Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 27. Sept. 2016 - L 15 BL 11/15

bei uns veröffentlicht am27.09.2016

Gericht

Bayerisches Landessozialgericht

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 6. November 2015 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über den Blindengeldanspruch der Klägerin nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG).

Die 1934 geborene Klägerin stellte erstmals am 20.08.2009 Antrag auf Blindengeld beim Beklagten. Im Verwaltungsverfahren wurde u. a. ein Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. L. eingeholt, in dem dieser einen Visus von 0,3 bzw. 0,25 feststellte und die Diagnosen einer hochgradigen Kurzsichtigkeit bds. (über minus 20 Dioptrin) mit Zustand nach Operationen des Grauen Stars 1994/1995, Zustand nach Tränenwegsoperation im Juli 2005 und endokrine Orbitopathie feststellte. Am Augenhintergrund bestünden, so Dr. L., hochgradige Dehnungsveränderungen bei hochgradiger Kurzsichtigkeit. Eine Gesichtsfeldmessung (nach Goldmann) sei nur am rechten Auge durchgeführt worden; am linken Auge sei sie nicht mehr durchführbar, weil die Klägerin gar nichts mehr gesehen habe und die Untersuchung abgebrochen habe werden müssen. Mit Bescheid vom 02.10.2009 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da die Sehschärfe mehr als 1/50 betrage und sich keine Hinweise für Gesichtsfeldeinschränkungen, die einer Herabsetzung der Sehschärfe in dem genannten Umfang gleich zu achten wären, gefunden hätten. Das Gesichtsfeld habe die Fünf-Grad-Grenze überschritten.

Bereits am 24.06.2010 stellte die Klägerin einen neuen Antrag. Nach Auswertung eines neues Befundberichts von Dr. L. lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 15.07.2010 den Blindengeldantrag mit der Begründung ab, die Sehschärfe betrage auf beiden Augen 5/50 und das Gesichtsfeld des rechten Auges überschreite die Grenze von 5 Grad vom Zentrum des Gesichtsfeldrestes.

Den nächsten Blindengeldantrag stellte die Klägerin am 21.02.2011. Nach Auswertung eines weiteren Befundberichts von Dr. L. erstellte der Augenarzt Dr. P. am 11.04.2011 ein (kurzes) Gutachten. Als Diagnosen stellte Dr. P. exzessive Myopie mit myopischer Maculopathie; hinteres Staphylom, Papillendysplasie, Strabismus convergens, Pseudophakie, diszidierter, regeneratorischer Nachstar, endokrine Orbitopathie, chronisches Glaukom und Tränenwegsstenose. Als Visusbefund hielt Dr. P. 0,1 (rechts bzw. beidäugig) fest. Selbst bei binokularer Testung des Gesichtsfelds sei die Testmarke III/4 nicht erkannt worden. Mit Bescheid vom 29.04.2011 wies der Beklagte den Antrag ab. Bei dem bestehenden Visus erscheine es nicht plausibel, so der Beklagte, dass die maßgebliche Testmarke nicht erkannt worden sei.

Die Klägerin stellte am 28.10.2011 erneut Antrag. Nach Auswertung eines Befundberichts von Dr. J. und Anfertigung eines Gutachtens von Dr. P. lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 31.01.2012 auch diesen Antrag ab. Die Sehschärfe betrage auf dem besseren rechten Auge 1/35. Das gemessene Gesichtsfeld (binokular, Reizmarke III/4) überschreite die 30 Grad-Grenze.

Der nächste Antrag datierte vom 04.10.2012. Nach Auswertung eines Befundberichts von Dr. L. lehnte der Beklagte den Antrag mit Bescheid vom am 31.10.2012 ab, da die Sehschärfe auf beiden Augen 5/50 betrage. Bereits am 05.02.2014 stellte die Klägerin den nächsten Antrag auf Blindengeld. Der Befundbericht des befragten Dr. L. stellte einen Visus von 0,1 fest und verwies hinsichtlich des Gesichtsfelds auf den Befund vom September 2012. Mit Bescheid vom 25.02.2014 wurde auch dieser Antrag abgelehnt. Der Visus sei zu hoch, das Gesichtsfeld überschreite die 7,5 Grad-Grenze, so die Begründung.

Am 28.04.2014 stellte die Klägerin beim Beklagten den streitgegenständlichen Antrag. Im Verwaltungsverfahren berücksichtigte der Beklagte die bereits vorliegende augenärztliche Bescheinigung vom 17.04.2014 sowie den Gesichtsfeldbefund vom 16.04.2014 von Dr. L ... Mit Bescheid vom 09.05.2014 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Sehschärfe auf dem besseren rechten Auge betrage weiterhin 0,1 (5/50). Auch sei das Gesichtsfeld nicht so eingeengt, dass die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 7,5 Grad vom Zentrum entfernt sei.

Am 04.06.2014 erhob die Bevollmächtigte der Klägerin hiergegen Widerspruch. Zur Begründung wies sie u. a. darauf hin, dass in der Augenarztpraxis Dr. L. bei der Bescheinigung das linke und das rechte Auge schlichtweg verwechselt worden seien. Hinsichtlich des verbleibenden Sehvermögens des rechten Auges sei mit Blick auf die Vorbefunde festzustellen, dass sich insbesondere das Gesichtsfeld weiter eingeengt habe. Der Gesichtsfeldrest liege ausschließlich im rechten unteren Quadranten mit einer Ausdehnung bis zu 15 Grad, wobei die Größe der Restgesichtsfeldinsel nicht vom Zentrum des Gesichtsfeldschemas aus zu beurteilen sei, sondern vom Zentrum der Restgesichtsfeldinsel. Die Tatsache, dass keines der Blindheitskriterien für sich allein gesehen erfüllt werde, reiche noch nicht aus, um das Vorliegen von Blindheit zu verneinen. Insoweit verwies die Bevollmächtigte auf faktische Blindheit und die Entscheidung des Senats vom 31.01.2013 (Az.: L 15 BL 6/07). Vorliegend sei ein Ausnahmefall gegeben, da Einschränkungen von Visus und Gesichtsfeld feststellbar seien, die sich nicht ohne weiteres in die Fallgruppen der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung - bzw. der Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) einsortieren lassen würden. Insoweit wurde auf besonders ungünstige Visus- und Restgesichtsfeldwerte hingewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.08.2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass auf dem rechten Auge eine konstante Sehschärfe von 1/10 vorliege. Bei dieser Sehschärfe sei faktische Blindheit nur dann anzunehmen, wenn die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5 Grad vom Zentrum entfernt sei, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50 Grad unberücksichtigt bleiben würden. Ein Gesichtsfeldausfall in dieser Größe habe bei der Klägerin nicht festgestellt werden können; auf dem rechten Auge bestehe zwar eine erhebliche Gesichtsfeldeinengung, jedoch könnten nach Überprüfung durch den ärztlichen Dienst bei einer Ausdehnung zur Seite bis etwa 40 Grad die Anspruchsvoraussetzungen weiter nicht bejaht werden.

Hiergegen hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat die Bevollmächtigte (erneut) auf die bereits geäußerte Auffassung verwiesen, dass eine Sehstörung außerhalb der beispielhaften Fallgruppen der DOG vorliege.

Zur Sachverhaltsermittlung hat das SG einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. L. vom 16.10.2014 eingeholt. Dieser hat einen Visus von rechts und beidäugig (korrigiert) von 0,1 sowie links von unsicherer Wahrnehmung - Lichtschein berichtet. Am linken Auge sei keine Prüfung des Gesichtsfelds wegen sehr schlechtem Visus möglich; am rechten Auge sei nur ein kleiner Rest im unteren Bereich bis ca. 40 Grad, zentralkonzentrische Einengung auf ca. 2 Grad, gegeben.

Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch ein augenärztliches Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K ... Dieser hat im Gutachten vom 09.02.2015, das sich auf die in der Augenklinik der LMU geführten Krankenblattaufzeichnungen sowie auf die Untersuchung vom 23.01.2005 stützt, zunächst die Vorgeschichte dargestellt. Die Klägerin habe sich erstmals im September 2008 in der Strabismus-Abteilung des Universitätsklinikums vorgestellt. Sie habe bei der Untersuchung im Rahmen der Begutachtung berichtet, seit drei Jahren an beiden Augen noch schlechter zu sehen.

Prof. Dr. K. hat Handbewegungen als Visuswerte festgestellt. Es hätten sich im Muster-VECP keine Potentiale reproduzieren lassen. Beim Blitz-VECP habe die Klägerin rechts angegeben, ein leicht helles Licht zu sehen; links habe sie angegeben, etwas heller zu sehen. Bei der Prüfung des Gesichtsfeldes (Testmarke III/4) mit dem Projektionshalbkugelperimeter nach Goldmann hätten sich (im Einzelnen dargestellte) erhebliche Einschränkungen ergeben (s.u.). Bei der Gesichtsfelduntersuchung am Bjerrum-Schirm seien keine Angaben erhältlich gewesen. Der optokinetische Nystagmus (OKN) (Catford-Trommel) sei, so der Gutachter, am rechten Auge horizontal und am linken Auge horizontal und vertikal auslösbar gewesen.

Im Rahmen der Beurteilung hat der Sachverständige vor allem darauf hingewiesen, dass bei der Klägerin sicherlich eine Sehminderung gegeben sei, jedoch Diskrepanzen zwischen den subjektiven Angaben und dem objektiven Befund bestünden. Eine Sehbeeinträchtigung eines solchen Schweregrads, dass sie einer Sehschärfe von nicht mehr als 1/50 gleich zu achten sei, liege bei der Klägerin nicht vor.

Auf die gerichtliche Anfrage hat die Klägerin über ihre Bevollmächtigte am 07.04.2015 darauf hingewiesen, dass sie die Klage nicht zurücknehme, und ist auf das Sachverständigengutachten eingegangen. Dabei hat sie die Auffassung vertreten, dass hier noch Unklarheiten bestünden. So sage ein auslösbarer OKN nur aus, dass Netzhaut und Sehnerv zumindest zu einem strukturellen Sehen in der Lage seien, über die Sehschärfe sage er jedoch nichts aus. Aus dem Gutachten gehe weder hervor, welche Streifenbreite gewählt, noch in welcher Entfernung die Nystagmustrommel verwendet worden sei. Keinesfalls könne aufgrund des OKN auf einen konkreten Visuswert geschlossen werden. Insofern sei die eventuell vorhandene, von Prof. Dr. K. mit 0,05 angegebene Sehschärfe eine ledigliche Vermutung; sie könne genauso gut bei 0,02 liegen. Zu der vermuteten Sehschärfe von 0,05 passe auch nicht, dass das Muster-VECP gar nicht ableitbar gewesen sei. Zudem fehle das Gesichtsfeldschema. Zur Erhebbarkeit eines Gesichtsfeldes gebe es in der Augenmedizin unterschiedliche Ansichten. Zudem hat die Bevollmächtigte bezweifelt, dass der Organbefund vor fünf Jahren „in etwa gleich“ dem heutigen Befund sei. Dies sei - beispielsweise mit bildgebenden Verfahren - nicht belegt. Bei den vorliegenden Diagnosen könne die Dehnung der Netzhaut über Jahre hinweg doch durchaus zu erheblichen Schäden an der Netzhaut führen.

Im Auftrag des SG hat Prof. Dr. K. am 02.07.2015 hierzu ergänzend Stellung genommen. Prof. Dr. K. hat darauf hingewiesen, dass bei einem auslösbaren OKN die Sehschärfe sicherlich mehr als Handbewegungen betrage. Bei der Untersuchung mit der Catford-Trommel habe die Streifenbreite bei 2 cm gelegen. Die von der Klägerin angegebene Sehschärfe von Handbewegungen sei daher unwahrscheinlich, dies gelte unabhängig von der Entfernung der Nystagmustrommel. Er, der Gutachter, sei daher der Meinung, dass bei der Klägerin kein konkreter Visuswert ermittelt werden könne. Hinsichtlich des Blitz-VECP habe die Klägerin angegeben, das Licht links etwas heller zu sehen. Es hätten sich keine sicher reproduzierbaren Potentiale gezeigt. Es sei jedoch, so Prof. Dr. K., bekannt, dass gutenachtenserfahrene Patienten bei fehlender Fixation diese Untersuchung auch verfälschen könnten. Entscheidend und interessant sei gewesen, dass die Klägerin bei der durchgeführten Gesichtsfelduntersuchung am 23.01.2015 sowohl mit dem linken als auch mit dem rechten Auge Angaben gemacht habe. Bei einer Sehschärfe von Handbewegungen beidseits sei aber davon auszugehen, dass die kleine Restmarke III/4 nicht erkannt werden könne. Zusätzlich hat der Sachverständige das Verhalten der Klägerin bei der Untersuchung geschildert und dabei u. a. darauf hingewiesen, dass sie im Untersuchungszimmer gut orientiert gewesen sei.

Es sei Tatsache, dass die Klägerin mittlerweile sehr gutachtenserfahren sei und von Gutachten zu Gutachten weniger Angaben mache. Letztlich könne leider keine exakte Aussage über die Höhe der sicherlich hochgradigen Sehminderung getroffen werden. Aus Sicht des Gutachters sei auch zu erwähnen, dass die Klägerin vom Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund bezüglich des Verhaltens während einer gutachtlichen Untersuchung sehr gut beraten werde.

Am 01.09.2015 hat die Bevollmächtigte den in der o.g. ergänzenden Stellungnahme enthaltenen Vorwurf gegen den Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. zurückgewiesen und u. a. ausgeführt: „Die ... erhobenen Vorwürfe, der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. (BBSB) würde die von ihm vertretenen Personen dahingehend beraten, wie gutachterliche Untersuchungsmethoden manipuliert werden können, werden als haltlos bewertet und entschieden zurückgewiesen. [ ...] Wir beeinflussen unsere Klienten nicht hinsichtlich medizinischer Fragestellungen.“ Vor dem Hintergrund dieses Sachverhalts sehe die Bevollmächtigte keine Veranlassung zur Klagerücknahme.

Nachdem sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt hatten, hat das SG am 06.11.2015 einen Gerichtsbescheid erlassen und die Klage abgewiesen. Das SG ist der Begründung der streitgegenständlichen Verwaltungsakte des Beklagten gefolgt. Ergänzend hat es darauf hingewiesen, dass nach allen vorliegenden Befunden keine der genannten Konstellationen der Blindheit im Sinne des BayBlindG im Vollbeweis nachgewiesen sei. Es verblieben Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen, insbesondere auch wegen der bestehenden Diskrepanz zwischen den objektiv erhobenen Befunden und den subjektiven Angaben der Klägerin. Das SG habe keine Bedenken, sich der Einschätzung von Prof. Dr. K. anzuschließen. Die Klägerin müsse nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass Zweifel bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben seien.

Am 17.12.2015 hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) erhoben. Zur Begründung ist auf die o.g. Stellungnahme zum Gutachten von Prof. Dr. K. verwiesen worden. Ergänzend hat der Bevollmächtigte angemerkt, dass zur Bestimmung allein die mittels Landoltringe erhobenen Befunde heranzuziehen seien. Nur bei Zweifeln sei eine Objektivierung erforderlich. Im gesamten Gutachten von Prof. Dr. K. finde sich aber kein Hinweis darauf, dass dieser Zweifel an den subjektiven Angaben der Klägerin gehabt habe, die ihn dazu veranlasst hätten, weitergehende Untersuchungen vorzunehmen. Der im Ergänzungsgutachten enthaltene Aggravationsvorwurf dürfte, so der Bevollmächtigte, „zudem eine reine Schutzbehauptung sein“. Er hat darauf hingewiesen, dass sich die Verhaltensbeobachtungen im Hauptgutachten nicht finden würden. Weiterhin hat der Bevollmächtigte hervorgehoben, es müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin an der Untersuchung - vor allem an den VECP-Ableitungen - ordnungsgemäß mitgewirkt habe. Einem erfahrenen Gutachter wäre aufgefallen, wenn die Klägerin nicht ordnungsgemäß fixiert hätte. Zusammenfassend hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass die Visusangabe von Handbewegungen einem Visus von unter 0,02 entspreche, so dass die Klägerin Anspruch auf Blindengeld habe.

Vom Gericht hierum gebeten, hat der Beklagte am 09.05.2016 versorgungsärztlich Stellung genommen und vor allem hervorgehoben, dass die im Gutachten angesprochenen Diskrepanzen zwischen den klägerischen Angaben und den Untersuchungsbefunden auch die morphologischen Befunde am Augenhintergrund und das bei der Begutachtung beobachtete spontane Orientierungsverhalten betreffen würden. Es dürfte Einigkeit darüber bestehen, so der Beklagte, dass ein auslösbarer OKN eine oberhalb der Blindheitsgrenze liegende Sehschärfe voraussetze und bei einem tatsächlich auf Handbewegungen reduzierten Visus negativ ausfalle. Dass die Verhaltensbeobachtung erst im Ergänzungsgutachten nachgereicht worden sei, möge rein formal nicht ganz korrekt sein. Die ergänzenden Angaben würden jedoch belegen, dass diese weder mit der angegebenen Sehschärfe noch mit dem kleinen Gesichtsfeldrest zu vereinbaren seien. Der Vorwurf, dass im Gutachten keine Hinweise darauf zu finden seien, dass die Klägerin bei den VECP-Untersuchungen nicht richtig mitgearbeitet habe, sei zutreffend; dies mache die Ausführungen im Ergänzungsgutachten jedoch nicht unglaubwürdig.

Von Klägerseite werde völlig außer Acht gelassen, dass eine massive Verschlechterung mit weitgehendem Verlust des Sehvermögens nicht erklärbar sei. Denn eine solche hätte sich auch in einer Zunahme der morphologischen Veränderungen zeigen müssen. Im Übrigen hat der Beklagte darauf hingewiesen, dass Prof. Dr. K. den Vorwurf der Aggravation nicht erhoben habe; es könne offen bleiben, weshalb die Klägerin mehrfach unzutreffende Angaben gemacht habe. Blindheit sei somit nicht nachgewiesen bzw. könne aufgrund der Objektivbefunde und des bisherigen Verlaufs mit ausreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten beantragt, ein augenärztliches Gutachten einer anderen Universitätsklinik als der Ludwig-Maximilians-Universität A-Stadt in Auftrag zu geben zu der Frage, ob bei der Klägerin aus medizinischen Gründen Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 06.11.2015 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 09.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 08.08.2014 zu verurteilen, der Klägerin ab 01.04.2014 Blindengeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin blind im Sinne des BayBlindG ist und ihr deshalb ab dem Monat der Antragstellung Blindengeld zusteht. Dies hat das SG zu Recht verneint. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 09.05.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.08.2014 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayBlindG v. 24.07.2013 (GVBl. S. 464) erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung dies vorsieht, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld. Dabei beinhaltet nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), an die sich der Senat gebunden fühlt, die Formulierung „zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen“ keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (vgl. BSG, Urteil vom 26.10.2004, Az.: B 7 SF 2/03 R).

Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen, 1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 0,02 (1/50) beträgt, 2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind. Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 0,02 oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der DOG folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe VG, Teil A Nr. 6):

aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,

ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,

gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.

Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Blindheit im Sinne des BayBlindG ist nicht nachgewiesen. Es liegt weder Lichtlosigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG vor noch sind die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG erfüllt. Es ist nicht zur Gewissheit des Senats dargelegt, dass die Klägerin das Augenlicht vollständig verloren hätte oder dass ihre Sehschärfe entsprechend der gesetzlichen Vorgabe auf 0,02 oder weniger herabgesunken wäre (Nr. 1 der genannten Vorschrift). Gleiches gilt für eine der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachtende Sehstörung (Nr. 2).

Wie der Senat wiederholt (vgl. z. B. Urteile vom 20.01.2015, Az.: L 15 BL 16/12, und vom 05.07.2016, Az.: L 15 BL 17/12) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92).

1. Lichtlosigkeit Dass der Klägerin das Augenlicht vollständig fehlen würde, ist nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auszuschließen; hierauf muss angesichts der vielen vorliegenden einschlägigen Befunde nicht näher eingegangen werden.

2. Faktische Blindheit Daran, dass bei der Klägerin faktische Blindheit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 BayBlindG vorliegen würde, hat der Senat erhebliche Zweifel.

Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf das überzeugende und nachvollziehbar begründete Gutachten von Prof. Dr. K. und seine ergänzende Stellungnahme. Der Gutachter hat die bei der Klägerin vorliegenden (Seh-)Beeinträchtigungen vollständig erfasst und unter Beachtung der maßgeblichen Vorgaben zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich die Feststellungen des genannten Sachverständigen, die auch in Übereinstimmung mit der vorliegenden Befunddokumentation stehen, zu Eigen.

Danach leidet die Klägerin an Myopia magna und einem ausgeprägten Fundus myopicus.

Zwar hat die Untersuchung der Klägerin durch Prof. Dr. K. vom 23.01.2015 nur noch folgende Visuswerte ergeben: Rechts, links und beidäugig für die Ferne mit Korrektur (eigene Brille): Handbewegungen.

Auch haben sich bei der Untersuchung im Muster-VECP keine Potentiale reproduzieren lassen und bei der Gesichtsfelduntersuchung am Bjerrumschirm sind keine Angaben erhältlich gewesen. Zudem war das Gesichtsfeld der Klägerin deutlich eingeschränkt; hier haben sich die folgenden Werte ergeben: - Rechtes Auge: Außengrenzen zentral mit einer Ausdehnung von vertikal 20 Grad und horizontal 5 Grad; Restinseltemporal mit Ausdehnung horizontal von 20 Grad und vertikal 15 Grad. - Linkes Auge: Außengrenzen parazentral mit einer Ausdehnung von 5 Grad horizontal und 5 Grad vertikal; Restinsel mit einer Ausdehnung von 10 Grad horizontal und 5 Grad vertikal; weitere Restinsel mit einer horizontalen und vertikalen Ausdehnung von 5 Grad.

Dennoch ist faktische Blindheit der Klägerin im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG nicht nachgewiesen. Wie der Sachverständige Prof. Dr. K. plausibel dargelegt hat, bestehen zum einen Diskrepanzen zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und dem objektiven Befund. Auch stehen die objektiven Funktionsbefunde mit dem Ausmaß der Sehminderung, wie sie die Klägerin angegeben hat, nicht im Einklang. Weiter erklärt auch der morphologische Befund die angegebene Sehminderung nicht, vor allem nicht den angeblichen massiven Visusverfall. Schließlich sprechen auch die vom Sachverständigen geschilderten Verhaltensbeobachtungen gegen die von der Klägerin angegebene Sehleistung. Letztlich lassen sich, wie Prof. Dr. K. nachvollziehbar dargestellt hat, weder die tatsächlichen Visuswerte noch die Grenzen des klägerischen Gesichtsfeldes sicher bestimmen.

1. Entsprechend den plausiblen Feststellungen des Sachverständigen ist zwischen den subjektiven Angaben der Klägerin und dem objektiven Befund eine zentrale Diskrepanz dahingehend festzustellen, dass die Klägerin bei der Untersuchung am 23.01.2015 wie dargelegt zwar nur noch Handbewegungen als (subjektive) Sehschärfe angegeben hat. Andererseits hat sie bei der Gesichtsfelduntersuchung rechts jedoch eine Ausdehnung von 20 und 15 Grad gezeigt (siehe oben). Bei einer Sehschärfe von Handbewegungen kann die Testmarke III/4 jedoch nicht erkannt werden, worauf Prof. Dr. K. nachvollziehbar hingewiesen hat und was dem Senat aus zahlreichen vergleichbaren Verfahren bereits bekannt ist. Unklar bleibt in diesem Zusammenhang auch, weshalb die Klägerin trotz der subjektiv angegebenen schlechten Sehwerte und dem somit eingetretenen Visusverfall zwischen dem 14.04.2014 (Untersuchung durch den behandelnden Augenarzt Dr. L., Fernvisus rechts 0,1) und der Begutachtung durch den Sachverständigen am 23.01.2015 (nur noch Handbewegungen) keine medizinische Hilfe in Anspruch genommen hat. Wie der Beklagte zu Recht darauf hingewiesen hat, wäre - auch aus Sicht des Senats - zu erwarten gewesen, dass die Klägerin bei einem so raschen Verlust des Restsehvermögens den behandelnden Augenarzt oder die Klinik aufgesucht hätte, was jedoch offensichtlich nicht der Fall gewesen ist.

In diesem Zusammenhang bleibt für den Senat auch unerklärlich, weshalb die Klägerin bei der augenärztlichen Begutachtung vom 16.01.2012 eine Sehschärfe rechts von 0,03 angegeben hat (Angaben beim vom Beklagten beauftragten Gutachter Dr. P.), obwohl dann durch den späteren Befund vom 14.04.2014 (siehe oben) wieder bessere Werte erreicht worden sind. Es liegt daher der Verdacht nahe, dass die Klägerin bei der Begutachtungsuntersuchung (16.01.2012) unzutreffende Angaben gemacht hat. Der Senat hat daher auch Zweifel an den von der Klägerin zuletzt gemachten Angaben zu Sehschärfe und Gesichtsfeld.

2. Die Angaben der Klägerin bzw. Sehschärfewerte von nur noch Handbewegungen und massiven Gesichtsfeldeinschränkungen sind auch nicht mit einem auslösbaren OKN vereinbar. Auch dies ergibt sich aus den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen Prof. Dr. K. und ist dem Senat ebenfalls aus zahlreichen vergleichbaren Problemstellungen bekannt. Nicht nachvollziehen kann der Senat hingegen das pauschale Bestreiten der Klägerseite bzw. die Argumentation, ein auslösbarer OKN sage nur aus, dass Netzhaut und Sehnerv zumindest zu einem strukturellen Sehen in der Lage seien, über die Sehschärfe jedoch keine Aussage getroffen werden könne. Denn es entspricht dem anerkannten und im Wesentlichen unstrittigen medizinischen Erfahrungswissen, dass eine Prüfung des OKN zur Abschätzung der Sehschärfe (ohne Antworten von Seiten des Patienten) herangezogen werden kann (vgl. z. B. Lachenmeyer, Begutachtung in der Augenheilkunde, 2. Aufl., S. 71 ff.), auch wenn hier wie bei allen anderen objektiven Testverfahren generell durchaus die Möglichkeit der Fehleinschätzung nicht völlig ausgeschlossen ist. Wie der Beklagte zusammenfassend darauf hingewiesen hat, wird die Sehschärfe, bei der noch ein OKN ausgelöst werden kann, in der medizinischen Fachwelt unterschiedlich angesetzt. Es besteht jedoch Einigkeit darüber, dass ein auslösbarer OKN eine oberhalb der Blindheitsgrenze liegende Sehschärfe voraussetzt und bei einem (tatsächlich) auf Handbewegungen reduzierten Visus negativ ausfällt. Wie Prof. Dr. K. fundiert und plausibel dargelegt hat, beträgt bei einem auslösbaren OKN - in der vorliegend mit der Catford-Trommel durchgeführten Untersuchung - die Sehschärfe mehr als Handbewegungen. Dies gilt unabhängig von der Entfernung der Nystagmustrommel (s. o.).

Im Hinblick auf die bei der Klägerin nicht ableitbaren Potentiale bei der VECP-Messung folgt der Senat im Übrigen ebenfalls der plausiblen Darlegung des Sachverständigen, dass nicht ausschließbar gewesen ist, dass die Klägerin mit Hilfe fehlender Fixation die Untersuchung verfälscht haben könnte. Dieses Argument wird auch nicht dadurch entkräftet, dass es nicht bereits im ursprünglichen Gutachten enthalten gewesen, sondern erst in der ergänzenden Stellungnahme aufgezeigt worden ist, auch wenn eine frühzeitigere Diskussion dieser Problematik sicher wünschenswert gewesen wäre. Zudem ist auf die plausible Darlegung des Beklagten hinzuweisen, dass die Pupillenreaktion auf Licht sowohl bei direkter als auch bei indirekter Beleuchtung eindeutig positiv gewesen ist, was bedeutet, dass die Lichtreize vom Auge grundsätzlich weitergeleitet werden, so dass die Blitz-VECP reproduzierbar hätten sein müssen, wenn eine adäquate Mitarbeit der Klägerin erfolgt wäre.

Im Übrigen kann der Senat die Argumentation der Klägerseite nicht nachvollziehen, dass eine Objektivierung der subjektiven Angaben des sehbehinderten Menschen nur bei Zweifeln im Raum stehe. Davon abgesehen, dass von fehlenden Zweifeln des Sachverständigen im vorliegenden Fall nicht die Rede sein kann, dürfte grundsätzlich unstrittig sein, dass Gutachter generell die gewonnenen Befunde zur Verifizierung etc. durch objektive Testverfahren zu überprüfen haben. Dies ist sogar geboten und Standard jeder ophthalmologischen Blindenbegutachtung (vgl. im Einzelnen hierzu die ausführlichen Darlegungen im Urteil des Senats vom 31.01.2013, Az.: L 15 BL 6/07).

3. Zudem kann der morphologische Befund die angegebene Sehminderung nicht erklären. Zwar ist unbestritten, dass, worauf die Klägerin hingewiesen hat, Dehnungen der Netzhaut über Jahre hinweg zu erheblichen Schäden an dieser führen können. Unerklärlich bleibt jedoch, weshalb die Sehschärfe am 11.01.2010 rechts noch 0,2 und links 0,1, bei etwa gleichem Organbefund jedoch später nur noch Handbewegungen betragen haben soll.

4. Auch die von Prof. Dr. K. geschilderten Verhaltensbeobachtungen, insbesondere dass die Klägerin ihr dargereichte Gegenstände zielgerichtet habe greifen können und im Untersuchungszimmer gut orientiert gewesen sei - sprechen gegen die von der Klägerin angegebenen Sehschärfewerte bzw. Gesichtsfeldgrenzen. Der Senat sieht keine Anhaltspunkte dafür, dass der erfahrene und fachkundige Sachverständige Prof. Dr. K. „eine reine Schutzbehauptung“ gebraucht haben könnte; sicherlich wäre eine Beschreibung der Verhaltensbeobachtungen im Hauptgutachten wünschenswert gewesen. Letztlich weist der Senat jedoch ausdrücklich darauf hin, dass nach seiner Rechtsprechung einer Verhaltensbeobachtung grundsätzlich ohnehin nur ergänzende Bedeutung zukommt (vgl. das Urteil vom 16.09.2015, Az.: L 15 BL 2/13). Sie erlaubt grundsätzlich nur eine grobe Einschätzung des Sehvermögens und ist nicht geeignet, zwischen einer hochgradigen Sehbehinderung und einer Blindheit im Sinne des BayBlindG mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zu differenzieren (vgl. im Einzelnen a. a. O.). Allerdings ermöglicht sie oftmals, wie auch vorliegend, einen aufschlussreichen ergänzenden Blick auf die Gesamtsituation der Klägerin hinsichtlich ihres Sehvermögens.

Somit sind die gesetzlich vorgegebenen Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit (Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG) vorliegend nicht erfüllt. Zwar hat die Klägerin zutreffend darauf hingewiesen, dass in besonderen Ausnahmefällen (spezieller Krankheitsbilder) die Annahme von Blindheit auch außerhalb der Fallgruppen der DOG bzw. VG nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung des Senats (vgl. das Urteil vom 31.01.2013, a. a. O.) kommt vorliegend der Nachweis von Blindheit nicht in Betracht. Grund hierfür ist, dass hier bereits (massive) Zweifel am Vorliegen der angegebenen Visus- und Gesichtsfeldwerte bestehen; für die Annahme von Blindheit auch außerhalb der Fallgruppen der DOG bzw. der VG ist jedoch erforderlich, dass fest steht, welche Visus- und Gesichtsfeldwerte im Einzelnen erreicht werden. Ein allgemeiner, pauschaler Vergleich genügt nicht (vgl. das Urteil des Senats vom 05.07.2016, Az.: L 15 BL 17/12). Diese Werte stehen vorliegend jedoch gerade nicht fest.

Im Übrigen folgt der Senat der Auffassung des Beklagten nicht, dass die Bewältigung der (schwierigen) Lebenssituation der hochgradig sehbehinderten Klägerin gegen deren Blindheit sprechen würde, im Einzelnen also deshalb, weil die Klägerin alleine wohnt und zu Hause auch alleine zurechtkommt (Haushaltserledigung, Kochen etc.). Denn dieser pauschale Rückschluss stellt sich aus Sicht des Senats als unzulässig dar. Jedenfalls fehlen vorliegend jegliche detaillierte Angaben zu den von der Klägerin konkret durchgeführten Tätigkeiten und Belege dafür, dass dies bei einem Sehvermögen von 0,02 und weniger jeweils zwingend unmöglich wäre.

Somit mangelt es vorliegend am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z. B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl., § 103, Rdnr. 19a, mit Nachweisen der höchtsrichterlichen Rspr.). Die Klägerin muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (große) Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG trägt der sehbehinderte Mensch die objektive Beweislast. Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.

Anlass für weitere Ermittlungen durch den Senat und erst recht eine verfahrensrechtliche Pflicht zu weiteren Ermittlungen haben nicht bestanden.

Der Antrag des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung auf weitere Ermittlungen ist daher abzulehnen gewesen. Dazu bedurfte es keines gesonderten Beschlusses vor der Entscheidung durch Urteil. Vielmehr kann, wenn derartigen Anträgen nicht stattgegeben wird, unmittelbar die Entscheidung in der Sache ergehen, wobei die (Beweis-)Anträge in der Urteilsbegründung abzuhandeln sind (vgl. die Urteile des Senats vom 05.02.2013, Az.: L 15 VG 22/09, und vom 20.06.2016, Az.: L 15 SB 116/15).

Vorliegend muss nicht geklärt werden, ob der o.g. Antrag der Klägerseite überhaupt die Anforderungen an einen förmlichen Beweisantrag erfüllt. Denn weitere Ermittlungen stehen für den Senat nicht einmal im Raum. Mit dem Gutachten einschließlich der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. K. liegt - wie oben im Einzelnen dargelegt - ein fundiertes, plausibles und überzeugendes Sachverständigengutachten vor, das alle medizinischen Fragen nachvollziehbar und umfassend beantwortet. Weiterer Klärungsbedarf besteht nicht. Der Senat weist auch darauf hin, dass er beim Sachverständigen keine Anhaltspunkte für Objektivitätsdefizite etwa deshalb sieht, weil dieser auf die Rolle des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbundes e.V. hinsichtlich der Beratung von sehbehinderten Menschen zum Verhalten während einer gutachtlichen Untersuchung hingewiesen hat. Ungeachtet der Frage, ob entsprechende Hinweise dem Grunde nach berechtigt und an dem beschriebenen Ort angezeigt gewesen sind, ergibt sich daraus nicht, dass die Gefahr mangelnder Objektivität etc. bestanden hat. So hat denn auch die Klägerseite keinen Befangenheitsantrag gestellt.

Soweit die Klägerseite die Einholung eines Gutachtens eines anderen Arztes für wünschenswert gehalten hat, wäre ein Antrag nach § 109 SGG der richtige prozessuale Weg hierzu gewesen. Jedoch hat die Klägerin (auch) einen solchen Antrag nicht gestellt.

Nach alldem kann die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 27. Sept. 2016 - L 15 BL 11/15 zitiert 8 §§.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 193


(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 109


(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschieß

Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV | § 2 Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“


Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung#F1_771649als deren Bestandteil festgelegt.

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Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 05. Juli 2016 - L 15 BL 17/12

bei uns veröffentlicht am 05.07.2016

Tenor I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. November 2012 wird zurückgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. III. Die Revision wird nicht zugelasse

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 16. Sept. 2015 - L 15 BL 2/13

bei uns veröffentlicht am 16.09.2015

Tenor I. Auf die Berufung wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Dezember 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen. II. Außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen sind nicht zu erstatten. III
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 27. Sept. 2016 - L 15 BL 11/15.

Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 26. Sept. 2017 - L 15 BL 8/14

bei uns veröffentlicht am 26.09.2017

Tenor I. Auf die Berufung des Beklagten hin werden der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 29. Oktober 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen. II. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen. III. A

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Die in § 1 genannten Grundsätze und Kriterien sind in der Anlage zu dieser Verordnung*als deren Bestandteil festgelegt.

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. November 2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) streitig.

Der Kläger ist 2004 geboren. Mit Bescheid vom 08.07.2009 wurden vom Beklagten ein GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“, „aG“, „B“, „H“ und „RF“ festgestellt.

Am 06.03.2009 stellte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, Antrag auf Blindengeld beim Beklagten. Im Verwaltungsverfahren wertete der Beklagte die vorgelegten Unterlagen aus, wie den Bescheid der M. Pflegekasse vom 13.06.2008 bezüglich der Feststellung der Pflegestufe III und eine Reihe von medizinischen Berichten.

* Im Bericht der Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Behandlungszentrum V., vom 25.08.2008 wurde darauf hingewiesen, dass die Grunderkrankung des Klägers nicht geklärt sei, es wurden vorsichtige Modifikationen der derzeitigen antiepileptischen Therapie empfohlen. Der Kläger wurde dort wegen fortschreitender geistiger Entwicklungsretadierung mit sprachlichem Schwerpunkt, fortschreitender Ataxie, Hypotonie und orofacialer Hypotonie sowie symptomatischer Epilepsie behandelt. Im Bericht wurde eine augenärztliche Untersuchung vom 08.07.2008 erwähnt, die ergeben hatte, dass eine Fixation beidseits nur auf große Objekte und Licht möglich sei; die Motilität sei frei, es seien kein Drift der Augen gesehen worden und auch kein Nystagmus, „keine Blickparese nach unten, weiterhin Visusminderung beidseits.“ Im Bericht wurden weiter objektive Refraktionswerte angegeben und die Empfehlung, zu versuchen, eine Brille zu tragen, ausgesprochen. * In der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des UKR vom 21.08.2008 wurde der Verdacht auf Visusminderung im Rahmen eines Symptomkomplexes bisher unklarer Äthiologie als Diagnose festgestellt. Im Rahmen der Befunderhebung wurde festgestellt, dass keine Fixation aufgenommen worden sei, der Kläger habe jedoch zum Teil nach Gegenständen gegriffen. * Im Bericht der F-Klinik (Kinder- und Jugendmedizin) vom 08.04.2009 wurden die Diagnosen lokalisationsbezogene fokale partielle symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen, schwere psychomotorische Retadierung bei unklarer Grunderkrankung und langzeitige Abhängigkeit vom Rollstuhl und Stuhlinkontinenz gestellt. Die Krampfanfälle seien eher unverändert geblieben, „jedoch gebesserte Motorik und Verhalten“, so dass nach früheren Rückschritten jetzt wieder eine Verbesserung eingetreten sei. Im Rahmen des Aufnahmebefundes wurde u. a. festhalten, dass mit dem Kläger wenig Kontaktaufnahme möglich sei.

