Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Juli 2015 - L 2 P 2/11

published on 15/07/2015 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. Juli 2015 - L 2 P 2/11
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Tenor

I.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.12.2010 aufgehoben und die Klage gegen den Bescheid vom 04.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 abgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Klägerin (Kl.) über den 30.06.2008 hinaus Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung aus der Pflegestufe (PS) II nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) zustehen.

Die 1991 geborene und bei der Beklagten (Bekl.) versicherte Kl. erkrankte im Oktober 1997 an einem Rhabdomyosarkom im linken Unterkiefer, erhielt in der Folgezeit Chemo- und Strahlentherapie und musste sich zahlreichen Operationen unterziehen. Ihr wurden ausgedehnte Wangenweichteile, Teile des Unterkiefers sowie Lymphgewebe entfernt. Infolgedessen leidet sie u. a. an einer starken Narbenbildung im Mund- bzw. Gesichtsbereich sowie vom Rücken bis in die linke Achsel mit entsprechenden Einschränkungen der Beweglichkeit.

Mit Bescheid vom 01.10.2001 bewilligte die Bekl. erstmals Pflegegeld der PS II mit Wirkung vom 01.06.2001. Grundlage der Bewilligung war ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) in Bayern vom 03.09.2001, das einen Grundpflegebedarf von exakt 120 min ermittelt hatte.

Bei einer Wiederholungsbegutachtung ermittelte der MDK am 20.12.2004 einen Grundpflegebedarf von nur noch 96 min.

Daraufhin hob die Bekl. mit Bescheid vom 16.02.2005 den Leistungsbescheid vom 01.10.2001 zum 28.02.2005 auf und bewilligte Leistungen der PS I ab dem 01.03.2005. Als Rechtsgrundlage wurde § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) angegeben. Aufgrund des dagegen eingelegten Widerspruchs stellte der MDK nach Aktenlage einen Grundpflegebedarf von 106 min fest (Gutachten vom 28.04.2005). Am 16.11.2005 erstellte der MKD durch die zuständige Teamkoordinatorin ein Gutachten, das folgende Veränderungen im Hilfebedarf seit dem Gutachten vom 03.09.2001 feststellte:

- Wegfall von Verkrustungen im Bereich von Rücken bis Achsel nach Haut- und Muskeltransplantation, deshalb Wegfall von 1x täglich Körperreinigung zum Lösen von Verkrustungen, dadurch Wegfall von mind. 15 min täglich Pflegeaufwand für Ganzkörperwäsche (die 2001 noch 2 bis 3 mal täglich als notwendig anerkannt worden war)

- Wegbegleitung zur Krankengymnastik nicht mehr erforderlich, weil Kl. bereits das 12. Lebensjahr überschritten hat

- Die 2001 beschriebene Wunde im linken Wangenbereich liege nicht mehr ständig vor.

Die Bekl. wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.02.2006 zurück. Dagegen erhob die Kl. beim Sozialgericht (SG) Augsburg Klage (Az. S 10 P 25/06). Parallel zum Klageverfahren verständigten sich die Parteien in einem außergerichtlichen Mediationsverfahren bei Rechtsanwältin E.. In der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006, die in der beigezogenen SG-Akte enthalten ist und auf die Bezug genommen wird, verpflichtete sich die Bekl., der Kl. Leistungen der PS II ab März 2006 zu bewilligen, die Kl. nahm im Gegenzug die Klage zurück. Ferner wurde vereinbart, dass eine Wiederholungsbegutachtung nicht vor Ende September 2007 veranlasst werden sollte. In dieser Zeit sollte sich die Kl. einer erneuten psychotherapeutischen bzw. psychologischen Behandlung unterziehen mit dem Ziel, die Ängste beim Verlassen des Hauses zu bewältigen. Die Mediationsvereinbarung enthielt eine Berechnung des aktuellen Hilfebedarfs für den Monat März 2006. Daraus ergab sich ein Grundpflegebedarf von 137 min täglich, in dem 26 min für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung enthalten waren. Diese 26 min berechneten sich als 180 min /7. Dabei wurde berücksichtigt, dass die Kl. einmal wöchentlich den Kinderarzt Dr. B.und zweimal wöchentlich den Physiotherapeuten R. aufsucht und die Hin- und Rückfahrt mit dem Pkw sowie die Behandlungs- bzw. Wartezeigen von jeweils 45 min insgesamt jeweils 60 min pro Besuch anzusetzen sind. Die Begleitung zu den Arztbesuchen bzw. zur Krankengymnastik sei aus mehreren Gründen erforderlich: Zum einen seien zwar Busverbindungen vorhanden, die aber ungünstige und seltene Fahrzeiten hätten. Zum anderen benötige die Kl. aus psychischen Gründen und aus Angst vor Spott anderer der Begleitung. Schließlich würden den Eltern von den Behandlern Informationen zur weiteren Behandlung bzw. Beübung durch Krankengymnastik gegeben.

Mit Schreiben vom 06.04.2006 teilte die Bekl. der Kl. mit, dass sie ihr in Ausführung der Mediationsvereinbarung ab 01.03.2006 Pflegegeld der PS II in Höhe von 410 € monatlich überweisen würde.

Mit Gutachten vom 16.11.2008 errechnete der MDK einen Grundpflegebedarf von 54 min täglich und einen Hilfebedarf von 40 min pro Tag für die hauswirtschaftliche Versorgung. Es habe sich im Vergleich zum Vorgutachten vom Dezember 2004 keine wesentliche Veränderung des Hilfebedarfs ergeben. Es bestehe die Pflegestufe I durchgehend seit Dezember 2004. Ein weiteres Gutachten vom 26.05.2008, das nach Aktenlage erstellt wurde, kam zu einem Grundpflegebedarf von 62 min täglich. Der Zeitaufwand für die Wegbegleitung zur Krankengymnastik könne nicht berücksichtigt werden.

