Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 07. Apr. 2014 - L 2 U 324/13

07.04.2014
vorgehend
Sozialgericht Landshut, S 15 U 142/11, 19.06.2013

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tatbestand

Streitig ist, ob der Kläger und Berufungskläger aufgrund des von der Beklagten und Berufungsbeklagten anerkannten Arbeitsunfalls vom 23. Oktober 2009 einen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 20 v. H. hat.

Der 1981 geborene Kläger ist Profi-Eishockeyspieler bei den S. in A-Stadt. In der US-amerikanischen Nationalmannschaft spielte er 2007 beim Deutschland Cup. Er ist amerikanischer Staatsbürger. Bei einem Punktspiel in F. am 23. Oktober 2009 prallte er mit der rechten Gesichtshälfte gegen die Bande. Am 26. Oktober 2009 fand eine Computertomographie (CT) von Gesicht und Halswirbelsäule statt mit dem Ergebnis: „Mehrfachfragmentimpressionsfraktur der Vorderwand und Impressionsfraktur der lateralen Wand der rechten Oberkieferhöhle“. Es erfolgte am 29. Oktober 2009 eine Untersuchung durch den HNO-Arzt PD Dr. K. (Klinikum St. E. A-Stadt GmbH). Nach dem Durchgangsarztbericht von Prof. Dr. O. (Klinikum St. E. A-Stadt GmbH) vom 3. November 2009 zog er sich eine Gesichtsschädelverletzung mit Oberkieferhöhlenmehrfragmentfraktur rechts und eine Nasenbeinfraktur zu. Es erfolgte eine stationäre Behandlung vom 3. bis 4. November 2009 mit operativem Eingriff vom 3. November 2009. Verletztengeld wurde nicht gezahlt.

Die Beklagte holte ein neurologisches Zusatzgutachten des Dr. K. vom 30. September 2010 ein. Dr. K. diagnostizierte eine Funktionsstörung des Ramus (Nervenast) infraorbitalis rechts, also eine Funktionsstörung des Nervus infraorbitalis rechts. Unfallbedingt bestünden Beschwerden im Sinne einer Hypästhesie (d. h. herabgesetzte Empfindlichkeit) und Hypalgesie (d. h. Herabsetzung der Schmerzempfindung) im Bereich der rechten Wange und der rechten Oberlippe sowie im Bereich der rechten Prämolaren sowie eine Herabsetzung der Schmerz- und Temperaturempfindlichkeit in diesem Bereich. Die MdE sei hieraus mit 20 v. H. zu bewerten.

Der beratende Neurologe Prof. Dr. G. schätzte demgegenüber die MdE in einer Stellungnahme vom 20. Oktober 2010 auf unter 10 v. H. ein. Es würden keine beeinträchtigenden Schmerzen oder anderweitige im Erwerbsleben beeinträchtigende Funktionssstörungen beschrieben.

Der Chirurg Dr. Z. kam in seinem Gutachten vom 2. Oktober 2010 zu dem Ergebnis, dass die MdE unter 10 v. H. betrage - nur in der Zeit vom 11. November bis 31. Dezember 2009 sei sie mit 20 v. H. einzuschätzen gewesen. Durch den Unfall sei es zu einer Oberkiefermehrfragmentfraktur der Kieferhöhlenvorder- und -seitenwand, zu einer Nasenbeinspitzenfraktur sowie zu einer Schädigung des N. infraorbitalis rechts gekommen. Die Oberkiefermehrfragmentfraktur der Kieferhöhlenvorder- und -seitenwand sei in den aktuellen Röntgenaufnahmen nicht mehr erkennbar. Ein Zustand nach Nasenbeinspitzenfraktur sei in der Seitprojektion noch erkennbar, wobei die Nasenbeinspitze gering nach kaudal deprimiert sei. Auf reinem chirurgischem Fachgebiet bestünden keine Unfallfolgen mehr.

