stunden-Intensivpflege bei Kindern und Erwachsenen.

Die Tätigkeit des Klägers für die Beigeladene zu 1 bestand in der ambulanten Versorgung von tracheotomierten und langzeitbeatmeten Personen, insbesondere in der Überwachung und Pflege dieser Personen als Intensivpfleger. Konkret handelte es sich um eine pflegebedürftige Person in A-Stadt und R-Stadt. Grundlage hierfür war der Rahmenvertrag vom 16.8.2008. Der Kläger ist examinierter Krankenpfleger und absolvierte eine Ausbildung im Bereich Pflegemanagement. Am 5.9.2011 gründete er die Firma A. Pflegedienstleistungen UG (haftungsbeschränkt), dessen alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer er ist. Im Nachgang zur Gründung der Gesellschaft schloss die Beigeladene zu 1 mit der Gesellschaft am 20.1.2012 einen dem Rahmenvertrag vom 16.6.2008 betreffend die vertraglichen Regelungen im Wesentlichen inhaltsgleichen Rahmenvertrag. Außerdem beschäftigte der Kläger zwei geringfügig Beschäftigte, die für ihn Aufträge bei anderen Auftraggebern als dem Beigeladenen zu 1 übernahmen.

Mit Bescheiden jeweils datierend vom 20.9.2011 stellte die Beklagte in Ausführung gerichtlicher Anerkenntnisse (u.a. S 11 R 2652/05) für die Tätigkeit bei der H. GmbH, M. Intensivpflege, P.-Intensivpflege und für die P. GmbH für die Zeit ab 1.4.2004 eine selbständige Tätigkeit im Bereich der ambulanten Krankenpflege fest.

Mit Schreiben vom 16.11.2011 stellte der Kläger Antrag auf Statusfeststellung nach § 7a SGB IV in Bezug auf die Tätigkeit bei der Beigeladenen zu 1. Er sei für mehrere Auftraggeber tätig, so u.a. seit Oktober 2007 auch für die P. GmbH & Co. KG.

Der Rahmenvertrag vom 16.06.2008 enthält (auszugsweise) folgende Regelungen:

"I. Vertragsgegenstand:

Dieser Vertrag in Form von Rahmenbedingungen soll die Konditionen einer künftigen Geschäftsbeziehung zwischen den Parteien regeln.“

II.

Tätigkeit:

Unter der Voraussetzungen einer Auftragserteilung bzw. Auftragsannahme im Einzelfall (siehe unter Ziffer 4) wird der Auftragnehmer, im wesentlichen folgende Leistungen erbringen, wobei der Umfang der konkret beauftragten Tätigkeit, wenn sie vom nachfolgenden Leitungskatalog abweicht, im einzelnen Auftrag schriftlich festzuhalten ist:

Der Auftragnehmer verpflichtet sich die ihm übertragenen Aufgaben sorgfältig, sachgerecht und nach bestem Wissen und Gewissen auszuführen. Er haftet dem Auftraggeber gegenüber für die ihm verursachten Schäden. Der Auftragnehmer hat zur Deckung derartiger Schäden eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen.

III. Personelle/Örtliche Durchführung

Der Ort der Durchführung orientiert sich allein an den Bedürfnissen des konkreten Auftrages bzw. Pflegekunden.

IV. Auftragsabwicklung

Der Auftragnehmer wird dem Auftraggeber nach eigenem Ermessen seine zeitlichen und fachlichen Kapazitäten am 1. eines Vormonates für den Auftragsfolgemonat in Form eines schriftlichen Angebotes unterbreiten (z.B. am 1. April Terminvorschläge für den Monat Mai). Der Auftraggeber überprüft die zur Verfügung gestellten Kapazitäten des Auftragnehmers. Besteht auf Seiten des Auftraggebers in Kongruenz zur Anfrage des Auftragnehmers Tätigkeitsbedarf, so wird der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Mitteilung (schriftlich bzw. per E-Mail) zukommen lassen, aus dem sich das Auftragsvolumen in zeitlicher und fachlicher Hinsicht ergibt.

Der Auftragnehmer wird die Mitteilung prüfen und dem Auftraggeber auf schriftlichen (mit Unterschrift) Wege innerhalb 48 h die Annahme oder die Ablehnung des Angebotes bzw. alternative Vorschläge mitteilen.

Mit Unterschrift nimmt der Auftragnehmer den Auftrag an.

Sollte der Auftragsnehmer 24 h vor geplantem Auftragsantritt das Angebot absagen oder den Auftrag nicht wahrnehmen können, ist er verpflichtet, dem Auftraggeber entstandene Kosten binnen 2 Werktagen zu ersetzten. Erfolgt dies nicht, wird der Auftraggeber pauschal mindestens 600,00 Euro (bei Nachweis ggf. mehr) dem Auftragnehmer in Rechnung stellen.