Sodann fertigte die Augenärztin L. am 26.05.2009 im Auftrag des Beklagten ein Gutachten an. Die Ärztin stellte fest, dass beim Kläger eine Epilepsie und eine Entwicklungsstörung vorliegen würden. Nach Angaben der Mutter sei der Kläger als gesundes Kind geboren worden und habe auch erste Worte sprechen können, als die Anfälle begonnen hätten und damit ein Rückschritt im Entwicklungsstand des Klägers eingesetzt habe. Im Rahmen der Befunderhebung schilderte die Ärztin, dass der Kläger keinerlei Folgebewegungen (mit den Augen) gemacht habe, es sei zu keinem Zeitpunkt der Versuch einer Fixationsaufnahme erfolgt. Es lasse sich keine Reaktion erkennen auf Abdunkeln und plötzliches Erleuchten des Raumes, helles Licht im dunklen Raum, auf bewegte Personen, auf bewegte bunte oder schwarze Gegenstände oder auf schnelle angreifende Handbewegungen auf das Gesicht zu. Ausschließlich das bei der direkten und indirekten Fundusuntersuchung extrem helle Licht löse Abwehr in Form von Kneifen aus, sei aber auch hier nicht stark ausgeprägt. Soweit feststellbar, scheine das Abwehrverhalten bei Blendung des linken Auges etwas stärker als rechts, hier drehe der Kläger den Kopf etwas zur Seite. Als Diagnose stellte die Augenärztin eine generalisierte Störung der Hirnfunktion mit Störung aller Sinnesmodalitäten. Es lasse sich keine stärkere Beeinträchtigung des visuellen Systems im Vergleich zu den anderen Sinnesqualitäten feststellen. Damit sei Blindheit im Sinne des BayBlindG nicht nachgewiesen. Vielmehr sei neben dem gleichermaßen ausgeprägten Fehlen adäquater Reaktionen auf visuelle, akustische oder taktile Reize auch ein Fehlen einiger Reflexe feststellbar sowie eine anormale Pupillen- und Bulbusmotilität, was auf eine Hirnstammbeteiligung schließen lasse.

Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.06.2009 den Blindengeldantrag ab. Nach dem o.g. augenärztlichen Gutachten und dem Bericht der F-Klinik liege beim Kläger eine schwere psychomotorische Retardierung bei unklarer Grunderkrankung vor, wobei sich eine generalisierte Störung der Hirnfunktion mit Störung aller Sinnesmodalitäten gezeigt habe. Das visuelle System sei im Vergleich zu den anderen Sinnesqualitäten nicht stärker beeinträchtigt. Morphologisch fänden sich an den Augen keine Befunde, die Blindheit beweisen oder nahelegen würden. Blindheit im Sinne des BayBlindG sei daher nicht nachgewiesen.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, am 11.07.2009 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurden eine Reihe von weiteren ärztlichen Berichten ausgewertet. Im Arztbrief des Behandlungszentrums V. vom 25.04.2008 wurde u. a. der Normalbefund einer MRT vom August 2006 und eines cCT vom November 2007 festgehalten. Im craniellen MRT von Februar und April 2008 fanden sich im Wesentlichen unauffällige Befunde, lediglich die Weite der Liquorräume war betont. Im Rahmen der Messung visuell evozierter Potentiale (VEP) wurde auf eine schlechte Morphologie und schlechte Reproduzierbarkeit hingewiesen sowie auf verzögerte Reizleitungen. Es habe sich der Hinweis auf eine beidseitige Funktionsstörung der Sehbahn, links mehr als rechts, ergeben. Eine augenärztliche Untersuchung, so der Bericht, habe zunächst einen unauffälligen Befund ergeben. Für eine Woche habe der Kläger fast ausschließlich nach oben geblickt und die Augen nur selten in die Mittellinie bringen können.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.09.2009 wurde von der Ärztin Dr. P. festgestellt, dass (faktische) Blindheit im Sinne des BayBlindG nicht nachgewiesen sei. Eine spezifische Sehstörung liege nicht vor. Der morphologische Befund an den Augen sei weitgehend unauffällig gewesen; Fixationsaufnahmen oder Folgebewegungen hätten nicht ausgelöst werden können etc. Das Kind reagiere jedoch ebenso wenig auf andere Reize. U. a. hat die Ärztin darauf hingewiesen, dass sich in der Bildgebung (MRT) weder umschriebene Veränderungen ischämischer, raumfordernder oder entzündlicher Natur gefunden hätten noch Allgemeinveränderungen der Hirnrinde (lediglich Weite der Liquorräume betont). Eine umschriebene oder abgrenzbare Schädigung im Bereich von Sehbahn bzw. Sehrinde sei somit nicht belegt.

Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Beim Kläger, so die Begründung, liege eine generalisierte, fortschreitende psychomotorische Retardierung, verbunden mit einem hirnorganischen Anfallsleiden, vor. Ob neben der zerebralen Schädigung auch Blindheit oder eine andere Blindheit gleichzuachtende Sehstörung vorliege, habe nicht festgestellt werden können. Mitwirkungsabhängige Untersuchungen des Visus und des Gesichtsfeldes seien aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers bei der augenärztlichen Untersuchung am 26.05.2009 nicht durchführbar gewesen. Morphologisch habe sich an den Augen kein Befund gefunden, der Blindheit beweisen oder nahelegen könne, so dass sich der objektive Nachweis von Blindheit im Sinne des Gesetzes nicht erbringen lasse. Nachdem beim Kläger klinisch nicht nur eine Störung des Sehens, sondern generell ein schwerer Entwicklungsrückstand vorliege, sei zu prüfen, ob faktische Blindheit als Folge einer Hirnschädigung in Kombination mit einer Schädigung der Augen bestehe. Beim Kläger sei die Wahrnehmung aber nicht nur im visuell/optischen Bereich herabgesetzt, das fehlende Sehvermögen sei vielmehr eingebettet in eine umfassende Wahrnehmungsstörung und könne nicht von der schwerstgradigen seelischgeistigen und körperlichen Behinderung abgegrenzt werden.

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Eltern, am 12.10.2009 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass nach der gegebenen Tatsachenlage eine der Blindheit gleich zu achtende Sehstörung gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG zum Antragszeitpunkt aufgrund der schwerwiegenden zerebralen Schädigungen vorgelegen habe und dass die auf anderen Feldern der Sinneswahrnehmung verbliebenen Fähigkeiten nicht so weit herabgesetzt seien, dass der Leistungsunterschied zur fehlenden visuellen Modalität unbeachtlich wäre. Er hat u. a. hervorgehoben, dass der Kläger keinerlei Folgebewegungen gemacht habe und dass zu keinem Zeitpunkt der Versuch einer Fixationsaufnahme erfolgt sei. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit so stark herabgesetzt sei, dass nicht einmal eine Lichtscheinwahrnehmung vorhanden sei. Die Feststellung, dass die übrigen Sinneswahrnehmungen ebenso stark reduziert seien, sei unzutreffend.

Mit Schreiben vom 26.05.2011 hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass nach den Gesamtumständen beim Kläger Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege; er hat ein augenärztliches Attest von Frau Dr. C. vom 12.04.2011 vorgelegt. Die Augenärztin hat in dem Attest ebenfalls berichtet, dass keine Fixation aufgenommen werde und der Kläger keinerlei Reaktion auf Lichtreize gezeigt habe. Morphologisch sei, soweit beurteilbar, ein regelrechter Befund gegeben.

Im Folgenden hat das SG zahlreiche medizinische Unterlagen eingeholt bzw. ausgewertet. In einem Attest des Kinderarztes Dr. L. vom 20.07.2011 ist bestätigt worden, dass es sich um eine bisher unklare Grunderkrankung handele. Im Entlassungsbericht des Klinikums C. vom 27.12.2006 ist im Rahmen der Anamneseerhebung festgehalten worden, dass der Kläger im September in Erlangen gewesen sei, wo seine Brille korrigiert worden sei; seitdem hätte sich eine deutliche Besserung in der Motorik ergeben. Im Bericht des Sozialpädiatrischen Zentrums C. vom 04.08.2006 sind als Diagnosen u. a. Hyperopie, Schielfehlsichtigkeit, Brillenversorgung, Abkleben gestellt worden. Seit einem Jahr sei der Kläger wegen Schielens mit einer Brille versorgt. In der zusammenfassenden Beurteilung ist u. a. hervorgehoben worden, dass die „deutliche visuelle Beeinträchtigung“ die Entwicklung des Klägers sicher verlangsamt bzw. eingeschränkt habe. Im Bericht vom 02.09.2008 ist der Verdacht auf eine zentrale Hör- und Sehminderung geäußert worden. Der Kläger reagiere im Rahmen der dortigen Untersuchung nur sicher auf intensive Farben; Blickkontakt sei dem Kläger immer nur kurz möglich. Ein Verfolgen sei ihm nur ansatzweise möglich. Im Bericht vom 11.11.2008 sind als Diagnose u. a. allgemeine einschließlich kognitive Entwicklungsstörung mit Hinweis auf einen neurodegenerativen Verlauf sowie Verdacht auf epileptische Encephalopathie mit beginnender Hirnatrophie festgehalten worden. Der Kläger zeige im Verlauf Entwicklungsrückschritte. Im Befundbericht der Augenärztin Dr. C. vom 20.09.2011 sind Strabismus convergens, Hyperopie, Astigmatismus und Verdacht auf kortikale Blindheit festgestellt worden. Seit Juli 2007 sei eine Verschlechterung des Allgemeinzustands eingetreten; damals sei noch eingeschränkte Kooperation möglich gewesen, derzeit erfolge keinerlei Reaktion.

Sodann hat das Gericht Prof. Dr. G. mit der Erstellung eines ophthalmologischen Sachverständigengutachtens beauftragt (§ 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG). In seinem Gutachten vom 11.07.2012 hat Prof. Dr. G. geschildert, dass der Kläger während der gesamten Untersuchung im Rollstuhl gesessen sei und keinerlei Blickkontakt aufgenommen habe. Während der Untersuchung sei die Angabe der Eltern bestätigt worden, dass der Kläger auf Geräusche reagiere. Sobald der Kläger am Kopf berührt werde, z. B. im Rahmen einer Untersuchung, werde der Kopf gezielt nach unten im Sinne einer Abwehrreaktion geneigt. Die Stimme der Eltern und insbesondere der durch Streicheln entstehende Körperkontakt wirkten beruhigend auf den Kläger.

Der Gutachter hat für beide Augen folgenden Befund erhoben: „Die Lider sind in Form, Stellung und Beweglichkeit regelrecht. Die Bindehaut ist reizfrei. Die Hornhaut ist glatt, klar, spiegelnd. Die Vorderkammer ist mittelschief, optisch leer. Die Regenbogenhaut ist reizfrei, regelrecht gefügt. Die Pupille ist rund, mittelweit, nur angedeutete und unvollständige Reaktion auf kräftigen Lichtreiz, bei indirektem Lichtreiz (durch Beleuchtung des linken Auges) ebenfalls angedeutete konsensuelle Reaktion. Die Linse ist am Ort, klar, keine Verdichtung oder Trübung.“

Den Augenhintergrund hat der Gutachter wie folgt beurteilt: Der Sehnervenkopf sei regelrecht gefärbt mit kleiner zentraler Aushöhlung, im Netzhautniveau scharf begrenzt. Die Stelle des schärfsten Sehens zeige einen regelrechten Reflex. Die Gefäße seien in Verlauf und Kaliber regelrecht. Die Netzhaut liege, soweit einsehbar, überall an.

Eine Sehschärfeprüfung hat der Sachverständige nicht durchführen können. Weder im hellen noch im abgedunkelten Raum sei eine eindeutige Reaktion auf Licht erfolgt. Auch starkes Beleuchten mit der Bonnoskoplampe direkt auf das Auge, selbst bei schneller Annäherung der Lichtquelle, löse keinerlei Reaktion aus. Phasenweise scheine ein Lidschluss auslösbar. Fixationsaufnahme, Blickkontakt oder Auslösen von Folgebewegungen seien nicht möglich gewesen. Soweit beurteilbar, bestehe bei der Augenbeweglichkeit keine grobe Einschränkung. Die Pupillen seien beide mittelweit und reagierten nur angedeutet auf direkte Beleuchtung. Eine Gesichtsfeldprüfung hat der Sachverständige nicht durchgeführt.

Im Rahmen der Beurteilung hat Prof. Dr. G. festgestellt, dass der Kläger das Augenlicht somit nicht vollständig verloren habe. Die Reaktion des Klägers auf visuelle Reize hänge nicht ausschließlich vom Befund des Sehnervs, der Sehbahn und dem dargebotenen visuellen Reiz ab, sondern von höheren Zentren, die das, was der Kläger mit den Augen aufnehme, weiter verarbeiteten. Diese Zentren seien ohne Zweifel durch seine Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen. Summa summarum würde man, so der Sachverständige, eine hochgradige Beeinträchtigung des Sehvermögens vermuten. Der Gutachter hat aber nicht feststellen können, ob das Sehvermögen des Klägers einem Visus von 1/50 oder weniger entspricht. Eine visuelle Agnosie in ihrer typischen Form oder eine andere gnostische Störung in isolierter Form lägen nicht vor. Vielmehr scheine die Wahrnehmung auf allen Gebieten herabgesetzt bzw. massiv beeinträchtigt zu sein, wobei das visuelle System stärker betroffen sei als beispielsweise das taktile oder akustische, ohne dass dies in Zahlen ausgedrückt werden könne.

Auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts hat der Sachverständige weiter festgestellt, dass zur Beantwortung der Beweisfragen ausschließlich die klinische Untersuchung eingesetzt worden sei. Messmethoden wie ein VECP seien beim Kläger nicht anwendbar. Die klinische Untersuchung könne dahingehend verifiziert werden, dass sie von anderen Untersuchern wiederholt werde. Er, der Gutachter, persönlich gewichte die Sehstörung, die beim Kläger vorliege, als so komplex und ausgeprägt, dass er sie mit einer faktischen Erblindung vergleichen würde.

Mit Schriftsatz vom 30.07.2012 hat der Bevollmächtigte seine Einschätzung wiedergegeben, dass beim Kläger offenkundig ein Grenzfall vorliege, bei dem sich selbst die Experten äußerst schwer täten, zu einem gesicherten wissenschaftlichen Ergebnis zu kommen. Aufgrund der gutachterlichen Einschätzung teile die Klägerseite die mittlerweile geäußerte Auffassung des SG nicht, wonach der Vollbeweis der Erblindung nicht zu führen sei. Er, der Bevollmächtigte, komme zu dem Ergebnis, dass für die Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer faktischen Erblindung auszugehen sei. Auch wenn dies wörtlich nicht so formuliert werde, müsse dieses Ergebnis im Wege der Auslegung der gutachterlichen Ausführungen angenommen werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.11.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach Überzeugung des Gerichts der Blindheitsnachweis nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen nicht geführt werden könne. Eine hinreichende Beeinträchtigung der Sehschärfe sei nach dem Gutachten von Prof. Dr. G. im Hinblick auf die Feststellung von Restfunktionen des Sehvermögens nicht gegeben. Nicht zu folgen vermöge das SG der Äußerung des Gutachters, dass die Sehstörung einer faktischen Erblindung entspreche. Eine spezifische Sehstörung sei vorliegend nicht gegeben, ein Ermessen dem SG nicht eröffnet.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 27.12.2012 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben. Zur Begründung der Berufung hat der Bevollmächtigte im Wesentlichen darauf verwiesen, dass sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. G. nach klägerischer Auffassung Blindheit im Sinne des BayBlindG ergebe. Es handle sich um eine „andere Störung des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG, so dass diese Beeinträchtigung einer Sehschärfe gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBlindG von 1/50 gleichzuachten sei. So sei das Gutachten von Prof. Dr. G. zu verstehen. Eine faktische Blindheit werde dort bejaht, dies werde durch die Verwendung des Wortes „würde“ nicht in Zweifel gezogen. Weiter hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass eine der Blindheit gleichzusetzende Sehbeeinträchtigung nicht nur in den vom SG aufgeführten Fällen, sondern auch dann vorliege, wenn diese Kriterien nicht nachweisbar seien. In jedem Einzelfall sei zu prüfen, ob die Sehstörung nach ihrem Schweregrad als gleichschwere Beeinträchtigung zu bewerten sei. Bei der Blindheitsbeurteilung dürften nämlich nicht nur Sehschärfe und Gesichtsfeld herangezogen werden, sondern es müssten alle Störungen des Sehvermögens Berücksichtigung finden. Weiter hat der Bevollmächtigte auf das Urteil des BSG vom 20.07.2005 (Az.: B 9a BL 1/05 R) hingewiesen.

In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.04.2013 ist vom Beklagten vor allem darauf hingewiesen worden, dass in der Funktionsfähigkeit der verschiedenen Sinnesmodalitäten keine deutlichen Unterschiede bestehen würden. Weitere Untersuchungen, so die Ärztin Dr. P., seien im Hinblick auf die bisherigen aussagekräftigen Unterlagen nicht erforderlich und würden wohl auch keine neuen Erkenntnisse ergeben. (Faktische) Blindheit sei weiterhin nicht nachgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 09.04.2014 hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass die Feststellung von Frau Dr. L. in krassem Widerspruch zu den Feststellungen von Prof. Dr. G. stehe; die Augenärztin habe zu dem Kläger keinen Zugang gefunden. Die gutachterliche Stellungnahme der Ärztin könne aufgrund der mangelhaft durchgeführten Untersuchung im Prozess nicht verwendet werden. Seit Sommer 2013 gehe es dem Kläger wieder zunehmend besser; so könne er mit einer geringfügigen Unterstützung jetzt wieder sitzen und versuche wieder, sich lautierend mitzuteilen. U. a. ist zudem darauf hingewiesen worden, dass eine Lehrkraft des Klägers bestätigen könne, dass bei diesem eine Wahrnehmungsfähigkeit deutlich vorhanden sei.

Im Folgenden ist das Berufungsverfahren wegen des Parallelverfahrens des Senats Aktenzeichen L 15 BL 5/11 und des sich beim Bundessozialgericht (BSG) anschließenden Revisionsverfahrens (Az.: B 9 BL 1/14 R) nicht weitergeführt worden. Auf gerichtliche Aufforderung hin hat sich der Beklagte dann mit Schriftsatz vom 29.02.2016 zum Verfahren mit Blick auf das zwischenzeitlich ergangene Revisionsurteil des BSG vom 11.08.2015 (Az.: B 9 BL 1/14 R) wie folgt geäußert: Entsprechend den Unterlagen des Behandlungszentrums V. und der Kinderklinik des Klinikums C. aus 2008 leide der heute elfjährige Kläger an einem Symptomenkomplex bisher unklarer Äthiologie mit fortschreitender geistiger Entwicklungsretardierung. Schwerpunkte seien sprachliche, fortschreitende Ataxie und Hypotonie sowie symptomatische Epilepsie. Alle Untersuchungen - einschließlich Stoffwechseldiagnostik und Bildgebung des Schädels - würden, so Dr. P., unauffällige Befunde zeigen. Bei dieser Befundlage könne nach Auffassung des Beklagten eine Sehstörung, die einer Erblindung gleichgesetzt werden könnte, nicht nachgewiesen werden. Die seit etwa dem zweiten Lebensjahr einsetzende Entwicklungsverzögerung mit Verschlechterung sowohl der motorischen als auch der kognitiven Funktionen habe in erster Linie das Sprachvermögen, den Gleichgewichtssinn und den Musekltonus betroffen, die Verarbeitung externer, vor allem taktiler, akustischer und visueller Reize sei erst im fortgeschrittenen Stadium bei Schädigung der höheren Hirnfunktionen zunehmend beeinträchtigt. Um das Ausmaß einer Sehbehinderung bestimmen zu können, müssten das Sehvermögen und die visuelle Wahrnehmung untersuchbar sein, was voraussetze, dass eine reproduzierbare Kommunikation möglich sei, z. B. in Form einer Ja-Nein-Kommunikation. Wenn jemand aufgrund schwerer Bewusstseinsstörungen nicht untersuchbar sei, könne die Frage, ob Blindheit vorliege, nicht beantwortet werden. Die Differenzierung zwischen Erkennen und Benennen sei im Urteil des BSG vom 11.08.2015 (a. a. O.) für obsolet erklärt worden. Für die Feststellung von Blindheit würden dagegen unverändert die Vorgaben der VG gelten, wonach der morphologische Befund die Sehstörung erklären oder zumindest in vernünftiger Weise sehr wahrscheinlich machen müsse. Zudem müsse eine Erkrankung vorliegen, die Blindheit verursachen könne. Beide Kriterien seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Das BSG habe weiter den Grundsatz der objektiven Beweislast und das Fehlen von Beweiserleichterungen beim Blindheitsnachweis bekräftigt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass vorliegend keine Blindheit gegeben sei.

Am 14.04.2016 hat der Bevollmächtigte erklärt, dass die Berufung nicht zurückgenommen werde. Alle entsprechenden Stellungnahmen (insbesondere der Ärztin L. sowie die versorgungsärztlichen Stellungnahmen) würden das Vorliegen einer Blindheit mit Verweis auf die nicht vorhandene besondere Betroffenheit des Sehsinns negieren. Gleichzeitig würden aber als Grundlage dieser Stellungnahmen Untersuchungsergebnisse herangezogen, die lediglich basale Reaktionen im Bereich des Sehens beschreiben würden. Zudem hat der Bevollmächtigte erneut auf die Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. G. verwiesen. Blindheit sei damit spätestens ab dem Zeitpunkt der Gutachtenserstellung durch den genannten Sachverständigen nachgewiesen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab März 2009 Blindengeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten des Berufungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i. V. m. §§ 143, 151 SGG), jedoch nicht begründet. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger blind im Sinne des BayBlindG ist und ihm deshalb ab dem Monat der Antragstellung Blindengeld zusteht. Dies hat das SG zu Recht verneint. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 24.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayBlindG v. 24.07.2013 (GVBl. S. 464) erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung dies vorsieht, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld. Dabei beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG, an die sich der Senat gebunden fühlt, die Formulierung „zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen“ keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (Urteil vom 26.10.2004, Az.: B 7 SF 2/03 R).

Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen, 1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt, 2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.

Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe Teil A Nr. 6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung):

aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,

ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,

gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Zwar steht die Tatsache, dass bei ihm zerebrale Schäden vorliegen, der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen. Auch steht dem nicht im Wege, dass eine spezifische Störung des Sehvermögens im Hinblick auf andere Sinnesmodalitäten fraglich ist. Doch sind die vorstehend genannten Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

1. Beim Kläger liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Einschränkung aller Sinnesfunktionen aufgrund zerebraler Beeinträchtigung vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Entscheidungen vom 31.01.1995, Az.: 1 RS 1/93, 26.10.2004, Az.: B 7 SF 2/03 R, 20.07.2005, Az.: B 9a BL 1/05 R, und 11.08.2015, Az.: B 9 BL 1/14 R) stehen auch zerebrale Schäden, die - für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans - zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen. Diese Festlegung wird in der Literatur begrüßt (vgl. Braun/Zihl, Der Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 2015, S. 81, 82), wenngleich auch - zu Recht - auf sich hierdurch ergebende gravierende Schwierigkeiten in der Praxis bzgl. des Blindheitsnachweises aufmerksam gemacht wird (a. a. O.).

2. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens besteht beim Kläger eine hochgradige Einschränkung aller Sinnesfunktionen (vgl. das o.g. Gutachten von Prof. Dr. G.). Unklar bleibt, ob und inwieweit das visuelle System stärker betroffen ist als die anderen Sinnesmodalitäten. Hierauf kommt es jedoch nicht (mehr) an. Soweit das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung für den Blindengeldanspruch verlangt hatte, dass bei zerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliegt, hat es im Urteil vom 11.08.2015 (a. a. O.) hieran nicht mehr festgehalten. Zur Aufgabe dieser Rechtsprechung hat sich das BSG aufgrund von Erkenntnisschwierigkeiten sowie unter dem Aspekt der Gleichbehandlung veranlasst gesehen (vgl. näher a. a. O.). Ebenfalls aufgegeben in der genannten Entscheidung hat das BSG die in der früheren Rechtsprechung getroffene Unterscheidung zwischen dem „Erkennen“ und dem „Benennen“ als so verstandene Teilaspekte bzw. Teilphasen des Sehvorgangs, da die Differenzierung gerade bei zerebral geschädigten Menschen vielfach medizinisch kaum nachvollzogen, d. h. die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht genau bestimmt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BSG ist für den Anspruch auf Blindengeld vielmehr allein entscheidend, ob es insgesamt an der Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung „Sehen (optische Reizaufnahme und deren weitere Verarbeitung im Bewusstsein des Menschen) fehlt, ob der behinderte Mensch blind ist“.

Der Senat fühlt sich an diese (neue) Rechtsprechung des BSG gebunden.

Die bestehende Unsicherheit hinsichtlich des Vorliegens einer spezifischen Sehstörung hindert vorliegend die Annahme eines Blindengeldanspruchs also nicht.

3. Beim Kläger ist Blindheit jedoch nicht nachgewiesen.

Es liegt weder Lichtlosigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG vor noch sind die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG erfüllt. Es ist nicht zur Gewissheit des Senats dargelegt, dass der Kläger das Augenlicht vollständig verloren hätte oder dass die Sehschärfe des Klägers entsprechend der gesetzlichen Vorgabe auf 1/50 (0,02) oder weniger herabgesunken wäre (Nr. 1 der genannten Vorschrift). Gleiches gilt für eine der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachtende Sehstörung (Nr. 2).

Wie der Senat wiederholt (vgl. z. B. Urteil vom 20.01.2015, Az.: L 15 BL 16/12) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92).

Wie der Beklagte zutreffend annimmt, hat sich durch die neue Rechtsprechung des BSG (a. a. O.) an der Erforderlichkeit der Prüfung, ob die visuellen Fähigkeiten des Betroffenen (nun: optische Reizaufnahme und Verarbeitung etc.) unterhalb der vom BayBlindG vorgegebenen Blindheitsschwelle liegen, nichts geändert. Nach der Rechtsprechung des Senats kam es schon bisher in den Fällen umfangreicher zerebraler Schäden auf das Erfordernis einer spezifischen Störung des Sehvermögens nicht (mehr) an, wenn bereits Zweifel am Vorliegen von Blindheit bestanden (Urteil vom 27.11.2013, Az.: L 15 BL 4/11). Der Blindheitsnachweis muss somit auch weiterhin erbracht werden (vgl. Braun, Neue Regeln für den Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 2016, S. 134, 135: keine allgemeine „Entwarnung“).

a) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger den Nachweis nicht führen, dass sein Sehvermögen unterhalb der gesetzlichen Blindheitsschwelle liegt. Dies ergibt sich bereits ohne Weiteres aus dem - mit Ausnahme der vom Sachverständigen getroffenen „persönlichen Einschätzung“ plausiblen - Gutachten vom Prof. Dr. G. vom 11.07.2012. Der Senat macht sich die getroffenen sachverständigen Feststellungen (mit der genannten Ausnahme) zu eigen. Entsprechend den nachvollziehbaren Darlegungen von Prof. Dr. G. hat der Kläger das Augenlicht nicht vollständig verloren, was sich bereits aus Untersuchungen mit dem Bonnoskop ergeben hat. Nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen kann nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die Beeinträchtigungen des Klägers so groß sind, dass sie selektiv das Sehvermögen so weit herabsetzen, dass dieses einem Visus von 1/50 oder weniger entspricht. Wie Prof. Dr. G. im Einzelnen dargelegt hat, ist die Angabe einer Sehschärfe des Klägers - auch eines Näherungswertes - und somit eine Einschätzung des Sehvermögens nicht sicher möglich. Die eingeschränkte Pupillenmotorik des Klägers legt eine hochgradige Sehbeeinträchtigung nahe; allerdings ist entsprechend den Feststellungen des Gutachters der Sehnerv auf beiden Augen vital und zeigt keinerlei Zeichen einer Atrophie. Eine direkte Läsion des Sehnervs oder eine solche der hinteren Sehbahn als alleinige Ursache für eine Visusherabsetzung ist sehr unwahrscheinlich, weil eine Läsion dort, wie Prof. Dr. G. plausibel dargestellt hat, durch eine sogenannte transsynaptische Degeneration zu einer Aufhellung des Sehnervs führen würde, die beim Kläger aber nicht zu erkennen ist. Wegen der aufgehobenen bzw. stark beeinträchtigten Kooperationsbereitschaft des Klägers ist eine Klärung des Sehvermögens durch den Einsatz von Messverfahren nicht möglich. Somit beruht die Einschätzung des Sehvermögens ausschließlich auf Reaktionen des Klägers auf angegebene Optotypen oder Lichtreize. Dies ist jedoch nicht ausreichend, um mit Sicherheit sagen zu können, ob das Sehvermögen 1/50 oder weniger oder vielleicht auch ein 1/20 oder weniger beträgt, wie der Sachverständige ausdrücklich klargestellt hat. Somit kann der Blindheitsnachweis nicht geführt werden, da eine Quantifizierung und Qualifizierung des Sehvermögens an den allgemeinen Beeinträchtigungen des Klägers und auch an den weiteren vorliegenden medizinischen Besonderheiten scheitert.

Hinzu kommt, dass, wie aufgrund des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme feststeht, kein objektiver Strukturbefund gegeben ist, der die massive Sehstörung bzw. eine mögliche Blindheit des Klägers erklären könnte. Wie der Beklagte zudem zutreffend darauf hingewiesen hat, gilt Entsprechendes auch für eine plausible Grunderkrankung, die zu einer Aufhebung des Sehvermögens führen würde.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger gezeigten Sehleistungen. Der Klägerseite ist durchaus zuzugestehen, dass vorliegend lediglich Untersuchungsergebnisse gegeben sind, die im Wesentlichen nur basale Reaktionen im Bereich des Sehens beschreiben. Der Rückschluss der Klägerseite hieraus, der Kläger könne auch nur noch diese basalen Reaktionen zeigen, weil er zu weiteren visuellen Leistungen nicht (mehr) in der Lage sei, ist jedoch unzulässig. Denn, worauf auch der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, „eine fehlende oder nicht adäquate Reaktion auf optische Reize“ kann „nur dann als Beleg für Blindheit gewertet werden, wenn bei erhaltener - teilweiser - Untersuchbarkeit eine zuverlässige reproduzierbare Kommunikation mit dem sehbehinderten Menschen möglich ist“ (vgl. Braun, a. a. O., S. 134). Für den Senat bleibt letztlich nicht aufklärbar, auf welchen Ursachen die sehr eingeschränkten Reaktionen im Bereich des Sehens beruhen; auf den fehlenden morphologischen Befund ist bereits hingewiesen worden.

Der Blindheitsnachweis ist im Übrigen auch keineswegs durch die abschließende Äußerung des Sachverständigen in seinem Gutachten geführt, er persönlich gewichte die Sehstörung des Klägers als so komplex und ausgeprägt, dass er sie mit einer faktischen Erblindung vergleichen würde. Diese „persönliche Einschätzung“, die bereits per se unzulässig ist, beruht nämlich auf der falschen, ausdrücklich geäußerten Annahme, die Frage nach einer Erblindung sei eine „reine Ermessensfrage“. Auch wenn dies sicherlich nicht im juristischen Sinn gemeint gewesen sein dürfte, so geht sie doch von der falschen Grundannahme aus, dass das Herabsinken des Sehvermögens unter die gesetzlich normierte Blindheitsschwelle des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG auch anhand sonstiger, nicht genau definierter Kriterien bestimmt bzw. angenommen werden könne. Dies ist unzutreffend.

Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 31.01.2013 (Az.: L 15 BL 6/07) im Einzelnen dargelegt, dass in besonderen Ausnahmefällen spezieller Krankheitsbilder die Annahme von Blindheit auch außerhalb der normierten Fallgruppen der VG (bzw. der Richtlinien der DOG) nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Damit bedarf es in speziellen, seltenen Ausnahmefällen durchaus einer gewissen Wertung des medizinischen Sachverständigen, ob trotz der noch besseren Sehschärfe- und Gesichtsfeldwerte wegen zusätzlicher Einschränkungen der Sehleistung - also wegen der (nahezu) zwingenden Vergleichbarkeit des gemäß den gesetzlichen Vorgaben weitgehend eingeschränkten Visus/Gesichtsfelds einerseits mit der Situation von geringeren Einschränkungen (die jedoch immer noch erheblich sind) zuzüglich weiterer massiver Einschränkungen andererseits - der Fall des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2 BayBlindG gegeben ist.

Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Denn die Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit ausnahmsweise außerhalb der normierten Fallgruppen der VG bzw. DOG sind vorliegend nicht gegeben. Sie bestehen nämlich vor allem darin, dass die (Nicht-)Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBlindG geklärt ist, dass also feststeht, ob das Sehvermögen unter die normierten Werte herabgesunken ist bzw. welche Werte im Einzelnen erreicht werden. So liegt es vorliegend jedoch gerade nicht, da, wie oben im Näheren dargelegt, nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, welches Sehvermögen der Kläger überhaupt hat. Es genügt jedoch nicht, dass nur feststeht, dass der Kläger ein sehr schlechtes Sehvermögen hat. Dies würde den vom bayerischen Gesetzgeber gemachten und von den VG bzw. den sachverständigen Festlegungen der DOG konkretisierten Vorgaben (s.o.) widersprechen. Der Gesetzgeber hat gerade keine hochgradige Sehbehinderung mit Werten unterhalb der hier maßgeblichen Grenze ausreichen lassen (kein Blindengeld für „beinahe blinde Menschen“). Die Wertung des Sachverständigen betrifft vorliegend also gar nicht die zusätzliche Berücksichtigung spezieller, weiterer Sehbeeinträchtigungen, sondern die Visus- und Gesichtsfeldwerte selbst. Dies ist nach der o.g. Rechtsprechung des Senats aber nicht zulässig.

Im Übrigen widerspricht die persönliche Gewichtung von Prof. Dr. G. - unabhängig von den eben aufgezeigten Aspekten bezüglich der Senatsrechtsprechung vom 31.01.2013 (a. a. O.) - seiner eigenen unmissverständlichen Feststellung, dass das Ausmaß der Sehbeeinträchtigung des Klägers eben nicht genau festgestellt werden kann.

b. Auch eine visuelle Verarbeitungsstörung ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.08.2015, a. a. O.) ist jedenfalls in den Fällen zerebraler Schäden ferner auch zu prüfen, ob die Fähigkeit zur „Verarbeitung im Bewusstsein“ des sehbehinderten Menschen beeinträchtigt bzw. aufgehoben ist. Ein solcher Nachweis kann vorliegend ebenfalls nicht geführt werden. Auch insoweit fehlt das morphologische Korrelat. Zudem ergibt auch das klinische Bild des Klägers vorliegend keine Belege und vor allem keinen sicheren Nachweis dafür, dass das Vermögen des nicht bewusstlosen Klägers, visuelle Reize zu verarbeiten, aufgehoben wäre. Insbesondere kann nicht sicher geklärt werden, weshalb der Kläger nur auf Lichtreize (schwach) reagiert. Neben einer visuellen Verarbeitungsstörung können auch sonstige Ursachen hierfür maßgeblich sein. Für den Senat liegen insoweit eine mangelnde Kooperationsbereitschaft (Motivationsstörung), worauf der Sachverständige hingewiesen hat, bzw. Defizite in den kognitiven Bereichen der Aufmerksamkeit (Wachsamkeit und Konzentration) und Gedächtnis als Ursachen sehr nahe (vgl. Braun/Zihl, a. a. O.).

Somit sind keine sicheren Anhaltspunkte für eine Verarbeitungsstörung gegeben, was im Hinblick auf die (weitgehend) unklare Grundproblematik der schweren Gesundheitsstörungen des Klägers nicht überrascht.

Aus Sicht des Senats ist es zwar nicht auszuschließen, dass der Kläger die Blindheitsschwelle des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG unterschritten hat. Dafür fehlt es aber jedenfalls am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non liquet), so gilt - wie oben bereits erwähnt - der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z. B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl., § 103, Rdnr. 19a, mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rspr.). Der Kläger muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (große) Ungewissheit bezüglich der für ihn - rechtlich, d. h. für den geltend gemachten Anspruch - günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG trägt der sehbehinderte Mensch die objektive Beweislast. Beweiserleichterungen gelten vorliegend nicht (vgl. Urteil des BSG vom 11.08.2015, a. a. O.; ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. auch Braun, a. a. O.).

Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Gesichtspunkte, die zu weiteren Ermittlungen hätten veranlassen müssen, sind nicht erkennbar. Auch die Klägerseite hat die Auffassung vertreten, dass offenkundig keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten bestehen (Schriftsatz vom 20.07.2012).

Diesem vorliegend gefundenen Ergebnis steht auch nicht die frühere Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27.11.1997, Az.: L 15 BL 10/96) entgegen. Damals hat der Senat einem Kleinkind, bei dem naturgemäß eine genaue Untersuchung nicht möglich war und das später eine Sehschärfe von 0,3 erreicht hat, Blindengeld zugesprochen. Er hat in der Begründung ausgeführt, dass die fehlenden Möglichkeiten apparativer Untersuchung einen gerichtlichen Sachverständigen nicht daran hindern können, seine ärztliche Erfahrung in die Beurteilung einzubringen und in Verbindung mit den vorliegenden Befunden daraus zu schließen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für einen gewissen Zeitraum gegeben sind. Daraus ist abgeleitet worden, dass die Funktionsbestimmung gerade im Kindes- und Kleinkindalter unsicher sein könne und dass am besten entsprechende Nachuntersuchungen erfolgen sollten (z. B. Rohrschneider, Augenärztliche Begutachtung im sozialen Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht und bei Blindheit, in: MedSach, 1/2012, S. 9). Bereits hieraus wird aber deutlich, dass die Sachlagen nicht vergleichbar sind. Zwar ist auch vorliegend eine genauere Untersuchung nicht möglich. Der Senat hat jedoch in der damaligen Entscheidung auf eine rückschauende Beurteilung und die später gewonnenen Erkenntnisse, d. h. die später erhobenen genaueren Befunde abgestellt. Solche liegen im streitgegenständlichen Fall aber gerade nicht vor.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

I.