Mit Schreiben vom 28.02.2008 hörte die Bekl. die Kl. zur beabsichtigten Herabstufung auf die PS I an.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 04.06.2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 06.04.2006 wegen wesentlicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse zum 30.06.2008 auf und gewährte ab 01.07.2008 Leistungen der Pflegestufe I. Im Vergleich zur Mediationsvereinbarung habe sich der Grundpflegebedarf von 137 min täglich auf

54 min pro Tag reduziert. Der Zeitaufwand für die Begleitung zur Krankengymnastik beziehungsweise zum Hausarzt könne nicht berücksichtigt werden. Die Klägerin könne auch die Schule mittlerweile selbstständig mit dem Bus aufsuchen.

Auf den Widerspruch der Klägerin hin holte die Bekl. das Gutachten des MDK vom 09.09.2008 ein, in dem dieser darlegte, dass die Kl. nicht mehr der Begleitung in öffentlichen Verkehrsmittel bedürfe. So werde sie aufgrund ihres sehr guten Realschullabschlusses nach den Ferien das H. Gymnasium in B-Stadt besuchen und dieses mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufsuchen.

Der Widerspruch wurde infolgedessen mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2009 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die am 24.04.2009 beim SG B-Stadt erhobene Klage (Az. S 10 P 31/09). Die Klägerin hat ein im Zeitraum vom 04. bis 19.05.2009 geführtes Pflegetagebuch vorgelegt, in dem ein täglicher Grundpflegebedarf von mehr als 120 min wiedergegeben ist.

Weiter hat die Kl. behauptet, es treffe nicht zu, dass sie täglich mit dem Bus zur Schule fahre. Dies würde sie psychisch nicht aushalten. Der Pflegebedarf habe sich erhöht, weil sich durch das Absterben des Rippentransplantats zur Kieferherstellung eine Zyste am Hals gebildet habe. Des Weiteren rissen die Narben am Rücken auf. Die Nahrungsaufnahme sei erschwert. Durch eine Lähmung des rechten Armes und Schultergelenks sei eine extreme Schiefhaltung der Wirbelsäule entstanden.

Die Kl. hat in der mündlichen Verhandlung vom 15.12.2010 erstinstanzlich beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 04.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.04.2009 aufzuheben.

Die Bekl. hat erstinstanzlich die Abweisung der Klage beantragt. Sie hat einen Heilmittelauszug für den Zeitraum ab April 2006 vorgelegt und vorgetragen, dass in den im Jahr 2006 vorhandenen Hemmungen der Klägerin, das Haus zu verlassen, eine schwere Psychose zu sehen gewesen sei, die beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung habe berücksichtigt werden können. Selbst wenn im Jahr 2006 einmal wöchentlich kein Arztbesuch und Krankengymnastik nur 1,5-mal wöchentlich stattgefunden habe, so sei immer noch ein Grundpflegebedarf von 124 min gegeben gewesen, der die durch die Mediationsvereinbarung gewährte Einstufung in die Pflegestufe II rechtfertigen würde. Wenn die Mediationsvereinbarung und der Aufhebungsbescheid vom 04.06.2008 rechtswidrig seien, würde nicht der begünstigende Dauerverwaltungsakt vom 06.04.2006 wieder aufleben, sondern falle auch die Grundlage für den Erlass des Bewilligungsbescheides weg und der Ablehnungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.02.2006 lebe wieder auf.

Das SG hat vom Kinderarzt Dr. B., dem Internisten Dr. P., dem Chirurgen Dr. K. und dem Krankengymnasten R. die konkreten Behandlungsdaten der Klägerin ab April 2006 erfragt. Weiterhin wurden die Krankenunterlagen des Klinikums F-Stadt-B. sowie die Schwerbehindertenakte der Klägerin beigezogen.

Mit Urteil vom 15.12.2010 hat das SG den Bescheid der Bekl. vom 04.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.20090 aufgehoben. Die Anfechtungsklage sei zulässig und begründet.

Der Aufhebungsbescheid sei nicht wegen der Adressierung an die damals 17-jährige Kl. unwirksam gewesen. Denn dem unverzüglich am 09.06.2008 durch die Mutter erfolgten Widerspruch lasse sich entnehmen, dass der Bescheid der gesetzlichen Vertreterin der Kl. zugegangen sei. In diesem Fall verstoße es gegen Treu und Glauben, wenn sich die Kl. auf eine Unwirksamkeit infolge nicht ordnungsmäßiger Bekanntgabe stütze.

Der Aufhebungsbescheid könne nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden. Gegenüber den tatsächlichen Verhältnissen, die dem aufgehobenen Bewilligungsbescheid vom 06.04.2006 zugrunde gelegen hätten, sei keine wesentliche Änderung eingetreten. Maßgebend seien diesbezüglich nicht die in der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 berechneten Pflegezeiten, sondern der zu diesem Zeitpunkt bestehende tatsächliche Pflegebedarf. Tatsächlich habe der Pflegebedarf entsprechend den MDK-Gutachten vom 20.12.2004, 28.04.2005, 04.08.2005 und 16.11.2005 durchgehend zwischen 65 und 106 min und damit jedenfalls weit unterhalb der Grenze für die Pflegestufe II von 120 min gelegen. Das Gutachten des MDK vom 22.02.2008 habe ausdrücklich erwähnt, dass sich der Hilfebedarf der Kl. nicht wesentlich verändert habe. Selbst wenn der tatsächliche Pflegebedarf insgesamt höher gewesen sei, wäre damit immer noch keine wesentliche Änderung nachgewiesen. Die Bekl. berufe sich insoweit darauf, dass die Kl. ihre Hemmungen abgebaut habe, für Arzt- und Physiotherapeutenbesuche öffentliche Verkehrsmittel ohne Begleitung zu benutzen. Die Kl. bestreite dies jedoch, ohne dass dies widerlegt werden könne. Die Bekl. trage hierfür die Beweislast.

Auch auf § 45 SGB X könne die Aufhebungsentscheidung der Bekl. nicht gestützt werden, weil es hierfür schon an der erforderlichen Ausübung des Rücknahmeermessens fehle.

