Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Nov. 2017 - L 11 AS 651/17

published on 14/11/2017 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Urteil, 14. Nov. 2017 - L 11 AS 651/17
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Tenor

I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 31.07.2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen den Geschäftsführer des Jobcenters B-Stadt wegen Willkürakten bzw. der Zulassung von Willkürakten seiner Mitarbeiter ihr gegenüber.

Die Klägerin bezieht Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) gemäß dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) vom Jobcenter B-Stadt, dessen Geschäftsführer der Beklagte ist. Zum Teil wurden Leistungen versagt, Einkommen angerechnet sowie der Eintritt von Sanktionen festgestellt. Gegen die einzelnen erlassenen Entscheidungen hat die Klägerin in der Regel Rechtsbehelfe und -mittel eingelegt.

Am 01.06.2017 hat sie beim Sozialgericht Köln, das die Klageschrift an das Sozialgericht Bayreuth (SG) weitergeleitet hat, Klage gegen den Beklagten als Geschäftsführer des Jobcenters B-Stadt erhoben. Er nehme Willkürakte vor bzw. lasse diese durch seine Mitarbeiter vornehmen. Nach Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2017 abgewiesen. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin eine Ausschließung des Beklagten vom Verfahren wegen der Besorgnis der Befangenheit begehre. Gemäß § 56 a Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) könnten Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Gemäß § 17 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) könne im Rahmen des jeweiligen Verwaltungsverfahrens auch der Leiter einer Behörde bzw. der Geschäftsführer wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die Klage gegen den Beklagten sei daher unzulässig.

Dagegen hat die Klägerin Berufung am Bayer. Landessozialgericht (LSG) erhoben. Sie weise den Gerichtsbescheid vom 31.07.2017 unwiderruflich zurück. Seit 08.05.1945 gebe es keine Staatsgerichte mehr.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 31.07.2017 aufzuheben und den Beklagten wegen der Besorgnis der Befangenheit von Verfahren ihr gegenüber auszuschließen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Akten des Jobcenters B-Stadt sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.07.2017 als unzulässig abgewiesen, wobei offengelassen werden kann, ob der Erlass eines Gerichtsbescheides zulässig ist, wenn unklar ist, welchen Antrag die Klägerin stellt. Nachdem sie sich jedoch im Berufungsverfahren nicht zu dem vom SG „sinngemäß“ ausgelegten Antrag geäußert hat, ist davon auszugehen, dass die Auslegung des Begehrens der Klägerin durch das SG zutreffend war, zumal es das einzig (noch) sinnvoll ausgelegte Begehren ist, das den Ausführungen der Klägerin im Rahmen der Klageerhebung entspricht. Von sachfremden Erwägungen oder einer groben Fehleinschätzung bei der Entscheidung des SG, per Gerichtsbescheid zu entscheiden, ist daher nicht auszugehen, ein Ermessensfehlgebrauch ist nicht zu erkennen (vgl. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/ Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 105 Rn. 25).

Gemäß § 56 a Satz 1 SGG können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen diese Entscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Vorliegend lehnt die Klägerin den Beklagten wegen seiner Willkürakte bzw. der Zulassung von Willkürakten durch seine Mitarbeiter ab. Dies ist als Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit des Beklagten auszulegen. Eine solche Ablehnung kann jedoch nicht zum Gegenstand eines eigenständigen Klageverfahrens gemacht werden. Vielmehr ist der Antrag auf Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit gemäß § 17 SGB X im jeweiligen Verwaltungsverfahren (rechtzeitig) zu stellen und dann ggf. im Rahmen der Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmitteln gegen die Sachentscheidung geltend zu machen. Zur weiteren Begründung wird auf die Ausführungen des SG zusätzlich Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

Annotations

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält. Bei den Geschäftsführern der Versicherungsträger tritt an die Stelle der Aufsichtsbehörde der Vorstand.

(2) Für Mitglieder eines Ausschusses oder Beirats gilt § 16 Abs. 4 entsprechend.

Gegen die Urteile der Sozialgerichte findet die Berufung an das Landessozialgericht statt, soweit sich aus den Vorschriften dieses Unterabschnitts nichts anderes ergibt.

(1) Die Berufung bedarf der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluß des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes

1.
bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 Euro oder
2.
bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 Euro
nicht übersteigt. Das gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

(2) Die Berufung ist zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Landessozialgericht ist an die Zulassung gebunden.

(4) Die Berufung ist ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt.

(1) Die Berufung ist bei dem Landessozialgericht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

(2) Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem Sozialgericht schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird. In diesem Fall legt das Sozialgericht die Berufungsschrift oder das Protokoll mit seinen Akten unverzüglich dem Landessozialgericht vor.

(3) Die Berufungsschrift soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

(1) Liegt ein Grund vor, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen, oder wird von einem Beteiligten das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet, hat, wer in einem Verwaltungsverfahren für eine Behörde tätig werden soll, den Leiter der Behörde oder den von diesem Beauftragten zu unterrichten und sich auf dessen Anordnung der Mitwirkung zu enthalten. Betrifft die Besorgnis der Befangenheit den Leiter der Behörde, trifft diese Anordnung die Aufsichtsbehörde, sofern sich der Behördenleiter nicht selbst einer Mitwirkung enthält. Bei den Geschäftsführern der Versicherungsträger tritt an die Stelle der Aufsichtsbehörde der Vorstand.

(2) Für Mitglieder eines Ausschusses oder Beirats gilt § 16 Abs. 4 entsprechend.

(1) Für das Verfahren vor den Landessozialgerichten gelten die Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug mit Ausnahme der §§ 91, 105 entsprechend, soweit sich aus diesem Unterabschnitt nichts anderes ergibt.

(2) Das Landessozialgericht kann in dem Urteil über die Berufung von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.

(3) Das Urteil ist von den Mitgliedern des Senats zu unterschreiben. Ist ein Mitglied verhindert, so vermerkt der Vorsitzende, bei dessen Verhinderung der dienstälteste beisitzende Berufsrichter, dies unter dem Urteil mit Angabe des Hinderungsgrunds.

(4) Das Landessozialgericht kann, außer in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1, die Berufung durch Beschluß zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind vorher zu hören. § 158 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5) Der Senat kann in den Fällen des § 105 Abs. 2 Satz 1 durch Beschluss die Berufung dem Berichterstatter übertragen, der zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheidet.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.