Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 29. Apr. 2015 - L 7 AS 248/15 B ER
Gericht
Principles
Tenor
I.
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts München
II.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Bf.) begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom
Der Bf. erhält vom Bg. seit Jahren Leistungen nach dem SGB II mit seiner mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden nunmehr elfjährigen Tochter. Eingliederungsbemühungen des Bg. in den Arbeitsmarkt lehnt der Bf. unter Hinweis auf die Verantwortung für seine Tochter beharrlich ab. Regelmäßig verweigert er den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung und wendet sich dann gegen den nach Ablehnung der Eingliederungsverwaltungsaktes vom Bg. erlassenen Eingliederungsverwaltungsakt (so zuletzt auch im ebenfalls im Senat anhängigen Verfahren L 7 AS 806/14 betreffend den Zeitraum bis Mitte Januar 2015).
Nach einem Gesprächstermin am
- „Unternehmen von mindestens acht Bewerbungen im Monat, wobei sämtliche Stellenangebote (befristet, unbefristet, Teilzeit, Vollzeit) zu berücksichtigen sind.
- Benutzung der Medien Internet, Gelbe Seiten, lokale Printmedien zur Stellensuche.
- Verpflichtung zur Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge des Jobcenters innerhalb von drei Tagen.
- Verpflichtung zum Führen und regelmäßigen Vorlage einer Bewerbungsnachweisliste.
- Pauschale Erstattung der Bewerbungskosten durch den Bg. in Höhe von 5,00 EUR bei schriftlicher Bewerbung und 0,50 EUR bei Online-Bewerbung.“
Der Eingliederungsverwaltungsakt enthält eine Rechtsfolgenbelehrung, wo die Gesetzeslage dargestellt ist in Hinblick darauf, was bei Verstößen gegen die Eingliederungsverwaltungsakt im konkreten Einzelfall an Sanktionen möglich ist.
Am 12.03.2015 legte der Bf. Widerspruch beim Bg. ein und beantragte gleichzeitig beim Sozialgericht München die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs.
Mit Beschluss vom 27.03.2015 lehnte das Sozialgericht München den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz ab.
Bei der gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) vorzunehmenden Interessenabwägung sei zunächst von der Wertung des § 39 Nr. 1 SGB II auszugehen, wonach der Gesetzgeber aufgrund einer typisierenden Abwägung der Individual- und öffentlichen Interessen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug prinzipiell Vorrang gegenüber entgegenstehenden privaten Interessen einräumt. Eine Abweichung von diesem Regel- Ausnahmeverhältnis komme nur in Betracht, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides bestünden oder wenn ausnahmsweise besondere private Interessen überwiegen. Unter Berücksichtigung dieses Maßstabes sei der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Eingliederungsverwaltungsaktes bestünden nicht.
Der Eingliederungsverwaltungsakt sei formell rechtmäßig, insbesondere mache die Rechtsfolgenbelehrung den Eingliederungsverwaltungsakt nicht rechtswidrig. Die Rechtsfolgenbelehrung sei konkret und verständlich, auch wenn die aus dem Eingliederungsverwaltungsakt resultierenden Pflichten des Bf. nicht „vereinbart“ worden seien, wie es die Formulierung im Eingliederungsverwaltungsakt ausdrückt; es gehe aus der Belehrung eindeutig hervor, welche Rechtsfolgen den Antragsteller bei Verstoß gegen den Eingliederungsverwaltungsakt erwarten. Eine falsche Wortwahl zwischen Eingliederungsvereinbarung und Eingliederungsverwaltungsakt könne nach Ansicht des Gerichts die Rechtsfolgenbelehrung nicht unverständlich machen. Auch die Tatsache, dass in der Rechtsfolgenbelehrung die bei einer Pflichtverletzung drohenden Sanktionen nicht nach ihrer Höhe in Eurobeträgen beziffert sind, mache diese nicht rechtsfehlerhaft. Nach einer Pflichtverletzung werde der Leistungsberechtigte ohnehin nochmals angehört und entsprechend belehrt.