Im Übrigen werde - ohne dass es für die Entscheidung erheblich sei - darauf hingewiesen, dass nach den Behandlungsdaten der behandelnden Ärzte sowie des Physiotherapeuten die Kl. bereits im Jahr 2006 weder einmal pro Woche einen Arzt aufgesucht noch zweimal pro Woche Krankengymnastik gehabt habe. Es könne dahinstehen, ob deshalb der Bewilligungsbescheid vom 06.04.2006 i. S. d. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X auf Angaben beruht habe, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe.

Die Bekl. hat gegen das Urteil des SG, das ihr am 27.12.2010 zugestellt worden war, am 07.01.2011 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt.

Zur Begründung ihrer Berufung hat die Bekl. vorgebracht, die Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 sei nach den "wirklichen Willen" der Beteiligten auszulegen. Den Parteien sei bewusst gewesen, dass es sich um ein großzügiges Angebot der Bekl. gehandelt habe, und die Kl. habe davon ausgehen müssen, dass es sich um eine befristete Bewilligung der PS II gehandelt habe. Die Vereinbarung, dass kein MDK-Gutachten vor Ende September 2007 erstellt werden solle, impliziere, dass die Parteien davon ausgingen, dass eine erneute Begutachtung zur Herabstufung führen würde. Weiter habe die Kl. - wie die Ermittlungen des SG ergeben hätten - bezüglich der Häufigkeit ihrer Besuche bei Ärzten und dem Physiotherapeuten vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig falsche Angaben gemacht. Falls sich die Verhältnisse nach der Bewilligung der PS II geändert haben, so hätte die Kl. zumindest die Änderung der Verhältnisse mitteilen müssen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X.

Auf Antrag der Kl. hat das LSG die F. zur Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat in ihrem Gutachten vom 21.09.2012 nach Hausbesuch vom 07.08.2012 einen Grundpflegebedarf von 64,5 min und einen Bedarf an hauswirtschaftlicher Versorgung von 11,5 min täglich für die Zeit ab dem 01.07.2008 ermittelt. Im Gutachten wird ausgeführt, die Kl. wohne und studiere in U.. Die Mutter habe angegeben, dort auch zu wohnen, um der Kl. beiseite zu stehen. Sie fahre sie zur Uni, wenn Bücher, Laptop und schweres Material mitzuführen sei. Auch Studienkollegen seien ihr dort behilflich. Die Geschwister der Kl. seien 18, 15 und 14 Jahre alt. Der Vater arbeite in Vollzeit als Laborant.

Zu der Frage, inwieweit sich der Hilfebedarf zwischen dem 06.04.2006 und dem 01.07.2008 verändert hat, hat die Sachverständige nicht Stellung genommen, weil nach diesem Problem in der Beweisanordnung vom 28.02.2012 nicht gefragt worden war.

Unter Hinweis darauf, dass sich nach dem Gutachten der Sachverständigen F. nicht einmal mehr die Voraussetzungen der Pflegestufe I ergäben, die gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XI für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung einen Gesamtaufwand von mindestens 90 min voraussetze, hat das Gericht mit Schreiben vom 24.08.2012 den Parteien vorgeschlagen, sich vergleichsweise darauf zu einigen, dass die PS II bis zum 31.07.2012 weitergewährt wird und ab dem 01.08.2012 eine Reduzierung auf die PS I erfolgt.

Im Erörterungstermin vom 07.11.2012 hat der Berichterstatter beide Parteien über ihre Prozessrisiken belehrt. Auf Vorschlag des Vorsitzenden haben die Parteien dann den bereits mit richterlichem Schreiben vom 24.08.2012 vorgeschlagenen Vergleich abgeschlossen, unter Vorbehalt des Widerrufs bis zum 31.01.2013.

Mit Telefax vom 31.01.2013 hat die Kl., die im Erörterungstermin vom 07.11.2012 nicht persönlich anwesend gewesen war, den Vergleich widerrufen und mitgeteilt, dass sie der Herabstufung auf die PS I zustimme, aber nicht schon zum 01.08.2012, sondern erst zum 01.03.2013; außerdem wünsche sie eine Klausel, wonach sie bei Verschlechterung ihrer gesundheitlichen Verhältnisse berechtigt sei, einen Verschlimmerungsantrag zu stellen. Auch der Prozessbevollmächtigte der Kl. hat den Vergleich mit Telefax vom 31.03.2013 "höchst vorsorglich" widerrufen, da ihm eine Abstimmung zu dem Vergleich mit seiner Mandantin nicht möglich gewesen sei.

Mit Schreiben vom 18.02.2013 hat das Gericht bei der Bekl. angefragt, ob sie der Kl. ein im Sinne ihrer Wünsche entgegenkommendes Vergleichsangebot unterbreiten könne. Die Bekl. hat mit Schreiben vom 25.02.2013 die Möglichkeit eines weiteren Entgegenkommens verneint.

Daraufhin hat das LSG zunächst die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D., D-Stadt, zur Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem es wegen der in dem Gutachtensauftrag gestellten Bitte des Gerichts, die Sachverständige möge die Begutachtung am Studienort der Kl. in U. durchführen und hierzu die aus den Akten noch nicht bekannte Adresse bei der Kl. erfragen, zu Irritationen bei der Sachverständigen gekommen war und diese mit Schreiben vom 26.04.2013 der Kl. "mäßiges Interesse" an der Begutachtung unterstellt und demzufolge um Entbindung von dem Gutachtensauftrag gebeten hatte, hat das Gericht mit Schreiben vom 02.05.2013 die Kl. aufgefordert, ihre Adresse in U. sowie die Zeiten (also z. B. Wochentage, evtl. variierend nach Monaten) mitzuteilen, an denen sie sich an ihrem Studienort in U. bzw. bei ihren Eltern in A-Stadt aufhält.

Mit Schreiben vom 28.06.2013 hat der Prozessbevollmächtigte der Kl. mit deren Einvernehmen einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, der Pflegegeld der PS II bis zum 30.06.2013 und eine Herabstufung auf die PS I zum 01.07.2013 vorsah.

Nachdem von der Kl. trotz Aufforderung und Fristsetzung die Daten zu ihrem Wohnort in U. und ihren Aufenthaltszeiten nicht zu erfahren waren, hat das Gericht mit Verfügung vom 24.09.2013 die Bestellung von Dr. D. zur Sachverständigen aufgehoben.

