Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. März 2017 - L 19 R 824/15

bei uns veröffentlicht am15.03.2017
vorgehend
Sozialgericht Würzburg, S 14 R 583/14, 21.09.2015

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.09.2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin auf ihren Überprüfungsantrag hin eine höhere Rente zusteht, wobei insbesondere die Verschiebung des Beginns der Altersrente und das Erlangen von zusätzlichen Mindestentgeltpunkten von Bedeutung sind.

Die 1948 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist im September 1992 aus Kasachstan nach Deutschland zugezogen und verfügt über einen Vertriebenenausweis A. Die Klägerin übte zuletzt geringfügige Beschäftigungen aus, aus denen Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden. Mit Schreiben vom 27.06.2008 kündigte die Firma K. GmbH gegenüber der Klägerin das Anstellungsverhältnis als Reinigungskraft zum 31.08.2008, da die Tätigkeiten zukünftig durch eine externe Firma erfolgen sollten. Mit Schreiben vom 16.03.2009 beendete der Allgemeinmediziner Dr. W. - „wie mündlich besprochen“ - das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin als Reinigungskraft in seiner Praxis zum 30.04.2009.

Am 24.06.2008 sprach die Klägerin in der Rentenberatungsstelle der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern in A-Stadt vor und hatte dabei offensichtlich einen Beratungstermin mit der Rentenberaterin A. C. (im Weiteren: „Beraterin“). Am 01.07.2008 stellte die Klägerin bei dieser Beraterin einen Antrag auf eine Altersrente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit als Vollrente mit Beginn zum 01.12.2008. Sie gab hierbei an, noch laufend geringfügig beschäftigt zu sein und zwar bei Dr. W … In der Folgezeit forderte die Beklagte bei der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern Kontenklärungsakten zur FRG-Herstellung aus dem Jahr 1996 und 2003 an, die aber in schriftlicher Form nicht mehr vorlagen. Eine durch die Beklagte vorgesehene ärztliche Begutachtung wurde wegen stationärer Behandlung der Klägerin zunächst zurückgestellt. Am 03.09.2008 wurde die Klägerin durch Dr. G. chirurgisch-orthopädisch und am 09.09.2008 durch Dr. Dr. H. internistisch untersucht. Der beratende Arzt der Beklagten Dr. L. kam am 16.09.2008 zum Ergebnis, dass bei der Klägerin das Einsatzvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt als aufgehoben anzusehen sei. Die Prüfung hinsichtlich Zahlungen aus einer geringfügigen Beschäftigung bei Dr. W. zog sich bis in das Frühjahr 2009. Am 17.06.2009 wurde von der Beklagten eine Probeberechnung unter Berücksichtigung von rentenrechtlichen Zeiten bis 30.11.2008 durchgeführt mit einem zugrunde gelegten Rentenbeginn 01.12.2008 und einer monatlichen Rentenanwartschaft von 326,76 Euro. An diesem Tag wurde von einem Mitarbeiter der Beklagten verfügt, dass die Rente der Klägerin unverzüglich festzusetzen sei und zu prüfen sei, ob bis Dezember 2008 Erwerbsminderungsrente gewährt werden könne. Wenn ja, sei die Versicherte entsprechend zu unterrichten.

Mit Datum vom 19.06.2009 erging der Rentenbescheid: Die Klägerin erhalte auf den Antrag vom 01.07.2008 Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit Rentenbeginn am 01.12.2008. Für die Zeit ab 01.07.2009 würden laufend monatlich 301,67 Euro gezahlt, für die Zeit davor erhalte die Klägerin eine Nachzahlung. Im Rentenbescheid wurde auf Seite 3 dargelegt, dass für die Pflichtbeiträge vor dem 01.01.1992 nicht geprüft worden sei, ob die Summe der Entgeltpunkte für diese Beiträge auf einen Mindestwert zu erhöhen sei, weil die anerkannten rentenrechtlichen Zeiten keine 35 Jahre ergeben würden. Zu den rentenrechtlichen Zeiten würden nicht Monate aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung, aus Versorgungsausgleich oder Rentensplitting zählen.

Im Nachgang dazu stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin auch einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung haben würde. Die Beklagte fragte telefonisch bei der Klägerin nach, ob ihr Rentenantrag sich auch auf eine Erwerbsminderungsrente beziehen solle, was die Klägerin bejahte.