Auf HNO-ärztlichem Fachgebiet stellte PD Dr. K. in einem Gutachten vom 13. Dezember 2010 ebenfalls nur eine MdE von unter 10 v. H. fest. Als Beschwerden bestünden nur mehr Sensibilitätsstörungen im Versorgungsgebiet des Nervus trigeminus V, II rechts, insbesondere der rechten Wange und der rechten Oberkieferzähne. Auf der linken Seite habe ein Vorschaden (Septumdeviation mit Muschelhyperplasie) bestanden, der zu einer erheblichen Nasenatmungsbehinderung geführt habe, ferner ein Zustand nach älterer Impressionsfraktur der vorderen linken Oberkieferhöhle mit Dehiszenz (Auseinanderklaffen) am linken Orbitaboden.

Mit Bescheid vom 16. Februar 2011 lehnte die Beklagte einen Rentenanspruch ab. Als Folgen des Versicherungsfalls wurden anerkannt: „Gefühlsstörungen im rechten Mittelgesicht, behinderte Nasenatmung nach operativ versorgtem Mittelgesichtsbruch rechts mit Bruch der Oberkiefervorder- und -seitenwand rechts sowie Schädigung des Nervus infraorbitalis rechts und Nasenbeinspitzenbruch.“ Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2011 zurück. Die Begutachtung durch Dr. K. orientiere sich nicht an den gutachterlichen Erfahrungswerten.

Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Landshut erhoben, mit der er eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. begehrt. Das Sozialgericht hat u. a. einen Befundbericht des Klinikums St. E. A-Stadt GmbH vom 13. März 2012 eingeholt und den Facharzt für Neurologie Dr. D. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt (Gutachten vom 23. September 2012). Durch den Unfall sei es zu einer Verletzung des Nervus infraorbitalis rechts mit Hypästhesie und Hypalgesie im Versorgungsgebiet des Nervs einschließlich seiner Äste, d. h. Backen-, Eck- und Schneidezähne und des Zahnfleisches im Bereich des rechten Oberkiefers gekommen. Damit sei vor allem die Sensibilität im Bereich der Kieferhöhle und der oberen Zahnreihe rechts betroffen. Ferner reguliere der Nervus auch indirekt die Kaumuskulatur. Die MdE bewerte er mit 20 v. H., insbesondere da durch die Taubheit im Bereich des rechten Oberkiefers indirekt auch das Kauen (obwohl die Kaumuskulatur an sich nicht betroffen sei) beeinträchtigt sei. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit habe bis 10. November 2009 bestanden.

Prof. Dr. G. hat in einer Stellungnahme vom 15. November 2012 die Orientierung an die Fachliteratur nach Widder/Gaidzik, Begutachtung in der Neurologie, 2007 und damit (angeblich) am Schwerbehindertenrecht kritisiert. In der aktuellen Ausgabe 2011 lägen nämlich keine Angaben zur MdE, sondern nur zum GdB/GdS vor. Belangvolle unfallbedingte Funktionsbeeinträchtigungen lägen im Übrigen beim Kläger nicht vor.

Das Sozialgericht hat ferner ein HNO-ärztliches Gutachten des Dr. C. vom 7. Februar 2013 (Kliniken C-Stadt P. GmbH) eingeholt. Durch den Unfall sei es zum einen zu einem Ausfall der Funktion des Nervus infraorbitalis rechts gekommen, zum anderen sei zusätzlich eine erhebliche Verschlechterung der Nasenventilation eingetreten. Die Auswirkungen der Muschelhyperplasie hätten sich durch den Unfall verschlimmert. Als Vorerkrankung sei eine beiderseitige Pansinusitis röntgenologisch am 26. Oktober 2009 nachgewiesen. Die Gesamt-MdE sei auf 20 v. H. einzuschätzen (Einzel-MdE für Infraorbitalisläsion rechts: 20 v. H.; Einzel-MdE für Nasenventilastionsstörung: 10 v. H.).

Die Beklagte hat bestritten, dass für den Kläger eine besondere Belastung insbesondere hinsichtlich der Atmung bestehe. Zwar sei diese in dem Bescheid als Unfallfolge anerkannt, dies bedeute jedoch nicht eine Anerkennung sämtlicher in diesem Bereich jetzt geltend gemachten Unfallfolgen. Aufgrund der Vorerkrankung sei hierfür eine Einzel-MdE von 10 v. H. nicht angezeigt. Auch werde die Einschätzung nach dem Standardwerk von Feldmann (MdE 10 v. H. bei Nasenatmungsstörung) nicht geteilt. Sie spiegele nicht mehr die aktuellen Verhältnisse des Erwerbslebens wider.