Der Auftraggeber ist dem Auftragnehmer gegenüber während der zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer vereinbarten Dienstzeit nicht weisungsbefugt. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die Arbeiten entsprechend den Richtlinien, Vorschriften etc. zu erfüllen.

Der Auftragnehmer wird seine eigene Dienstkleidung einsetzen. Sollte der Auftraggeber spezielle Dienstkleidung wünschen, wird diese dem Auftragnehmer zur Verfügung gestellt.

V. Inhaltliche fachpflegerische und gesundheitsberatende Ausführung

Es wird vom Auftragnehmer grundsätzlich eigenständige fachpflegerische und gesundheitsberatende Professionalität bei der Durchführung der Leistung erwartet. Des weiteren wird ein Nachweis über Teilnahme an fachspezifischen Fortbildungsveranstaltungen (z.B. Reanimation) mindestens 1x/Jahr unaufgefordert gewünscht.

VI. Vergütung

Die Vergütung erfolgt nach zeitlichem Aufwand. Die Höhe des Stundenhonorars (pro geleisteter Arbeitsstunde) beträgt 21,00 Euro. Die Vergütung ist spätestens 21 Tage nach Rechnungseingang fällig.

Der Auftragnehmer hat darüber hinaus keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, bezahlten Urlaub, Weihnachtsgeld oder sonstige Vergütungen. Der Auftragnehmer übt seine Tätigkeit freiberuflich aus. Der Auftragnehmer ist und wird nicht Angestellter des Auftraggebers. Der Einsatz der Auftragnehmer ist zeitlich begrenzt. Der Auftragnehmer ist nicht der einzige Kunde des Auftraggebers.

Der Auftragnehmer hat sich selbst gegen die Folgen von Krankheit/Unfall etc. zu versichern und eine eigenständige Altersvorsorge zu betreiben.

VII. Haftung/Gewährleistung

Der Auftragnehmer verpflichtet sich zum Abschluss einer sein Berufsrisiko deckenden Berufshaftpflichtversicherung. Auf Verlangen des Auftraggebers sind diesem Art und Umfang der Versicherung mitzuteilen.

VIII. Kündigung

Diese Rahmenvereinbarung ist jederzeit vom Auftraggeber kündbar.

Eine Kündigung des Einzelnen, bereits vereinbarten Auftrages bzw. Projektes vor Beendigung des vereinbarten, konkreten Auftragszeitraumes seitens des Auftragnehmers ist ausgeschlossen, es sei denn, er würde dem Auftraggeber eine Entschädigung von 480,00 Euro pro ausgefallenen Auftragstag bezahlen.

IX. Verschwiegenheit/Rückgabe von Unterlagen

Die Vertragsparteien verpflichten sich gegenseitig, über alle Geschäftsangelegenheiten absolute Verschwiegenheit zu bewahren. Dies gilt insbesondere für […] Hat der Auftragnehmer vom Auftraggeber in Bezug auf einen Auftrag Unterlagen erhalten, so sind diese spätestens bei Beendigung des Auftrages, auf Wunsch des Auftraggebers auch jederzeit vorher an den Auftraggeber zurück- bzw. herauszugeben.

Der Auftragnehmer verpflichtet sich bei Zuwiderhandlung zu einer Vertragsstrafe von 5.000,00 Euro.

X. Wettbewerb

Der Auftragnehmer wird durch diese Vereinbarung grundsätzlich nicht in seiner unternehmerischen Entfaltung eingeschränkt. Allerdings verpflichtet er sich zur Vermeidung von Komplikationen und zur Aufrechterhaltung einer notwendigen Transparenz, im Rahmen jeder konkreten Tätigkeit auf Grund des Auftrages durch den Auftraggeber für einen bestimmten Pflegekunden, keine weiteren Leistungen für den selben Pflegekunden durchzuführen. Diese Einschränkung gilt nur für den Zeitraum der im Rahmen dieser Vereinbarung mit dem Auftraggeber vereinbarten Auftragserfüllung. Die Dienstleistung wird vom Auftragnehmer im Rahmen des Auftraggebers erbracht. Der Auftragnehmer verpflichtet sich, selbst keine Verträge mit dem Kunden des Auftragnehmers abzuschließen. Bei Zuwiderhandlung haftet der Auftragnehmer dem Auftraggeber für diesen dadurch entstanden Ausfall (=Schaden), insbesondere für die durch die Abwerbung entstandenen Umsatzverluste.

XII. Schutzbestimmungen für Arbeitnehmer

Die besondere Fürsorgepflicht des Auftraggebers gegenüber seinem Angestellten findet auf diesen Vertrag keine Anwendung. […].“

Nach Anhörung der Beteiligten stellte die Beklagte mit Bescheid vom 29.11.2012 fest, dass die Tätigkeit des Klägers bei der Beigeladenen zu 1 ab 1.1.2008 in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe.