Die geforderte Anzahl von monatlich acht Bewerbungen sei eine zulässige Regelung im Sinne von § 15 Abs. 2 Nr. 2 SGB II. Nach der Rechtsprechung könnten bis zu zehn Bewerbungen pro Monat vorgegeben werden, wobei allerdings die besondere Situation des Leistungsberechtigten zu berücksichtigen sei. Im konkreten Fall seien für den Bf. acht Bewerbungen nach Überzeugung des Gerichts jedenfalls angemessen.
Der Bf. sei auch verpflichtet, eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit im Sinn von § 10 SGB II anzunehmen. Hierzu gehörten auch Vollzeitstellen. Zwar könne nach § 10 Abs.1 Nr. 3 SGB II ein Beschäftigungsverhältnis unzumutbar sein, wenn es die Erziehung seines Kindes gefährden würde. Allerdings werde in § 10 Abs. 1 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB II die Regelvermutung aufgestellt, dass die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, in der Regel nicht gefährdet ist, soweit die Betreuung des Kindes sichergestellt ist. Folglich sei eine Berechtigung, Vollzeitstellen grundsätzlich abzulehnen, aus § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II nicht zu entnehmen. Vielmehr wäre bei jedem Stellenangebot gesondert zu prüfen, inwieweit die daraus entstehende Beschäftigung mit der Erziehung der zehnjährigen Tochter des Bf. in Einklang zu bringen sei und ob alternative Möglichkeiten der Betreuung des Kindes zur Verfügung stünden.
Auch die im Eingliederungsverwaltungsakt getroffene Regelung zur Kostenerstattung für Bewerbungen seien rechtmäßig, der Bg. habe zutreffend zwischen schriftlichen Bewerbungen und Onlinebewerbungen unterschieden.
Auch die Verpflichtung zur Nutzung verschiedener Medien bei der Stellensuche sei nicht rechtswidrig. Soweit der Bg. im Eingliederungsverwaltungsakt Printmedien wie „Donaukurier“ und „Ingolstädter Anzeiger“ anführe, sei dies nicht verpflichtend, sondern nur beispielhaft aufgeführt.
Was die Verpflichtung zur Bewerbung auf Vermittlungsvorschläge binnen drei Tagen des Bg. anbetrifft, stelle dies keine unzumutbare Belastung des Bf. dar.
Im Rahmen der Interessenabwägung sei darüber hinaus noch Folgendes zu berücksichtigen: Der Bf. mache nicht geltend, dass ihm bereits Nachteile durch den Eingliederungsverwaltungsakt entstanden seien. Der Bg. habe bislang noch keine Sanktionen auf der Grundlage des Eingliederungsverwaltungsaktes verhängt. Ein Eilverfahren habe jedoch nur die Aufgabe, eine gegenwärtige Notlage vorläufig zu beheben. Es sei grundsätzlich nicht Aufgabe des einstweiligen Rechtsschutzes, Rechtsfragen zu beantworten, die mit einer gegenwärtigen Notlage nichts zu tun haben. Auch beim Antrag auf Anordnung auf aufschiebende Wirkung nach § 86b Abs. 1 SGG sei die Eilbedürftigkeit insoweit ein wesentliches Abwägungskriterium (BayLSG Beschluss vom 14.11.2011, L 7 AS 693/11 B ER; BayLSG Beschluss vom 26.04.2010, L 7 AS 301/10 B ER). Im Ergebnis sei der Antrag abzulehnen.
Hiergegen hat der Bf. Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Der Bf. trägt im Wesentlichen dasselbe vor.