Mit Gerichtsbescheid vom 19. Juni 2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Durch die Gutachten des Dr. D. und Dr. C. würden die Unfallfolgen, die die Beklagte ohnehin schon im streitigen Bescheid anerkannt habe, bestätigt. Nach Ansicht des Gerichts unter Bezugnahme auf Fachliteratur wie Schönberger/Mehrtens/Valentin (SMV, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl., S. 252/263) sei eine MdE von 20 v. H. nicht gerechtfertigt. Beim Kläger sei die Läsion des Nervus infraorbitalis und die damit verbundenen Sensibilitäts- und Kaufunktionsstörungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von untergeordneter Relevanz. Auch eine einseitige Gesichtsnervenlähmung wäre nur mit einer MdE von 10 v. H. zu bewerten. Im Vergleich zu anderen Beeinträchtigungen sei für eine MdE von 20 v. H. schon eine beträchtliche Einschränkung in einer Vielzahl von Berufen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt notwendig. Bezüglich der Nasenatmungsbehinderung bestünden entgegen dem Gutachten des Dr. C. Zweifel, ob diese Folge des streitigen Unfalls ist. Das Gericht folge insoweit der Meinung des PD Dr. K ...

Zur Begründung der Berufung hat sich der Kläger zum einen gegen eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid gewandt, zum anderen hat er sich auf beide sozialgerichtlichen Gutachten gestützt. Beide Gutachter seien übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass eine MdE von 20 v. H. festzustellen sei. Eine MdE von 20 v. H. sei auch materiell zutreffend.

Die Beklagte hat die Zweifel des Sozialgerichts aufgenommen, ob überhaupt auf einem der medizinischen Fachgebiete eine messbare MdE erreicht werde. Zudem sei eine bereits vor dem Unfall bestehende Septumdeviation (Nasenscheidewandverkrümmung) dokumentiert, die in die Kausalitätserwägungen einzubeziehen sei.

Der Senat hat zu der Stellungnahme des Prof. Dr. G. vom 15. November 2012 sowie zu den Schriftsätzen der Beteiligten im Berufungsverfahren eine ergänzende Stellungnahme des Dr. D. vom 12. Januar 2014 eingeholt, der an seiner Einschätzung einer MdE von 20 v. H. festgehalten hat. Es lägen nicht nur die im Gutachten beschriebenen Sensibilitätsstörungen vor, sondern auch deutliche Einschränkungen des Kauvorgangs und letztlich auch der Nahrungsaufnahme. Es träten ferner Beeinträchtigungen der Schmerz- und Temperaturübertragung in den von der Läsion des Nervus infraorbitalis betroffenen Gebieten des Gesichts auf; auch träten gewöhnlich Probleme bei der Lautgebung auf wie Nuscheln bzw. Verschlucken von einzelnen Buchstaben. Das Gefühl einer Schwellung sei beim Kläger durch die minimale Absenkung der Nasolabiafalte rechts bedingt.