Hiergegen legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch ein. Der Kläger arbeite als Unternehmer auf eigene Rechnung für mehrere Auftraggeber. Bei keinem der Pflegedienste sei er in die Betriebsorganisation eingegliedert. Er unterliege keinen Weisungen hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit. Er richte seine Arbeitszeit nicht nach den Bedürfnissen der zu pflegenden Person, sondern nach einem eigenen Arbeitsplan. Er könne bestimmen, wie viele Schichten er bei einer Pflegeperson übernehmen wolle. Der Kläger ist zur höchstpersönlichen Leistungserbringung nicht verpflichtet und unterliege keinen fachlichen Weisungen des Beigeladenen zu 1.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4.6.2013 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Jedes Auftragsverhältnis sei gesondert zu beurteilen. Der Kläger könne nicht mit der Pflegekasse abrechnen und habe somit auch keinen Einfluss auf die Preisgestaltung für Pflegeleistungen. Die fachliche Verantwortung trage die Beigeladene zu 1. Der Kläger sei in deren Betriebsorganisation eingebunden. Mit der Annahme eines Auftrages würden die Anwesenheits- und Arbeitszeiten vorgegeben ebenso wie die Inhalte durch den Behandlungsplan. Der Kläger trage kein unternehmerisches Risiko. Die geringfügig Beschäftigten seien nicht bei der Beigeladenen zu 1 eingesetzt worden.

Hiergegen erhob der Bevollmächtigte des Klägers am 26.6.2013 Klage zum Sozialgericht München. Der Kläger sei selbständig tätig gewesen. Der Kläger habe seit 2004 in kurzfristiger Beschäftigung/50 Tageregelung Frau K. M. beschäftigt, die anstatt des Klägers die mit dem Pflegedienst P. ausgehandelten Pflegedienste übernommen habe. Diese habe außerdem vom 1.1.2008 bis 31.10.2008 für ihn gearbeitet und dabei einen Bruttoverdienst von 5.217 € erzielt. Der Kläger habe Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag entrichtet. Frau M. sei zudem vom 1.1.2009 bis 31.3.2009 bei ihm beschäftigt gewesen und habe beim Pflegedienst P. die vereinbarten Pflegedienste übernommen. Im Jahr 2010 sei Frau D. M. vom 1.2. bis 31.7.2010 beschäftigt gewesen. Sie habe für den Kläger auch mit dem Pflegedienst P. vereinbarte Pflegedienste übernommen. Der Kläger habe für mehrere Auftraggeber gearbeitet, so auch für den Pflegedienst P. GmbH seit 1.1.2007. Im Juli 2010 habe der Kläger seine eigene Arbeitgeberfunktion beendet und am 5.9.2011 die „A. Pflegedienstleistung UG (haftungsbeschränkt)“ mit Sitz in A-Stadt gegründet. Der Kläger sei Geschäftsführer und alleiniger Gesellschafter dieser Firma. Es sei seine alleinige freie Entscheidung, wie viel Zeit er der Beigeladenen zu 1 anbiete und zu welchem Zeitpunkt die angebotene Zeit abgearbeitet werde. Dem Kläger sei es daher allein überlassen, wieviel er für die Beigeladene zu 1 arbeiten wolle. Es gebe keine Arbeitszeitvereinbarung, der sich der Kläger bei Annahme des Angebotes zu unterwerfen habe. Der Kläger sei auch nicht in die Betriebsorganisation der Beigeladenen eingegliedert oder weisungsgebunden hinsichtlich Ort, Zeit und Inhalt seiner Tätigkeit. Die Arbeitszeit des Klägers würde sich nicht nach den Bedürfnissen der Beigeladenen zu 1 richten, sondern ausschließlich nach dem vom Kläger selbst aufgestellten Arbeitsplan. Er sei nicht zur höchstpersönlichen Leistungserbringung verpflichtet. Gemäß dem Rahmenvertrag sei er berechtigt, entweder die Dienstleistungen selbst zu erbringen oder durch eine andere, ähnlich qualifizierte Person erbringen zu lassen. Der Kläger trage auch fachliche Verantwortung für die Leistungserbringung gegenüber dem Patienten. Er haftet gemäß Rahmenvertrag unter Ziffer II der Beigeladenen zu 1 für die von ihm verursachten Schäden. Der Kläger habe eine ausreichend hohe Berufshaftpflichtversicherung abgeschlossen. Er benutzt einen eigenen Pkw, um zu den Patienten zu gelangen.

In der mündlichen Verhandlung erklärte der Kläger, dass vor der konkreten Durchführung eine Einführung durch die Beigeladene zu 1 von ca. 20 Minuten stattgefunden habe. Bei seiner Tätigkeit sei der Kläger von der Beigeladenen zu 1 nicht kontrolliert worden. Er habe von der Beigeladenen zu 1 bei der Durchführung des jeweiligen Auftrages keine Einzelanordnungen erhalten. Gegenüber der Krankenkasse habe der Kläger nicht selbst abrechnen können. Im Zeitraum von 2008 bis 2010 habe er zwei weitere Auftraggeber, ab 2011 einen weiteren Auftraggeber gehabt.

Die Beigeladene zu 1 erklärte, dass der Kläger an Teambesprechungen nicht habe teilnehmen müssen. Die Angestellten seien strikteren Vorgaben unterworfen gewesen. Bei Abweichung vom Behandlungsplan hätten die Angestellten die Zustimmung der Beigeladenen zu 1 einholen müssen. Dies sei beim Kläger nicht der Fall gewesen. Im Übrigen schloss sich die Beigeladene zu 1 der Rechtsauffassung des Klägers an.

Mit Urteil vom 10.3.2016 gab das Sozialgericht München der Klage statt und hob die streitgegenständlichen Bescheide auf. Unter Abwägung sämtlicher Umstände sei der Kläger in der Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 nicht abhängig beschäftigt gewesen. Er sei nicht in die Arbeitsorganisation der Beigeladenen zu 1 eingegliedert und nicht ihrem Weisungsrecht unterlegen gewesen. Es habe keine festen Arbeitszeiten gegeben. Vielmehr habe der Kläger der Beigeladenen mitgeteilt, wann er freie Kapazitäten für die Übernahme von Pflegedienstaufträgen habe. Aufträge habe er jederzeit ablehnen können. Für den Kläger habe auch keine Verpflichtung zur ständigen Dienstbereitschaft bestanden. Er sei nicht in den von der Beigeladenen zu 1 für seine festangestellten Mitarbeiter aufgestellten Einsatzplan eingebunden gewesen. Er sei zur Teilnahme an Teambesprechungen nicht verpflichtet gewesen. Die festangestellten Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1 seien strikteren Vorgaben betreffend deren Tätigkeit unterworfen gewesen als der Kläger. Diese hätten bei der Abweichung vom Behandlungsplan eine Zustimmung der Beigeladenen zu 1 einholen müssen. Der Kläger sei keinen Weisungen unterlegen. Die Beigeladene zu 1 sei bei der Tätigkeit des Klägers nicht anwesend gewesen, um ihm Anleitungen oder Anweisungen für seine Tätigkeit zu geben. Bei der Durchführung des jeweiligen Auftrags erhielt der Kläger somit von der Beigeladenen keine Einzelanordnung bzw. Einzelanweisungen. Vielmehr oblag es allein ihm während der Dauer der Betreuung zu entscheiden, welche Maßnahmen gegebenenfalls aufgrund der aktuell gegebenen Situation zu ergreifen seien. Soweit der Kläger den Behandlungsplan zu beachten gehabt habe, sei dies nicht Ausdruck einer Weisungsbefugnis der Beigeladenen zu 1 gewesen. Denn der jeweilige Behandlungsplan habe auf Vorgaben des Arztes und Ergänzungen durch den Patienten oder dessen Angehörigen beruht. Es sei eine kurze Einführung durch die Beigeladene zu 1 im Umfang von ca. 20 Minuten pro Patient erfolgt. Dies falle nicht ins Gewicht. Dass der Kläger bei den jeweiligen Patienten und damit in deren Räumlichkeiten habe tätig werden müssen, sei nicht Ausdruck einer Weisungsbefugnis der Beigeladenen zu 1, sondern vielmehr handle es sich hierbei um einen Bestandteil der vertraglichen Vereinbarung. Die Beigeladene zu 1 habe die Tätigkeit des Klägers nicht kontrolliert. Der Kläger habe seine Tätigkeit nicht höchstpersönlich erbringen müssen. Eine Verpflichtung zur Benutzung der Pflegemittel der Beigeladenen zu 1 habe nicht bestanden. Der Kläger trage ein für die Selbständigkeit sprechendes Unternehmerrisiko. Ein solches sei gegeben, wenn eigenes Kapital oder eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr eines Verlustes eingesetzt wird. Dabei müssten dem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfanges beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen. Zwar folge ein Unternehmerrisiko nicht daraus, dass der Kläger das Risiko trage, außerhalb einzelner Aufträge die Arbeitskraft nicht verwerten zu können oder keine Anschlussaufträge zu erhalten. Gegen ein Unternehmerrisiko spreche auch die pauschale Stundenvergütung. Dem habe ein größerer Entscheidungs- und Gestaltungspielraum gegenübergestanden. Er habe frei entscheiden können, welche Aufträge er übernehme und sei bei der Ausübung der Tätigkeit keinen Weisungen unterworfen gewesen. Der Kläger habe angesichts fehlender Kontrollen durch die Beigeladene zu 1 größere Freiräume und damit einen größeren Entscheidungs- und Handlungsspielraum bei der Erfüllung der Aufträge gehabt und habe diese selbst gestalten können entsprechend den Bedürfnissen der Pflegebedürftigen. Gegen eine selbständige Tätigkeit spreche ferner nicht, dass der Kläger nicht mit der Krankenkasse habe abrechnen können. Denn damit sei noch keine Aussage über den sozialversicherungsrechtlichen Status verbunden. Ergänzend spreche für eine selbständige Tätigkeit, dass der Kläger neben seiner Tätigkeit für die Beigeladene zu 1 für weitere Auftraggeber tätig gewesen sei.