Nachdem die Bekl. mit Schriftsatz vom 24.10.2013 mitgeteilt hatte, nicht vergleichsbereit zu sein, hat das LSG am 23.01.2014 die Kl. mit Schreiben unter Fristsetzung bis zum 28.02.2014 nochmals aufgefordert, die Angaben zu ihrem Wohnort in U. sowie zu ihren dortigen Aufenthaltszeiten zu machen. In Beantwortung dieses Schreibens hat der Prozessbevollmächtigte der Kl. mit Schreiben vom 28.02.2014 mitgeteilt, dass die Kl. für das nächste halbe Jahr ausschließlich unter der Wohnanschrift ihrer Eltern in A-Stadt zu erreichen sei, da sie im kommenden Semester nur ein paar Tage in U. sein müsse.

Mit Beweisanordnung vom 25.03.2014 hat das LSG die Krankenschwester und von der Regierung von Schwaben öffentlich bestellte und beeidige Sachverständige zur Bewertung der Pflegequalität (Leistung und Durchführung) bei Einzelpersonen und Feststellung der Pflegestufen und deren Überprüfung, C., zur Sachverständigen bestellt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Die Sachverständige hat, nachdem zwei Termine auf Wunsch der Kl. verschoben worden waren, am 28.07.2014 einen Hausbesuch in der Wohnung der Eltern in A-Stadt der Kl. durchgeführt, bei dem die Kl. und ihre Mutter, gegen Ende des Hausbesuchs auch ihr Vater, anwesend waren.

Mit Datum vom 16.04.2015 hat die Sachverständige C. ihr Gutachten erstattet. Entsprechend den Beweisfragen des Gerichts hat die Sachverständige den Grundpflegebedarf für folgende Daten wie folgt ermittelt:

* Am 04.04.2006, dem Tag des Abschlusses der Mediationsvereinbarung, habe der Grundpflegebedarf noch 123 min täglich betragen.

* Am 01.07.2008, dem Datum, mit Wirkung von dem durch den angefochtenen Bescheid vom 04.06.2008 die Pflegestufe von II auf I abgesenkt worden ist, habe der Grundpflegebedarf nur noch 56 min täglich betragen.

* Auch für den 07.04.2009, dem Tag des Erlasses des Widerspruchsbescheides, errechne sich ein Grundpflegebedarf von 56 min täglich.

* Für den 28.07.2014, dem Tag des Hausbesuchs der Sachverständigen, sei ein Grundpflegebedarf von nur noch 12 min täglich zu ermitteln.

Bezüglich des Bedarfs an hauswirtschaftlicher Versorgung hat die Sachverständige keine Angaben gemacht.

Hinsichtlich der Wohnsituation der Kl. hat die Sachverständige festgestellt, die Kl. habe bis zu ihrem Abitur 2011 im elterlichen Haushalt in A-Stadt gelebt. Nach dem Abitur habe sie ihr Studium der Medizin an der Universität U. begonnen. Sie habe damals ein Zimmer in einem Studentenwohnheim bezogen, in dem sie ca. 3 bis 4 Tage pro Woche gelebt habe. Die übrige Zeit habe sie weiterhin zuhause in A-Stadt gewohnt. Im September 2013 habe sie das Zimmer im Studentenwohnheim aufgegeben und pendle seitdem von A-Stadt nach U..

Die Kl. hat mit Schriftsatz vom 12.06.2015 gegen das Gutachten eingewandt, dass sich der Zeitaufwand für die Grundpflege tatsächlich nicht verändert habe. So könne sich die Kl. wegen der teilweisen Lähmung ihres linken Armes nach wie vor nicht alleine waschen und nicht die Haare kämmen. Auch könne sie ihre Zahnreinigung und Mundpflege bei einer Mundöffnung von gerade einmal 1,5 cm nicht selbst durchführen. Das Allergieleiden bestehe nicht nur im Sommer, sondern ganzjährig. Schließlich habe die Kl. nach wie vor eine ausgeprägte Angststörung, so dass sie das Haus nie alleine, so etwa auch jetzt zum Besuch der Universität, verlassen könne. Als Beweis für die Lebensumstände der Kl. werde die Einvernahme der Kl. als Partei sowie die Einvernahme der Mutter als Zeugin beantragt. Inzwischen sei die Kl. außerdem im siebten Monat schwanger und damit noch weiter eingeschränkt.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 15.12.2010 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 04.06.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beigezogene Akte des Beklagten verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Die Berufung bedarf gemäß § 144 SGG keiner Zulassung.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Aufhebungsbescheid der Bekl. vom 04.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 aufgehoben. Die Klage gegen diese Bescheide ist als isolierte Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG statthaft und zulässig, sie ist jedoch unbegründet, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind.

1. Formelle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide

Der Aufhebungsbescheid vom 04.06.2008 ist nicht schon deshalb aufzuheben, weil er an die Kl. persönlich und nicht an deren Mutter als gesetzliche Vertreterin adressiert war, obwohl die Kl. zum Zeitpunkt der Bekanntgabe das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte und von der Mutter gesetzlich vertreten wurde. Gemäß § 37 SGB X ist ein Verwaltungsakt demjenigen Beteiligten bekanntzugeben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, im Falle fehlender Handlungsfähigkeit an den gesetzlichen Vertreter. Die Aufhebung der Bescheide käme bei fehlender Bekanntgabe zur Beseitigung von deren Rechtsschein in Betracht, obwohl ein Bekanntgabemangel an sich nicht nur zur Rechtswidrigkeit des Bescheides, sondern zu dessen Nichtexistenz führen würde (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. A. 2014, Anhang § 54, Rdnr. 27). Dass die Kl. bereits das 15. Lebensjahr vollendet und deshalb Handlungsfähigkeit im Sinne des § 36 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) erlangt hatte, hilft hier nicht weiter, da es nicht um die Beantragung von Sozialleistungen sowie deren Entgegennahme geht, sondern um einen Verwaltungsakt, der auf die Aufhebung eines Bewilligungsbescheides gerichtet ist. Überzeugend ist jedoch die Argumentation des SG insoweit, als dieses der Auffassung ist, dass ein Verwaltungsakt, der an einen Minderjährigen adressiert ist, jedenfalls dann wirksam wird, wenn der gesetzliche Vertreter tatsächliche Kenntnis von ihm erhält. Dies lässt sich aus dem Rechtsgedanken des § 8 Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) ableiten (str., zum Meinungsstand Littmann, in: Hauck/Noftz, SGB X, Stand 08/13, § 37 Rdnr. 44): Danach gilt bei der förmlichen Zustellung von Schreiben ein Dokument, dessen formgerechte Zustellung nicht nachweisbar ist oder das unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist, als in dem Zeitpunkt zugegangen, in dem es dem Empfangsberechtigten tatsächlich zugegangen ist. Dass die Mutter der Kl. tatsächlich von dem Schreiben Kenntnis genommen hat, ergibt sich aus dem von der Mutter persönlich verfassten Widerspruchsschreiben vom 09.06.2008.

