Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Okt. 2016 - L 18 AS 591/16 B PKH

published on 19/10/2016 00:00
Bayerisches Landessozialgericht Beschluss, 19. Okt. 2016 - L 18 AS 591/16 B PKH
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Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 25.08.2016 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.Der Kläger und Beschwerdeführer beantragte beim Beklagten am 08.01.2015 die Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille in Höhe von 1.000 EUR. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.04.2015 ab. Ein hiergegen gerichtetes Klageverfahren ist beim Sozialgericht Nürnberg (SG) unter dem Az. S 22 AS 466/15 anhängig.

Mit Schreiben vom 24.08.2015 beantragte der Kläger unter Hinweis auf ein Urteil des Sozialgerichtes Mainz vom 16.12.2014 - S 16 SO 8/14 beim Beklagten erneut die Kostenübernahme. Die Krankenkassen und der Rentenversicherungsträger trügen die Kosten nicht. Ein Kostenvoranschlag liege dem Beklagten bereits seit 2006 vor. Die Anschaffung der Brille sei für jede Maßnahme des Beklagten und auch für das tägliche Leben zwingend notwendig, da er ansonsten mit einer Überlastung seines Sehvermögens konfrontiert sei.

Am 12.04.2016 stellte der Kläger beim Beklagten wiederum einen Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille.

Am gleichen Tag hat der Kläger gegen den Beklagten Untätigkeitsklage erhoben, weil dieser bislang nicht über seinen Antrag vom 24.08.2015 entschieden habe. Zugleich hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragt.

Mit Beschluss vom 25.08.2016 hat das SG den Antrag auf Bewilligung von PKH und Anwaltsbeiordnung abgelehnt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers zum Bayerischen Landessozialgericht. Eine Begründung der Beschwerde ist nicht erfolgt.

II.Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist sie fristgerecht innerhalb eines Monats ab Zustellung des angegriffenen Beschlusses erhoben worden (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG). Ein Ausschlussgrund im Sinne von § 172 Abs. 3 SGG liegt nicht vor; insbesondere hat das SG seine Ablehnung der Bewilligung von PKH nicht auf das Fehlen der persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen gestützt.

Die Beschwerde ist aber unbegründet, weil das SG im Ergebnis zu Recht den Antrag auf PKH mangels hinreichender Erfolgsaussicht abgelehnt hat.

Nach § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Bei der Prüfung der hinreichenden Aussicht auf Erfolg im Rahmen der PKH erfolgt nur eine vorläufige Prüfung. Dabei ist der verfassungsrechtlich gezogene Rahmen (Art. 3 Abs. 1, 20 Abs. 3, 19 Abs. 4 Grundgesetz - GG) zu beachten. Deshalb dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Bundesverfassungsgericht - BVerfG -, Beschluss vom 07.04.2000 - 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936). Eine hinreichende Erfolgsaussicht ist anzunehmen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Klägers aufgrund der Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen für zutreffend oder zumindest für vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 73a Rn. 7, 7a) bzw. wenn die Erfolgsaussicht nicht nur eine entfernte ist (vgl. z.B. BVerfG vom 13.07.2005 - 1 BvR 175/05; BVerfGE 81,347,7 f.; st.Rspr.). Denn der Zweck der PKH, dem Unbemittelten weitgehend gleichen Zugang zum Gericht wie dem Bemittelten zu gewähren, gebietet, ihn einem solchen Bemittelten gleichzustellen, der seine Prozessaussichten vernünftig abwägt und dabei auch das Kostenrisiko mitberücksichtigt (BVerfG, BVerfGE 81, 347, 356 ff = NJW 1991, 413 f; BVerfG FamRZ 1993, 664, 665).

Auch unter Zugrundelegung dieser weiten Auslegung des § 114 ZPO ist eine hinreichende Aussicht der vom Kläger erhobenen Untätigkeitsklage auf Erfolg zu verneinen.

Nach § 88 Abs. 1 S. 1 SGG ist, wenn ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden ist, eine Untätigkeitsklage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann (S. 2). Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären (S. 3).