Auf die Berufung wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Augsburg vom 18. Dezember 2012 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten in beiden Rechtszügen sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist, ob die Klägerin einen Anspruch auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) hat.

Für die 1968 geborene Klägerin sind ein GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen B, G, H und RF festgestellt (Bescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales vom 28.11.2006). Dabei ist ein Einzel-GdB von 100 für die Gesundheitsstörung Rosazea mit Hornhaut- und Lidbefall, Sehminderung beidseits festgesetzt worden.

Am 17.10.2011 stellte die Klägerin beim Beklagten Antrag auf Blindengeld. Der Beklagte holte einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes Dr. R. vom 02.11.2011 ein und wertete einen Bericht der Augenklinik des Universitätsklinikums B-Stadt, Prof. Dr. L., vom 26.09.2011 aus.

Mit Bescheid vom 30.11.2011 lehnte der Beklagte den Antrag ab, da die Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht vorlägen; nach den vorliegenden Unterlagen betrage die Sehschärfe der Klägerin auf beiden Augen 0,12 (6/50). Gesichtsfeldeinschränkungen seien nicht nachgewiesen und nicht in einem anspruchsbegründenden Ausmaß wahrscheinlich.

Hiergegen erhob die Klägerin am 09.12.2011 Widerspruch. Diesen begründete sie damit, dass sie seit ca. drei Jahren an Diabetes erkrankt sei und nicht wisse, wie sich dieser auf ihre Augen auswirke. Auch habe sie in letzter Zeit bemerkt, dass sich ihr restliches Sehvermögen nochmals verschlechtert habe. Weitere Ermittlungen führte der Beklagte soweit ersichtlich nicht durch. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.02.2012 wies er den Widerspruch als unbegründet zurück. Im Fall der Klägerin sei der Visuswert von 0,12 maßgeblich. Bei einer Sehschärfe von mehr als 0,1 wie vorliegend sei Blindheit nur dann anzunehmen, wenn das Gesichtsfeld eingeengt sei und die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5 Grad vom Zentrum entfernt sei, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50 Grad unberücksichtigt blieben. Hinweise auf eine Gesichtsfeldeinengung über 5 Grad würden aus den vorliegenden Unterlagen, so der Beklagte, nicht hervorgehen.

Am 26.03.2012 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie darauf hingewiesen, dass ihre Sehschärfe auf dem rechten Auge 1/40 und auf dem linken Auge 1/24 betrage; somit liege der Visus - so die Klägerin [fälschlich, d. Verf.] - unter einer Sehstärke von 1/50.

Das SG hat einen Befundbericht des behandelnden Augenarztes C. vom 30.06.2012 und einen Bericht des Bundeswehrkrankenhauses B-Stadt, Klinik für Augenheilkunde, Prof. Dr. G., vom 25.06.2012 eingeholt. Der Augenarzt C. hat einen Visus von 1/35 rechts und 1/50 links festgehalten. Es bestünden beidseits konzentrische Gesichtsfeldeinschränkungen bis auf 20 Grad. Als Diagnosen hat der Arzt Hornhautnarben bei rezidivierender Rosazea-Keratitis beidseits mit erheblicher Visusverschlechterung festgestellt.

Sodann hat das Gericht Beweis erhoben durch ein ophthalmologisches Sachverständigengutachten von Dr. K. Die Fachärztin hat in ihrem Gutachten vom 23.08.2012 festgestellt, dass die Klägerin seit 10 Jahren an Entzündungen der vorderen Augenabschnitte erkrankt sei, die nach Angaben der Klägerin seit 2007 so zugenommen hätten, dass sich diese in fremder Umgebung nicht mehr bewegen, nicht mehr zusammenhängend lesen und ihren Haushalt nicht mehr selbst versorgen könne; in ihrem Beruf als Frisörin könne die Klägerin schon seit mehreren Jahren nicht mehr tätig sein. Die Erkrankung verlaufe schubweise.

Als Visuswerte hat die Sachverständige nur rechts 0,5/50 angegeben; Gläser würden nicht bessern. Aufgrund der Medientrübung sei eine objektive Refraktion nicht durchführbar. Bei der kinetischen Goldmannperimetrie (Reizmarke III/4) hätten sich folgende Werte ergeben:

- Rechtes Auge: ein etwas größeres Gesichtsfeld als 5 Grad, nasal oben, nasal unten und temporal.

- Linkes Auge: Hier seien die Angaben sehr unregelmäßig, da die Lichtmarke an vielen Stellen gar nicht erkannt worden sei; das Gesichtsfeld sei auf unter 5 Grad eingeschränkt angegeben worden.

Im Rahmen der übrigen Untersuchungen hat Dr. K. unter anderem angegeben, dass die Ishihara-Tafeln (Farbsehen) nicht erkannt worden seien. Im Hinblick auf die VEP (visuell evozierte Potenziale) hat die Sachverständige dargelegt, dass aufgrund des schlechten Sehvermögens das Gittermuster nicht sicher erkannt worden sei, so dass eine Schädigung des Sehnervens weder bewiesen noch ausgeschlossen werden könne.

Die Herabsetzung der zentralen Sehschärfe durch die starke Narbenbildung in der Hornhaut betrage beidseits unter 1/50. Die Gesichtsfeldeinschränkung sei erheblich, so dass aufgrund der heute erhobenen Befunde Anspruch auf Blindengeld bestehe. Über zurückliegende Zeiten könne nicht geurteilt werden.

Vom SG um eine Stellungnahme gebeten, hat der Beklagte weiterhin die Klageabweisung beantragt. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 21.09.2012 hat die Sozialmedizinerin Dr. P. darauf hingewiesen, dass der von Dr. K. angegebene Visus nicht plausibel sei, da die Muster-VEP rechts reproduzierbar gewesen seien, wofür eine Sehschärfe von 0,1 Voraussetzung sei. Ebenso wenig seien die Angaben der Sachverständigen zum Gesichtsfeld nachvollziehbar. Eine Einengung der Gesichtsfeldaußengrenzen auf 5 Grad Abstand vom Zentrum habe aber im Hinblick auf die weiteren Untersuchungsbefunde weder ein morphologisches Korrelat noch sei diese Einengung durch die Hornhauttrübung zu erklären. Es bestünden somit begründete Zweifel an den Angaben zum Gesichtsfeld, die auch durch das Ergebnis der ebenfalls durchgeführten Computerperimetrie erhärtet würden. Der Nachweis sei nicht erbracht.

Die Klägerin hat am 19.10.2012 hervorgehoben, dass sich ihr Augenleiden extrem verschlechtert habe; momentan sei sie ständig auf Begleitung angewiesen.

Im Auftrag des SG hat die Sachverständige Dr. K. am 29.10.2010 ergänzend Stellung genommen. Zunächst hat sie sich dafür entschuldigt, dass die Sehschärfe des linken Auges im Gutachten nicht angegeben worden sei; hier sei eine Sehschärfe von 0,5/50 festgestellt worden; Gläser hätten nicht gebessert. Das Gesichtsfeld sei sowohl statisch als auch kinetisch geprüft worden; die kinetische Goldmannperimetrie (Marke III/4) sei mit dem Oculus Twinfield Perimeter, das hierfür zugelassen sei, geprüft worden. Es sei kein Lichtpunkt auch bei langsamer Führung durch die Perimetristin vom rechten Auge außerhalb der 5-Grad-Grenze erkannt worden. Links seien drei Lichtpunkte bei 8 Grad Distanz vom Zentrum bei langsamster Führung erkannt worden. Die Angaben der Klägerin hätten bei der Untersuchung mit dem unsicheren Verhalten innerhalb der Praxis übereingestimmt. Entsprechend der aktuellen Forschung sei festzustellen, dass eindeutige Visuseinschätzungen durch Visus- und Muster-VEP nicht möglich seien.

In das Sehvermögen einer zu prüfenden Person gingen, so die Sachverständige, auch die Trübungen der brechenden Medien, die auch bei funktionierender Netzhaut ein ausreichendes Sehvermögen nicht mehr möglich machen würden, ein. Es sei nicht zulässig, in Einzelpunkten Restfunktionen des Sehvermögens anzuführen, die möglicherweise bei klarer Hornhaut ein viel besseres Sehvermögen erlauben würden.

Auch daraufhin hat der Beklagte weiter Klageabweisung beantragt. In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2012 hat die Sozialmedizinerin Dr. P. bestätigt, dass die nachgereichte Sehschärfe des linken Auges teilweise im Hinblick auf den morphologischen Befund plausibel sei. Die Zweifel an der angegebenen Sehschärfe rechts würden dagegen weiter aufrechterhalten. Dass durch Visus- und Muster-VEP eindeutige Visuseinschätzungen nicht möglich seien, sei bekannt und würde von versorgungsärztlicher Seite auch nicht behauptet. Es könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aber ausgeschlossen werden, dass bei einer Sehschärfe von weniger als 1/50 noch Muster-VEP abgeleitet werden könnten.

Bei einer augenärztlichen Begutachtung vom 27.12.2004 im Klageverfahren vor dem SG, Aktenzeichen S 11 SB 296/04, sei die Sehschärfe beidseits 0,1 gewesen, obwohl der morphologische Befund damals an der Hornhaut (zumindest rechts) schlechter gewesen sei. Im Hinblick auf die Untersuchungsergebnisse der Sachverständigen Dr. K. auch bezüglich der hinteren Augenabschnitte fehle nun eine plausible Erklärung für die um mehr als sieben Zeilen schlechtere Sehschärfe gegenüber dem Vorgutachten aus 2004. Im Übrigen sei anzumerken, dass bei Ableitung der VEP auch Trübungen der brechenden Medien mit einbezogen würden (ebenso wie bei der Prüfung der Sehschärfe). Auch könne die sorgfältigste Gesichtsfeldprüfung unzutreffende Angaben nicht verhindern. Daher sei auf den morphologischen Befund abzustellen.

Zusammenfassend hat die Sozialmedizinerin Dr. P. die Gründe dargelegt, aus denen erhebliche Zweifel an den Angaben der Klägerin bestünden. Diese Zweifel hätten auch durch die ergänzenden Ausführungen der Sachverständigen nicht ausgeräumt werden können.

Sodann hat das SG die Beteiligten darüber informiert, dass es eine Entscheidung per Gerichtsbescheid beabsichtigte; die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Beklagte hat am 13.12.2012 bekundet, dass keine Bedenken hiergegen bestünden.

Mit Gerichtsbescheid vom 18.12.2012 hat das SG den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 30.11.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.02.2012 verurteilt, der Klägerin ab 01.08.2012 Blindengeld zu gewähren; im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Nach Durchführung der Beweisaufnahme, so das SG, stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Klägerin den Nachweis der Blindheit erbracht habe. Das SG hat sich insoweit der Sachverständigen Dr. K. angeschlossen. Die zentrale Sehschärfe sei durch die starke Narbenbildung in der Hornhaut beidseits auf unter 1/50 herabgesetzt; insoweit seien die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BayBlindG gegeben. Dass bei der Klägerin aufgrund der Ergebnisse der Muster-VEP-Untersuchung ein Visus auf dem rechten Auge von mindestens 0,1 bestehen solle, halte das SG nicht für plausibel, denn nach dem dokumentierten Verlauf der Sehminderung habe ab dem Jahr 2008 kein besserer Visus als 1/24 bestanden. Soweit im Befundbericht von Dr. R. ein beidäugiger Visus von 0,12 angenommen worden sei, könne dies angesichts eines korrigierten Visus links von 1/40 und rechts von 1/24 nicht nachvollzogen werden. Die Blindheit der Klägerin sei erst durch die Begutachtungsuntersuchung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, so dass ihr nach Art. 5 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG erst ab 01.08.2012 Blindengeld zustehe.

Hiergegen hat der Beklagte am 25.01.2013 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben und beantragt, gemäß § 199 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid durch einstweilige Anordnung auszusetzen. Zur Begründung der Berufung hat der Beklagte eine Reihe von gegen den Nachweis von Blindheit sprechenden Punkten vorgetragen, nämlich vor allem die ableitbaren Muster-VEP, das fehlende morphologische Korrelat für die angegebene Verschlechterung des Sehvermögens rechts (Visus) gegenüber Vorbefunden im Dezember 2004 und im Juni 2012 und die fehlende Erklärung für die von der Klägerin angegebene hochgradige Gesichtsfeldeinengung auf 5 Grad Abstand vom Zentrum (durch Medientrübung nicht erklärbar). Die Zweifel an den Angaben der Klägerin zum Sehvermögen seien daher erheblich. Der Beklagte hat beantragt, eine weitere Begutachtung gemäß § 106 SGG (in einer Augenklinik durch einen erfahrenen Gutachter) durchzuführen.

Mit Beschluss vom 14.03.2013 (Az.: L 15 BL 1/13 ER) hat der Senat die Vollstreckung aus dem Gerichtsbescheid ausgesetzt. Der Beklagte habe plausibel gemacht, dass nach dem Gutachten von Dr. K. verschiedene gravierende Widersprüche blieben.

Mit Beschluss vom 27.08.2013 hat der Senat der Klägerin für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt W. beigeordnet.

Dieser hat im Schriftsatz vom 27.03.2014 berichtet, dass sich nach aktueller Mitteilung der Klägerin ihr Augenleiden seit März 2013 weiter verschlechtert habe; die Klägerin leide jeden Monat unter der Entzündung eines Auges.

Im Folgenden hat das Gericht aktuelle Befundberichte behandelnder Ärzte (Augenarzt C. sowie Dr. F./Dr. S., Endokrinologiezentrum B-Stadt) eingeholt.

Im Auftrag des Gerichts hat Prof. Dr. E. am 11.12.2014 ein augenfachärztliches Sachverständigengutachten nach Untersuchung der Klägerin erstellt.

Beim Gutachter hat die Klägerin angegeben, „im Großen gar nichts mehr“ zu sehen; sie könne nur Umrisse schemenhaft erkennen. Ihre Sehschärfe sei seit längerer Zeit konstant und zunehmend schlechter geworden. Zu Hause komme sie gar nicht mehr zurecht und werde daher von ihren zwei Töchtern unterstützt.

Die Untersuchung des Augenhintergrundes durch Prof. Dr. E. hat für beide Augen jeweils einen identischen Befund ergeben, unter anderem eine randscharf begrenzte, vital gefärbte Papille - der Einblick sei aufgrund der Hornhauttrübungen deutlich reduziert; die Makula scheine flach zu sein; Netzhaut zirkulär stabil anliegend.

Im Gutachten sind folgende Visusbefunde erhoben worden (Ferne ohne Korrektur, mit Landoltringen): mit dem rechten Auge sowie linken Auge und auch beidäugig Fingerzählen. Als Kontaktlinsenvisus ist für das rechte und das linke Auge angegeben: weniger als 1/50 Meter Visus. Eine Messung der objektiven Refraktion sei nicht möglich gewesen.

Prof. Dr. E. hat an beiden Augen reproduzierbare Potenziale im Muster-VEP festgestellt, die Latenzen seien verlängert, die Amplituden im Normbereich gewesen.

Bei der mit dem Projektionshalbkugelperimeter nach Goldmann (Testmarke III/4) durchgeführten Gesichtsfeldprüfung hätten sich, so der Sachverständige, für jedes Auge folgende Außengrenzen ergeben: temporal 5 Grad, oben 5 Grad, nasal 5 Grad, unten 5 Grad.

Den Optokinetischen Nystagmus hat der Sachverständige mit der Catford-Trommel beidseits horizontal und vertikal auslösen können.

Aufgrund der Hornhautnarben an beiden Augen liege bei der Klägerin sicherlich eine sehr ausgeprägte Sehbehinderung vor; sie habe jedoch das Augenlicht nicht vollständig verloren.

Wegen den starken Diskrepanzen, auf die der Sachverständige in seinem Gutachten näher eingegangen ist, zwischen den klinischen Bunden und den subjektiven klägerischen Angaben könne, so Prof. Dr. E., leider keine präzise Aussage über das Ausmaß der Sehbehinderung getroffen werden. Derzeit bestünden keine Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad, dass sie einer Beeinträchtigung von nicht mehr als 1/50 auf dem besseren Auge entsprechen würden.

Bei der Klägerin bestünden keine Hinweise auf zerebrale Schäden; es handle sich vielmehr um eine reine Augenerkrankung. Weitere Begutachtungen seien nicht erforderlich.

Auf das gerichtliche Schreiben vom 26.01.2015, in dem der Klägerseite angeraten worden ist, die Klage angesichts des Gutachtens von Prof. Dr. E. zurückzunehmen, hat der Bevollmächtigte auf Aussagen im Gutachten verwiesen, die von der Klägerin so nicht bestätigt werden könnten. So sei die Klägerin während der gesamten Begutachtung immer auf die Hilfestellung des Ehemanns angewiesen gewesen. Bei keinem Zusammentreffen, weder mit der Stationsärztin noch mit Prof. Dr. E., sei zur Begrüßung eine Hand gereicht worden. Weiter ist hervorgehoben worden, dass die Klägerin bis 2010 deutlich besser zurechtgekommen sei; die letzten Jahre gehe es ihr jedoch zunehmend schlechter. Schließlich hat die Klägerin über ihren Bevollmächtigten auf die seit zwei Jahren bestehenden Depressionen mit Panikattacken hingewiesen. Vor diesem Hintergrund solle an dem Verfahren festgehalten werden.

Der Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des SG vom 18.12.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Akten des Beklagten und des SG beigezogen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt dieser Akten und der Berufungsakte sowie der Akte des BayLSG Aktenzeichen L 15 BL 1/13 ER, die allesamt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Gründe

Mit Beschluss gemäß § 153 Abs. 5 SGG vom 16.03.2015 ist die Berufung dem Berichterstatter übertragen worden, so dass dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern zu entscheiden hat.

Die Berufung ist zulässig (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i. V. m. §§ 143, 151 SGG) und begründet.

Das SG hat zu Unrecht der Klage entsprochen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 30.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayBlindG v. 24.07.2013 (GVBl. Nr. 2013, 464) erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung dies vorsieht, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld. Dabei beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG die Formulierung „zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen“ keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (BSG, Urteile v. 26.10.2004, Az.: B 7 SF 2/03 R, und v. 11.08.2015, Az.: B 9 BL 1/14 R).

Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen,

1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt,

2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.

Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten.

Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe Teil A Nr. 6 VG):

aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,

ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,

gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.

Dass die Klägerin keinen Anspruch auf Blindengeld hat, weil ihr das Augenlicht vollständig fehlen würde (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG), ist offensichtlich und bedarf keiner weiteren Darlegungen.

Auch die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG sind nicht erfüllt. Denn es ist nicht zur Gewissheit des Senats dargelegt, dass die Sehschärfe der Klägerin entsprechend der gesetzlichen Vorgabe auf 1/50 (0,02) oder weniger herabgesunken wäre (Nr. 1 der genannten Vorschrift). Gleiches gilt für eine der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachtende Sehstörung (Nr. 2).