Mit Bescheid vom 28.07.2009 wurde der Klägerin daraufhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit ab 01.08.2008 zuerkannt und für die Zeit vom 01.08.2008 bis 30.11.2008 eine Nachzahlung veranlasst.

Am 13.09.2010 stellte der Bevollmächtigte der Klägerin den hier streitgegenständlichen Antrag auf Überprüfung der Altersrente im Hinblick auf die Rentenhöhe. Es habe ein Beratungsfehler seitens der Beklagten vorgelegen, weil der Klägerin nicht der Hinweis gegeben worden sei, dass sie den Beginn der Altersrente um sieben Monate hinausschieben könne, um durch zusätzliche sieben Beitragsmonate die Regelung über Mindestentgeltpunkte nach § 262 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) zur Anwendung kommen zu lassen, was eine erhebliche rentensteigernde Wirkung gehabt hätte. Die Klägerseite legte zwei auf den 24.06.2008 datierte Kurzauskünfte vor, die die Klägerin erhalten habe. Im Weiteren beantragte die Klägerin auch hinsichtlich Zeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) eine Überprüfung.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 14.12.2012 zunächst die Rente wegen voller Erwerbsminderung neu fest. In der Anlage zum Bescheid lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag der Klägerin auf Feststellung einer Altersrente mit einem späteren Rentenbeginn im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ab. Es habe eine Rentenberatung stattgefunden und die Klägerin habe von dem hinsichtlich des vorzeitigen Altersrentenanspruchs zu erwartenden geminderten Rentenbetrag Kenntnis genommen. Eine Beratungspflicht zur weiteren Beitragszahlung und für Rentabilitätsberechnungen mit ungesicherten Angaben bestehe nicht. Inhaltlich wurde dann auch die Altersrente mit Bescheid vom 20.12.2012 neu festgestellt.

Gegen beide Bescheide legte der Bevollmächtigte der Klägerin Widerspruch ein. Im weiteren Verlauf bewilligte die Beklagte mit zwei Ergänzungsbescheiden vom 30.01.2014 Zinsen auf die Rentennachzahlung. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht durch die Bescheide vom 30.01.2014 abgeholfen worden sei. Die Zurückweisung betraf Qualifikationsgruppen nach dem FRG und den hier streitgegenständlichen Rentenbeginn der Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit der daran geknüpften Möglichkeit einer höheren Rentenzahlung durch die Berücksichtigung von Mindestentgeltpunkten. Zur Begründung der letztgenannten Entscheidung führte die Beklagte aus, es habe kein Beratungsfehler seitens der Beklagten bestanden, da diese weder um eine entsprechende Beratung nachgefragt worden sei noch sich eine Beratung zur Rentenoptimierung aufgedrängt habe. Unabhängig davon sei, dass noch eine Beanstandung der von der Klägerin für die Zeit vom 01.12.2008 bis 30.04.2009 gezahlten Beiträge aus geringfügiger Beschäftigung zu prüfen sei.

Mit Telefax-Schreiben vom 20.06.2014 hat der Bevollmächtigte der Klägerin Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben, die sich einerseits gegen die Nichteinstufung der Tätigkeiten der Klägerin im Rahmen des FRG in die Qualifikationsgruppe 4 der Anlage 13 zum SGB VI gerichtet hat und andererseits die Bestimmung eines späteren Beginns zur Altersrente für schwerbehinderte Menschen angestrebt hat. Im Klagebegründungsschreiben vom 27.11.2014 ist dann nur noch der Streitpunkt der Gewährung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit späterem Rentenbeginn weiter verfolgt worden. Die Klägerseite hat ihre Begründung wiederholt, wonach die Beklagte die Klägerin auf eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit zur Optimierung ihrer Rente nicht hingewiesen habe, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wäre. Dies ergebe sich aus den Verwaltungsregelungen der Rentenversicherungsträger. Weiter hat die Klägerin auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 17.12.1980 (Az. 12 RK 68/79) verwiesen, wonach ausnahmsweise ein Versicherungsträger von Amts wegen zur Erteilung eines Hinweises verpflichtet sei, wenn sich bei der Prüfung eines Antrages ergebe, dass Gestaltungsmöglichkeiten vorhanden seien, deren Wahrnehmung offensichtlich so zweckmäßig erscheine, dass sie ein verständiger Versicherter mutmaßlich nutzen würde. Eine solche Verpflichtung zur Beratung bestehe auch, wenn der Rentenantrag Veranlassung gebe, den Antragsteller zu Ergänzungen oder Änderungen aufzufordern. Hier wäre bei Erlass des Erwerbsminderungsrentenbescheides für die Beklagte ersichtlich gewesen, dass noch weitere rentenrechtliche Zeiten vorgelegen haben, die bei der Gewährung der Altersrente unberücksichtigt geblieben sind. Es hätte sich eine Nachfrage aufgedrängt, ob der Altersrentenbeginn nach hinten zu verschieben sei.

