Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Nov. 2016 - L 11 AS 799/16 B ER

published on 25/11/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 25. Nov. 2016 - L 11 AS 799/16 B ER
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Sozialgericht Bayreuth, S 4 AS 789/16, 07/11/2016

Gericht

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Tenor

I.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Bayreuth vom 07.11.2016 - S 4 AS 789/16 ER - wird zurückgewiesen.

II.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I. Streitig ist im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens die Verfassungswidrigkeit des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 (BGBl. I 1824) bzw. ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung u. a. der diesem Gesetz zustimmenden Bundestagsabgeordneten.

Der Antragsteller (Ast), der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II) zuletzt aufgrund der Bescheide vom 31.05.2016 und 13.07.2016 für die Zeit vom 01.07.2016 bis 30.06.2017 bezieht, hat gegen dieses Gesetz eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben.

Zudem hat er beim Sozialgericht Bayreuth (SG) einstweiligen Rechtsschutz mit dem Antrag begehrt, die Gesetzesänderung des SGB II vom 01.08.2016 und 01.01.2017 als verfassungswidrig aufzuheben. Das SG hat diesen Antrag mit Beschluss vom 07.11.2016 als unzulässig verworfen. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei nicht eröffnet, es handle sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Für einen Anspruch auf Schadensersatz aus Amtspflichtverletzung sei der ordentliche Rechtsweg zu beschreiten.

Dagegen hat der Ast „Nichtzulassungs-Beschwerde“ zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Der Rechtsweg zu den Sozialgerichten sei eröffnet, zumal sich das BVerfG erst in der letzten Instanz als zuständig ansehe. Das SG sei als ordentliches Gericht zur Entscheidung über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz zuständig, die Amtspflichtverletzung und der begehrte Schadensersatz seien ebenso festzustellen, wie die Verfassungswidrigkeit des Gesetzes.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Akten des Antragsgegners (Ag) Bezug genommen.

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig. Dabei ist die vom Ast erhobene „Nichtzulassungs-Beschwerde“ als Beschwerde auszulegen. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Soweit der Ast die Feststellung der Verfassungswidrigkeit des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Sozialgesetzbuches - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht begehrt, handelt es sich (in der Hauptsache) um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit. Am Vorliegen einer Streitigkeit verfassungsrechtlicher Art kann jedenfalls dann kein Zweifel bestehen, wenn die Norm ein vom Parlament erlassenes Gesetz ist (Schenke/Ruthig in Kopp/Schenke, VwGO, 22. Aufl. 2016, § 40 Rn. 32g). Der Ast macht vorliegend auch nicht geltend, unter anderem durch einen aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Verwaltungsakt des Ag unmittelbar betroffen zu sein. Damit aber ist vorliegend der Rechtsweg zu den Sozialgerichten nicht eröffnet (§ 51 SGG i. V. m. § 40 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-). Unter Berücksichtigung der vom Ast direkt zum Bundesverfassungsgericht erhobenen Verfassungsbeschwerde ist zudem für den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz § 32 i. V. m. § 93d Abs. 2 Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) zu berücksichtigen. Für eine Zuständigkeit des SG fehlt es zudem an einem Hauptsacheverfahren, für das eine einstweilige Regelung zu treffen wäre, nachdem der Ast vorliegend nicht gegen einen vom Ag erlassenen Bescheid vorgeht oder ein anderweitiges Sozialrechtsverhältnis gegenüber dem Ag in diesem Verfahren streitig ist.

Soweit der Ast Anspruch auf Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung u. a. der dem Gesetz zustimmenden Bundestagsabgeordneten geltend macht, fehlt es ebenfalls an einem Hauptsacheverfahren, für das eine einstweilige Regelung zu treffen wäre. Zudem ist der Rechtsweg zu den Sozialgericht ebenfalls nicht eröffnet. Gemäß Art. 19 Abs. 4, 34 Grundgesetz (GG) i. V. m. § 40 Abs. 2 VwGO kann diesbezüglich der ordentliche Rechtsweg eröffnet sein, d. h. der Rechtsweg zu den Straf- bzw. Zivilgerichten, wobei der Ast vorliegend Schadensersatz wegen einer Amtspflichtverletzung von Bundestagsabgeordneten begehrt (für Schadensersatzansprüche wegen Amtspflichtverletzung von Bundestagsabgeordneten ist jedoch der Ag auf keinen Fall zuständig).

Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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published on 07/11/2016 00:00

Tenor I. Der Antrag vom 31.10.2016 auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Gründe I. Der Antragsteller wendet sich gegen die Gese
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Annotations

(1) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten

1.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Rentenversicherung einschließlich der Alterssicherung der Landwirte,
2.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der privaten Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch), auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden; dies gilt nicht für Streitigkeiten in Angelegenheiten nach § 110 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch aufgrund einer Kündigung von Versorgungsverträgen, die für Hochschulkliniken oder Plankrankenhäuser (§ 108 Nr. 1 und 2 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch) gelten,
3.
in Angelegenheiten der gesetzlichen Unfallversicherung mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der Überwachung der Maßnahmen zur Prävention durch die Träger der gesetzlichen Unfallversicherung,
4.
in Angelegenheiten der Arbeitsförderung einschließlich der übrigen Aufgaben der Bundesagentur für Arbeit,
4a.
in Angelegenheiten der Grundsicherung für Arbeitsuchende,
5.
in sonstigen Angelegenheiten der Sozialversicherung,
6.
in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts mit Ausnahme der Streitigkeiten aufgrund der §§ 25 bis 27j des Bundesversorgungsgesetzes (Kriegsopferfürsorge), auch soweit andere Gesetze die entsprechende Anwendung dieser Vorschriften vorsehen,
6a.
in Angelegenheiten der Sozialhilfe einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch und des Asylbewerberleistungsgesetzes,
7.
bei der Feststellung von Behinderungen und ihrem Grad sowie weiterer gesundheitlicher Merkmale, ferner der Ausstellung, Verlängerung, Berichtigung und Einziehung von Ausweisen nach § 152 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch,
8.
die aufgrund des Aufwendungsausgleichsgesetzes entstehen,
9.
(weggefallen)
10.
für die durch Gesetz der Rechtsweg vor diesen Gerichten eröffnet wird.

(2) Die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit entscheiden auch über privatrechtliche Streitigkeiten in Angelegenheiten der Zulassung von Trägern und Maßnahmen durch fachkundige Stellen nach dem Fünften Kapitel des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und in Angelegenheiten der gesetzlichen Krankenversicherung, auch soweit durch diese Angelegenheiten Dritte betroffen werden. Satz 1 gilt für die soziale Pflegeversicherung und die private Pflegeversicherung (Elftes Buch Sozialgesetzbuch) entsprechend.

(3) Von der Zuständigkeit der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nach den Absätzen 1 und 2 ausgenommen sind Streitigkeiten in Verfahren nach dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, die Rechtsbeziehungen nach § 69 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch betreffen.

(1) Der Verwaltungsrechtsweg ist in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeiten nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen sind. Öffentlich-rechtliche Streitigkeiten auf dem Gebiet des Landesrechts können einem anderen Gericht auch durch Landesgesetz zugewiesen werden.

(2) Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwahrung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben; dies gilt nicht für Streitigkeiten über das Bestehen und die Höhe eines Ausgleichsanspruchs im Rahmen des Artikels 14 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes. Die besonderen Vorschriften des Beamtenrechts sowie über den Rechtsweg bei Ausgleich von Vermögensnachteilen wegen Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte bleiben unberührt.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.