Wie der Senat wiederholt (vgl. z. B. Urteil vom 20.01.2015, Az.: L 15 BL 16/12) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92).

Daran, dass bei der Klägerin faktische Blindheit im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG vorliegen würde, hat der Senat erhebliche Zweifel.

Dies folgt aus dem Ergebnis der Beweisaufnahme. Der Senat stützt sich dabei insbesondere auf das überzeugende, fundierte und nachvollziehbar begründete Gutachten von Prof. Dr. E.. Der Gutachter hat auf ophthalmologischem Fachgebiet die bei der Klägerin vorliegenden (Seh-)Beeinträchtigungen vollständig erfasst und unter Beachtung der maßgeblichen Vorgaben - insbesondere auch der VG - zutreffend gewürdigt. Der Senat macht sich die Feststellungen des genannten Sachverständigen, die auch in Übereinstimmung mit der vorliegenden Befunddokumentation - von den Darlegungen der Gutachterin Dr. K. abgesehen - stehen, zu eigen.

Danach leidet die Klägerin am rechten Auge an Stabsichtigkeit (hoher irregulärer Astigmatismus) und an beiden Augen an Hornhauttrübungen mit Hornhautvaskularisationen bei Zustand nach mehrfacher Keratitis bei Rosazea; am linken Auge mehr als am rechten Auge ist zudem ein negativer Skiareflex mit Kontaktlinsen feststellbar.

Dass eine Sehschärfe der Klägerin von 1/50 (0,02) oder weniger nicht nachgewiesen ist, ergibt sich entsprechend den plausiblen Darlegungen von Prof. Dr. E. bereits ohne Weiteres aus den reproduzierbaren Potenzialen im VEP und dem ausgelösten Optokinetischen Nystagmus. Denn aufgrund dieser Untersuchungsergebnisse ist nach der sachverständigen Feststellung eine bessere Sehschärfe als 1/50 naheliegend. Gleichwohl hat die Klägerin bei der klinischen Untersuchung als Sehschärfe nur Fingerzählen angegeben. Aus augenärztlicher Sicht liegen, wie Prof. Dr. E. ausdrücklich klargestellt hat, starke Diskrepanzen zwischen den objektiven Befunden und den subjektiven Angaben der Klägerin vor. Ein Ansatzpunkt für eine Erklärung, weshalb trotz der reproduzierbaren Potenziale und dem auslösbaren Optokinetischen Nystagmus eine so schlechte bzw. aufgehobene Sehschärfe bestehen sollte, findet sich nicht. Einen solchen hat auch weder die Klägerin noch das SG in seinem Gerichtsbescheid aufgezeigt.

In der Gesichtsfelduntersuchung durch Prof. Dr. E. hat sich an beiden Augen der Klägerin eine Einengung der Gesichtsfeldaußengrenzen mit einer horizontalen und vertikalen Ausdehnung des Gesichtsfelds von 10 Grad gezeigt. Wie der Sachverständige zutreffend darauf hingewiesen hat, hätte die Klägerin bei einer angegebenen Sehschärfe von (nur) Fingerzählen (binokular und monokular) die Testmarke III/4 jedoch gar nicht sehen können. Dies unterstreicht erneut die Diskrepanz zwischen den subjektiven Angaben und dem objektiven Untersuchungsbefund, aufgrund deren nach der überzeugenden Darlegung des Gutachters keine präzise Aussage über das Ausmaß der Sehbehinderung der Klägerin getroffen werden kann. Dies gilt im Übrigen auch hinsichtlich der Frage, ob vorliegend wegen eines speziellen Krankheitsbilds die Annahme von Blindheit auch außerhalb der Fallgruppen der VG bzw. der Richtlinien der DOG ausnahmsweise möglich ist (Fall der faktischen Blindheit außerhalb der normierten Fallgruppen, vgl. Urteil des Senats vom 31.01.2013, Az.: L 15 BL 6/07), was Prof. Dr. E. im Ergebnis ausdrücklich verneint hat.

Gewisse Zweifel im Hinblick auf den Blindheitsnachweis hat der Senat ferner auch wegen der vom Sachverständigen geschilderten Verhaltensbeobachtung. Jedoch kommt dieser Beobachtung keine entscheidende Bedeutung zu. Zwar sind, wie der Senat bereits ausdrücklich entschieden hat (vgl. Urteil vom 31.01.2013, a. a. O.), gerade in komplexen ophthalmologischen Problemlagen Plausibilitätskontrollen unabdingbar; dies gilt sowohl hinsichtlich nicht richtlinienkonformer Untersuchungsmethoden (vor allem Untersuchungen, die nicht mit dem Goldmann-Perimeter - Reizmarke III/4 - oder mit Landoltringen - Fernvisus - entsprechend den Vorgaben der VG bzw. der DOG durchgeführt worden sind) als auch für Verhaltensbeobachtungen (a. a. O.). Gerade bei Diskrepanzen ist kein Grund ersichtlich, der es verbieten würde, die Plausibilität von subjektiven Angaben zu hinterfragen. Den zusätzlichen Untersuchungsmethoden und Kontrollen darf nach der genannten Rechtsprechung des Senats (a. a. O.) keine (alleinige) Beweiskraft zugemessen werden. Wie der Beklagte jedoch zutreffend in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 29.11.2012 hervorgehoben hat, erlaubt eine Verhaltensbeobachtung grundsätzlich nur eine grobe Einschätzung des Sehvermögens. Sie ist nicht geeignet, mit der erforderlichen Zuverlässigkeit zwischen einer hochgradigen Sehbehinderung und einer Blindheit im Sinne des BayBlindG zu differenzieren.

Aus den vom Gutachter und von der Klägerseite (unterschiedlich) geschilderten Tatsachen, dass sich die Klägerin im Raum gut orientieren habe können, alleine den Untersuchungsstuhl gefunden, die Hand zur Begrüßung zielsicher reichen habe können bzw. dass der Fuß der Klägerin beim Hinsetzen auf den Behandlungsstuhl zwischen Stuhl und Boden gerutscht und die Klägerin beinahe gefallen sei und dass sie in jedem Behandlungsraum vom Personal an die Hand genommen etc. worden sei, ist somit kein rechtssicherer Rückschluss auf das exakte Sehvermögen der Klägerin möglich.

Ein anderes Ergebnis des Verfahrens folgt auch nicht aus dem ophthalmologischen Sachverständigengutachten von Dr. K., welches das SG eingeholt hat. Denn dieses Gutachten leidet an einer Reihe von deutlichen Mängeln, so dass aus ihm nach Auffassung des Senats kein Nachweis einer Blindheit erwachsen kann. So findet sich im Gutachten zu zentralen Widersprüchlichkeiten keine Stellungnahme. Unter anderem waren trotz der von der Gutachterin festgestellten stark reduzierten Sehschärfe (auch) bei Dr. K. (rechts) VEP reproduzierbar (hierzu vgl. oben die Darlegungen von Prof. Dr. E.). Zudem gibt es, worauf der Beklagte plausibel und überzeugend darauf hingewiesen hat, für die von der Klägerin bei der Begutachtung durch Dr. K. angegebene hochgradige Gesichtsfeldeinengung auf 5 Grad Abstand vom Zentrum bei unauffälliger Sehnervenscheibe und peripher anliegender Netzhaut kein morphologisches Korrelat. Auf dieses Argument ist die Sachverständige (im Übrigen auch in ihrer ergänzenden Stellungnahme) nicht eingegangen. Für die angegebene Verschlechterung des Visus rechts im Verlauf hat Dr. K. ebenfalls keine plausible Erklärung aufgezeigt. Wie der Beklagte zudem zutreffend dargelegt hat, hat sich die Sachverständige auch nicht mit der hohen Rate falsch negativer Fangfragen bei der von ihr ergänzend durchgeführten Computerperimetrie als Ausdruck unzuverlässiger Angaben auseinandergesetzt. Schließlich fehlt in ihrem Gutachten eine Verhaltensbeobachtung völlig.

Für den Senat steht außer Frage, dass bei der Klägerin - vor allem aufgrund der Hornhautnarben an beiden Augen - eine sehr ausgeprägte Sehbehinderung vorliegt, was die sicherlich drastischen Beeinträchtigungen in ihrem Alltag erklärt. Maßgeblich für das vorliegende Verfahren ist jedoch, ob die Klägerin die Blindheitsschwelle im Sinne des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG über- bzw. unterschritten hat. Eine hochgradige Einschränkung des Sehvermögens genügt nicht. Auf den von der Klägerseite geschilderten Hilfebedarf (im Haushalt und bei Begleitung) kommt es also nicht entscheidend an.

Zusammenfassend ist festzustellen: Aus Sicht des Senats ist es zwar aufgrund der Begrenztheit der diagnostischen Möglichkeiten nicht völlig auszuschließen, dass das unzweifelhaft sehr deutlich beeinträchtigte Sehvermögen der Klägerin die genannte Blindheitsschwelle über- bzw. unterschritten haben könnte. Dafür fehlt es aber jedenfalls am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non liquet), so gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z. B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl., § 103, Rdnr. 19a, mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rspr.). Die Klägerin muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (beträchtliche) Ungewissheit bezüglich der für sie günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG trägt der sehbehinderte Mensch die objektive Beweislast.

Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Gesichtspunkte, die zu weiteren Ermittlungen hätten veranlassen müssen, sind nicht erkennbar. So besteht insbesondere keinerlei Anlass für die Erwartung, bei einer erneuten Untersuchung könnten nun die Diskrepanzen zwischen den objektiven Befunden und den subjektiven Angaben der Klägerin geklärt werden o. ä.

Die Berufung hat somit Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Zahlung von Blindengeld durch den Beklagten.

Die Entscheidung des SG ist aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 30.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.02.2012 abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).

Tenor

I.

Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. November 2012 wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch des Klägers auf Blindengeld nach dem Bayerischen Blindengeldgesetz (BayBlindG) streitig.

Der Kläger ist 2004 geboren. Mit Bescheid vom 08.07.2009 wurden vom Beklagten ein GdB von 100 sowie die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Merkzeichen „G“, „aG“, „B“, „H“ und „RF“ festgestellt.

Am 06.03.2009 stellte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, Antrag auf Blindengeld beim Beklagten. Im Verwaltungsverfahren wertete der Beklagte die vorgelegten Unterlagen aus, wie den Bescheid der M. Pflegekasse vom 13.06.2008 bezüglich der Feststellung der Pflegestufe III und eine Reihe von medizinischen Berichten.

* Im Bericht der Klinik für Neuropädiatrie und neurologische Rehabilitation, Epilepsiezentrum für Kinder und Jugendliche, Behandlungszentrum V., vom 25.08.2008 wurde darauf hingewiesen, dass die Grunderkrankung des Klägers nicht geklärt sei, es wurden vorsichtige Modifikationen der derzeitigen antiepileptischen Therapie empfohlen. Der Kläger wurde dort wegen fortschreitender geistiger Entwicklungsretadierung mit sprachlichem Schwerpunkt, fortschreitender Ataxie, Hypotonie und orofacialer Hypotonie sowie symptomatischer Epilepsie behandelt. Im Bericht wurde eine augenärztliche Untersuchung vom 08.07.2008 erwähnt, die ergeben hatte, dass eine Fixation beidseits nur auf große Objekte und Licht möglich sei; die Motilität sei frei, es seien kein Drift der Augen gesehen worden und auch kein Nystagmus, „keine Blickparese nach unten, weiterhin Visusminderung beidseits.“ Im Bericht wurden weiter objektive Refraktionswerte angegeben und die Empfehlung, zu versuchen, eine Brille zu tragen, ausgesprochen. * In der Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde des UKR vom 21.08.2008 wurde der Verdacht auf Visusminderung im Rahmen eines Symptomkomplexes bisher unklarer Äthiologie als Diagnose festgestellt. Im Rahmen der Befunderhebung wurde festgestellt, dass keine Fixation aufgenommen worden sei, der Kläger habe jedoch zum Teil nach Gegenständen gegriffen. * Im Bericht der F-Klinik (Kinder- und Jugendmedizin) vom 08.04.2009 wurden die Diagnosen lokalisationsbezogene fokale partielle symptomatische Epilepsie und epileptische Syndrome mit komplexen fokalen Anfällen, schwere psychomotorische Retadierung bei unklarer Grunderkrankung und langzeitige Abhängigkeit vom Rollstuhl und Stuhlinkontinenz gestellt. Die Krampfanfälle seien eher unverändert geblieben, „jedoch gebesserte Motorik und Verhalten“, so dass nach früheren Rückschritten jetzt wieder eine Verbesserung eingetreten sei. Im Rahmen des Aufnahmebefundes wurde u. a. festhalten, dass mit dem Kläger wenig Kontaktaufnahme möglich sei.

Sodann fertigte die Augenärztin L. am 26.05.2009 im Auftrag des Beklagten ein Gutachten an. Die Ärztin stellte fest, dass beim Kläger eine Epilepsie und eine Entwicklungsstörung vorliegen würden. Nach Angaben der Mutter sei der Kläger als gesundes Kind geboren worden und habe auch erste Worte sprechen können, als die Anfälle begonnen hätten und damit ein Rückschritt im Entwicklungsstand des Klägers eingesetzt habe. Im Rahmen der Befunderhebung schilderte die Ärztin, dass der Kläger keinerlei Folgebewegungen (mit den Augen) gemacht habe, es sei zu keinem Zeitpunkt der Versuch einer Fixationsaufnahme erfolgt. Es lasse sich keine Reaktion erkennen auf Abdunkeln und plötzliches Erleuchten des Raumes, helles Licht im dunklen Raum, auf bewegte Personen, auf bewegte bunte oder schwarze Gegenstände oder auf schnelle angreifende Handbewegungen auf das Gesicht zu. Ausschließlich das bei der direkten und indirekten Fundusuntersuchung extrem helle Licht löse Abwehr in Form von Kneifen aus, sei aber auch hier nicht stark ausgeprägt. Soweit feststellbar, scheine das Abwehrverhalten bei Blendung des linken Auges etwas stärker als rechts, hier drehe der Kläger den Kopf etwas zur Seite. Als Diagnose stellte die Augenärztin eine generalisierte Störung der Hirnfunktion mit Störung aller Sinnesmodalitäten. Es lasse sich keine stärkere Beeinträchtigung des visuellen Systems im Vergleich zu den anderen Sinnesqualitäten feststellen. Damit sei Blindheit im Sinne des BayBlindG nicht nachgewiesen. Vielmehr sei neben dem gleichermaßen ausgeprägten Fehlen adäquater Reaktionen auf visuelle, akustische oder taktile Reize auch ein Fehlen einiger Reflexe feststellbar sowie eine anormale Pupillen- und Bulbusmotilität, was auf eine Hirnstammbeteiligung schließen lasse.

Nach einer versorgungsärztlichen Stellungnahme lehnte der Beklagte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 24.06.2009 den Blindengeldantrag ab. Nach dem o.g. augenärztlichen Gutachten und dem Bericht der F-Klinik liege beim Kläger eine schwere psychomotorische Retardierung bei unklarer Grunderkrankung vor, wobei sich eine generalisierte Störung der Hirnfunktion mit Störung aller Sinnesmodalitäten gezeigt habe. Das visuelle System sei im Vergleich zu den anderen Sinnesqualitäten nicht stärker beeinträchtigt. Morphologisch fänden sich an den Augen keine Befunde, die Blindheit beweisen oder nahelegen würden. Blindheit im Sinne des BayBlindG sei daher nicht nachgewiesen.

Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seine Eltern, am 11.07.2009 Widerspruch ein. Im Widerspruchsverfahren wurden eine Reihe von weiteren ärztlichen Berichten ausgewertet. Im Arztbrief des Behandlungszentrums V. vom 25.04.2008 wurde u. a. der Normalbefund einer MRT vom August 2006 und eines cCT vom November 2007 festgehalten. Im craniellen MRT von Februar und April 2008 fanden sich im Wesentlichen unauffällige Befunde, lediglich die Weite der Liquorräume war betont. Im Rahmen der Messung visuell evozierter Potentiale (VEP) wurde auf eine schlechte Morphologie und schlechte Reproduzierbarkeit hingewiesen sowie auf verzögerte Reizleitungen. Es habe sich der Hinweis auf eine beidseitige Funktionsstörung der Sehbahn, links mehr als rechts, ergeben. Eine augenärztliche Untersuchung, so der Bericht, habe zunächst einen unauffälligen Befund ergeben. Für eine Woche habe der Kläger fast ausschließlich nach oben geblickt und die Augen nur selten in die Mittellinie bringen können.

In der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 10.09.2009 wurde von der Ärztin Dr. P. festgestellt, dass (faktische) Blindheit im Sinne des BayBlindG nicht nachgewiesen sei. Eine spezifische Sehstörung liege nicht vor. Der morphologische Befund an den Augen sei weitgehend unauffällig gewesen; Fixationsaufnahmen oder Folgebewegungen hätten nicht ausgelöst werden können etc. Das Kind reagiere jedoch ebenso wenig auf andere Reize. U. a. hat die Ärztin darauf hingewiesen, dass sich in der Bildgebung (MRT) weder umschriebene Veränderungen ischämischer, raumfordernder oder entzündlicher Natur gefunden hätten noch Allgemeinveränderungen der Hirnrinde (lediglich Weite der Liquorräume betont). Eine umschriebene oder abgrenzbare Schädigung im Bereich von Sehbahn bzw. Sehrinde sei somit nicht belegt.

Daraufhin wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.09.2009 den Widerspruch als unbegründet zurück. Beim Kläger, so die Begründung, liege eine generalisierte, fortschreitende psychomotorische Retardierung, verbunden mit einem hirnorganischen Anfallsleiden, vor. Ob neben der zerebralen Schädigung auch Blindheit oder eine andere Blindheit gleichzuachtende Sehstörung vorliege, habe nicht festgestellt werden können. Mitwirkungsabhängige Untersuchungen des Visus und des Gesichtsfeldes seien aufgrund des Gesundheitszustands des Klägers bei der augenärztlichen Untersuchung am 26.05.2009 nicht durchführbar gewesen. Morphologisch habe sich an den Augen kein Befund gefunden, der Blindheit beweisen oder nahelegen könne, so dass sich der objektive Nachweis von Blindheit im Sinne des Gesetzes nicht erbringen lasse. Nachdem beim Kläger klinisch nicht nur eine Störung des Sehens, sondern generell ein schwerer Entwicklungsrückstand vorliege, sei zu prüfen, ob faktische Blindheit als Folge einer Hirnschädigung in Kombination mit einer Schädigung der Augen bestehe. Beim Kläger sei die Wahrnehmung aber nicht nur im visuell/optischen Bereich herabgesetzt, das fehlende Sehvermögen sei vielmehr eingebettet in eine umfassende Wahrnehmungsstörung und könne nicht von der schwerstgradigen seelischgeistigen und körperlichen Behinderung abgegrenzt werden.