Die gemäß § 24 SGB X vorgeschriebene Anhörung vor Erlass eines in die Rechte der Kl. eingreifenden Verwaltungsaktes hat stattgefunden. Die Bekl. hat mit Schreiben vom 28.02.2008 die Kl. zu der beantragten Herabstufung unter Zurverfügungstellung einer Kopie des MDK-Gutachtens vom 22.02.2008 angehört. Dieses Schreiben war allerdings an die minderjährige Kl. persönlich adressiert und nicht an einen der gesetzlichen Vertreter. Da die Mutter der Kl. jedoch sich hierzu mit Schreiben vom 08.03.2008 geäußert hat, ist erwiesen, dass ihr das Anhörungsschreiben zur tatsächlichen Kenntnis gelangt ist. Damit war der Anhörungszweck erfüllt.

2. Materielle Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide

Der Aufhebungsbescheid vom 04.06.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 war auch in materieller Hinsicht rechtmäßig. Die Voraussetzungen für die teilweise Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 06.04.2006 im Sinne einer Herabstufung von der PS II auf I (§ 15 SGB XI) zum 01.07.2008 waren gemäß § 48 SGB X gegeben, weil es sich bei dem Bescheid vom 06.04.2006 um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung handelte und in den tatsächlichen Verhältnissen, die beim Erlass dieses Verwaltungsaktes vorgelegen hatten, bis zum 01.07.2008 eine wesentliche Änderung eingetreten war, die auch im Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2009 noch weiter bestand.

Dies ergibt sich aus den überzeugenden und glaubhaften Ausführungen in den Gutachten der Sachverständigen F. und C..

Folgende Veränderungen hat die Sachverständige C. zwischen dem Zeitpunkt des Abschlusses der Mediationsvereinbarung am 04.04.2006 und dem Wirksamwerden der Herabstufung am 01.07.2008 festgestellt:

1. Der Hilfebedarf zum Duschen/Baden hat sich von 15 auf 8 min reduziert. Der Umfang des Hilfebedarfs wurde in der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 wie folgt beschrieben: "Sowohl beim Duschen als auch beim Baden ist [die Kl.] auf umfangreiche Hilfe angewiesen, da sie sich wegen ihres behinderten Armes weder im Schulter- noch im Rückenbereich selbstständig waschen kann. Auch beim Abtrocknen bedarf sie insoweit der Hilfe. Im Ergebnis sind Baden und Duschen daher Vorgänge, bei denen weitgehend Hilfebedarf besteht, der den Bereich der Teilunterstützung deutlich überschreitet und daher schon fast einer vollständigen Übernahme gleichkommt." Gleichzeitig ging aus der Mediationsvereinbarung hervor, dass der Schürzengriff links zu diesem Zeitpunkt nicht durchführbar war, der Kl. musste zu diesem Zeitpunkt beim Richten der Kleidung geholfen werden. Bei den Begutachtungen durch den MDK am 18.02.2008 und am 06.08.2008 war nach der überzeugenden Darstellung der Sachverständigen C. die Beweglichkeit der Kl. verbessert, so dass zu diesen Zeitpunkten nur noch ein geringerer Zeitbedarf anzurechnen war. So war der Kl. in der Rumpfbeuge ein Greifen bis zu den Sprunggelenken möglich, die Beweglichkeit der Beine war jedoch überhaupt nicht eingeschränkt, so dass die Füße vom Boden angehoben werden konnten, den Händen bzw. dem Waschlappen oder Handtuch entgegen. Die Füße konnten so beispielsweise auf den Badewannenrand oder auf einen Schemel gestellt werden, um sich bei eingeschränkter Rumpfbeuge nicht zu den Füßen hinab beugen zu müssen. Das Stehen auf einem Bein war der Klägerin zu jedem Zeitpunkt möglich, das freie Sitzen auch. Bei intaktem Gleichgewichtssinn konnte beispielsweise auch der Fuß auf das Knie des Standbeins gehoben werden.

2. Beim Kämmen hat sich der Hilfebedarf zwischen dem 04.04.2006 und dem 01.07.2008 von 6 auf 3 min halbiert. Der Zeitaufwand war in der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 mit zweimal täglich 3 min, also insgesamt 6 min am Tag festgestellt worden. In den MDK-Gutachten vom 18.02.2008 und 06.08.2008 wurden dagegen nur noch 3 min am Tag anerkannt, bei zweimal täglicher Hilfestellung für das Nachbessern beim Kämmen. Im Gutachten der Sachverständigen F. wurde nur noch 1 min täglich berücksichtigt (August 2012). Die Begutachtung durch die Sachverständige C. hat bei ihrem Hausbesuch im Juli 2014 ergeben, dass die Kl. in der Lage ist, mit dem rechten Arm den überwiegenden Teil ihres Kopfes bzw. ihrer Haare zu erreichen. Es ist ein kleiner Bereich des linksseitigen Hinterkopfes, den die Klägerin nicht mit der Hand erreichen kann. Da die Bürste jedoch durch den Griff eine Verlängerung der Hand darstellt, kann die Kl. mit dem Bürstenkopf den kompletten Kopf erreichen. Die Haarlängen kann die Klägerin ohne Hilfe selbstständig kämmen und bürsten. Ein Hilfebedarf zum Kämmen bestand deshalb im Jahr 2014 nicht. Der Vergleich dieser Werte macht plausibel, dass es seit 2006 zu einer kontinuierlichen Verbesserung in der Fähigkeit zum Kämmen gekommen ist, die auf eine bessere Beweglichkeit im linken Arm zurückzuführen ist. Deshalb sind auch die Feststellungen des MDK aus dem Jahr 2008, die sich etwa in der Mitte zwischen den Feststellungen in der Mediationsvereinbarung von 2006 und den späteren Feststellungen der Gerichtssachverständigen aus den Jahren 2012 und 2014 befinden, nachvollziehbar und plausibel. Die Verbesserung der Beweglichkeit des linken Armes ist zu erklären insbesondere durch eine Operation zur Lösung von Narbensträngen, der sich die Kl. im August 2006 - also nach Erlass des Bescheides vom 06.04.2006 - unterzogen hat.