Hiergegen legte die Beklagte mit Schriftsatz vom 25.4.2016 Berufung beim Bay. Landessozialgericht ein. Der Kläger stehe in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis. Wenn der Kläger Dienste übernommen habe, sei er in gleicher Weise in die Betriebsorganisation der Beigeladenen zu 1 eingegliedert gewesen wie die Stammbelegschaft. Wesentliche Unterschiede habe es nicht gegeben. Der Kläger sei an Absprachen gebunden gewesen. Es sei eine 20- minütige Einweisung vor Durchführung der Pflege erfolgt. Die Pflege erfolge nach Maßgabe der durch den Behandlungsplan vorgegebenen Erfordernisse. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers werde nicht dadurch beseitigt, dass es nicht in jedem Detail ausgeübt werde. Dies sei bei Diensten höherer Art sogar regelmäßig der Fall, so dass sich das Weisungsrecht des Arbeitgebers zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinere, wenn der Betreffende eingegliedert sei. Die fehlende Verpflichtung zur höchstpersönlichen Leistungserbringung sei dann kein entscheidendes Merkmal, wenn hiervon nur selten Gebrauch gemacht werde, die persönliche Arbeitsleistung somit die Regel gewesen sei. Der Kläger habe weder Kapital, noch die eigene Arbeitskraft mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt. Die Vergütung sei erfolgsunabhängig gewesen. Die Arbeitsmittel seien von der Krankenkasse gestellt worden. Ob der Kläger für weitere Auftraggeber tätig gewesen sei, sei unbeachtlich, da nur das jeweilige Vertragsverhältnis zu beurteilen sei. Im gleichen Umfang wie die Beigeladene zu 1 gegenüber der Krankenkasse und der zu pflegenden Person die Gewähr einer ordnungsgemäßen Pflege und Betreuung übernehme, müsse sie gegenüber dem Kläger die Durchführung einer ordnungsgemäßen Pflege durchsetzen, was ohne eine irgendwie geartete inhaltliche Weisung undenkbar sei. Nur so sei es der Beigeladenen zu 1 möglich, ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Krankenkasse zu erfüllen. Eine Kontrollmöglichkeit habe die Beigeladene zu 1 mithilfe der Pflegedokumentation gehabt.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 31.3.2017 erklärte der Kläger, dass es bei der Übergabe keine Unterschiede gebe, ob die Übergabe an einen anderen Freiberufler oder abhängig Beschäftigten erfolge. Die Angehörigen hätten gewusst, dass er als Freiberufler tätig sei und nicht als Angestellte der Beigeladenen zu 1. Er habe kein Firmenlogo oder Ähnliches getragen. Ab September 2011 sei die Vertragsbeziehung umgestellt und komplett über die A.-Pflegedienstleistungen UG abgewickelt worden. Seine Berufshaftpflichtversicherung decke einen Schaden von 2 Millionen € ab. Der Kläger habe den Rahmenvertrag zwischen der UG und der Beigeladenen zu 1 genauso erfüllt, wie vorher den Rahmenvertrag vom 16.6.2008.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.3.2016 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 29.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.6.2013 abzuweisen.

Der Bevollmächtigte des Klägers und des Berufungsbeklagten als auch der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 1 beantragen,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie halten das Urteil des Sozialgerichts in der Sache für zutreffend.

Die übrigen Beigeladenen stellen keine Anträge.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten des Sozialgerichts und der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143,144, 151 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid vom 29.11.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4.6.2013 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zu Recht hat das Sozialgericht seiner Klage stattgegeben. Es hat seiner Entscheidung einen zutreffenden Prüfungsmaßstab unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zugrunde gelegt.