Die Beklagte hat entgegnet, dass eine in die Zukunft gerichtete fiktive Berechnung zur Ermittlung einer Optimierung im Hinblick auf die Mindestentgeltpunkteregelung nicht Aufgabe einer Beratung im Sinne des § 14 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) sein könne. Da eine solche Beratungspflicht nicht vorliege, scheide auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch mit Verschiebung des Rentenbeginns vom 01.01.2008 (korrekt 01.12.2008) auf den 01.07.2009 aus.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 21.09.2015 die Klage abgewiesen. Der sogenannte sozialrechtliche Herstellungsanspruch führe dazu, dass ein von einem Sozialversicherungsträger falsch Beratener verlangen könne, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn er ordnungsgemäß beraten worden wäre. Das Sozialgericht könne jedoch keinen Pflichtverstoß der Beklagten als Leistungsträger bei der Beratung der Klägerin als Versicherte feststellen, weder im Sinne einer Anlassnoch einer Spontanberatungspflichtverletzung: Zum Zeitpunkt der Antragstellung sei nicht ersichtlich gewesen, dass die Klägerin weiter arbeiten würde und welche Entwicklungen das Rentenversicherungskonto in Zukunft nehmen würde. Ein Leistungsträger sei nicht verpflichtet, einen Leistungsempfänger im Rahmen einer Spontanberatung über die möglichen positiven Auswirkungen einer erst zum späteren Zeitpunkt als geplant durchzuführenden Antragstellung aufzuklären, wobei auf einen Beschluss des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19.06.2014 (Az. L 6 AS 83/13 B PKH) Bezug genommen werde. Auch bei der Bescheiderteilung im Juni 2009 habe es für die Beklagte keinen Anlass gegeben, die Klägerin wegen des Vorliegens weiterer rentenrechtlicher Zeiten von Dezember 2008 bis April 2009 zu beraten, da diese Zeiten bei der Altersrentengewährung keine Rolle gespielt hätten. Angesichts des Rentenwunsches der Klägerin habe zu keinem Zeitpunkt das Hinausschieben des Rentenbeginns als eine derartig naheliegende Gestaltungsmöglichkeit angesehen werden können. Auch dränge sich generell die Klärung der Frage keinesfalls auf, ob im Einzelfall eventuell über § 262 SGB VI eine höhere Rente erzielt werden könne. Im Falle der Klägerin hätte nach bereits erfolgter Rentengewährung nochmals mit Hilfe von Probeberechnungen festgestellt werden müssen, ob sich gegebenenfalls durch die Verschiebung des Rentenbeginns in die Zukunft eine Rentenerhöhung hätte ergeben können. Ein Unterlassen einer derart weitgehenden nachträglichen Beratung könne das Sozialgericht nicht als fehlerhaft und als Ansprüche auslösenden Verstoß gegen die Beratungspflicht ansehen.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin mit Telefax-Schreiben vom 05.11.2015 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Sie hat zur Begründung im Wesentlichen ihre bisherige Argumentation wiederholt. Ergänzend ist auf ein Verfahren beim Sozialgericht Münster (Az. S 17 R 948/13) hingewiesen worden, in dem die Anwendung der Vorschrift des § 262 SGB VI im Rahmen der Bearbeitung von Geschäftsvorfällen als nicht zu vernachlässigen angesehen worden sei. Die Rentenversicherungsträger müssten im Einzelfall schon umfangreichere Berechnungen vornehmen, wenn dadurch ihre Versicherten einen dauerhaften Vorteil erhalten würden. Dies gelte insbesondere, wenn sich im Verfahren entsprechende Hinweise ergeben hätten, die jedoch dann nicht weiter beachtet würden. Hierzu sei auf die Ausführungen zur Nichtprüfung von Mindestentgeltpunkten auf der dritten Seite des Rentenbescheids vom 19.06.2009 zu verweisen.