3. Beim Richten der Bekleidung hat nach der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 noch ein Hilfebedarf von 8 min täglich, errechnet aus 1 min pro Verrichtung, bei acht Verrichtungen täglich, vorgelegen. Angegeben wurde damals, dass die Kl. in der Schule die Hilfestellung von Klassenkameradinnen erhalte. In der Mediationsvereinbarung war festgehalten, dass sich die Kl. Knöpfe im Bereich der oberen Bluse nicht selbstständig zuknöpfen und sich die Kleidung im Bereich des Rückens nicht selbstständig richten könne. Weder in den beiden MDK-Gutachten aus dem Jahr 2008 noch in den späteren Gutachten der Gerichtssachverständigen aus den Jahren 2012 und 2014 wurde ein Hilfebedarf beim Richten der Bekleidung anerkannt, und die Kl. hat einen solchen in dem von ihr zur Begründung der Klage vorgelegten Pflegetagebuch aus dem Monat Mai 2009 auch selbst nicht geltend gemacht. Auch hier ist davon auszugehen, dass die Operation zur Lösung der Narbenstränge im August 2006 eine Verbesserung der Beweglichkeit bewirkt hat.

4. Der Hilfebedarf bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung hat sich zwischen dem 04.04.2006 und dem 01.07.2008 von 24 auf 5 min reduziert. Entsprechend der Einschätzung in der Mediation war es am 04.04.2006 noch notwendig, die Mahlzeiten für die Kl. zu pürieren. Die Kl. war damals noch 14 Jahre alt und konnte diese Verrichtungen noch nicht selbst vornehmen. Bei den Begutachtungen durch den MDK im Jahr 2008 wurde allerdings nur noch ein deutlich geringerer Zeitaufwand für die Hilfestellungen anerkannt. Die Sachverständige F. hat 2012 festgestellt, dass die Kl. mit dem rechten Arm, der rechten Hand, dem linken Arm und der funktionsfähigen linken Hand ohne nennenswerte Einschränkung ihre Nahrung mit einem Mixstab passieren, diese selbst servieren und einnehmen könne. Für den von ihr angesetzten Zeitaufwand von 6 min pro Tag hat sie ausdrücklich diejenigen Tage berücksichtigt, an denen die Kl. massive Schmerzen hatte, sowie depressive Episoden, bei denen sie zum Essen und Trinken angeleitet und motiviert werden musste. Auch die Entscheidung der Kl. im Jahr 2011, in ein Studentenwohnheim zu ziehen, zeigte, dass sie zu diesem Zeitpunkt in der Lage sein musste, die mundgerechte Zubereitung der Nahrung im Wesentlichen selbst zu übernehmen. Die Sachverständige C. hat 2014 keinen Hilfebedarf mehr diesbezüglich festgestellt. Der kontinuierliche Rückgang des Hilfebedarfs in diesem Bereich lässt auch die Feststellungen des MDK im Jahr 2008, die einen deutlich geringeren Hilfebedarf als noch im Jahr 2006 ergaben, plausibel erscheinen.

5. Der Hilfebedarf für das An- und Auskleiden hat sich zwischen dem 04.04.2006 und dem 01.07.2008 von 22 auf 10 min reduziert. Wie die Sachverständige C. auf den S. 36 bis 38 ihres Gutachtens überzeugend dargelegt hat, ergibt sich durch Vergleich der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006, der beiden MDK-Gutachten aus dem Jahr 2008 und den Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen aus den Jahren 2012 und 2014 eine kontinuierliche Verbesserung der Selbstständigkeit der Kl. in diesem Bereich, die durch eine Verbesserung der Beweglichkeit des linken Armes erklärt werden kann, die auf eine Operation zur Lösung von Narbensträngen im August 2006 zurückgeht.

6. Der noch in der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 anerkannte Hilfebedarf für das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung von 26 min täglich hat sich bis zum Jahr 2008 jedenfalls auf ein Drittel dieses Wertes reduziert, unabhängig davon, ob die Kl. aufgrund von Angst oder Scham wegen der Entstellung ihres Gesichtes vor oder nach dem 04.04.2006 auf die Begleitung durch eine Bezugsperson auf dem Weg zu ihrem Kinderarzt sowie zu ihrem Physiotherapeuten angewiesen war. Denn die Auswertung der noch vom Sozialgericht angeforderten Behandlungsdaten seitens des Kinderarztes Dr. B. und das Physiotherapeuten hat ergeben, dass die Kl. im Zeitraum von Dezember 2007 bis Juni 2008, also einem Zeitraum von 33 Wochen, insgesamt 24 mal zur Krankengymnastik gegangen ist und neunmal die Arztpraxis aufgesucht hat. In einem Zeitraum von 30 Wochen haben sich also 33 Praxisbesuche ergeben, so dass im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidungen regelmäßig und dauerhaft nur noch von durchschnittlich einem Praxisbesuch pro Woche ausgegangen werden konnte. Dagegen lag der Berechnung in der Mediationsvereinbarung die Annahme von durchschnittlich drei Praxisbesuchen pro Woche (einmal Kinderarzt und zweimal Physiotherapie) zugrunde, die mit einem Zeitaufwand von jeweils einer Stunde berücksichtigt wurden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die Angaben der Kl. in der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 zur Häufigkeit der Arztbesuche nicht korrekt waren, da sich aus den Unterlagen ergab, dass die Kl. bereits im Zeitraum von Oktober 2005 bis April 2006 den Kinderarzt nur viermal aufgesucht hatte, ergäbe sich immer noch eine Reduktion des Hilfebedarfs von zweimal auf einmal wöchentlich pro Woche, wenn man die Notwendigkeit einer Begleitung überhaupt anerkennt.