Hiergegen hat der Kläger, vertreten durch seine Eltern, am 12.10.2009 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass nach der gegebenen Tatsachenlage eine der Blindheit gleich zu achtende Sehstörung gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG zum Antragszeitpunkt aufgrund der schwerwiegenden zerebralen Schädigungen vorgelegen habe und dass die auf anderen Feldern der Sinneswahrnehmung verbliebenen Fähigkeiten nicht so weit herabgesetzt seien, dass der Leistungsunterschied zur fehlenden visuellen Modalität unbeachtlich wäre. Er hat u. a. hervorgehoben, dass der Kläger keinerlei Folgebewegungen gemacht habe und dass zu keinem Zeitpunkt der Versuch einer Fixationsaufnahme erfolgt sei. Somit müsse davon ausgegangen werden, dass die visuelle Wahrnehmungsfähigkeit so stark herabgesetzt sei, dass nicht einmal eine Lichtscheinwahrnehmung vorhanden sei. Die Feststellung, dass die übrigen Sinneswahrnehmungen ebenso stark reduziert seien, sei unzutreffend.

Mit Schreiben vom 26.05.2011 hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass nach den Gesamtumständen beim Kläger Blindheit im Sinne des Gesetzes vorliege; er hat ein augenärztliches Attest von Frau Dr. C. vom 12.04.2011 vorgelegt. Die Augenärztin hat in dem Attest ebenfalls berichtet, dass keine Fixation aufgenommen werde und der Kläger keinerlei Reaktion auf Lichtreize gezeigt habe. Morphologisch sei, soweit beurteilbar, ein regelrechter Befund gegeben.

Im Folgenden hat das SG zahlreiche medizinische Unterlagen eingeholt bzw. ausgewertet. In einem Attest des Kinderarztes Dr. L. vom 20.07.2011 ist bestätigt worden, dass es sich um eine bisher unklare Grunderkrankung handele. Im Entlassungsbericht des Klinikums C. vom 27.12.2006 ist im Rahmen der Anamneseerhebung festgehalten worden, dass der Kläger im September in Erlangen gewesen sei, wo seine Brille korrigiert worden sei; seitdem hätte sich eine deutliche Besserung in der Motorik ergeben. Im Bericht des Sozialpädiatrischen Zentrums C. vom 04.08.2006 sind als Diagnosen u. a. Hyperopie, Schielfehlsichtigkeit, Brillenversorgung, Abkleben gestellt worden. Seit einem Jahr sei der Kläger wegen Schielens mit einer Brille versorgt. In der zusammenfassenden Beurteilung ist u. a. hervorgehoben worden, dass die „deutliche visuelle Beeinträchtigung“ die Entwicklung des Klägers sicher verlangsamt bzw. eingeschränkt habe. Im Bericht vom 02.09.2008 ist der Verdacht auf eine zentrale Hör- und Sehminderung geäußert worden. Der Kläger reagiere im Rahmen der dortigen Untersuchung nur sicher auf intensive Farben; Blickkontakt sei dem Kläger immer nur kurz möglich. Ein Verfolgen sei ihm nur ansatzweise möglich. Im Bericht vom 11.11.2008 sind als Diagnose u. a. allgemeine einschließlich kognitive Entwicklungsstörung mit Hinweis auf einen neurodegenerativen Verlauf sowie Verdacht auf epileptische Encephalopathie mit beginnender Hirnatrophie festgehalten worden. Der Kläger zeige im Verlauf Entwicklungsrückschritte. Im Befundbericht der Augenärztin Dr. C. vom 20.09.2011 sind Strabismus convergens, Hyperopie, Astigmatismus und Verdacht auf kortikale Blindheit festgestellt worden. Seit Juli 2007 sei eine Verschlechterung des Allgemeinzustands eingetreten; damals sei noch eingeschränkte Kooperation möglich gewesen, derzeit erfolge keinerlei Reaktion.

Sodann hat das Gericht Prof. Dr. G. mit der Erstellung eines ophthalmologischen Sachverständigengutachtens beauftragt (§ 106 Sozialgerichtsgesetz - SGG). In seinem Gutachten vom 11.07.2012 hat Prof. Dr. G. geschildert, dass der Kläger während der gesamten Untersuchung im Rollstuhl gesessen sei und keinerlei Blickkontakt aufgenommen habe. Während der Untersuchung sei die Angabe der Eltern bestätigt worden, dass der Kläger auf Geräusche reagiere. Sobald der Kläger am Kopf berührt werde, z. B. im Rahmen einer Untersuchung, werde der Kopf gezielt nach unten im Sinne einer Abwehrreaktion geneigt. Die Stimme der Eltern und insbesondere der durch Streicheln entstehende Körperkontakt wirkten beruhigend auf den Kläger.

Der Gutachter hat für beide Augen folgenden Befund erhoben: „Die Lider sind in Form, Stellung und Beweglichkeit regelrecht. Die Bindehaut ist reizfrei. Die Hornhaut ist glatt, klar, spiegelnd. Die Vorderkammer ist mittelschief, optisch leer. Die Regenbogenhaut ist reizfrei, regelrecht gefügt. Die Pupille ist rund, mittelweit, nur angedeutete und unvollständige Reaktion auf kräftigen Lichtreiz, bei indirektem Lichtreiz (durch Beleuchtung des linken Auges) ebenfalls angedeutete konsensuelle Reaktion. Die Linse ist am Ort, klar, keine Verdichtung oder Trübung.“

Den Augenhintergrund hat der Gutachter wie folgt beurteilt: Der Sehnervenkopf sei regelrecht gefärbt mit kleiner zentraler Aushöhlung, im Netzhautniveau scharf begrenzt. Die Stelle des schärfsten Sehens zeige einen regelrechten Reflex. Die Gefäße seien in Verlauf und Kaliber regelrecht. Die Netzhaut liege, soweit einsehbar, überall an.

Eine Sehschärfeprüfung hat der Sachverständige nicht durchführen können. Weder im hellen noch im abgedunkelten Raum sei eine eindeutige Reaktion auf Licht erfolgt. Auch starkes Beleuchten mit der Bonnoskoplampe direkt auf das Auge, selbst bei schneller Annäherung der Lichtquelle, löse keinerlei Reaktion aus. Phasenweise scheine ein Lidschluss auslösbar. Fixationsaufnahme, Blickkontakt oder Auslösen von Folgebewegungen seien nicht möglich gewesen. Soweit beurteilbar, bestehe bei der Augenbeweglichkeit keine grobe Einschränkung. Die Pupillen seien beide mittelweit und reagierten nur angedeutet auf direkte Beleuchtung. Eine Gesichtsfeldprüfung hat der Sachverständige nicht durchgeführt.

Im Rahmen der Beurteilung hat Prof. Dr. G. festgestellt, dass der Kläger das Augenlicht somit nicht vollständig verloren habe. Die Reaktion des Klägers auf visuelle Reize hänge nicht ausschließlich vom Befund des Sehnervs, der Sehbahn und dem dargebotenen visuellen Reiz ab, sondern von höheren Zentren, die das, was der Kläger mit den Augen aufnehme, weiter verarbeiteten. Diese Zentren seien ohne Zweifel durch seine Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen. Summa summarum würde man, so der Sachverständige, eine hochgradige Beeinträchtigung des Sehvermögens vermuten. Der Gutachter hat aber nicht feststellen können, ob das Sehvermögen des Klägers einem Visus von 1/50 oder weniger entspricht. Eine visuelle Agnosie in ihrer typischen Form oder eine andere gnostische Störung in isolierter Form lägen nicht vor. Vielmehr scheine die Wahrnehmung auf allen Gebieten herabgesetzt bzw. massiv beeinträchtigt zu sein, wobei das visuelle System stärker betroffen sei als beispielsweise das taktile oder akustische, ohne dass dies in Zahlen ausgedrückt werden könne.

Auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts hat der Sachverständige weiter festgestellt, dass zur Beantwortung der Beweisfragen ausschließlich die klinische Untersuchung eingesetzt worden sei. Messmethoden wie ein VECP seien beim Kläger nicht anwendbar. Die klinische Untersuchung könne dahingehend verifiziert werden, dass sie von anderen Untersuchern wiederholt werde. Er, der Gutachter, persönlich gewichte die Sehstörung, die beim Kläger vorliege, als so komplex und ausgeprägt, dass er sie mit einer faktischen Erblindung vergleichen würde.

Mit Schriftsatz vom 30.07.2012 hat der Bevollmächtigte seine Einschätzung wiedergegeben, dass beim Kläger offenkundig ein Grenzfall vorliege, bei dem sich selbst die Experten äußerst schwer täten, zu einem gesicherten wissenschaftlichen Ergebnis zu kommen. Aufgrund der gutachterlichen Einschätzung teile die Klägerseite die mittlerweile geäußerte Auffassung des SG nicht, wonach der Vollbeweis der Erblindung nicht zu führen sei. Er, der Bevollmächtigte, komme zu dem Ergebnis, dass für die Experten mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer faktischen Erblindung auszugehen sei. Auch wenn dies wörtlich nicht so formuliert werde, müsse dieses Ergebnis im Wege der Auslegung der gutachterlichen Ausführungen angenommen werden.

Mit Gerichtsbescheid vom 28.11.2012 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nach Überzeugung des Gerichts der Blindheitsnachweis nach Ausschöpfung aller Erkenntnisquellen nicht geführt werden könne. Eine hinreichende Beeinträchtigung der Sehschärfe sei nach dem Gutachten von Prof. Dr. G. im Hinblick auf die Feststellung von Restfunktionen des Sehvermögens nicht gegeben. Nicht zu folgen vermöge das SG der Äußerung des Gutachters, dass die Sehstörung einer faktischen Erblindung entspreche. Eine spezifische Sehstörung sei vorliegend nicht gegeben, ein Ermessen dem SG nicht eröffnet.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 27.12.2012 Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) erhoben. Zur Begründung der Berufung hat der Bevollmächtigte im Wesentlichen darauf verwiesen, dass sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. G. nach klägerischer Auffassung Blindheit im Sinne des BayBlindG ergebe. Es handle sich um eine „andere Störung des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG, so dass diese Beeinträchtigung einer Sehschärfe gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 BayBlindG von 1/50 gleichzuachten sei. So sei das Gutachten von Prof. Dr. G. zu verstehen. Eine faktische Blindheit werde dort bejaht, dies werde durch die Verwendung des Wortes „würde“ nicht in Zweifel gezogen. Weiter hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass eine der Blindheit gleichzusetzende Sehbeeinträchtigung nicht nur in den vom SG aufgeführten Fällen, sondern auch dann vorliege, wenn diese Kriterien nicht nachweisbar seien. In jedem Einzelfall sei zu prüfen, ob die Sehstörung nach ihrem Schweregrad als gleichschwere Beeinträchtigung zu bewerten sei. Bei der Blindheitsbeurteilung dürften nämlich nicht nur Sehschärfe und Gesichtsfeld herangezogen werden, sondern es müssten alle Störungen des Sehvermögens Berücksichtigung finden. Weiter hat der Bevollmächtigte auf das Urteil des BSG vom 20.07.2005 (Az.: B 9a BL 1/05 R) hingewiesen.

In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 25.04.2013 ist vom Beklagten vor allem darauf hingewiesen worden, dass in der Funktionsfähigkeit der verschiedenen Sinnesmodalitäten keine deutlichen Unterschiede bestehen würden. Weitere Untersuchungen, so die Ärztin Dr. P., seien im Hinblick auf die bisherigen aussagekräftigen Unterlagen nicht erforderlich und würden wohl auch keine neuen Erkenntnisse ergeben. (Faktische) Blindheit sei weiterhin nicht nachgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 09.04.2014 hat der Bevollmächtigte darauf hingewiesen, dass die Feststellung von Frau Dr. L. in krassem Widerspruch zu den Feststellungen von Prof. Dr. G. stehe; die Augenärztin habe zu dem Kläger keinen Zugang gefunden. Die gutachterliche Stellungnahme der Ärztin könne aufgrund der mangelhaft durchgeführten Untersuchung im Prozess nicht verwendet werden. Seit Sommer 2013 gehe es dem Kläger wieder zunehmend besser; so könne er mit einer geringfügigen Unterstützung jetzt wieder sitzen und versuche wieder, sich lautierend mitzuteilen. U. a. ist zudem darauf hingewiesen worden, dass eine Lehrkraft des Klägers bestätigen könne, dass bei diesem eine Wahrnehmungsfähigkeit deutlich vorhanden sei.

Im Folgenden ist das Berufungsverfahren wegen des Parallelverfahrens des Senats Aktenzeichen L 15 BL 5/11 und des sich beim Bundessozialgericht (BSG) anschließenden Revisionsverfahrens (Az.: B 9 BL 1/14 R) nicht weitergeführt worden. Auf gerichtliche Aufforderung hin hat sich der Beklagte dann mit Schriftsatz vom 29.02.2016 zum Verfahren mit Blick auf das zwischenzeitlich ergangene Revisionsurteil des BSG vom 11.08.2015 (Az.: B 9 BL 1/14 R) wie folgt geäußert: Entsprechend den Unterlagen des Behandlungszentrums V. und der Kinderklinik des Klinikums C. aus 2008 leide der heute elfjährige Kläger an einem Symptomenkomplex bisher unklarer Äthiologie mit fortschreitender geistiger Entwicklungsretardierung. Schwerpunkte seien sprachliche, fortschreitende Ataxie und Hypotonie sowie symptomatische Epilepsie. Alle Untersuchungen - einschließlich Stoffwechseldiagnostik und Bildgebung des Schädels - würden, so Dr. P., unauffällige Befunde zeigen. Bei dieser Befundlage könne nach Auffassung des Beklagten eine Sehstörung, die einer Erblindung gleichgesetzt werden könnte, nicht nachgewiesen werden. Die seit etwa dem zweiten Lebensjahr einsetzende Entwicklungsverzögerung mit Verschlechterung sowohl der motorischen als auch der kognitiven Funktionen habe in erster Linie das Sprachvermögen, den Gleichgewichtssinn und den Musekltonus betroffen, die Verarbeitung externer, vor allem taktiler, akustischer und visueller Reize sei erst im fortgeschrittenen Stadium bei Schädigung der höheren Hirnfunktionen zunehmend beeinträchtigt. Um das Ausmaß einer Sehbehinderung bestimmen zu können, müssten das Sehvermögen und die visuelle Wahrnehmung untersuchbar sein, was voraussetze, dass eine reproduzierbare Kommunikation möglich sei, z. B. in Form einer Ja-Nein-Kommunikation. Wenn jemand aufgrund schwerer Bewusstseinsstörungen nicht untersuchbar sei, könne die Frage, ob Blindheit vorliege, nicht beantwortet werden. Die Differenzierung zwischen Erkennen und Benennen sei im Urteil des BSG vom 11.08.2015 (a. a. O.) für obsolet erklärt worden. Für die Feststellung von Blindheit würden dagegen unverändert die Vorgaben der VG gelten, wonach der morphologische Befund die Sehstörung erklären oder zumindest in vernünftiger Weise sehr wahrscheinlich machen müsse. Zudem müsse eine Erkrankung vorliegen, die Blindheit verursachen könne. Beide Kriterien seien im Fall des Klägers nicht gegeben. Das BSG habe weiter den Grundsatz der objektiven Beweislast und das Fehlen von Beweiserleichterungen beim Blindheitsnachweis bekräftigt. Zusammenfassend sei festzustellen, dass vorliegend keine Blindheit gegeben sei.

Am 14.04.2016 hat der Bevollmächtigte erklärt, dass die Berufung nicht zurückgenommen werde. Alle entsprechenden Stellungnahmen (insbesondere der Ärztin L. sowie die versorgungsärztlichen Stellungnahmen) würden das Vorliegen einer Blindheit mit Verweis auf die nicht vorhandene besondere Betroffenheit des Sehsinns negieren. Gleichzeitig würden aber als Grundlage dieser Stellungnahmen Untersuchungsergebnisse herangezogen, die lediglich basale Reaktionen im Bereich des Sehens beschreiben würden. Zudem hat der Bevollmächtigte erneut auf die Einschätzung des Gutachters Prof. Dr. G. verwiesen. Blindheit sei damit spätestens ab dem Zeitpunkt der Gutachtenserstellung durch den genannten Sachverständigen nachgewiesen.

Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 28.11.2012 sowie den Bescheid des Beklagten vom 24.06.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.09.2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger ab März 2009 Blindengeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten des Berufungs- und des erstinstanzlichen Verfahrens, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, verwiesen.

Gründe

Die Berufung ist zulässig (Art. 7 Abs. 3 BayBlindG i. V. m. §§ 143, 151 SGG), jedoch nicht begründet. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger blind im Sinne des BayBlindG ist und ihm deshalb ab dem Monat der Antragstellung Blindengeld zusteht. Dies hat das SG zu Recht verneint. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 24.06.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Gemäß Art. 1 Abs. 1 BayBlindG in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des BayBlindG v. 24.07.2013 (GVBl. S. 464) erhalten blinde Menschen, soweit sie ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in Bayern haben oder soweit die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl L 166 S. 1, ber. ABl L 200 S. 1, 2007 ABl L 204 S. 30) in der jeweils geltenden Fassung dies vorsieht, zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen auf Antrag ein monatliches Blindengeld. Dabei beinhaltet nach der Rechtsprechung des BSG, an die sich der Senat gebunden fühlt, die Formulierung „zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehraufwendungen“ keine eigenständige Anspruchsvoraussetzung, sondern umschreibt lediglich die allgemeine Zielsetzung der gesetzlichen Regelung (Urteil vom 26.10.2004, Az.: B 7 SF 2/03 R).

Blind ist, wem das Augenlicht vollständig fehlt (Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG). Als blind gelten gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 2 BayBlindG auch Personen, 1. deren Sehschärfe auf dem besseren Auge nicht mehr als 1/50 beträgt, 2. bei denen durch Nr. 1 nicht erfasste Störungen des Sehvermögens von einem solchen Schweregrad bestehen, dass sie der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachten sind.

Vorübergehende Sehstörungen sind nicht zu berücksichtigen. Als vorübergehend gilt ein Zeitraum bis zu sechs Monaten. Eine der Herabsetzung der Sehschärfe auf 1/50 (0,02) oder weniger gleichzusetzende Sehstörung im Sinn des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayBlindG liegt, den Richtlinien der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft (DOG) folgend, bei folgenden Fallgruppen vor (siehe Teil A Nr. 6 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze - VG, Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung):

aa) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,033 (1/30) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 30° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

bb) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,05 (1/20) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfeldes in keiner Richtung mehr als 15° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

cc) bei einer Einengung des Gesichtsfeldes, wenn bei einer Sehschärfe von 0,1 (1/10) oder weniger die Grenze des Restgesichtsfelds in keiner Richtung mehr als 7,5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

dd) bei einer Einengung des Gesichtsfelds, auch bei normaler Sehschärfe, wenn die Grenze der Gesichtsfeldinsel in keiner Richtung mehr als 5° vom Zentrum entfernt ist, wobei Gesichtsfeldreste jenseits von 50° unberücksichtigt bleiben,

ee) bei großen Skotomen im zentralen Gesichtsfeldbereich, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und im 50°-Gesichtsfeld unterhalb des horizontalen Meridians mehr als die Hälfte ausgefallen ist,

ff) bei homonymen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und das erhaltene Gesichtsfeld in der Horizontalen nicht mehr als 30° Durchmesser besitzt,

gg) bei bitemporalen oder binasalen Hemianopsien, wenn die Sehschärfe nicht mehr als 0,1 (1/10) beträgt und kein Binokularsehen besteht.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Blindengeld. Zwar steht die Tatsache, dass bei ihm zerebrale Schäden vorliegen, der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen. Auch steht dem nicht im Wege, dass eine spezifische Störung des Sehvermögens im Hinblick auf andere Sinnesmodalitäten fraglich ist. Doch sind die vorstehend genannten Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen.