In einem Erörterungstermin vom 04.07.2016 hat die Klägerin die Vorgänge im Vorfeld der Rentenbeantragung beschrieben, soweit sie ihr noch erinnerlich waren. Sie habe zu Hause schon ein Heftchen mit einer Telefonnummer der LVA gehabt, weil ihr Mann zuvor in Rente gegangen gewesen sei. Nach einem Anruf dort habe sie einen Termin bekommen; sie habe sich diesen Termin notiert und auch aufgeschrieben, was sie fragen wolle. Die Textzeile auf Blatt 338 der Beklagtenakte beziehe sich auf die Frage, warum die Anzahl der Entgeltpunkte um zwei zurückgegangen sei. Dies habe sie damals geklärt wissen wollen. Auf Vorhalt von Blatt 169 bis 172 der Beklagtenakte hat die Klägerin angegeben, dass sie nicht mehr wisse, ob sie diese schriftlichen Auskünfte an dem Termin bekommen habe oder später. Der handschriftliche Zusatz auf diesen Auskunftsblättern würde jedenfalls nicht von ihr herrühren. Und auch der Bevollmächtigte der Klägerin hat angegeben, dass er diesen nicht getätigt habe. Die Klägerin hat auf Nachfrage geantwortet, sie wisse nicht mehr genau, wie oft sie bei der Beraterin gewesen sei: zweimal oder auch öfters. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, dass sie ihre Arbeit wegen ihrer gesundheitlichen Einschränkung nicht mehr habe ausüben können und dies ihrem damaligen Arbeitgeber Herrn Dr. W. gesagt habe. Gleichwohl habe sie bis zum letzten Tag gearbeitet.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom 26.07.2016 ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Erteilung des Altersrentenbescheides am 19.06.2009 die Klägerin keine Beschäftigung mehr ausgeübt habe und es insofern auch keinen Anlass für Rentabilitätsberechnungen gegeben habe, wie sich der Rentenanspruch der Klägerin ändern könnte, wenn diese ihre aus gesundheitlichen Gründen aufgegebene Tätigkeit weiter ausüben würde.

In einem weiteren Erörterungstermin vom 10.01.2017 ist die Beraterin als Zeugin einvernommen worden. Diese hat angegeben, dass sie sich an den damaligen Vorgang nicht erinnern könne und auch keine Unterlagen über Beratungsvorgänge aus jener Zeit mehr aufbewahrt seien. Auf Vorhalt der Aktenunterlagen hat sie bestätigt, dass sie die handschriftlichen Vermerke auf den Rentenkurzauskünften getätigt habe. Sie habe für die Klägerin damals zwei Alternativen ermittelt gehabt, wobei die zweite für den Fall vorgesehen gewesen sei, dass die Klägerin mit dem Antrag auf Altersrente wegen Berufs- und Erwerbsunfähigkeit keinen Erfolg gehabt hätte. Die Zeugin hat angegeben, dass bei einer vollständigen Rentenauskunft mit Anlagen sie üblicherweise dann auf die Regelung zu Mindestentgeltpunkten eingehe, wenn deren Anwendung aus den Anlagen ersichtlich sei. In Fällen, in denen - wie bei der Klägerin - noch keine 35 Jahre vollendet seien, werde keine regelhafte Beratung erbracht, wie die Anwendung der Vorschrift zu Mindestentgeltpunkten erreicht werden könne.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erteilt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.09.2015 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.12.2012 ergänzt durch den Bescheid vom 30.01.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2014 zu verurteilen, der Berufungsklägerin die Altersrente für schwerbehinderte Menschen mit einem Rentenbeginn zum 01.07.2009 und in der sich für diesen Zeitpunkt ergebenden gesetzlichen Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.09.2015 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig, aber nicht begründet. Die Beklagte hat die Altersrente der Klägerin nach Beginn und Höhe zutreffend nach dem geltenden Recht bewilligt; insbesondere kann ein Beratungsfehler bzw. ein Beratungsunterlassen nicht festgestellt werden.

Nachdem der Altersrentenbescheid der Klägerin bereits bestandskräftig geworden ist, ist eine teilweise Rücknahme und Abänderung lediglich ausnahmsweise unter besonderen Voraussetzungen möglich, etwa im Rahmen des § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) oder des von der Rechtsprechung entwickelten sog. sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs (vgl. Seewald in: Kasseler Kommentar, Stand Juni 2012, vor § 38 SGB I, Rn. 120 ff). Für das Vorliegen dieser Voraussetzungen ist die Klägerin beweispflichtig.