Der Senat macht sich die vom Sozialgericht getroffenen und in die Gesamtabwägung eingestellten Tatsachenfeststellungen zu eigen und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurück und sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Die im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumente der Beklagten rechtfertigen nach Überzeugung des Senats keine hiervon abweichende Entscheidung. Die im Rahmenvertrag vom 16.6.2008 und vom 20.12.2012 getroffenen Vereinbarungen entsprechen den tatsächlichen Verhältnissen. Weitere schriftliche oder mündliche Vereinbarungen bestehen nicht. Der Kläger war nicht in die Organisationsstruktur der Beigeladenen zu 1 eingebunden. Sie erteilte keinerlei Weisungen in Bezug auf die Art und Weise der pflegerischen Leistungserbringung. Das Weisungsrecht war vorliegend nicht zur dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinert. Die Vorgaben aus dem ärztlichen Behandlungsplan setzte er eigenverantwortlich um. Abweichungen hiervon stimmte er mit der Beigeladenen zu 1 nicht ab und war dazu auch nicht verpflichtet. Er entschied in eigener Verantwortung, wann ein Arzt zu kontaktieren war. Der Kläger agierte insoweit außerhalb der Betriebs- und Organisationsstruktur der Beigeladenen zu 1. Dies wurde auch nach außen entsprechend dokumentiert. Gegenüber den Angehörigen des Pflegebedürftigen trat er nicht als Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1 auf, sondern als selbständiger Freiberufler. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtabwägung fällt vorliegend entscheidend ins Gewicht, dass der Kläger eine unternehmerische Struktur aufbaute und dementsprechend ein unternehmerisches Risiko trug. Er schloss eine Berufshaftpflichtversicherung mit einer Schadensdeckungssumme von 2 Millionen Euro ab und verpflichtete sich zu einer Vertragsstrafe von 5.000 € bei Verletzung der Verschwiegenheitspflicht sowie zu Schadensersatz bei vorzeitiger Kündigung von Aufträgen in Höhe von 480 € bzw. von 600 € bei nicht rechtzeitiger Absage von übernommenen Diensten. Der Kläger war seit 2004 stets für mehrere Auftraggeber, wie z.B. für die H. GmbH, M. Intensivpflegedienst GmbH und P.-Intensivpflege tätig. In Erfüllung der von diesen Auftraggebern übernommenen Aufträge bediente er sich eigener Arbeitnehmer, die für ihn Pflegedienste übernahmen. Die Beklagte erkannte in Bezug auf diese Auftragsverhältnisse im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht an, dass der Kläger selbständig tätig ist. Dass sie dies im streitigen Auftragsverhältnis nicht macht, überzeugt nicht. Denn es kann nicht allein formal darauf abgestellt werden, ob im jeweiligen Auftragsverhältnis er selbst oder dessen Arbeitnehmer zum Einsatz kommen. Es ist vielmehr als Ausdruck seiner unternehmerischen Entscheidungsfreiheit anzusehen, ob und wen er bei einem Auftraggeber einsetzt. Hinzu kommt schließlich, dass er eine haftungsbeschränkte Gesellschaft gegründet hat, mit der er die Rechtsbeziehungen zum Beigeladenen zu 1 fortgesetzt hat. Damit tritt er erkennbar am Markt unternehmerisch auf. Der fehlenden direkten Abrechnungsmöglichkeit mit den Pflegekassen kommt vorliegend kein entscheidendes Gewicht zu. Wie das BSG in seiner Entscheidung vom 24.3.2016, B 12 KR 20/14 R, Rn 28 zum Leistungserbringungsrecht des SGB V ausgeführt hat, betrifft dieses allein das gesetzlich vorgegebene und nach diesen Vorgaben vertraglich konkretisierte Verhältnis zwischen Krankenkasse und dem zugelassenen Leistungserbringer. Dem Leistungserbringungsrecht fehlt demgegenüber eine über das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht des SGB V hinausgehende übergeordnete Wirkung auch bezogen auf die sozialversicherungs- und beitragsrechtliche Rechtslage in Bezug auf die konkret tätig werdenden Personen. Diesem System könne keine determinierende Wirkung auf die Frage, ob eine Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 SGB IV vorliegt, entnommen werden. Vielmehr kommt es jeweils auf die konkreten Umstände des Einzelfalls an. Anhaltspunkte, dass das Leistungsrecht in das Vertragsverhältnis konkret übernommen werden sollten, gibt es nicht. Die Vergütung hing nicht von den tatsächlichen Abrechnungsmöglichkeiten der Beigeladenen zu 1 ab. Vereinbart war eine davon unabhängige pauschale Vergütung von 21 € pro Stunde.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 und 4 SGG. Die Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 entspricht der Billigkeit. Sie hat einen Klageantrag gestellt, diesen entsprechend begründet und sich durch die Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.

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Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 160


(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 153


(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt. (2) Das Landessozialgericht

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7 Beschäftigung


(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. (1a) Eine B

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 7a Feststellung des Erwerbsstatus


(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsste

Referenzen

(1) Die Beteiligten können bei der Deutschen Rentenversicherung Bund schriftlich oder elektronisch eine Entscheidung beantragen, ob bei einem Auftragsverhältnis eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung von Versicherungspflicht auf Grund einer Beschäftigung eingeleitet. Die Einzugsstelle hat einen Antrag nach Satz 1 zu stellen, wenn sich aus der Meldung des Arbeitgebers (§ 28a) ergibt, dass der Beschäftigte Ehegatte, Lebenspartner oder Abkömmling des Arbeitgebers oder geschäftsführender Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist.