Eine Beweisaufnahme, insbesondere Vernehmung der Mutter als Zeugin bzw. der Kl. persönlich, zu dieser Frage ist deshalb nicht erforderlich, ganz davon abgesehen, dass die anwaltlich vertretene Kl. den diesbezüglich gestellten Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 15.07.2015 nicht wiederholt hat. Es kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass im Jahr 2008 nach wie vor einmal pro Woche die Notwendigkeit einer Begleitung zu Praxisbesuchen gegeben war, die einen Hilfebedarf von 60 min /7 = 9 min täglich auslösten. Denn im Vergleich zum 04.04.2006 lag insoweit immer noch eine Halbierung des Hilfebedarfs vor, selbst wenn man davon ausgeht, dass der Hilfebedarf im Jahr 2006 statt der in der Mediationsvereinbarung genannten 26 min nur 18 min betrug, entsprechend nur zwei statt drei Praxisbesuchen pro Woche.

Soweit die Kl. im für den Monat Mai 2009 geführten Pflegetagebuch Besuche beim Physiotherapeuten geltend gemacht hat, stimmen diese nach den Feststellungen im Gutachten der Sachverständigen C. nicht mit den Angaben des Physiotherapeuten überein, dessen Praxis im ersten Halbjahr 2009 keine Behandlungen bzw. Praxisbesuche verzeichnet hat.

Zusammengefasst lässt sich zwischen dem Zeitpunkt der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 bzw. dem zwei Tage später erlassenen Bescheid vom 06.04.2006 und dem späteren Zeitpunkt der Herabsetzung der Pflegestufe zum 01.07.2008 eine deutliche Verringerung des Grundpflegebedarfs hinsichtlich der oben genannten Punkte feststellen. Die Verringerung des Grundpflegebedarfs bei den oben genannten Einzelpunkten hat zu einer Reduzierung des gesamten Grundpflegebedarfs geführt, da im selben Zeitraum es zu keiner Erhöhung des Grundpflegebedarfs bei anderen Verrichtungen gekommen ist, wie sich aus dem ausführlichen Gutachten der Sachverständigen C. ergibt. Der Grundpflegebedarf lag nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen C. am 04.04.2006 noch bei 123 min und am 01.07.2008 nur noch bei 56 min, bei Erhöhung um 9 min für das einmal wöchentliche Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung lag der gesamte Grundpflegebedarf bei 65 min, jedoch damit weit unterhalb der für die Anerkennung der Pflegestufe II gemäß § 15 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XI geltenden Mindestgrenze von 120 min bei der Grundpflege. Auch bis zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides am 07.04.2009 ist es zu keiner erneuten Erhöhung des Grundpflegebedarfs gekommen. Damit lagen die Voraussetzungen einer wesentlichen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X vor. Nicht erforderlich ist hierfür, dass nachgewiesen ist, dass im Zeitpunkt des Erlasses des aufgehobenen Bescheides am 06.04.2006 die Voraussetzungen der Pflegestufe II in vollem Umfang gegeben waren, dass also insgesamt der Grundpflegebedarf mindestens 120 min war, da die Aufhebung nach § 48 SGB X nicht einen rechtmäßigen Verwaltungsakt voraussetzt (BSGE 95, 57). Davon abgesehen, waren nach den überzeugenden Feststellungen der Sachverständigen C. bei Erlass des Bescheides vom 06.04.2006 die Voraussetzungen der Pflege-

stufe II erfüllt.

Allerdings genügte es für die Herabsetzung der Pflegestufe nicht, nur den Bescheid vom 06.04.2006 aufzuheben, vielmehr musste sich die Bekl. dazu auch von der Mediationsvereinbarung vom 04.04.2006 lösen. Diese stellte einen öffentlich-rechtlichen Vertrag im Sinne des § 53 SGB X in der Spezialform eines Vergleichsvertrags nach § 54 SGB X dar. § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X sieht für die Lösung von einer solchen Vereinbarung folgende Regelung vor: Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Auslegung des Aufhebungsbescheides vom 04.06.2008 ergibt, dass damit gleichzeitig ein Anpassungsbegehren bzw. eine teilweise Kündigung der Mediationsvereinbarung verbunden war. Zu einer solchen Erklärung war die Bekl. auch berechtigt, da die oben genannte Reduzierung des Hilfebedarfs eine so wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 59 Abs. 1 Satz 1 SGB X darstellte, dass der Bekl. das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht mehr zumutbar war. Damit kann sich die Kl. nicht mehr auf die Mediationsvereinbarung berufen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Annotations

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit

1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat,
2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder
3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn

1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder
2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
In den Fällen des Satzes 3 kann ein Verwaltungsakt über eine laufende Geldleistung auch nach Ablauf der Frist von zehn Jahren zurückgenommen werden, wenn diese Geldleistung mindestens bis zum Beginn des Verwaltungsverfahrens über die Rücknahme gezahlt wurde. War die Frist von zehn Jahren am 15. April 1998 bereits abgelaufen, gilt Satz 4 mit der Maßgabe, dass der Verwaltungsakt nur mit Wirkung für die Zukunft aufgehoben wird.

(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.

(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint,
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde,
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll,
4.
Allgemeinverfügungen oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl erlassen werden sollen,
5.
einkommensabhängige Leistungen den geänderten Verhältnissen angepasst werden sollen,
6.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen oder
7.
gegen Ansprüche oder mit Ansprüchen von weniger als 70 Euro aufgerechnet oder verrechnet werden soll; Nummer 5 bleibt unberührt.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Pflegebedürftige erhalten nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten einen Grad der Pflegebedürftigkeit (Pflegegrad). Der Pflegegrad wird mit Hilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt.