Da im Fall der Klägerin dem Altersrentenbescheid nicht ein unrichtiger Sachverhalt zu Grunde gelegen hat und dabei auch nicht das Recht unrichtig angewandt worden ist - derartiges ist weder vorgetragen worden, noch sonst ersichtlich -, scheidet § 44 SGB X als Rechtsgrundlage für eine Abänderung eindeutig aus.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch stellt die Haftung eines Leistungsträgers, hier also der Beklagten als Rentenversicherungsträger, für vorangegangenes, rechtswidriges Verhalten dar, durch das letztlich die Entstehung gesetzlicher Ansprüche ganz oder teilweise vereitelt worden ist (vgl. Seewald a.a.O. Rn. 123). Hierfür müsste ein Fehlverhalten der Beklagten insbesondere in Form einer falschen d.h. fehlerhaften Beratung oder des Unterlassens einer erforderlichen Beratung erforderlich vorgelegen haben. Für den Senat ergibt sich kein hinreichender Nachweis für ein derartiges Fehlverhalten der Beklagten.

Durch die Akte der Beklagten und die mitgeteilte Erinnerung der Klägerin sieht es der Senat als belegt an, dass zu mindestens an zwei Zeitpunkten ein persönlicher Kontakt der Klägerin mit der als Zeugin gehörten und im Beratungsdienst für die Beklagte tätigen Beraterin erfolgt ist. Da bei der Beklagten unmittelbare Aufzeichnungen über die Kontakte nicht mehr aufbewahrt sind, lässt sich der Inhalt der Kontakte nur aus der Erinnerung der Beteiligten, der aktenkundigen Ausdrucke und der Notizen der Klägerin rekonstruieren. Dabei hat die Zeugin keinerlei konkrete Erinnerung an die Kontakte, sie hat sich nur allgemein zu der bei ihr üblichen Vorgehensweise geäußert. Aber auch unter Einbeziehung der Aussagen der Klägerin und der von ihr gemachten Notizen ist nicht ersichtlich, dass die Beratung falsche Aussagen beinhaltet hätte.

Nach dem Ergebnis der Ermittlungen geht der Senat davon aus, dass für die Klägerin an den Beratungsterminen zwei Beratungsthemen im Vordergrund gestanden hatten, zum einen warum ihre Entgeltpunkte gegenüber einer früheren Auskunft zurückgegangen waren und zum anderen, ab wann und in welcher Form sie baldmöglichst eine Rente beziehen könne. Dass sich das Beratungsgespräch - ggf. an beiden Terminen - vermutlich nicht mit der Frage befasst hat, unter welchen Voraussetzungen die Vorschrift über Mindestentgeltpunkte (§ 262 SGB VI) zur Anwendung kommt und welche Auswirkungen dies auf die Höhe der Rente der Klägerin haben könnte, stellt für den Senat kein Unterlassen einer erforderlichen oder sich aufdrängenden Beratung dar. Da für das von der Klägerin nachgefragte Beratungsthema einer baldigen Rentengewährung bereits mehrere Alternativen zu bedenken und zu erklären waren, erscheint dem Senat eine Ausweitung der Beratung in Richtung Optimierung der Rentenhöhe nicht naheliegend und erst recht nicht als erforderlich. Hinsichtlich der damals tätig gewordenen Beraterin der Beklagten ist somit weder ein Beratungsfehler noch ein Beratungsunterlassen nachvollziehbar belegt.

Da weitere Beratungskontakte der Klägerin mit der Beklagten nicht geltend gemacht sind, kommt eine fehlerhafte Beratung der Klägerin durch die Beklagte in der Folgezeit ebenfalls nicht in Betracht.

Das Unterlassen einer auf das Verschieben des Rentenantrags gerichteten Spontanberatung durch die Beklagte in der Zeit nach der Rentenantragstellung löst zur Überzeugung des Senats ebenfalls keinen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch aus, da darin keine Pflichtverletzung gelegen hatte.