1. Beim Kläger liegt nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme eine Einschränkung aller Sinnesfunktionen aufgrund zerebraler Beeinträchtigung vor. Nach der Rechtsprechung des BSG (Entscheidungen vom 31.01.1995, Az.: 1 RS 1/93, 26.10.2004, Az.: B 7 SF 2/03 R, 20.07.2005, Az.: B 9a BL 1/05 R, und 11.08.2015, Az.: B 9 BL 1/14 R) stehen auch zerebrale Schäden, die - für sich allein oder im Zusammenwirken mit Beeinträchtigungen des Sehorgans - zu einer Beeinträchtigung des Sehvermögens führen, der Annahme von Blindheit nicht grundsätzlich entgegen. Diese Festlegung wird in der Literatur begrüßt (vgl. Braun/Zihl, Der Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 2015, S. 81, 82), wenngleich auch - zu Recht - auf sich hierdurch ergebende gravierende Schwierigkeiten in der Praxis bzgl. des Blindheitsnachweises aufmerksam gemacht wird (a. a. O.).

2. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens besteht beim Kläger eine hochgradige Einschränkung aller Sinnesfunktionen (vgl. das o.g. Gutachten von Prof. Dr. G.). Unklar bleibt, ob und inwieweit das visuelle System stärker betroffen ist als die anderen Sinnesmodalitäten. Hierauf kommt es jedoch nicht (mehr) an. Soweit das BSG in seiner bisherigen Rechtsprechung für den Blindengeldanspruch verlangt hatte, dass bei zerebralen Schäden eine spezifische Störung des Sehvermögens vorliegt, hat es im Urteil vom 11.08.2015 (a. a. O.) hieran nicht mehr festgehalten. Zur Aufgabe dieser Rechtsprechung hat sich das BSG aufgrund von Erkenntnisschwierigkeiten sowie unter dem Aspekt der Gleichbehandlung veranlasst gesehen (vgl. näher a. a. O.). Ebenfalls aufgegeben in der genannten Entscheidung hat das BSG die in der früheren Rechtsprechung getroffene Unterscheidung zwischen dem „Erkennen“ und dem „Benennen“ als so verstandene Teilaspekte bzw. Teilphasen des Sehvorgangs, da die Differenzierung gerade bei zerebral geschädigten Menschen vielfach medizinisch kaum nachvollzogen, d. h. die Ursache der Beeinträchtigung des Sehvermögens nicht genau bestimmt werden kann. Nach der Rechtsprechung des BSG ist für den Anspruch auf Blindengeld vielmehr allein entscheidend, ob es insgesamt an der Möglichkeit zur Sinneswahrnehmung „Sehen (optische Reizaufnahme und deren weitere Verarbeitung im Bewusstsein des Menschen) fehlt, ob der behinderte Mensch blind ist“.

Der Senat fühlt sich an diese (neue) Rechtsprechung des BSG gebunden.

Die bestehende Unsicherheit hinsichtlich des Vorliegens einer spezifischen Sehstörung hindert vorliegend die Annahme eines Blindengeldanspruchs also nicht.

3. Beim Kläger ist Blindheit jedoch nicht nachgewiesen.

Es liegt weder Lichtlosigkeit gemäß Art. 1 Abs. 2 Satz 1 BayBlindG vor noch sind die Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 und 2 BayBlindG erfüllt. Es ist nicht zur Gewissheit des Senats dargelegt, dass der Kläger das Augenlicht vollständig verloren hätte oder dass die Sehschärfe des Klägers entsprechend der gesetzlichen Vorgabe auf 1/50 (0,02) oder weniger herabgesunken wäre (Nr. 1 der genannten Vorschrift). Gleiches gilt für eine der Beeinträchtigung der Sehschärfe nach Nr. 1 gleichzuachtende Sehstörung (Nr. 2).

Wie der Senat wiederholt (vgl. z. B. Urteil vom 20.01.2015, Az.: L 15 BL 16/12) unterstrichen hat, sind nach den Grundsätzen im sozialgerichtlichen Verfahren die einen Anspruch begründenden Tatsachen grundsätzlich im Vollbeweis, d. h. mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachzuweisen (vgl. BSG, Urteil vom 15.12.1999, Az.: B 9 VS 2/98 R). Für diesen Beweisgrad ist es zwar nicht notwendig, dass die erforderlichen Tatsachen mit absoluter Gewissheit feststehen. Ausreichend, aber auch erforderlich ist indessen ein so hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass bei Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens kein vernünftiger, den Sachverhalt überschauender Mensch mehr am Vorliegen der Tatsachen zweifelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.06.2000, Az.: B 9 VG 3/99 R), d. h. dass die Wahrscheinlichkeit an Sicherheit grenzt (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.1993, Az.: 9/9a RV 1/92).

Wie der Beklagte zutreffend annimmt, hat sich durch die neue Rechtsprechung des BSG (a. a. O.) an der Erforderlichkeit der Prüfung, ob die visuellen Fähigkeiten des Betroffenen (nun: optische Reizaufnahme und Verarbeitung etc.) unterhalb der vom BayBlindG vorgegebenen Blindheitsschwelle liegen, nichts geändert. Nach der Rechtsprechung des Senats kam es schon bisher in den Fällen umfangreicher zerebraler Schäden auf das Erfordernis einer spezifischen Störung des Sehvermögens nicht (mehr) an, wenn bereits Zweifel am Vorliegen von Blindheit bestanden (Urteil vom 27.11.2013, Az.: L 15 BL 4/11). Der Blindheitsnachweis muss somit auch weiterhin erbracht werden (vgl. Braun, Neue Regeln für den Blindheitsnachweis bei zerebralen Funktionsstörungen, in: MedSach 2016, S. 134, 135: keine allgemeine „Entwarnung“).

a) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Kläger den Nachweis nicht führen, dass sein Sehvermögen unterhalb der gesetzlichen Blindheitsschwelle liegt. Dies ergibt sich bereits ohne Weiteres aus dem - mit Ausnahme der vom Sachverständigen getroffenen „persönlichen Einschätzung“ plausiblen - Gutachten vom Prof. Dr. G. vom 11.07.2012. Der Senat macht sich die getroffenen sachverständigen Feststellungen (mit der genannten Ausnahme) zu eigen. Entsprechend den nachvollziehbaren Darlegungen von Prof. Dr. G. hat der Kläger das Augenlicht nicht vollständig verloren, was sich bereits aus Untersuchungen mit dem Bonnoskop ergeben hat. Nach den plausiblen Darlegungen des Sachverständigen kann nicht zweifelsfrei geklärt werden, ob die Beeinträchtigungen des Klägers so groß sind, dass sie selektiv das Sehvermögen so weit herabsetzen, dass dieses einem Visus von 1/50 oder weniger entspricht. Wie Prof. Dr. G. im Einzelnen dargelegt hat, ist die Angabe einer Sehschärfe des Klägers - auch eines Näherungswertes - und somit eine Einschätzung des Sehvermögens nicht sicher möglich. Die eingeschränkte Pupillenmotorik des Klägers legt eine hochgradige Sehbeeinträchtigung nahe; allerdings ist entsprechend den Feststellungen des Gutachters der Sehnerv auf beiden Augen vital und zeigt keinerlei Zeichen einer Atrophie. Eine direkte Läsion des Sehnervs oder eine solche der hinteren Sehbahn als alleinige Ursache für eine Visusherabsetzung ist sehr unwahrscheinlich, weil eine Läsion dort, wie Prof. Dr. G. plausibel dargestellt hat, durch eine sogenannte transsynaptische Degeneration zu einer Aufhellung des Sehnervs führen würde, die beim Kläger aber nicht zu erkennen ist. Wegen der aufgehobenen bzw. stark beeinträchtigten Kooperationsbereitschaft des Klägers ist eine Klärung des Sehvermögens durch den Einsatz von Messverfahren nicht möglich. Somit beruht die Einschätzung des Sehvermögens ausschließlich auf Reaktionen des Klägers auf angegebene Optotypen oder Lichtreize. Dies ist jedoch nicht ausreichend, um mit Sicherheit sagen zu können, ob das Sehvermögen 1/50 oder weniger oder vielleicht auch ein 1/20 oder weniger beträgt, wie der Sachverständige ausdrücklich klargestellt hat. Somit kann der Blindheitsnachweis nicht geführt werden, da eine Quantifizierung und Qualifizierung des Sehvermögens an den allgemeinen Beeinträchtigungen des Klägers und auch an den weiteren vorliegenden medizinischen Besonderheiten scheitert.

Hinzu kommt, dass, wie aufgrund des Gesamtergebnisses der Beweisaufnahme feststeht, kein objektiver Strukturbefund gegeben ist, der die massive Sehstörung bzw. eine mögliche Blindheit des Klägers erklären könnte. Wie der Beklagte zudem zutreffend darauf hingewiesen hat, gilt Entsprechendes auch für eine plausible Grunderkrankung, die zu einer Aufhebung des Sehvermögens führen würde.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger gezeigten Sehleistungen. Der Klägerseite ist durchaus zuzugestehen, dass vorliegend lediglich Untersuchungsergebnisse gegeben sind, die im Wesentlichen nur basale Reaktionen im Bereich des Sehens beschreiben. Der Rückschluss der Klägerseite hieraus, der Kläger könne auch nur noch diese basalen Reaktionen zeigen, weil er zu weiteren visuellen Leistungen nicht (mehr) in der Lage sei, ist jedoch unzulässig. Denn, worauf auch der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, „eine fehlende oder nicht adäquate Reaktion auf optische Reize“ kann „nur dann als Beleg für Blindheit gewertet werden, wenn bei erhaltener - teilweiser - Untersuchbarkeit eine zuverlässige reproduzierbare Kommunikation mit dem sehbehinderten Menschen möglich ist“ (vgl. Braun, a. a. O., S. 134). Für den Senat bleibt letztlich nicht aufklärbar, auf welchen Ursachen die sehr eingeschränkten Reaktionen im Bereich des Sehens beruhen; auf den fehlenden morphologischen Befund ist bereits hingewiesen worden.

Der Blindheitsnachweis ist im Übrigen auch keineswegs durch die abschließende Äußerung des Sachverständigen in seinem Gutachten geführt, er persönlich gewichte die Sehstörung des Klägers als so komplex und ausgeprägt, dass er sie mit einer faktischen Erblindung vergleichen würde. Diese „persönliche Einschätzung“, die bereits per se unzulässig ist, beruht nämlich auf der falschen, ausdrücklich geäußerten Annahme, die Frage nach einer Erblindung sei eine „reine Ermessensfrage“. Auch wenn dies sicherlich nicht im juristischen Sinn gemeint gewesen sein dürfte, so geht sie doch von der falschen Grundannahme aus, dass das Herabsinken des Sehvermögens unter die gesetzlich normierte Blindheitsschwelle des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG auch anhand sonstiger, nicht genau definierter Kriterien bestimmt bzw. angenommen werden könne. Dies ist unzutreffend.

Zwar hat der Senat in seinem Urteil vom 31.01.2013 (Az.: L 15 BL 6/07) im Einzelnen dargelegt, dass in besonderen Ausnahmefällen spezieller Krankheitsbilder die Annahme von Blindheit auch außerhalb der normierten Fallgruppen der VG (bzw. der Richtlinien der DOG) nicht von vornherein ausgeschlossen ist. Damit bedarf es in speziellen, seltenen Ausnahmefällen durchaus einer gewissen Wertung des medizinischen Sachverständigen, ob trotz der noch besseren Sehschärfe- und Gesichtsfeldwerte wegen zusätzlicher Einschränkungen der Sehleistung - also wegen der (nahezu) zwingenden Vergleichbarkeit des gemäß den gesetzlichen Vorgaben weitgehend eingeschränkten Visus/Gesichtsfelds einerseits mit der Situation von geringeren Einschränkungen (die jedoch immer noch erheblich sind) zuzüglich weiterer massiver Einschränkungen andererseits - der Fall des Art. 1 Abs. 2 Satz 2 Ziff. 2 BayBlindG gegeben ist.

Ein solcher Fall liegt hier aber gerade nicht vor. Denn die Voraussetzungen für die Annahme von Blindheit ausnahmsweise außerhalb der normierten Fallgruppen der VG bzw. DOG sind vorliegend nicht gegeben. Sie bestehen nämlich vor allem darin, dass die (Nicht-)Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des Art. 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 BayBlindG geklärt ist, dass also feststeht, ob das Sehvermögen unter die normierten Werte herabgesunken ist bzw. welche Werte im Einzelnen erreicht werden. So liegt es vorliegend jedoch gerade nicht, da, wie oben im Näheren dargelegt, nicht mit Sicherheit gesagt werden kann, welches Sehvermögen der Kläger überhaupt hat. Es genügt jedoch nicht, dass nur feststeht, dass der Kläger ein sehr schlechtes Sehvermögen hat. Dies würde den vom bayerischen Gesetzgeber gemachten und von den VG bzw. den sachverständigen Festlegungen der DOG konkretisierten Vorgaben (s.o.) widersprechen. Der Gesetzgeber hat gerade keine hochgradige Sehbehinderung mit Werten unterhalb der hier maßgeblichen Grenze ausreichen lassen (kein Blindengeld für „beinahe blinde Menschen“). Die Wertung des Sachverständigen betrifft vorliegend also gar nicht die zusätzliche Berücksichtigung spezieller, weiterer Sehbeeinträchtigungen, sondern die Visus- und Gesichtsfeldwerte selbst. Dies ist nach der o.g. Rechtsprechung des Senats aber nicht zulässig.

Im Übrigen widerspricht die persönliche Gewichtung von Prof. Dr. G. - unabhängig von den eben aufgezeigten Aspekten bezüglich der Senatsrechtsprechung vom 31.01.2013 (a. a. O.) - seiner eigenen unmissverständlichen Feststellung, dass das Ausmaß der Sehbeeinträchtigung des Klägers eben nicht genau festgestellt werden kann.

b. Auch eine visuelle Verarbeitungsstörung ist nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 11.08.2015, a. a. O.) ist jedenfalls in den Fällen zerebraler Schäden ferner auch zu prüfen, ob die Fähigkeit zur „Verarbeitung im Bewusstsein“ des sehbehinderten Menschen beeinträchtigt bzw. aufgehoben ist. Ein solcher Nachweis kann vorliegend ebenfalls nicht geführt werden. Auch insoweit fehlt das morphologische Korrelat. Zudem ergibt auch das klinische Bild des Klägers vorliegend keine Belege und vor allem keinen sicheren Nachweis dafür, dass das Vermögen des nicht bewusstlosen Klägers, visuelle Reize zu verarbeiten, aufgehoben wäre. Insbesondere kann nicht sicher geklärt werden, weshalb der Kläger nur auf Lichtreize (schwach) reagiert. Neben einer visuellen Verarbeitungsstörung können auch sonstige Ursachen hierfür maßgeblich sein. Für den Senat liegen insoweit eine mangelnde Kooperationsbereitschaft (Motivationsstörung), worauf der Sachverständige hingewiesen hat, bzw. Defizite in den kognitiven Bereichen der Aufmerksamkeit (Wachsamkeit und Konzentration) und Gedächtnis als Ursachen sehr nahe (vgl. Braun/Zihl, a. a. O.).

Somit sind keine sicheren Anhaltspunkte für eine Verarbeitungsstörung gegeben, was im Hinblick auf die (weitgehend) unklare Grundproblematik der schweren Gesundheitsstörungen des Klägers nicht überrascht.

Aus Sicht des Senats ist es zwar nicht auszuschließen, dass der Kläger die Blindheitsschwelle des Art. 1 Abs. 2 BayBlindG unterschritten hat. Dafür fehlt es aber jedenfalls am notwendigen Beweis. Kann das Gericht bestimmte Tatsachen trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten nicht feststellen (non liquet), so gilt - wie oben bereits erwähnt - der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen (vgl. z. B. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/ders., SGG, 11. Aufl., § 103, Rdnr. 19a, mit Nachweisen der höchstrichterlichen Rspr.). Der Kläger muss daher nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast die Folgen tragen, dass eine (große) Ungewissheit bezüglich der für ihn - rechtlich, d. h. für den geltend gemachten Anspruch - günstigen Tatsachen verblieben ist. Denn für das Vorliegen der Voraussetzungen der Blindheit gemäß Art. 1 Abs. 2 BayBlindG trägt der sehbehinderte Mensch die objektive Beweislast. Beweiserleichterungen gelten vorliegend nicht (vgl. Urteil des BSG vom 11.08.2015, a. a. O.; ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. auch Braun, a. a. O.).

Der Senat hat alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft. Gesichtspunkte, die zu weiteren Ermittlungen hätten veranlassen müssen, sind nicht erkennbar. Auch die Klägerseite hat die Auffassung vertreten, dass offenkundig keine weiteren Aufklärungsmöglichkeiten bestehen (Schriftsatz vom 20.07.2012).

Diesem vorliegend gefundenen Ergebnis steht auch nicht die frühere Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 27.11.1997, Az.: L 15 BL 10/96) entgegen. Damals hat der Senat einem Kleinkind, bei dem naturgemäß eine genaue Untersuchung nicht möglich war und das später eine Sehschärfe von 0,3 erreicht hat, Blindengeld zugesprochen. Er hat in der Begründung ausgeführt, dass die fehlenden Möglichkeiten apparativer Untersuchung einen gerichtlichen Sachverständigen nicht daran hindern können, seine ärztliche Erfahrung in die Beurteilung einzubringen und in Verbindung mit den vorliegenden Befunden daraus zu schließen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für einen gewissen Zeitraum gegeben sind. Daraus ist abgeleitet worden, dass die Funktionsbestimmung gerade im Kindes- und Kleinkindalter unsicher sein könne und dass am besten entsprechende Nachuntersuchungen erfolgen sollten (z. B. Rohrschneider, Augenärztliche Begutachtung im sozialen Entschädigungs- und Schwerbehindertenrecht und bei Blindheit, in: MedSach, 1/2012, S. 9). Bereits hieraus wird aber deutlich, dass die Sachlagen nicht vergleichbar sind. Zwar ist auch vorliegend eine genauere Untersuchung nicht möglich. Der Senat hat jedoch in der damaligen Entscheidung auf eine rückschauende Beurteilung und die später gewonnenen Erkenntnisse, d. h. die später erhobenen genaueren Befunde abgestellt. Solche liegen im streitgegenständlichen Fall aber gerade nicht vor.

Die Berufung ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Auf Antrag des Versicherten, des behinderten Menschen, des Versorgungsberechtigten oder Hinterbliebenen muß ein bestimmter Arzt gutachtlich gehört werden. Die Anhörung kann davon abhängig gemacht werden, daß der Antragsteller die Kosten vorschießt und vorbehaltlich einer anderen Entscheidung des Gerichts endgültig trägt.

(2) Das Gericht kann einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen, oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.