Die Beklagte hat, gestützt auf eine erneute Stellungnahme des Prof. Dr. G. vom 10. Februar 2014, eine MdE von 20 v. H. weiterhin abgelehnt. Subjektives Missempfinden allein ohne Gesichtsentstellung schränkten Tätigkeiten im Publikumsverkehr nicht ein und bedingten hierdurch keine wesentliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit im Erwerbsleben. Auch Einschränkungen des Kauvorgangs und der Nahrungsaufnahme durch neurologisch zu beurteilenden Sensibilitätsstörungen im Gesicht könnten schwerlich vom Ausmaß einer rentenberechtigtenden MdE sein. Schließlich seien bei der MdE-Bewertung Überschneidungen auf neurologischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet zu berücksichtigen.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 7. April 2014 den Sachverständigen Dr. C. zur Erläuterung seines Gutachtens angehört. Dieser hat an seinem Gutachtensergebnis festgehalten. Trotz Vorschadens sei durch den Unfall eine Verschlechterung der Nasenatmung eingetreten. Durch den Unfall sei es zu einer deutlichen Fehlform der Nasenscheidewand gekommen. Hierdurch sei die Nasenatmung beeinträchtigt mit der Folge einer erhöhten Infektanfälligkeit. Die MdE sei hierfür mit 10 v. H. einzuschätzen. Unabhängig davon ergebe sich eine MdE von 20 v. H. aber auch durch die Empfindungsstörungen im Bereich des Mittelgesichtes durch die unfallbedingt eingetretene Läsion des Nervus infraorbitalis rechts. Es bestehe ein geringfügige Asymmetrie im Gesicht, vor allem aber sei die Nahrungsaufnahme beeinträchtigt. Durch den Ausfall des Nervus seien vor allem Lippen und die Oberzähne betroffen. Weiter träten erfahrungsgemäß Phantomschmerzen auf, wie sie vom Kläger auch geschildert würden. Die Fachliteratur nach Mehrhoff u. a. sowie nach SMV ist mit dem Sachverständigen erörtert worden. Er hat hierbei die Meinung vertreten, dass die Bewertung in der Fachliteratur zur Gesichtslähmung analog herangezogen werden könne. Auf die Niederschrift der Sitzung wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 19. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Februar 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2011 für die Folgen des Unfalles vom 23. Oktober 2009 eine Verletztenrente ab 24. Oktober 2009 nach einer MdE von 20 v. H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und begründet.

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 des Siebten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VII), der in dem Ereignis vom 23. Oktober 2009 zu sehen ist. Zu entscheiden ist jedoch über die Frage, ob sich hieraus ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um 20 v. H. ergibt.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII. Die MdE richtet sich gemäß § 56 Abs. 2 S. 1 SGB VII nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26.11.1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30.05.1988, a. a. O., Nr. 28). Maßgeblich ist aber nicht die konkrete Beeinträchtigung im Beruf des Versicherten, sondern eine abstrakte Berechnung (vgl. Bereiter-Hahn, Gesetzliche Unfallversicherung, § 56 Rdnr. 10.1).

Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z. B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt. Die Bemessung des Grades der MdE ist eine Tatsachenfeststellung, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 S. 1 SGG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (BSG v. 05.09.2006, Az.: B 2 U 25/05 R; BSG v. 02.05.2001, SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S. 26).

Als Unfallfolgen hat die Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid Gefühlsstörungen im rechten Mittelgesicht, behinderte Nasenatmung nach operativ versorgtem Mittelgesichtsbruch rechts mit Bruch de Oberkiefervorder- und -seitenwand rechts sowie Schädigung des Nervus infraorbitalis rechts und Nasenbeinspitzenbruch anerkannt. Soweit die Beklagte inzwischen das Vorliegen einer Behinderung der Nasenatmung als Unfallfolge anzweifelt, muss sie sich an ihrem Bescheid festhalten lassen. Im Übrigen ergibt sich auch aus den gutachterlichen Ausführungen des Dr. C., dass eine unfallbedingte Verschlimmerung der Beeinträchtigung der Nasenatmung hinreichend wahrscheinlich ist. Es liegt eine deutliche Fehlform der Nasenscheidewand vor, die bei der Untersuchung durch den Sachverständigen sofort aufgefallen ist. Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass die Fehlform anlagebedingt vorliegt, zumal es durch die Stärke des Aufpralls des Gesichts auf die Bande zu einer Instabilität im Nasen- und Kieferbereich gekommen ist. Es spricht deshalb nach Darlegung des HNO-Sachverständigen im Sinne der o. g. Kausalität mehr dafür als dagegen, dass die Fehlform der Nasenscheidewand unfallbedingt entstanden ist.

Dabei verkennt auch der Sachverständige Dr. C. nicht, dass bereits vor dem Unfall eine Beeinträchtigung der Nasenatmung vorlag - zum einen durch eine Heuschnupfenneigung, die jedoch nur saisonal auftritt, zum anderen durch eine Vergrößerung der Nasenmuschel. Bildgebend wurde bereits im Oktober 2009 eine beiderseitige Pansinusitis nachgewiesen. Der Sachverständige hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass es durch den Arbeitsunfall zu einer Verschlimmerung der Behinderung der Nasenatmung gekommen ist. Dies wird von dem HNO-Vorgutachter PD Dr. K. nicht erörtert, vielmehr stellte dieser bei der Frage nach einer wesentlichen Verschlimmerung nur auf einen Zustand nach älterer Impressionsfraktur der vorderen linken Oberkieferhöhle mit Dehiszenz am linken Orbitaboden ab.