Erster überhaupt bedenkenswerter Ansatzpunkt für ein spontanes beratendes Tätigwerden der Beklagten, sind die Vorgänge vom 17.06.2009 bis 19.06.2009. Am ersten dieser Tage wurde eine Entscheidungsvorlage durchgearbeitet, am zweiten erfolgte eine maschinelle Kontenverarbeitung und am dritten wurde der rückwirkende Altersrentenbescheid erstellt und eine weitere Entscheidungsvorlage für eine Erwerbsminderungsrente durchgearbeitet. Am 17.06.2009 waren die Konteneinträge der Klägerin mit rentenrechtlichen Zeiten noch nicht erstellt. Es konnte im Rahmen der Prüfroutine lediglich auffallen, dass der Eintritt der dauerhaften Erwerbsminderung bereits deutlich vor dem frühestmöglichen Zeitpunkt einer Altersrente gelegen hatte und deshalb unter Umständen eine vorherige Gewährung einer Erwerbsminderungsrente in Betracht kommen konnte. Genau diesbezüglich hat die Beklagte sich auch zu einer beratenden Rückfrage bei der Klägerin veranlasst gesehen. Die maschinellen Umsetzungen des Kontos und der Rentengewährung eigneten sich nicht zum Auslösen einer Spontanberatung. Daran ändert auch der im Bescheid vom 19.06.2009 enthaltene - regelhaft bei einer derartigen Sachlage aufgenommene - Hinweis, dass die spezielle Wartezeit von 35 Jahren noch nicht erreicht sei, nichts. Allenfalls die Klägerin hätte im Gefolge dieses Hinweises bei entsprechender Beratungsnachfrage, ob die Möglichkeit bestehe, noch eine höhere Rente erhalten zu können, Überlegungen auslösen können, ob § 262 SGB VI nicht doch noch zur Anwendung gebracht werden könnte.

Beim Ausfüllen der Entscheidungsvorlage bezüglich einer Erwerbsminderungsrente spielt die Thematik der 35-jährigen Wartezeit und des § 262 SGB VI regelmäßig überhaupt keine Rolle. Zur Überzeugung des Senats findet sich hier ebenfalls kein Ansatzpunkt, aus dem die Beklagte zu weiteren Prüfungen und Beratungen bzgl. § 262 SGB VI verpflichtet gewesen wäre.

Erst im Zuge der Erstellung des Bescheides vom 28.07.2009 und des diesen vorbereitenden Vermerkes vom 23.07.2009 könnte - womit die Klägerseite auch argumentiert hat -das Vorhandensein von Beitragszeiten und anderen rentenrechtlichen Zeiten, die sowohl bei der Erwerbsminderungsrente, als auch der Altersrente unberücksichtigt bleiben würden, erkannt worden sein oder hätte vielleicht auch auffallen müssen. Allerdings war selbst damit noch nicht eine Verknüpfung zu § 262 SGB VI zwangsläufig, so dass eine entsprechende Beratung sich nicht aufgedrängt hat. Hinzu kam vor allem, dass zu diesem Zeitpunkt der am 19.06.2009 zur Post gegebene und damit nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB X am 22.06.2009 als bekannt gegeben anzusehende Altersrentenbescheid bereits bestandskräftig geworden war (§ 84 Abs. 1 SGG) und damit eine Rücknahme des Rentenantrags nicht mehr für die Klägerin disponierbar war. Eine Beratung über die Veränderung des Altersrentenantrages wäre zu diesem Zeitpunkt wohl auch wegen § 34 Abs. 4 SGB VI ins Leere gelaufen, nachdem eine bindende Altersrentengewährung bereits vorgelegen hatte.

Nach alledem waren die angefochtenen und die zur Überprüfung stehenden Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 21.09.2015 war als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 15. März 2017 - L 19 R 824/15 zitiert 17 §§.

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(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bu

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(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbrach

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Sozialgesetzbuch (SGB) Sechstes Buch (VI) - Gesetzliche Rentenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 18. Dezember 1989, BGBl. I S. 2261, 1990 I S. 1337) - SGB 6 | § 34 Voraussetzungen für einen Rentenanspruch


(1) Versicherte und ihre Hinterbliebenen haben Anspruch auf Rente, wenn die für die jeweilige Rente erforderliche Mindestversicherungszeit (Wartezeit) erfüllt ist und die jeweiligen besonderen versicherungsrechtlichen und persönlichen Voraussetzungen

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(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzur

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Auf Sozialleistungen besteht ein Anspruch, soweit nicht nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über die Leistung nach ihrem Ermessen zu handeln.