(2) Die Deutsche Rentenversicherung Bund entscheidet auf Grund einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalles, ob eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt. Wird die vereinbarte Tätigkeit für einen Dritten erbracht und liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Auftragnehmer in dessen Arbeitsorganisation eingegliedert ist und dessen Weisungen unterliegt, stellt sie bei Vorliegen einer Beschäftigung auch fest, ob das Beschäftigungsverhältnis zu dem Dritten besteht. Der Dritte kann bei Vorliegen von Anhaltspunkten im Sinne des Satzes 2 ebenfalls eine Entscheidung nach Absatz 1 Satz 1 beantragen. Bei der Beurteilung von Versicherungspflicht auf Grund des Auftragsverhältnisses sind andere Versicherungsträger an die Entscheidungen der Deutschen Rentenversicherung Bund gebunden.

(3) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten schriftlich oder elektronisch mit, welche Angaben und Unterlagen sie für ihre Entscheidung benötigt. Sie setzt den Beteiligten eine angemessene Frist, innerhalb der diese die Angaben zu machen und die Unterlagen vorzulegen haben.

(4) Die Deutsche Rentenversicherung Bund teilt den Beteiligten mit, welche Entscheidung sie zu treffen beabsichtigt, bezeichnet die Tatsachen, auf die sie ihre Entscheidung stützen will, und gibt den Beteiligten Gelegenheit, sich zu der beabsichtigten Entscheidung zu äußern. Satz 1 gilt nicht, wenn die Deutsche Rentenversicherung Bund einem übereinstimmenden Antrag der Beteiligten entspricht.

(4a) Auf Antrag der Beteiligten entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund bereits vor Aufnahme der Tätigkeit nach Absatz 2. Neben den schriftlichen Vereinbarungen sind die beabsichtigten Umstände der Vertragsdurchführung zu Grunde zu legen. Ändern sich die schriftlichen Vereinbarungen oder die Umstände der Vertragsdurchführung bis zu einem Monat nach der Aufnahme der Tätigkeit, haben die Beteiligten dies unverzüglich mitzuteilen. Ergibt sich eine wesentliche Änderung, hebt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Entscheidung nach Maßgabe des § 48 des Zehnten Buches auf. Die Aufnahme der Tätigkeit gilt als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse.

(4b) Entscheidet die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Einzelfall über den Erwerbsstatus, äußert sie sich auf Antrag des Auftraggebers gutachterlich zu dem Erwerbsstatus von Auftragnehmern in gleichen Auftragsverhältnissen. Auftragsverhältnisse sind gleich, wenn die vereinbarten Tätigkeiten ihrer Art und den Umständen der Ausübung nach übereinstimmen und ihnen einheitliche vertragliche Vereinbarungen zu Grunde liegen. In der gutachterlichen Äußerung sind die Art der Tätigkeit, die zu Grunde gelegten vertraglichen Vereinbarungen und die Umstände der Ausübung sowie ihre Rechtswirkungen anzugeben. Bei Abschluss eines gleichen Auftragsverhältnisses hat der Auftraggeber dem Auftragnehmer eine Kopie der gutachterlichen Äußerung auszuhändigen. Der Auftragnehmer kann für gleiche Auftragsverhältnisse mit demselben Auftraggeber ebenfalls eine gutachterliche Äußerung beantragen.

(4c) Hat die Deutsche Rentenversicherung Bund in einer gutachterlichen Äußerung nach Absatz 4b das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit angenommen und stellt sie in einem Verfahren nach Absatz 1 oder ein anderer Versicherungsträger in einem Verfahren auf Feststellung von Versicherungspflicht für ein gleiches Auftragsverhältnis eine Beschäftigung fest, so tritt eine Versicherungspflicht auf Grund dieser Beschäftigung erst mit dem Tag der Bekanntgabe dieser Entscheidung ein, wenn die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind. Im Übrigen findet Absatz 5 Satz 1 keine Anwendung. Satz 1 gilt nur für Auftragsverhältnisse, die innerhalb von zwei Jahren seit Zugang der gutachterlichen Äußerung geschlossen werden. Stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund die Beschäftigung in einem Verfahren nach Absatz 1 fest, so entscheidet sie auch darüber, ob die Voraussetzungen des Absatzes 5 Satz 1 Nummer 2 erfüllt sind.

(5) Wird der Antrag auf Feststellung des Erwerbsstatus innerhalb eines Monats nach Aufnahme der Tätigkeit gestellt und stellt die Deutsche Rentenversicherung Bund eine Beschäftigung fest, gilt der Tag der Bekanntgabe der Entscheidung als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis, wenn der Beschäftigte

1.
zustimmt und
2.
er für den Zeitraum zwischen Aufnahme der Beschäftigung und der Entscheidung eine Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit und zur Altersvorsorge vorgenommen hat, die der Art nach den Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung und der gesetzlichen Rentenversicherung entspricht.
Die Deutsche Rentenversicherung Bund stellt den Zeitpunkt fest, der als Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis gilt. Der Gesamtsozialversicherungsbeitrag wird erst zu dem Zeitpunkt fällig, zu dem die Entscheidung, dass eine Beschäftigung vorliegt, unanfechtbar geworden ist.