Als weitere für die MdE-Bewertung bedeutende Unfallfolge ist aber vor allem der Ausfall des Nervus infraorbitalis rechts, der das Mittelgesicht betrifft, zu nennen. Dieser ist von allen Gutachten festgestellt.

Für die Bewertung der MdE sind somit vor allem die Schädigung des Nervus infraorbitalis sowie die behinderte Nasenatmung von Bedeutung. Sowohl der medizinische Sachverständige Dr. D. als auch Dr. C. kamen zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Verletztenrente - eine MdE von mindestens 20 v. H. - gegeben sind. Im Übrigen hatte auch Dr. K. in dem von der Beklagten eingeholten neurologischen Zusatzgutachten eine MdE von 20 v. H. empfohlen. Dr. C. bewertete die Einzel-MdE für die Schädigung des Nervus infraorbitalis mit 20 v. H., die Verschlimmerung der vorbestehenden Nasenatmung mit 10 v. H. Da, worauf die Beklagte zutreffend hinweist, Überschneidungen auf HNO-ärztlichem und neurologischem Fachgebiet bestehen, ist eine Gesamt-MdE von lediglich 20 v. H. zu bilden. Bei der MdE-Bildung spielen chirurgische Beschwerden aufgrund der verheilten Frakturen keine Rolle mehr, wie sich aus dem Gutachten Dr. Z. ergibt.

Entgegen dem Sozialgericht sieht der Senat diese Gesamt-MdE nicht im Widerspruch zu der einschlägigen Fachliteratur. Bereits bei der Begutachtung durch Dr. K. im September 2010 schilderte der Kläger nicht nur eine Gefühlsminderung im Bereich der rechten Wangenseite, der rechten Oberlippe und im Bereich der rechten oberen Zahnreihe, sondern berichtete auch über ein erschwertes Kauen. Auch nach der Operation bestehen nach der Anamnese des Dr. D. ein Taubheitsgefühl im Bereich unterhalb des rechten Auges bis in die komplette obere Zahnreihe nach vorne ziehend. Schmerzen treten gelegentlich auf. Er schilderte auch den Eindruck, dass der Gesichtsausdruck und indirekt auch das Kauen beeinträchtigt sind. Zuletzt wird auch von Atemproblemen vor allem bei Trainingseinheiten berichtet. Die Einschränkung der Nasenventilation wurde dann eingehend im Rahmen der Begutachtung durch Dr. C. geschildert.

Aus neurologischer Sicht ist der Kläger durch den Ausfall des Nervus infraorbitalis vor allem bei der Nahrungsaufnahme bzw. beim Kauen beeinträchtigt. Es handelt sich zwar um einen Nerv, der nicht für die Bewegung der Kaumuskulatur verantwortlich ist, jedoch für das Gefühlsempfinden. Bei der Nahrungsaufnahme ist das Zusammenspiel der jeweiligen Nerven, des Nervus trigeminus sowie des Nervus infraorbitalis, notwendig. Weiter besteht eine wenn auch geringfügig erkennbare Asymmetrie im Mundwinkelbereich des Klägers, sowie ein gelegentlicher Phantomschmerz. Dieser wird vom Kläger geschildert und ist nach den gutachterlichen Ausführungen des Dr. C. durch den plötzlichen Ausfall des Nervs ohne Weiteres zu erklären. Eine Gewöhnung ist beim Kläger nicht eingetreten. Ferner führt der Ausfall des Nervus infraorbitalis regelmäßig zu Undeutlichkeiten beim Sprechen durch Verschlucken von Buchstaben; dies ist jedoch beim Kläger aufgrund des üblichen Sprachgebrauchs nicht objektivierbar. Schließlich ist das Temperatur- und Schmerzempfinden im mittleren Gesichtsbereich beeinträchtigt.