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(1) Sind mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden und ergibt sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten, wird die Summe der Entgeltpunkte für Beitragsze

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(1) Sind mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden und ergibt sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten, wird die Summe der Entgeltpunkte für Beitragszeiten erhöht. Die zusätzlichen Entgeltpunkte sind so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 1. Januar 1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber in Höhe von 0,0625 Entgeltpunkten ergibt.

(2) Die zusätzlichen Entgeltpunkte werden den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 1. Januar 1992 zu gleichen Teilen zugeordnet; dabei werden Kalendermonaten mit Entgeltpunkten (Ost) zusätzliche Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet.

(3) Bei Anwendung der Absätze 1 und 2 gelten Pflichtbeiträge für Zeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, nicht als vollwertige Pflichtbeiträge.

Jeder hat Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch. Zuständig für die Beratung sind die Leistungsträger, denen gegenüber die Rechte geltend zu machen oder die Pflichten zu erfüllen sind.

(1) Sind mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden und ergibt sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten, wird die Summe der Entgeltpunkte für Beitragszeiten erhöht. Die zusätzlichen Entgeltpunkte sind so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 1. Januar 1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber in Höhe von 0,0625 Entgeltpunkten ergibt.

(2) Die zusätzlichen Entgeltpunkte werden den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 1. Januar 1992 zu gleichen Teilen zugeordnet; dabei werden Kalendermonaten mit Entgeltpunkten (Ost) zusätzliche Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet.

(3) Bei Anwendung der Absätze 1 und 2 gelten Pflichtbeiträge für Zeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, nicht als vollwertige Pflichtbeiträge.

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(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

Auf Sozialleistungen besteht ein Anspruch, soweit nicht nach den besonderen Teilen dieses Gesetzbuchs die Leistungsträger ermächtigt sind, bei der Entscheidung über die Leistung nach ihrem Ermessen zu handeln.

(1) Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Betroffene vorsätzlich in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.

(2) Im Übrigen ist ein rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

(3) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(4) Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag.

(1) Sind mindestens 35 Jahre mit rentenrechtlichen Zeiten vorhanden und ergibt sich aus den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen ein Durchschnittswert von weniger als 0,0625 Entgeltpunkten, wird die Summe der Entgeltpunkte für Beitragszeiten erhöht. Die zusätzlichen Entgeltpunkte sind so zu bemessen, dass sich für die Kalendermonate mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 1. Januar 1992 ein Durchschnittswert in Höhe des 1,5fachen des tatsächlichen Durchschnittswerts, höchstens aber in Höhe von 0,0625 Entgeltpunkten ergibt.

(2) Die zusätzlichen Entgeltpunkte werden den Kalendermonaten mit vollwertigen Pflichtbeiträgen vor dem 1. Januar 1992 zu gleichen Teilen zugeordnet; dabei werden Kalendermonaten mit Entgeltpunkten (Ost) zusätzliche Entgeltpunkte (Ost) zugeordnet.

(3) Bei Anwendung der Absätze 1 und 2 gelten Pflichtbeiträge für Zeiten, in denen eine Rente aus eigener Versicherung bezogen worden ist, nicht als vollwertige Pflichtbeiträge.

(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.

(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.

(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.

(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.

(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.

(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.

(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.

(1) Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 36a Absatz 2 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch oder zur Niederschrift bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist beträgt bei Bekanntgabe im Ausland drei Monate.

(2) Die Frist zur Erhebung des Widerspruchs gilt auch dann als gewahrt, wenn die Widerspruchsschrift bei einer anderen inländischen Behörde oder bei einem Versicherungsträger oder bei einer deutschen Konsularbehörde oder, soweit es sich um die Versicherung von Seeleuten handelt, auch bei einem deutschen Seemannsamt eingegangen ist. Die Widerspruchsschrift ist unverzüglich der zuständigen Behörde oder dem zuständigen Versicherungsträger zuzuleiten, der sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle vorzulegen hat. Im übrigen gelten die §§ 66 und 67 entsprechend.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

(1) Gegen das Urteil eines Landessozialgerichts und gegen den Beschluss nach § 55a Absatz 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundessozialgericht nur zu, wenn sie in der Entscheidung des Landessozialgerichts oder in dem Beschluß des Bundessozialgerichts nach § 160a Abs. 4 Satz 1 zugelassen worden ist.

(2) Sie ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs. 1 Satz 1 und auf eine Verletzung des § 103 nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das Landessozialgericht ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist.

(3) Das Bundessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.