(6) Widerspruch und Klage gegen Entscheidungen nach den Absätzen 2 und 4a haben aufschiebende Wirkung. Im Widerspruchsverfahren können die Beteiligten nach Begründung des Widerspruchs eine mündliche Anhörung beantragen, die gemeinsam mit den anderen Beteiligten erfolgen soll. Eine Klage auf Erlass der Entscheidung ist abweichend von § 88 Absatz 1 des Sozialgerichtsgesetzes nach Ablauf von drei Monaten zulässig.

(7) Absatz 2 Satz 2 und 3, Absätze 4a bis 4c und Absatz 6 Satz 2 treten mit Ablauf des 30. Juni 2027 außer Kraft. Die Deutsche Rentenversicherung Bund legt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 einen Bericht über die Erfahrungen bei der Anwendung des Absatzes 2 Satz 2 und 3, der Absätze 4a bis 4c und des Absatzes 6 Satz 2 vor.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers.

(1a) Eine Beschäftigung besteht auch in Zeiten der Freistellung von der Arbeitsleistung von mehr als einem Monat, wenn

1.
während der Freistellung Arbeitsentgelt aus einem Wertguthaben nach § 7b fällig ist und
2.
das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die vorausgegangenen zwölf Kalendermonate abweicht, in denen Arbeitsentgelt bezogen wurde.
Satz 1 gilt entsprechend, wenn während einer bis zu dreimonatigen Freistellung Arbeitsentgelt aus einer Vereinbarung zur flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder dem Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen fällig ist. Beginnt ein Beschäftigungsverhältnis mit einer Zeit der Freistellung, gilt Satz 1 Nummer 2 mit der Maßgabe, dass das monatlich fällige Arbeitsentgelt in der Zeit der Freistellung nicht unangemessen von dem für die Zeit der Arbeitsleistung abweichen darf, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll. Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht während der Zeit der Freistellung auch, wenn die Arbeitsleistung, mit der das Arbeitsentgelt später erzielt werden soll, wegen einer im Zeitpunkt der Vereinbarung nicht vorhersehbaren vorzeitigen Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht mehr erbracht werden kann. Die Vertragsparteien können beim Abschluss der Vereinbarung nur für den Fall, dass Wertguthaben wegen der Beendigung der Beschäftigung auf Grund verminderter Erwerbsfähigkeit, des Erreichens einer Altersgrenze, zu der eine Rente wegen Alters beansprucht werden kann, oder des Todes des Beschäftigten nicht mehr für Zeiten einer Freistellung von der Arbeitsleistung verwendet werden können, einen anderen Verwendungszweck vereinbaren. Die Sätze 1 bis 4 gelten nicht für Beschäftigte, auf die Wertguthaben übertragen werden. Bis zum 31. Dezember 2024 werden Wertguthaben, die durch Arbeitsleistung im Beitrittsgebiet erzielt werden, getrennt erfasst; sind für die Beitrags- oder Leistungsberechnung im Beitrittsgebiet und im übrigen Bundesgebiet unterschiedliche Werte vorgeschrieben, sind die Werte maßgebend, die für den Teil des Inlandes gelten, in dem das Wertguthaben erzielt worden ist.

(1b) Die Möglichkeit eines Arbeitnehmers zur Vereinbarung flexibler Arbeitszeiten gilt nicht als eine die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber begründende Tatsache im Sinne des § 1 Absatz 2 Satz 1 des Kündigungsschutzgesetzes.

(2) Als Beschäftigung gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung.

(3) Eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt gilt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Eine Beschäftigung gilt auch als fortbestehend, wenn Arbeitsentgelt aus einem der Deutschen Rentenversicherung Bund übertragenen Wertguthaben bezogen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn Krankengeld, Krankentagegeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Pflegeunterstützungsgeld oder Mutterschaftsgeld oder nach gesetzlichen Vorschriften Erziehungsgeld oder Elterngeld bezogen oder Elternzeit in Anspruch genommen oder Wehrdienst oder Zivildienst geleistet wird. Satz 1 gilt auch nicht für die Freistellung nach § 3 des Pflegezeitgesetzes.

(4) Beschäftigt ein Arbeitgeber einen Ausländer ohne die nach § 284 Absatz 1 des Dritten Buches erforderliche Genehmigung oder ohne die nach § 4a Absatz 5 des Aufenthaltsgesetzes erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit, wird vermutet, dass ein Beschäftigungsverhältnis gegen Arbeitsentgelt für den Zeitraum von drei Monaten bestanden hat.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.