Im Hinblick auf die Behinderung der Nasenatmung aufgrund der Fehlform der Nasenscheidewand besteht eine erhöhte Infektanfälligkeit. Der bereits durch den Vorschaden bedingte Dauerschnupfen wird durch die Fehlform verstärkt. Wenn der Körper bei bestimmten Tätigkeiten mehr Luft benötigt, ist deshalb beim Kläger eine Mundatmung erforderlich mit den üblichen Folgen einer Einschränkung des Geruchs- und Geschmacksvermögens, einer erhöhten Infektneigung, Kopfschmerzen, Beschwerden des Halses und der Bronchien, Belastung des Herz-Kreislaufsystems oder geminderter Leistungsfähigkeit, wie auch von der Beklagten grundsätzlich ausgeführt wird. Dass der Kläger dennoch Eishockey auf höchstem Niveau spielte, kann ihm von der Beklagten nicht entgegen gehalten werden, da nach allen vorliegenden neurologischen und HNO-ärztlichen Gutachten die Behinderung der Nasenatmung tatsächlich vorliegt.

Bei der Bewertung der MdE ist allerdings nicht auf den konkreten Beruf als Eishockeyspieler, sondern auf die abstrakte Beeinträchtigung im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit abzustellen. Die Fachliteratur wie SMV unterscheidet bei der Bewertung der MdE im Bereich des Gesichtsnervs (dort: Fazialis-Nerv) nach dem Umfang der störenden Wirkung; eine MdE bis 10 v. H. ist danach bei einer einseitigen, wenig störenden Lähmung gerechtfertigt, eine MdE von 20 bis 30 v. H. bei ausgeprägten Störungen oder Kontrakturen (SMV, a. a. O., S. 321). An anderer Stelle erfolgt die Einteilung nach der Art einer Entstellung (S. 252). Hinsichtlich der Gesichtsnervenlähmung wird die o. g. Bewertung wiederholt. Eine entsprechende Bewertung findet sich auch in Mehrhoff/Ekkenkamp/Wich (Unfallbegutachtung, 13. Aufl. 2012, S. 150).

Vorliegend sind jedoch weder entstellende Gesichtspunkte im Vordergrund noch liegt eine muskuläre Lähmung vor, sondern Sensibilitätsstörungen wie Taubheitsgefühl, Gefühl der Schwellung und Kaubeeinträchtigungen, worauf insbesondere Dr. C. und Dr. D. bei der Bemessung einer MdE von 20 v. H. abstellten. Dr. C. legte dar, dass die Bewertungen in der Fachliteratur zur Lähmung des Gesichtsnervs analog herangezogen werden könne. Maßgeblich für die Beurteilung einer MdE von 20 v. H. waren für den Sachverständigen Dr. C. die oben dargestellten Folgen des Ausfalls des Nervus infraorbitalis, vor allem die Beeinträchtigung der Nahrungsaufnahme, ergänzt durch einen Phantomschmerz. Es handelt sich nicht mehr um eine Störung, die einer „einseitigen, wenig störenden Lähmung“ des Gesichtsnervs mit einer MdE von 10 v. H. vergleichbar ist. Auch die neurologischen Gutachter Dr. D. und Dr. K. beurteilen übereinstimmend diese Beeinträchtigung im Sinne einer „persistierenden Funktionsstörung des Nervus infraorbitalis rechts“ (Dr. K., S. 12) mit einer MdE-Höhe von 20 v. H. Die Annahme der Beklagten, dass die Gutachter dabei die Grundsätze für die Entschädigung nach dem Schwerbehindertenrecht und nicht die Erfahrungswerte bei der Beurteilung der MdE im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung angewandt haben sollen, kann vom Senat nicht nachvollzogen werden. Beide Sachverständige stützten sich auf Widder/Gaidzik (Begutachtung in der Neurologie). Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde mit dem Sachverständigen Dr. C. die einschlägige Fachliteratur nach Mehrhoff u. a. und SMV erörtert.

Aus den oben dargelegten Gründen ist auch eine Verschlimmerung der Behinderung der Nasenatmung bei der Bildung der Höhe der MdE zu berücksichtigen. Die Ausprägung der doppelseitigen Nasenventilationsstörung bewertete Dr. C. mit einer Einzel-MdE von 10 v. H. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist für den Senat überzeugend, dass durch die Fehlform der Nasenscheidewand Sekret schlecht abließen kann; dies führt zu einer höheren Infektanfälligkeit. Beeinträchtigend ist ferner die Notwendigkeit der Mundatmung bei größeren Anstrengungen; dies betrifft nicht nur das Eishockeyspiel, sondern jegliche größere Anstrengung. Folge ist ein Absinken der Leistungsfähigkeit und eine zusätzliche Infektanfälligkeit insbesondere im Hals und in den Bronchien.