(2) Das Begutachtungsinstrument ist in sechs Module gegliedert, die den sechs Bereichen in § 14 Absatz 2 entsprechen. In jedem Modul sind für die in den Bereichen genannten Kriterien die in Anlage 1 dargestellten Kategorien vorgesehen. Die Kategorien stellen die in ihnen zum Ausdruck kommenden verschiedenen Schweregrade der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten dar. Den Kategorien werden in Bezug auf die einzelnen Kriterien pflegefachlich fundierte Einzelpunkte zugeordnet, die aus Anlage 1 ersichtlich sind. In jedem Modul werden die jeweils erreichbaren Summen aus Einzelpunkten nach den in Anlage 2 festgelegten Punktbereichen gegliedert. Die Summen der Punkte werden nach den in ihnen zum Ausdruck kommenden Schweregraden der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten wie folgt bezeichnet:

1.
Punktbereich 0: keine Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
Punktbereich 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
Punktbereich 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
Punktbereich 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten und
5.
Punktbereich 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten.
Jedem Punktbereich in einem Modul werden unter Berücksichtigung der in ihm zum Ausdruck kommenden Schwere der Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten sowie der folgenden Gewichtung der Module die in Anlage 2 festgelegten, gewichteten Punkte zugeordnet. Die Module des Begutachtungsinstruments werden wie folgt gewichtet:
1.
Mobilität mit 10 Prozent,
2.
kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen und psychische Problemlagen zusammen mit 15 Prozent,
3.
Selbstversorgung mit 40 Prozent,
4.
Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen mit 20 Prozent,
5.
Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte mit 15 Prozent.

(3) Zur Ermittlung des Pflegegrades sind die bei der Begutachtung festgestellten Einzelpunkte in jedem Modul zu addieren und dem in Anlage 2 festgelegten Punktbereich sowie den sich daraus ergebenden gewichteten Punkten zuzuordnen. Den Modulen 2 und 3 ist ein gemeinsamer gewichteter Punkt zuzuordnen, der aus den höchsten gewichteten Punkten entweder des Moduls 2 oder des Moduls 3 besteht. Aus den gewichteten Punkten aller Module sind durch Addition die Gesamtpunkte zu bilden. Auf der Basis der erreichten Gesamtpunkte sind pflegebedürftige Personen in einen der nachfolgenden Pflegegrade einzuordnen:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 1: geringe Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2: erhebliche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3: schwere Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
4.
ab 70 bis unter 90 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten,
5.
ab 90 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5: schwerste Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung.

(4) Pflegebedürftige mit besonderen Bedarfskonstellationen, die einen spezifischen, außergewöhnlich hohen Hilfebedarf mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung aufweisen, können aus pflegefachlichen Gründen dem Pflegegrad 5 zugeordnet werden, auch wenn ihre Gesamtpunkte unter 90 liegen. Der Medizinische Dienst Bund konkretisiert in den Richtlinien nach § 17 Absatz 1 die pflegefachlich begründeten Voraussetzungen für solche besonderen Bedarfskonstellationen.

(5) Bei der Begutachtung sind auch solche Kriterien zu berücksichtigen, die zu einem Hilfebedarf führen, für den Leistungen des Fünften Buches vorgesehen sind. Dies gilt auch für krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen. Krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen sind Maßnahmen der Behandlungspflege, bei denen der behandlungspflegerische Hilfebedarf aus medizinisch-pflegerischen Gründen regelmäßig und auf Dauer untrennbarer Bestandteil einer pflegerischen Maßnahme in den in § 14 Absatz 2 genannten sechs Bereichen ist oder mit einer solchen notwendig in einem unmittelbaren zeitlichen und sachlichen Zusammenhang steht.

(6) Bei pflegebedürftigen Kindern wird der Pflegegrad durch einen Vergleich der Beeinträchtigungen ihrer Selbständigkeit und ihrer Fähigkeiten mit altersentsprechend entwickelten Kindern ermittelt. Im Übrigen gelten die Absätze 1 bis 5 entsprechend.

(7) Pflegebedürftige Kinder im Alter bis zu 18 Monaten werden abweichend von den Absätzen 3, 4 und 6 Satz 2 wie folgt eingestuft:

1.
ab 12,5 bis unter 27 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 2,
2.
ab 27 bis unter 47,5 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 3,
3.
ab 47,5 bis unter 70 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 4,
4.
ab 70 bis 100 Gesamtpunkten in den Pflegegrad 5.

(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit

1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt,
2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Als Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse gilt in Fällen, in denen Einkommen oder Vermögen auf einen zurückliegenden Zeitraum auf Grund der besonderen Teile dieses Gesetzbuches anzurechnen ist, der Beginn des Anrechnungszeitraumes.

(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.

(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.

(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.

(1) Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.

(2) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag über Sozialleistungen kann nur geschlossen werden, soweit die Erbringung der Leistungen im Ermessen des Leistungsträgers steht.

(1) Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 2, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird (Vergleich), kann geschlossen werden, wenn die Behörde den Abschluss des Vergleichs zur Beseitigung der Ungewissheit nach pflichtgemäßem Ermessen für zweckmäßig hält.

(2) § 53 Abs. 2 gilt im Fall des Absatzes 1 nicht.

(1) Haben die Verhältnisse, die für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebend gewesen sind, sich seit Abschluss des Vertrages so wesentlich geändert, dass einer Vertragspartei das Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist, so kann diese Vertragspartei eine Anpassung des Vertragsinhalts an die geänderten Verhältnisse verlangen oder, sofern eine Anpassung nicht möglich oder einer Vertragspartei nicht zuzumuten ist, den Vertrag kündigen. Die Behörde kann den Vertrag auch kündigen, um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.

(2) Die Kündigung bedarf der Schriftform, soweit nicht durch Rechtsvorschrift eine andere Form vorgeschrieben ist. Sie soll begründet werden.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.