Der Bg. hält den Eingliederungsverwaltungsakt für rechtmäßig.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Nachdem der Bf. im Beschwerdeverfahren nichts neues Entscheidungserhebliches vorgetragen hat, wird die Beschwerde aus den Gründen der Entscheidung des Sozialgerichts zurückgewiesen und gemäß § 142 Abs. 2 SGG auf die Entscheidung des Sozialgerichts verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG unter Erwägung, dass der Kläger mit seinem Begehren erfolglos blieb.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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Keine aufschiebende Wirkung haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen Verwaltungsakt,
- 1.
der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft, entzieht, die Pflichtverletzung und die Minderung des Auszahlungsanspruchs feststellt oder Leistungen zur Eingliederung in Arbeit oder Pflichten erwerbsfähiger Leistungsberechtigter bei der Eingliederung in Arbeit regelt, - 2.
mit dem zur Beantragung einer vorrangigen Leistung aufgefordert wird oder - 3.
mit dem nach § 59 in Verbindung mit § 309 des Dritten Buches zur persönlichen Meldung bei der Agentur für Arbeit aufgefordert wird.
(1) Einer erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person ist jede Arbeit zumutbar, es sei denn, dass
- 1.
sie zu der bestimmten Arbeit körperlich, geistig oder seelisch nicht in der Lage ist, - 2.
die Ausübung der Arbeit die künftige Ausübung der bisherigen überwiegenden Arbeit wesentlich erschweren würde, weil die bisherige Tätigkeit besondere körperliche Anforderungen stellt, - 3.
die Ausübung der Arbeit die Erziehung ihres Kindes oder des Kindes ihrer Partnerin oder ihres Partners gefährden würde; die Erziehung eines Kindes, das das dritte Lebensjahr vollendet hat, ist in der Regel nicht gefährdet, soweit die Betreuung in einer Tageseinrichtung oder in Tagespflege im Sinne der Vorschriften des Achten Buches oder auf sonstige Weise sichergestellt ist; die zuständigen kommunalen Träger sollen darauf hinwirken, dass erwerbsfähigen Erziehenden vorrangig ein Platz zur Tagesbetreuung des Kindes angeboten wird, - 4.
die Ausübung der Arbeit mit der Pflege einer oder eines Angehörigen nicht vereinbar wäre und die Pflege nicht auf andere Weise sichergestellt werden kann, - 5.
der Ausübung der Arbeit ein sonstiger wichtiger Grund entgegensteht.
(2) Eine Arbeit ist nicht allein deshalb unzumutbar, weil
- 1.
sie nicht einer früheren beruflichen Tätigkeit entspricht, für die die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person ausgebildet ist oder die früher ausgeübt wurde, - 2.
sie im Hinblick auf die Ausbildung der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person als geringerwertig anzusehen ist, - 3.
der Beschäftigungsort vom Wohnort der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person weiter entfernt ist als ein früherer Beschäftigungs- oder Ausbildungsort, - 4.
die Arbeitsbedingungen ungünstiger sind als bei den bisherigen Beschäftigungen der erwerbsfähigen leistungsberechtigten Person, - 5.
sie mit der Beendigung einer Erwerbstätigkeit verbunden ist, es sei denn, es liegen begründete Anhaltspunkte vor, dass durch die bisherige Tätigkeit künftig die Hilfebedürftigkeit beendet werden kann.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten für die Teilnahme an Maßnahmen zur Eingliederung in Arbeit entsprechend.
(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag
- 1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, - 2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, - 3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.
(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.
(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.
(1) Für Beschlüsse gelten § 128 Abs. 1 Satz 1, die §§ 134 und 138, nach mündlicher Verhandlung auch die §§ 129, 132, 135 und 136 entsprechend.
(2) Beschlüsse sind zu begründen, wenn sie durch Rechtsmittel angefochten werden können oder über einen Rechtsbehelf entscheiden. Beschlüsse über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung und über einstweilige Anordnungen (§ 86b) sowie Beschlüsse nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache sind stets zu begründen. Beschlüsse, die über ein Rechtsmittel entscheiden, bedürfen keiner weiteren Begründung, soweit das Gericht das Rechtsmittel aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist.
(3) Ausfertigungen der Beschlüsse sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben.
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.
Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.