Unabhängig davon, dass nach den neurologischen Gutachten und nach der Einschätzung des Dr. C. bereits der Ausfall des Nervus infraorbitalis rechts zu einer MdE von 20 v. H. führt, hat Dr. C. für den Senat nachvollziehbar eine Gesamt-MdE in Höhe von 20 v. H. unter Berücksichtigung auch der Verschlimmerung der Behinderung der Nasenatmung gebildet.

Für den Senat sind aus den dargelegten Gründen die neurologischen Gutachten des Dr. K. und Dr. D. schlüssig und überzeugend. Dies gilt auch für das HNO-ärztliche Gutachten des Dr. C., das dieser dem Senat und den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erläuterte. Der Senat gelangt unter Einbezug der Fachliteratur zu einer MdE von 20 v. H. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts war daher aufzuheben.

Der Beginn der Verletztenrente richtet sich nach § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII, da Verletztengeld nicht geleistet wurde.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 07. Apr. 2014 - L 2 U 324/13 zitiert 10 §§.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen. (2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerh

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 143


Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

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(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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(1) Das Urteil enthält 1. die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,2. die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidun

Siebtes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 7. August 1996, BGBl. I S. 1254) - SGB 7 | § 56 Voraussetzungen und Höhe des Rentenanspruchs


(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versich

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(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. (2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

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(1) Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem 1. der Anspruch auf Verletztengeld endet,2. der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist. (2) Renten an Hinterbl

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(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.

(2) Verbotswidriges Handeln schließt einen Versicherungsfall nicht aus.

(1) Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern. Den Versicherungsfällen stehen gleich Unfälle oder Entschädigungsfälle nach den Beamtengesetzen, dem Bundesversorgungsgesetz, dem Soldatenversorgungsgesetz, dem Gesetz über den zivilen Ersatzdienst, dem Gesetz über die Abgeltung von Besatzungsschäden, dem Häftlingshilfegesetz und den entsprechenden Gesetzen, die Entschädigung für Unfälle oder Beschädigungen gewähren.

(2) Die Minderung der Erwerbsfähigkeit richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens. Bei jugendlichen Versicherten wird die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Auswirkungen bemessen, die sich bei Erwachsenen mit gleichem Gesundheitsschaden ergeben würden. Bei der Bemessung der Minderung der Erwerbsfähigkeit werden Nachteile berücksichtigt, die die Versicherten dadurch erleiden, daß sie bestimmte von ihnen erworbene besondere berufliche Kenntnisse und Erfahrungen infolge des Versicherungsfalls nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfang nutzen können, soweit solche Nachteile nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihnen zugemutet werden kann, ausgeglichen werden.

(3) Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird Vollrente geleistet; sie beträgt zwei Drittel des Jahresarbeitsverdienstes. Bei einer Minderung der Erwerbsfähigkeit wird Teilrente geleistet; sie wird in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt, der dem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit entspricht.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten äußern konnten.

(1) Renten an Versicherte werden von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem

1.
der Anspruch auf Verletztengeld endet,
2.
der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

(2) Renten an Hinterbliebene werden vom Todestag an gezahlt. Hinterbliebenenrenten, die auf Antrag geleistet werden, werden vom Beginn des Monats an gezahlt, der der Antragstellung folgt.

(3) Die Satzung kann bestimmen, daß für Unternehmer, ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder mitarbeitenden Lebenspartner und für den Unternehmern im Versicherungsschutz Gleichgestellte Rente für die ersten 13 Wochen nach dem sich aus § 46 Abs. 1 ergebenden Zeitpunkt ganz oder teilweise nicht gezahlt wird. Die Rente beginnt spätestens am Tag nach Ablauf der 13. Woche, sofern Verletztengeld nicht zu zahlen ist.

(4) (weggefallen)

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.