Die Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 1 SGG ermöglicht dem Betroffenen, falls die Verwaltung über einen von ihm gestellten Antrag nicht entscheidet, gegen das Untätigbleiben der Behörde gerichtlich vorzugehen. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass er durch die Untätigkeit in seinen Rechten beeinträchtigt bzw. sein geltend gemachter Anspruch vereitelt wird (vgl. Ulmer in Henning, SGG, Stand Oktober 2014, § 88 Rn. 1 und Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 88 Rn. 2). Im vorliegenden Fall droht dem Kläger eine solche Beeinträchtigung seiner Rechte jedoch nicht. Es fehlt ihm daher am Rechtsschutzbedürfnis für die am SG anhängige Untätigkeitsklage, so dass diese unzulässig ist.

Der Kläger hat erstmals am 08.01.2015 die Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille beantragt. Über diesen Antrag hat der Beklagte mit Bescheid vom 13.01.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 02.04.2015 ablehnend entschieden. Dagegen hat der Kläger Klage zum SG erhoben. Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Der vom Kläger am 24.08.2015 gestellte Antrag auf Übernahme der Kosten für eine Gleitsichtbrille ist als erneuter Antrag auf Sachentscheidung durch den Beklagten zu beurteilen. Er wurde nach Abschluss des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens gestellt und mit einer erweiterten Begründung versehen. Er ist daher auf den Erlass eines sog. Zweitbescheids durch den Beklagten gerichtet.

Da jedoch der Antrag von 24.08.2015, den der Kläger am 12.04.2016 nochmals wiederholt hat, inhaltsgleich zum Antrag vom 08.01.2015 ist, der Gegenstand einer laufenden gerichtlichen Überprüfung ist, besteht im vorliegenden Fall nicht die Gefahr, dass der Kläger durch die Nichtverbescheidung seines Antrags vom 24.08.2015 in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Ein Rechtsschutzbedürfnis für die am 12.04.2016 beim SG erhobene Untätigkeitsklage ist daher zu verneinen.

Eine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 ZPO ist mithin für den geltend gemachten Klageanspruch nicht gegeben. Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.

Dieser Beschluss ergeht kostenfrei, § 183 SGG; er ist unanfechtbar, § 177 SGG.

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Annotations

(1) Gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte findet die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Vertagungsbeschlüsse, Fristbestimmungen, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen und Sachverständigen können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Die Beschwerde ist ausgeschlossen

1.
in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte,
2.
gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn
a)
das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint,
b)
in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder
c)
das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist,
3.
gegen Kostengrundentscheidungen nach § 193,
4.
gegen Entscheidungen nach § 192 Abs. 4, wenn in der Hauptsache kein Rechtsmittel gegeben ist und der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 Euro nicht übersteigt.

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozeßkostenhilfe mit Ausnahme des § 127 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozeßordnung gelten entsprechend. Macht der Beteiligte, dem Prozeßkostenhilfe bewilligt ist, von seinem Recht, einen Rechtsanwalt zu wählen, nicht Gebrauch, wird auf Antrag des Beteiligten der beizuordnende Rechtsanwalt vom Gericht ausgewählt. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer, vereidigter Buchprüfer oder Rentenberater beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Prozeßkostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn der Beteiligte durch einen Bevollmächtigten im Sinne des § 73 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 bis 9 vertreten ist.

(3) § 109 Abs. 1 Satz 2 bleibt unberührt.

(4) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(5) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(6) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 4 und 5 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(7) § 155 Absatz 4 gilt entsprechend.

(8) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 4 und 5 kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe das Gericht angerufen werden, das endgültig entscheidet.

(9) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 4 bis 8 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, daß der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären.

(2) Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, daß als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

Entscheidungen des Landessozialgerichts, seines Vorsitzenden oder des Berichterstatters können vorbehaltlich des § 160a Abs. 1 dieses Gesetzes und des § 17a Abs. 4 Satz 4 des Gerichtsverfassungsgesetzes nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden.